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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041128027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904112802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904112802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-28
- Monat1904-11
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seine Maschine repariert babe. Am Sonntaa früh waren die Schisse durch Nebel verhüllt, aber Schisser meldeten, daß sie immer noch an ihrem Ankerplatz laze«. Der Generalstrrrn« Port Arthur. Neber den Sturm aus Port Artbur wird au» Tokio, wo eine Depesche de« kaiserlichen Haupiquarlierb au-gegeben worden ist, weiter berichtet, daß tausende von Japanen an den Glacis von Erlungichan, Sungfuschan und den nördlichen Fort- von Oslilweu'chan bmauislürmten. Die Russen leisteten einen verrweiselten Widerstand vor den Hinteren Trancheen. Es verlautet, gegen Erlung'chan batten die Japaner Erfolg. Der Fall von Port Artkur stehe unmittelbar bevor. In Tokio herrscht unaedeure Aufregung. Nach einem Pariser Telegramm sind die von den Generalen Nakamuro und Saito ausgebildeten Stüimcrabteilungeu nach Art der sranzö» fischen Pioniere zur Zeit deS Kaiserreichs ausgerüstet. Sie tragen einen bis über die Augen reichenden Helm, Brust harnisch und kurzen, schweren Säbel, und führen Hacke und Handgranaten. Die japa: isshe Armee in der Mantschurei. Auf Grund von Taten des Nachrichtenbureaus des russischen GeneralstabeS meldet Nemirowitsch Danlsckenko, die Armee Kurokis bestehe aus der Garde- Division, der 1., 2. und 12. Armee-Division und aus der 5. Reserve-Division. Nodzus Armee wird gebildet aus der 9., lO. und ll. Armee-Division, aus der ll. Reserve-Division und aus einer Kavallerie- Brigade. O kus Armee besteht aus der 3., 4. und 6. Armee- Division und aus einer Kavallerie-Brigade. Von der Re serve seien bereits 46 und von der Territorialarmee gegen 30 Prozent einberusen. 300 Bauernhöfe batten je >3 Mann zur Komplettierung der Armee nach der Schlackt bei Liaojang gestellt. Japanische Gefangene sagten aus, die jetzige Armee bestehe aus 31 Prozent aktiven Soldaten, 32 Prozent Reservisten und 36 Prozent Territorialtruppen. Ein Prozent sei krank. Aebnlick wie Nemirowitlck Dantschenko berichtet auctz^ die russische Telezraphen-Agenlur, ras Aus bleiben von Liegen lähme die Energie der Japaner. Gefangene, welchen scherzweise die Rückkehr zu den Ihrigen vorgescklagen wurde, antworteten, bei den Ruffen sei es besser. Dem Reulerschen Bureau wird aus Tlckifu vom 26. d. M. gemeldet: Die Japaner geben hier eine alle 14 Tage er- scheuende chinesische Zeitung heraus, in der sie für sich Propaganda machen. politirche Lagesrebau. * Leipzig, 28. November. ^N»ftnrz" »es Alotteuprogramms? Der „Vorwärts" behauptet. Laß „der erneute Umsturz des Flottenprogramms von 1900 bei den entscheidenden Stellen bereits beschlossene Sache ist. . . . Es verlautet, die Re gierung wolle nur erst den Etat durchberaten lassen, um dann mit diesen Plänen herauszukommen. Sind erst die bedeutenden Mebrforderungen res Etats unter Dach gebracht, dann wirb man mutig, neue Kriegs schiffe zu fordern." — Diese Ausstreuungen entbehren jeder Begründung. Das Flottenprogramm von 1900 wird, wie wir von beftunterrichteter Seite hören, vollkommen innegehalten werden. Neusorderungen im Sinne des „Vorw." sind dabei nicht zu erwarten. Wir bringen diese Jntormation