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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041128027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904112802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904112802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-28
- Monat1904-11
- Jahr1904
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Anzeigen-YrelS die 6gespaltene Petitzeile 2S Reklamen «nter de« RedaktionSstrtch (4 gespalten) 7b »ach de» Famtltennach» richten (6 gespalten) 50 -H. — tabellarischer und Ztfstrnsay werde» entsprechend höher be rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnannahme 2b Nnnatzmeschlatz für Anzeige«: Lbend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Margen-AuSgab«: nachmtttagS 4 Uhr. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richte». Ertrn»Beilagen (nur mV der Marge». Ausgabe) »ach besonderer Vereinbarung. »1- «rdedtttan ist Wochentag« ununtkkbrocheu geöfsuet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Bolz in Leipzig (Inh. vr. B, St. L W. »liuthardt). Nr. M. Montag den 28. November 1904. 98. Jahrgang. Var AiGtigZte vom Lage. * Durch Verhandlungen der einzelnen preußischen Ressort« mit dem Finanzministerium ist das Gleichgewicht im preußischen Etat 190b hergestellt. (S. Dtsch. Reich.) * Der in Stettin eingelaufene Dampfer „Emma" aus Hamburg ist im Stettiner Freibezirk als pest verdächtig ausgesperrt worden. * Der Kohlenschacht Klarenthal der Staatsgrube Saarbrücken wurde durch schlagende Wetter in Brand gesetzt, wodurch neun Bergleute lebensgefähr liche Brandwunden erlitten. (S. A. a. W.) * Lord LanSdowne hat eine Zirkularnote an die Syn dikate der Reeder, die Handelskammern und Handelsgesell schaften gerichtet, worin für die Kohlenlieferungen an russische Kriegsschiffe strengste Strafen angekündigt werden. (S. russ.-jap. Krieg.) "Vier russische Kreuzer und 1 Transportschiff von der Ost se eflotte sind vor dem Hafen von Dover eingetroffen. Die Schiffe liegen etwa 3 Meilen von der Küste. (S. russ. jap. Krieg.) Var vermögen Oer Zoriaiaemokratie. Beim Erscheinen des neuesten Rechenschaftsberichts, den der Parteivorstand der Sozialdemokratie für den Parteitag in Bremen erstattet hat, ist wiederum die Frage aufgeworfen worden, wie hoch das Kapitalvermögen der Partei sein möge. Die Frage wird in den „Mitteilungen f. d. Vertrauens»», d natlib. Partei" beantwortet, soweit eS sich um Kapitalien handelt, die aus ordentlichen Einnahmen der Parteikasse sich aufsammeln. U. Z. sind die Kassenberichte nachgesehen, seitdem eben solche Berichte öffentlich erstattet werden, d. h. seit Aufhören deS Sozialistengesetzes. Nun hat aber die Partei auch vorher nicht ohne Kapital vermögen gewirtschaftet. Es ist nur damals nicht nachgewiesen worden, wenigstens nicht öffentlich. Indessen läßt es sich un gefähr Wohl ermitteln. Als Bebel im Oktober 1890 dem Partei tag in Halle den Geschäftsbericht vortrug, erwähnte er eine Ein nahme aus Zinsen in Höhe von 5 690,60 DaS Vermögen der Partei war damals in London zinsbringend angelegt und unter der Voraussetzung, daß es die damals üblichen 4Proz. erbrachte, würde dem genannten Zinsertrag ein Vermögen von 142 265 -e entsprechen. Wir nehmen an, daß dies keinesfalls zu niedrig gegriffen ist; denn ein Teil des Vermögens der Partei pflegte stets zu zinslosen oder niedrig verzinslichen Darlehen zu dienen. Wie dann die Kapitalien in den wahlfreien Jahren sich vermehrten und in den Wahljahren wieder sich verminderten, bis daS üppige Jahr 1903 kam, das ungeachtet hoher Wahl kosten dennoch eine Erhöhung deS Kapitalbesitzes der Partei gestattete, mögen folgende lehrreichen Ziffern veranschaulichen; sie sind aus den Berichten des Parteivorstandes ausgezogen, also vollkommen einwandfrei. Angenommen also, das Vermögen habe am 1. Oktober 1890, als das Sozialistengesetz fiel, betragen .