übrigens, obne von den darin ausge sprochenen Absichten entzückt zu sein. Was wäre denn gar so Schreckliches dabei, wenn wir wirklich die Absicht hätten, den Ausbau unserer Flotte zu beschleunigen? Au« Bcrusteiil-Baqkott. Mit jener Freundlichkeit der Sitten, die allein genügt, das Leben im Zukunftsstaat sür jeden Erdenbürger wonnig zu gestatten, schreibt der „Vorwärts": „Einer der . . Esel bringt die Einstellung des Bernsteinschen Blattes mit dem Boykottantrag der zehn Berliner Parteigenossen zusammen. Die Albernheit ist um so gröber, als die Bertrauens- lerste von Groß-Berlin, bevor (!) sie Kenntnis von dem Eingehen des Montagsblattes hatten, gerade einen Beschluß gefaßt hatten, der sich ganz entschieden gegen die Zumutung (!) der zehn Genossen erklärt." Welchen Wert dieser verzweifelte Versuch hat, abzuleugnen, daß der arme Bernstein das Opfer des Boykotts seiner „Genoffen" geworden ist, lebrt folgende Auslassung der sozial demokratischen „Sächsischen Arbeiterzeitung": „Nachdem in letzter Zeit eine Anzahl Parteigenossen aller Berliner Wahlkreise ofien die Boykottierung des Bernsteinschen lloternehmeus gefordert, war schwerlich ein anderer Aus gang (als daS Eingehen des Montagsblattes. D. Red.) möglich." Das genügt! Wie konnte aber das Dresdner Sozialisten» blatt nur so unvorsichtig sein, dem „Eiel"-Hiebe des „Vorw." in die Parade zu jähren? „Einfach scheußlich!" Das Deutschtum in Südamerika und der „Falke". Der vielgenannte kleine Kreuzer „Falke", der einst vor Samoa einen so schweren Stand batte und dann jene be rühmt« Fahrt den Amazonenstrom hinaufmackte, ist jetzt wieder aus einerFahrt »ach denHa.upthandel«städtenSüd- amerikaS begriffen, die zweifellos zur Stärkung deS Deutschtums außerordentlich viel beigetragen hat. Der 1570 t große und am 4. April l89l vom Stapel gelaufene Kreuzer gekört zu der unter dem Befehle des Kapitäns z. S. und Kommodore Schroeder (Ludwig) stehen den amerikanischen Kreuzerdivlsion, die jetzt so weit auS- einandergezogen ist. Vier Wochen hat der Kreuzer sich vor Buenos Aires aufgebalten, eS war eine Anzahl Repara turen notweodig. Kaßitänleulrzgut Bebncke und alle leine Offiziere haben sich tuchtm in der argentinischen Metropole zimgeitben, die deutschen Schulen belucht, in La Plata ge legentlich der Uebergabe des HafenS an die Nationalregierung einer Flonenrevue und Truppenrevue beigewobnt, fremden Kriegsschiffen einen Beluch abgestattet und sich auch an wissenichaftlichen Exkursionen beteiligt. Die Deutschen in Buenos-AireS, welcke leider 5'/, Jahre lang eia deutsches Kiegsichiff nicht geichaut, hatten sich an Aus- merksamleiten für die Offiziere und Mannschaften deS „Falke" jörmlrch überboten; jeder Verein (Gesangverein, Krieger verein, Turnverein) hatte eine Festlichkeit arrangiert, an der außer den Offizieren und Mannickasten des „Falken" der deutsche Geianbte von Waldthausen, der Legationssekretär Graf Hacke, der Generalkoniul von Sanden nebst Gattin teilnabmen. Es kam bei den Festlickkeitcn zu bemerkens werten Reden; Korvelien-Kapitän Behacke hob hervor, daß eS für ihn eine große Freude gewesen sei, daß das Erscheinen des „Falke" die Deuticken so ein mütig und in so großer Zahl zusammen geführt habe. Der deutiche Gesandte von Waldthausen, der des Präsidenten von Argentinien Dr. Oniniana gerächte, betonte den wert vollen Schutz, welchen die Deutschen in Argentinien genießen, und wies aus die erstaunlichen Fortschritte hin, welche Argentinien auf allen Gebieten in den letzten Jahren gemacht habe. Auch in Rosario, der zweitgrößten Stadt Argentiniens, kam es zu einmüligenden Kundgebungen der Deutichen. Dieie Kreuzerfahrten sind ein mächtiger Hebeck für daS Deutschtum, schade, daß sie nur so selten gemacht werden können, denn die Kreuzer division sür ganz Amerika besteht la nur aus dem großen Kreuzer „Vineta", den kleinen Kreuzern „Bremen", „Falke" und dem Kanonenboot „Pantber". Bei dieier Gelegenheit ser bemerkt, daß die „Vineta" in die Heimat zurück berufen rst, sie bedarf einer größeren Reparatur (in Wilbelmsbaven), nach deren Vollendung sie wieder nach Amerika aboampfen wird. DaS französische Schutzrecht im Orient. Ai» Freitag bat in der Deputiertenkammer daS Schutz- reckl Frankreicks über die orientalischen Katholiken zur Verhandlung gestanden, und Combes hielt eine große programmatische Rede, aus der einiges zu zitieren ist, was bei der flüchtigen telegraplmchen Berichterstattung unlergeht. Der Cbef des republikanischen Ministeriums möchte nämlich erreichen, daß selbst nach der Trennung der Kirchen vom Staate werken die Verträge bezüglich des Pro tektorats ihre Gültigkeit beballen. Darum sagt er, sie seien ohne Mitwirkung des Papstes abgeschlossen worden und er sei in keiner Weise qualifiziert, ihre Fassung abzuändern: „Man ist in Rom übrigens viel zu klug und vorsichtig, um zu glauben, baß derartige Drohungen aus uns irgend eine Wirkung ausüben könnten." Aber auch Herr Combes ist klug genug, um zu bekennen, baß Pius X., wenn man ihm den Stuhl vor die Thüre setzt, in der Lage ist, die Republik politisch zu bestrafen. Er suchte deshalb der Kammer zu be- weifen, der Nutzen Les Schutzrechls sei gar nickt so groß. Er klagte, daß trotz der Millionen der französische Handel in China von England, Deutschland und den Amerikanern überflügelt worden sei. Aber die Segnungen des Handels m Kleinasien und auch die bumanitäre Beglückung der Armenier will Combes nickt fahren lassen; seine Staatsreligion und Schaffnerin ist „eine menschlichere, erhabenere und freiere Philosophie". Endlich ivll an den untolldarischen Egoismus der einzelnen Kongregationen gedacht werden. Der Ministerpräsident er zählte, baß die Oberen der Dominikaner, Franziskaner und Kapuziner ErmächtigungSgesuche sür ihre llnterrichtsanstalten eingereicht hätten, sodann aber ihm betrübt gestanden, daß ihnen dies von Rom verboten worden sei. Endgültig soll nichts geschehen, man peroriert nur. Das geflickte rumänische Sadiuctt. Aus Bukarest, vom 26. November, schreibt unser L.-Korrespondeut: Das Verbleiben des Ministers des Innern Vasile La sc ar im Amte stellt sich als eine Niederlage der .^eunesso gensrou»«" und der „OoultL" und als eine durch das Demisfionsgeinch Lascars erzwungene Festigung der Stellung dieses Ministers und deS mit ihm Hand in Hand gehenden Fman (Ministers Costinescu dar. Die Anhänger der .