^> 142 265,00 Dann folgen Kapitalanlagen: im Berichtsjahr bis 30. September 1891 - 94 080,95 - - - 80. - 1892 . S7 700,40 Summa .ck 264 046,35 Hingegen wurden der Reserve entnommen im Berichtsjahr (Wahljahr) bis 30. September 1893 - 54753,00 blieben .6 209 293,35 Nun folgen Kapitalanlagen im Berichtsjahr bis 30. September 1894 - 133 774,20 - . . 31. August 1895 (11 Monate) - 62 857,30 . . . 31. 1896 - 29 432,60 - - . 31. - 1897 - 1660,00 Summe 437 017,45 Der Reserve entnommen wurden biS 31. August 1898 (Wahljahr) - 25907,93 blieben 411109,5 2 Hinwiederum Kapitalanlage bis 31. August 1899 - 95 069,90 Summe .6 506 179,42 Ausnahmsweise, im Interesse befand. Zeitungs gründungen usw., der Reserve entnommen bis 31. Juli 1900 (11 Monate - 33 345.90 blieben .4«. 472 833,52 Dann aber nur noch Kapitalanlagen: im Berichtsjahr bis 31. Juli 1901 - 22 581,10 - - - 31. - 1902 - 16376,35 - - - 31. - 1903 (Wahljahr!) ' - 527l8,86 - - - 31. - 1904 - 262 648.00 Mithin am 31. Juli 1904 Summe 82- LK-M Der Kriegsschatz des inneren Feindes hat also eine Höbe erreicht, die vermutlich um ein Namhaftes über die Summe der Kriegsmittel aller bürgerlichen Parteien emporragt. Und wenn das Beitreiben der Parteisteuern so weitergehen sollte, wie im letzten Berichtsjahr, wird binnen Jahresfrist die erste Million voll sein. Dabei ist dies keineswegs der einzige JuliuSturm, aus dem die sozial revolutionäre Demokratie im „Ernstfälle" ihre Mobil machungskosten bestreiten kann. Abgesehen von ver schiedenen Erbschaften und Schenkungen, die stiftungsgemäß der persönlichen Verwaltung unterstellt sink, sammeln ja die Gewerkschaften noch ganz andere Reserve fonds, auf die bei den parteipolitischen Kämpfen leicht zurUckzegriffen werden kann. Man braucht nur wirtschaftliche, bezw. gewerkschaftliche Zwecke anfangs damit verknüpft zu haben oder sie im Verlauf des Kampfes bannt zu verknüpfen. So wenig sich gegen die Ziffern der parteiamtlichen Be richte etwas wird einwenden lassen, so auffallend gering ist meistens der Zinsgenuß, den die Vermögensverwaltung zu er wirken in der Lage ist. Beispielsweise werden im Berichts jahr 1903/4, daS »nit 209 293 Vermögen beginnt und mit 343 067 ^ abschließt, nur 5772 Zinsen nachgewiesen. Das jetzt abgelaufene Jahr 1903 4 beginnt mit 564 509 und envet mit 827 000 --e Vermögen, erbrachte aber nur 18 820 -4k Zinsen usw. Das sind im Jahresmittel nur zwischen 2 und 2^/« Proz. Es finden eben, wie schon erwähnt, im Laufe deö Jahres größere Entnahmen aus dem Reservefonds zu zinslosen Darlehen, Betriebs zwecken usw. statt. Wollte man diesen niedrigen Zinsfuß auch für das letzte Jahr unter dem Sozialistengesetz annehmen, so käme man für den 30. September 1890 auf eine Ver- mögenSziffer, die noch um 70 bis 80 000 über den von unS angenommenen Betrag hinausreichen würde, demgemäß auch für den 3l. Juli 1904 bereits zu einer Ziffer von rund 900 000 Gleichviel indessen, di? „Partei der Enterbten" ist