^sunessv gSnereu-rs" und der „OeultL" sind gezwungen worden, ihren Degen vor diesen beiden ehemaligen Dragelisten zu senken. Doch werden schon jetzt aus dem libe ralen Lager Stimme« laut, welche darauf schließen lassen, daß der unter dem Druck der Verhält nisse geschlossene Frieden kaum von langer Dauer sein wird, und daß sehr bald nach dem Wieberzusammentritt deS Par lamentes der alte Hader wieder ausbrechen dürfte, wozu hüben wie drüben genug Stoff vorhanden ist. Der Minister präsident St ur dz a wird gleich nach der Kammer-Eröffnung Vie Majorität um sich versammeln, um sich mit ihr wegen der Lage auseinauderzusetzen, wobei es natürlich nicht an einem Appell zu einmütigem Zusammenhalten fehlen wird. veulsAes Keich. Leipzig, 28. November. * Zu per freisinnigen Vereinigung soll angeblich eine Spaltung bevvrstehen, die sich zwischen den Gruppen Dr. Barth-Gerlach und Pachnicks-Frese vollziehen würde. Daß man die nationalsozialen Anwandlungen Dr. Bartbs, vor allem daS von diesem angepriesene Bündnis mit der Sozialdemokratie (daS von dieser selbst aber höhnisch abgelehnt wird) in der Partei durchaus nicht überall billigt, vielmehr einen möglichst engen Anschluß an die übrigen liberalen Parteien sucht, ist Tatsache. Wie nach der „Pr. Korr." ver lautet, besteht in dieser Hinsickt bereits eine auf persönlicher Fühlungnahme beruhende Verständigung, die aber erst dann zu einem engeren Anschluß führen dürfte, wenn der politiicke Einfluß des Abg. Richter, der nicht wieder kandidieren will, ausgeschaltet und der Standpunkt Pachnicke-Frescs maßgebend geworden sein wird. Auck die freisinnige Volkspartti soll an geblich beabsichtigen, in Zulunst nicht mehr so intransignant in Heeres- und Flottenfragen zu sein wie bisher. * Roheiten. Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Dr. Becker bat sich von jeher des besonderen Hasses der Sozialdemokraten zu erfreuen gehabt; Unflätigkeiten der nichts würdigsten Art sind gegen Dr. Becker am Orte seiner Tätig keit, in Sprendlingen, wiederholt gegen ihn verübt worden. Augenblicklich liegt Dr. Becker nicht unbedenklich erkrankt darnieder. Als sein Assistenzarzt, Dr. Walther, kürzlich io größerer Ge>ell>chaft mit dem Zuge nach Sprendlingen zurückfubr, wurde er im Nebenabteil von mehreren Arbeitern als Aisistenzarzt Dr. Beckers erkannt und nun ergingen sich die Arbeiter in den gemeinste« Beschimpfungen gegen Dr. Becker. In Sprendlingen angekommen, stellt« sich einer der Sozialdemokraten vor Dr. Waltber auf und rief, wie di« „Darmstädter Ztg." berichtet, diesem zu: „Herr Walther, Herr Walther! wie gebls denn dem Dr. Becker? Sagen Sie ihm einen schönen Gruß und ich ließ ihm wünschen, daß er an der nächsten Pille, die er einnimmt, verplatzen soll." — Mitreisende haben die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft übergeben. — Die Wesensverwandtsckaft von Sozialdemo kratie und Ultramontanismus zeigt sich auch in den AuS- wücksen. Als Probe ultramontaner Herzensbildung ver öffentlicht Peter Rosegger in seinem letzten Heimgartenbeste ein Schriftstück, geschrieben in Graz am 24. September 1904 und gerichtet an ihn. Es lautet: „An den bochverächteten Herrn P. R. Rosegger, Gutsbesitzer, derzeit Dichterling in Krieglach. Du Urochs mit deinen Kirchen- und Schulbausbauten! Baue lieber einen Narrenturm, wo man dich einiperren kann oder ein Zuchthaus für gewissenlose Volks- Verführer und Religionsjchänder, wie du einer bist. Deutschuationaler Hund du! Ein katholischer Padriot. Welch duftige Blüten der katholiichen Volksseele! * Berlin, 28. November. * Vom preußischen Stal. Es verlautet, daß das Resultat der bereits abgehaltenen Konferenzen der einzelnen Kommissare mit dem Finanzministerium über den nächsten preußischen Etat dahin zusammenzufaffen sei, daß der Etat kein Defizit aufweisen, sondern in Einnahmen und Ausgaben balan zieren werde. * Witwen- und Waisenversicherung für Arbeiter. Die Nachricht, daß