jedenfalls unter den Kriegführenden bei Weitem die reichste. ver ruttizch-lapanirche ffrleg. Der „Standard" meldet von gestern aus Washington, daß alle Mächte mit AuSnabine von Japan und Rußland bereits Mitteilung von der Annahme der Ein ladung zur Friedenskonferenz gemacht hätten. Eine weitere Note der Mächte werde die Verbandlungöpunkte zum Gegen stand haben. ES ist eine Gerichtssitzung zu der nur Publikum erschienen ist. Da» russisch-englische Abkommen, dessen Umrisse von uns im Morgenblatt gemeldet worden sind, lautet in dein aus Petersburg telegraphierten genauen Text: Nachdem die russische und die englische Regierung über- eingekommen sind, einer internationalen Untersuchungs kommission, die gemäß den Artikeln IX und XIV der Haager Konvention vom 17./29. Juli 1899 für die friedliche Regelung internationaler Konflikte zusammentritt, die Ausgabe anzuvertrauen, durch eine unparteiische gewissenhafte Prüfung den Tatbestand deS Zwischen falls aufzukläreu, der sich in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober in der Nordsee zutrug und in dessen Verlaufe infolge Abgabe von Kanonenschüssen durch die russische Flotte der Untergang eines Boote« und der Tod zweier der englischen Fischerflottille angehorenben Personen sowie Beschädigungen anderer Boote dieser Flot tille und Verwundungen von Mannschaften einiger Boote verursacht wurden, haben sich die Unterzeichnete», die hierzu ermächtigt sind, über folgende Bestimmungen geeinigt: Artikel 1. Die UntersuchungSkommission wird sich aus 5 Mit- gliedern zusammenietzen. Zwei davon sollen Osfiziere von hohem mang aus der rusfii chen und englischen Marine sein. Ferner werd.,, die französische Regierung und die der Vereinigten Staaten ersucht werden, aus ihren Marineoffizieren je einen von hohem Rang als Mitglied der Kommission zu wählen. Das fünfte Mitglied der Kommission wird durch Uebereinkommen zwischen diesen vier Mitgliedern bestimmt werden. Im Falle eine Einigung zwischen letzteren nicht zustande kommen sollte, wird das sünite Mitglied durch den Kaiier von Oesterteich ernannt werden. Jede der hohen vertragschließenden Parteien wird in gleicher Weise rechtskundige Beisitzer mit beratender Stimme und einen Agenten ernennen, die beauftragt werden, an den Arbeiten der Kommiision offiziell teilzunehmen. Artikel 2. Die Kommiision bat eine Untersuchung vorzunehmen und einen Bericht auszustellen über die auf den Vorfall bezüglichen Umstände, insbesondere über die Fragen der Verantwortlichkeit und den Grad des Tadels, der die Staatsangehörigen der beiden hohen vertragschließenden Parteien oder eines anderen Landes trisst, sür den Fall, daß die Verantwortlichkeit durch die Unter suchung festgestellt sein sollte. Artikel 3. Die Kommission wird die Einzelheiten des Verfahrens festsetzen, das von ihr behufs Ausführung der Aufgabe befolgt »verden soll, die sie zu lösen hat. Artikel 4. Die beiden hohen vertragschließenden Parteien ver pflichten sich, der Kommistion in wrttrstgehendem Maße alle Mittel und Erleichterungen zu gewähren, die notwendig sind zur vollständigen Erkenntnis und genauen Abwägung der in Frage kommenden Tatsachen. Artikel 5. Die Kommission wird in Pari» znsammentreten, sobald sich dies nach der Unterzeichnung dieses Abkommens aus- führen lassen wird. Artikel 6. Die Kommission wird den beiden Parteien den Be richt einreichen, der durch sämtliche Mitglieder der Kommission