dem Reichstage in feiner nächsten Tagung auch ein Gesetzentwurf über die Arbeiter-Witwen- und Waisenversicherung zugehen solle, ist bereits dementiert worden. Aus zuverlässiger Quelle erfährt die „Brest. Zeitung" über den Stand der Arbeiten, daß dieselben sich bereits vor einiger Zeit zu ganz bestimmten Vorschlägen verdichtet haben, die den Bundes regierungen zugegangen sind. Natürlich handelt es sich hierbei nicht um einen fertigen Entwurf, da die Kostendeckung erst nach Berechnung der Mehreinnahmen des Reiches aus den erhöhten Agrarzöllen bestimmt wer den kann. Tie Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes könnte also erst etwa nach Ablauf des Jahres 1906 erfolgen. Tie Bundesregierungen hoben übrigens erst zum Teil ihre Meinungen über die ihnen zugesandten Berichte geäußert. S a ch s e n z. B. hat vor nicht langer Zeit eine Reih- weiterer Exemplare, die die Vorschläge enthalten, erbeten. In denselben werden die wichtigsten Fragen behandelt, wie die Begrenzung der Versicherungs. kategorien, die Höhe der Jahresrenten, die Bedürftigkeit der Witwen und Waisen und die Teilung der Kosten, die natürlich das Reich nicht ausschließlich übernehmen kann. * Bischof Benzler. Bon zuverlässiger Seite in Nom ver lautet, daß die Reichsregierung die strenge Maßregelung de« Bischofs Benzler durch den heiligen Stuhl fordert und man sogar aus der Entfernung Benzlers von Metz zu bestehen scheint. Bei den guten Beziehungen zwischen Rom und Berlin dürste eine zufriedenstellende Löiung nicht allzu schwer sein; Zentrum bleibt ja doch Trumpf! * Geistliche Wahlbcetnfluflung. In der Polemik gegen eines der Dasbachschen Organe, gegen die „Triersche Landes zeitung", bringt der Amtsrichter Dr. Lohmann weitere Belege in der „Bonner Zeitung" für die unerhörte geistliche Wahl beeinflussung, welche in der Moselgegend an der Tagesordnung ist. Dr. Lohmann befindet sich wohl mit der Annahme keines wegs im Unrecht, daß nur ein ganz verschwindend kleiner Teil von seelsorgeriicher Wahlbeeinflussung zur Kenntnis der politischen Gegner gelangt. Aber gegen solche geistlichen Uebergriffe ist der Staat völlig machtlos, oder will nicht emgreifen, wie anscheinend die scheue Zurückhaltung ger badischen Re gierung gegenüber dem aggressiven, politischen Vorgehen des katholischen Klerus beweist. Die badische Regierung macht ihren Beamten — wie daS auch in Preußen ge schieht — zur peinlichsten Pflicht, sich nicht in die Wahl- lämpfe einzumischen (iu Preußen bedroht man die Beamten sogar mit icharsen Strafen), während die Geistlichkeit, von AmtSwegen, zur größten politischen Tätigkeit im Interesse des Zentrums angespornt und ihre aufhetzerische Agitation wo möglich von den kirchlichen Oberbehörden noch al« Verdienst angerechnet wird. , : * Cornelius Vanvcrbilt. Hier eingetroffene New Aorker Blätter nehmen die Mitteilung von dem Uebertritt Cornelius Vanderbilts zur Diplomatie der Bereinigten Staaten und seine Entsendung als erster Botschaftssekretär nach Berlin durchaus ernst. Die New Aorker Staatszeituug charakterisiert den Lebensgang Vanderbilts wie folgt: „Der angehende Diplomat ist 3l Jahre alt und ein Graduierter der Universität Aale. Er bat praktisch den Eijenbahndienst kennen gelernt und verschiedene Erfindungen gemacht, die auf den Bahnen des Banderbilt-Systems eingeführt sind. Er hat sich stets an der Politik beteiligt, wenn auch nur in bescheidener Weise. Im Jahre 1900 war