zu unterzeichnen ist. Artikel 7. Die Kommission wird alle Entscheidungen mit Stimmenmehrheit der 6 Kommissare treffen. Artikel 8. Die beiden Parteien verpflichten sich, jede für sich die Kosten der Untersuchung zu tragen, soweit sie von jeder Partei vor Zusammentritt der Kommiision anaestellt ist. Das die Unkosten anbetrifft, die entstehen von dem Zeitpunkt an, an dem die Kommission zusammengetreten ist, für die Installation und für die notwendig werdenden Nachforschungen, so sind diese gemeinsam von beiden Regierungen zu tragen Zum urkundlichen Beweise haben die Endesunterzeichneten dies« Erklärung unterzeichnet und präsentiert und ihre Siegel darunter gedrückt. tan«d»vn« über Aehlenlieferrrng «nd Arlegrkentrebande. Durch die geschäftlichen Hindernisse der letzten Woche, durch japanische Vorstellungen und durch di« neuen Konfis kationen belehrt, hat nach einem Londoner Telegramm LanSdowne in einem offenen Schreiben di« englischen Schiffsbesitzer vor der Vercharterung von Dampfern zum Zwecke der Begleitung der russischen Flotte mit Kohlenvor- ralen verwarnt. Er macht notgedrungen darauf aufmerksam, daß die Firmeninbaber, die sich einer derartiben Handlung schuldig machten, mit Geld- und GefängnrS- strafen und dem Verlust ihrer Schiffe bestraft werden könnten. DaS Schreiben nimmt auf eine ähnliche Erklärung Gladstone« während de« deutsch-franzö sischen Kriege« bezug und betont, daß die Neutralen Handel mit Kriegskontrebande zwar auf eigene« Risiko treiben können, dabei aber die englischen Gesetze in diesem Punkte nicht außer Acht lassen dürfen. Da« Ersuchen der Liverpooler Handelskammer, genauere« über di« Stellung der englischen Regierung gegenüber der russischen über die Frage der Kriegskontrebande zu äußern, beantwortet LanSdowne in einem zweiten Schreiben, in dem er sagt, daß über diese Frage noch verhandelt werde. Die englische Re gierung habe sich von Anfang an dagegen verwahrt, daß der Begriff Kriegskontrebande eine derartige Erweiterung erhalte, daß Kohlen, Baumwolle und Maschinen darunter gerechnet werden, und sie halte an diesem Standpunkte fest. Die russische Regierung habe bis jetzt keine Neigung gezeigt, Kohlen, Rohbaumwolle und Maschinen nicht al« Krieg«- konirebande zu betrachten; das Urteil dt« Pkisengericht« m Sachen der „KalchaS" lasse aber erkennen, daß man Maschinen nur in beschränkter Weise als Kriegskontrebande ansehe. Die englische Regierung werde sich nicht für gebunden halten, irgend eine Entscheidung deS PrisengerichtS sür gültig an- zusehen, wenn die Entscheidung nicht mit den festgesetzte» Prinzipien de« internationalen Rechts übereinstimme, sie werde aber die Forderungen britischer Untertanen in solchen Fällen unterstützen. Fünf russisch« Schiff« vor Dover. Wie daS Bureau Reuter meldet, sind am Sonnabend spät abends 5 Schiffe der baltischen Flotte, 2 Kreuzer und 3 Hilfskreuzer, wozu nachher noch 2 Dampfer, offenbar Kohlenschiffe, kamen, 3 Meilen von der Küste von Dover zu Anker gegangen. Sie signalisierten einander; VieKreuzer machten häufig von ihren Scheinwerfern Gebrauch. ES wird gemeldet, daß die Schiffe geankert hätten, weil rin« vea ihnen Feuilleton. Die heilige Caeeilie. 36s Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten. Annemarie machte vor dem Spiegel eine unruhige Bewegung. Ihre Augen nahmen einen gespannten Aus druck an. „Ist es dem gnädigen Fräulein so nicht recht? Soll ich den Knoten etwas höher stecken?" fragte die Zofe. „Ich — ich weih nicht recht! Was meinen Sie, Greta? Ist es so kleidsamer für mich oder etwas höher?" Anne marie sprach sehr lebhaft, hell tönte ihr klingendes Stimmchen durch das Zimmer. „Geben Sie 'mal den Handspiegel herüber! Ich will doch die Frisur so hübsch wie möglich haben!" „Gnädigem Fräulein steht jede Frisur zu Gesicht, das ist meine ehrliche Meinung. Mit den Augen und dem Haar, den schönen Zähnchen — und überhaupt, — da können gnädiges Fräulein alles wagen!" Es war die „ewige Melodie", die Annemarie jetzt täglich und stündlich zu hören bekam, — von hoch und niedrig, von ihrein Verlobten, von den Onkels und Vettern, von den Dienstboten, die sie umgaben, von den Lieferanten, bei denen sie einkaufte. Aber sie hörte sie gern, sie quittierte immer wieder dafür mit ihrem strahlenden, lieblichen Lächeln so auch jetzt! Und Greta sah dies lächelnde Gesichtchen im Handspiegel und dachte, wie schon so oft: „Zu füh ist die Kleine! Kem Wunder, daß die Männer wie die Verrückten hinter ihr Ker sind!" Also den Lockenknoten etwas höher genommen, die Schildplattnadeln mit vorsichtiger Hand in das lockere, duftige Haar geschoben, — leicht und geschickt das Kleid übergeworfen. Wie daSKöpfchen sich rasch duckte und gleich darauf au» dem weihen Wellenschaum der Seide empor tauchte, da konnte sich Greta nicht enthalten, während sie mit flinken Fingern die Spangen und Häkchen über Brust und Achseln schloß, voller Ucberzeugung zu sagen: „Gnädiges Fräulein werden heute die schönste von der ganzen Hochzeitsgesellschaft sein!" „Meinen Sie? Wer weiß! Fräulein Brückner, — die Braut" — „Ach, ich kann mir gar nicht recht denken, daß Fräu- lein Brückner die schwere Tamastrobe und der Myrthen- kranz gut zu Gesicht stehen wird! Für Fräulein Brückner passen nur leichte, farbige Stoffe, — heute natürlich ein Ding der Unmöglichkeit! Nun, man wird ja sehen! Ich komme auch in die Kirche, gnädige Frau hat es mir erlaubt, — ich fahre mit unserem Eduard im Taxameter hin. Wenn man alle Herrschaften im Brautzug kennt, — so was ist doch zu interessant!" Ein leises Pochen an der Tür, — eine schmeichelnde Stimme: „Darf ich hinein, Liebchen?" „Oswald, — nein, — noch nicht! Wart' noch ein Weilchen!" Annemarie nahm Handschuhe und Taschentuch, musterte sich sehr aufmerksam iin hohen Stehspiegel. „So hat Mama sicher ausgesehen, wenn sie ihre Petersburger Bälle besuchte!" mußte sie denken. Und sie sah sich selbst im Geist auf dem Fußbänkchen im kleinen, engen Hinter zimmer «zu Hause" kauern, die verschränkten Hände auf der Mutter Knie gelegt, und hörte sich fragen: „Warst du unglücklich, Mamachen, daß du den schönen Offizier nicht bekommen konntest?" „Sehr, mein Kind! Und es hat lange, lange gedauert, bi» ich es verstehen und ein sehen lernte, daß das nie mein wahre» Glück geworden wäre und daß daS Schicksal e» gut mit mir gemeint hatte, al» e» mir diesen brennenden Wunsch versagte, mein Herz hatte zu wenig teil an dem Wunsch! E» war wie ein Rausch iiber mich gekommen, — aber solch' ein Rausch hält nicht für ein ganze» Leben vor, und er hat einen sehr, sehr Kittern Nachgeschmack!" Es war eine außerordentlich lebendige Erinnerung in Annemarie, aber sie kam ihr gewaltig zur Unzeit. Warum sie denn auch heute, auch jetzt so viel an ihre Mutter denken mußte und gerade an deren Petersburger Zeit! Sie wollte das lieber ein andermal