er Delegat der republikanischen StaatSkonventiou und unter dem Regime des Mayors Low gehörte er der munizipalen Zivildienst-Kommission an. Nach derselben Quelle hat „der gesellschaftliche Erfolg der Frau Corneliu« Vanderbilt, geb. Grace Wilson, eine Entfremdung zwischen dieser und ihrer Schwiegermutter, Frau Cornelius Vanderbit seo., herbeigeführt." Diese Be merkung bezieht sich offenbar auf die kurz vorher erwähnten, vom Kaiser und dem Prinzen Heinrich der Dame erwiesenen Aufmerksamkeiten. — Graf Pückler ist nach Berlin zurückgekehrt, nachdem die Untersuchung seines Geisteszustandes in einer Münchener Heilanstalt günstig ausgefallen ist. Er will nun in den Vororten, die dem Berliner'Präsidium nicht unterstehen, von neuem den Kampf gegen das Judentum predigen. Tie in Berlin ins Leben gerufene Pückler- Vereinigung veranstaltete einen feierlichen Empfang in der Tonhalle. * * Kiel, 27. November. Die „Nord-Ostfee-Zeitung", ein nationalliberales, namentlich in Marinekreiseu vielgelesenes Blatt, wird am 31. Dezember ihr Erscheinen einstellen. * Breslau, 27. November. Hier wird von Mitte Dezember an unter dem Titel „Ostdeutsche Allgemeine Zeitung" ein unab hängiges, nationales Blatt erscheinen, das besonders den Interessen der Provinzen Schlesien, Posen, Pommern, Ost- und Weslpreutzen dienen will. ' Heer und flone. * Rohrrücklaufgeschütze. In militärischen Kreisen ist das Gerücht verbreitet, die Enllcheidung des Obersten Kriegsherrn über die Rohrrücklaufgeschütze fei bereits gefallen, und zu gunsten ihrer unverzüglichen Einführung. Es soll ein kombiniertes Geschütz Erhardt-Krupp in Auftrag gegeben werden, und zwar soll angeb lich Krupp drei Fünftel und die Rheinische Metallwarenfabrik zwei Fünftel aller Geichütze erhalten. Huslanck. Oesterreich - Ungarn. * Näheres vom Wiener Songretz für Arbciterverficherung. Als Hauptverbandlungsgegenstand für den Kongreß wurde nach ergänzenden Mitteilungen die Alters- und Invaliden versicherung bestimmt, daneben die Darlegung der in den verlchiedencn Ländern seit Einführung der Kongresse gemachten Fortschritte der Ardeiterversicherung. Ueber letzteren Gegen stand sind bereits au« 17 Ländern Referate angemeldet. Zum Vorsitzenden des OrganisationslomitecS unter dem Ehrenvorsitz de« Ministerpräsidenten Dr. v. Koerber wurde neben dem Präsidenten v. Kink auch Dr. Bödicker gewählt, der bei der Konstituierung anwesend war. Frau Melanies GlaS rührte an das von Annemarie. Sehr freundlich sahen die beiden einander in die Augen. Was sie in dieser Minute dachten, war ungefähr dasselbe. Auch des jungen Ehemannes Sektkelch klang hell an den der „neuen Cousine", — fein dreist bewundernder Blick tauchte tief in Annemaries Augen. Und gleich darauf Graf Höxters flüsternde Stimme, die nur Annemarie verstehen konnte: „Frau Königin", — er sah auf Melanie, die schon wieder bei einer andern Gruppe stand. — „Ihr seid die Schönste im Landl Aber Schneewittchen über den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen" — tief neigte er sich zu dem jungen Mädchen herab — „ist tausendmal schöner, als Ihr!" Da war Angst und Beklommenheft und heftiger Schauer vergessen, und Annemarie Lombardi warf einen lächelnden Triumphblick um sich her auf die Gesellschaft, zu der sie fortan gehörte, und sagte sich, daß sie glücklich seil — Vierte« Kapitel. „Fräulein Kühne! Miß Astal Lange nicht gesehen! Warten Sie hier auf die elektrische Dahn?" „Gewiß, — ja! Ich