tun! Da draußen stand ihr Verlobter, der auf sie wartete! „Legen Sie Mantel und Kopfshawl hierher, Greta! So! Ich danke Ihnen! Komm' herein, Oswald!" Lachend schlüpfte die Zofe hinaus; für einen Augen- blick war das Brautpaar allein. „O du mein Juwel, — mein Prinzeßchen, — mein Süßes!" Jedes Fingerspitzchen wurde andachtsvoll geküßt, dann die rosigen Handflächen. Hierauf wurde die kleine Braut sehr vorsichtig in die Arme genommen, — sie hätte gar nicht nötig gehabt, an ihr duftiges Kleid zu erinnern. Oswald Mentzel wußte, was er eleganten Damentoiletten bieten konnte! Mit leicht bebenden Händen versah er seinen „Dienst" als glücklicher Bräutigam, legte die feine Goldkette mit den Perltröpfchen um den weißenHals, den geschmeidigen Armreifen um das zarte Handgelenk, — eS war Annemaries einziger Schmuck bisher, und sie war um so stolzer darauf. „Du bist die schönste heute! Weitaus die schönste!" Mit aufgeregt glänzenden Augen ging er in kleinem Kreise um sie herum, — einen Moment standen sie neben einander vor dem großen Spiegel, — auch er bildhübsch und elegant im schwarzen Gesellschastsanzug. „Man wird mich um dich beneiden, und vice vers»!" lachte er triumphierend. „So soll e» sein! So gehört eS sich für uns!" Eine halbe Stunde später standen sic nebeneinander in der imposanten Garnisonkirche in der Nähe deS Altar». Was der Geistliche sprach, davon verstanden sie wenig, — eS gab einen so starken Widerhall unter dem hohen Gewölbe. WaS gab e» auch alle» zu sehen, zu beobachten, zu bedenken! Eine kurze Spanne Zeit, —und sie würden auch so nebeneinander am Altar knieen, wie setz: eben Hans Joachim von Bassewitz mit seiner Melanie, und würden die Ringe tauschen und Mann und Frau sein! Es kam wie eine glühende Welle über Annemarie Lombardi, eS packte sie wie eine heiße Angst. Mann und Frau! Was daS heißen wollte! Und verbunden fürs Leben! Ja,.... ka n n t e sie denn auch den Mann an ihrer Seite genügend, um ihm anzugehören „in Freude und Leid, bis der Tod sie scheidet?" ES klang sa feier lich, so ernst! Und vom Orgelchor herab tönte süßet, heiliger Gesang: „Wo du hingehst, da will ich auch hin gehen, — wo du bleibest, da bleibe ich auch! Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, — da will ich auch begraben werden!" Zu seinem großen Erstaunen wurde OSwgld Mentzel ge. wahr, wie ein leises Zittern die junge Gestalt seiner Braut erfaßte und wie ihr liebreizendes Gesichtchen er- blaßte. Es war wohl die Musik, die an ihre künstlerische Seele rührte! — Wieder eine Stunde später saß die ganze glänzende Hochzeitsgesellschaft in einem der festlich dekorierten Säle des Kaiserhofe» an prunkvoll gedeckter Tafel. Lustige Militärmusik spielte, schöne Augen leuchteten ver heißungsvoll, seidene Roben rauschten und knisterten, de» Strahl des elektrischen Lichtes funkelte aus reichen Uniformen und lockte ganze Garben bunten Sprühfeuers au» den kostbaren Schmuckstücken der Damen. Witzige Toaste „stiegen", — der Pastor hatte e» gnädig gemacht und nur ganz kurz gesprochen. Der Mann wußte, was sich ziemte er hatte ja in der Kirch« auSgiebig genug für di« unausbleibliche Rührung gesorgt, — jetzt konnte man, Gottlob, den sogenannten „Ernst de» Leben»' hinter sich lassen! — DaS neuvermählte Paar machte mit den ge füllten Gektgläsern die Runde; man stand aus, ging ihm entgegen, rückte di« Stühle.
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