möchte nach der Cornelius- straßel" „Dacht' ich mir! Haben richtig dasselbe Ziel! Aber bis die Electric kommt, daS kann noch eine Weile — Kutscher! Hierher! So — bitte! Steigen Sie ein. Corneliusstraße merundfechzig." Asta wollte zögern, etwas erwidern, unterließ aber beides und stieg ein. Sie kannte ja Frank Holbeins kurz angebundene Art zur Genüge — und was tat es schließ lich einem Menschen mit diesen Geldquellen, ob noch ein Passagier mehr im Mietwagen saß! Es fuhr sich außer dem sehr hübsch an diesem strahlend Hellen, milden Oktobertag durch Berlin, zumal durch diese feine Gegend, wo so viel anmutig gebaute Dillen standen, wo so viel Baum- und Blumenschmuck das Auge erquickte! „Ich dachte, Sie wären längst von Berlin fort!" be gann Asta das Gespräch. „Bin drüben gewesen, — acht Wochen hindurch, — gehe bald wieder «drosch löse hier alles auf, wollte nur Johnnie noch sprechen. Sie wissen, daß ich mich drüben verlobt habe?" - „Aber nein! Keine Idee! Mit wem denn?" „Miß Maggie Taylor, — Vater wohnt in Washington — Ingenieur, legt Kabels und fo'n Zeug. Maggie und ich stimmen sehr gift zusammen, — schönes Mädchen über dies. Wollen Sie ihre Photographie sehen? Dal" Er hatte eine Brieftasche hervorgezogen und reichte sie Asta geöffnet hin. „Sehr hübsch — intelligent — sympathisch!" sagte diese kopfnickend. „Sie hätten mir wohl eine Anzeige schicken können!" „Und ich könnte schwören, ich hab's getan! Soll ich das wirklich verbummelt haben? In dem Fall bitt' ich schön um Verzeihung!" Kräftig schüttelte Frank Holbein des Mädchens Rechte. „An Hans habe ich eine entsandt, — er hat sich auch wirklich die Zeit genommen, mir Glück zu wünschen, — kurz, aber erbaulich!" „Malen Sie noch?" „Und wie! Habe sogar zwei Bilder hier verkauft, — das eine an 'nen Kunsthändler, der seine Sachen nach Amerika schickt. Ist da nun nicht Humor d'rin in der Geschichte? Maggie reibt selbst gar nicht übel Farben, hat großes Interesse an meiner Kunst. Es soll , mein erstes sein, wenn wir Mann und Frau sind, ein Porträt von ihr zu machen, — ich weiß auch schon wie: Kniebild, gegen ein offenes Bogenfenster stehend, stille, mild-bläu liche Luft, — pfirsichblütfarbenes Samtkleid, weißes Nelkenbüschel in der herabhängenden Hand. Wird gut, sag' ich Ihnen! Pfirsichfarbener Samt wirkt bei Maggie wunderbar!" „O, das denke ich schon! Und was ist aus der „Heiligen Cäcilia" geworden?" „Gut, daß Sie davon anfangen!" Der Amerikaner drehte sich so lebhaft auf feinem Sitz um, daß er bei einer Biegung der Straße beinahe aus dem Wagen geflogen wäre; Asta stieß einen Schrecken-laut aus. Er lachte. VS sre! Keine Furcht um mich! Also meine Heftige! Sehen Sie, ich bin fort gewesen, — noch nicht lange wieder da — mördermäßig viel zu tun, all' den Kram da draußen im Atelier teils loszuwerden, teils verpacken zu lasten, — und die Leute hier in diesem Berlin, die reden auch so allerlei, waS oft nicht wahr ist! Aber Sie werden sa wissen, und Sie lügen auch nicht! Also: ist dies Kind da, Ihre kleine Freundin, — na. Sie wissen schon, — meine heftige Cäcilia, — ist die wirklich verlobt?" „Wirklich! Und wird sehr bald heiraten, — in diesen Tagen schon!" «Den neuen Kapellmeister von der — wie heißt sie gleich?" „Scherwitz-Over!" „Richtig! Also wahr! Was ist denn daS für ein Mensch, dieser Kapellmeister?" „Ich kenne ihn sehr wenig, Mr. Holbein! Er ist sehr hübsch, gilt für ungewöhnlich talentvoll. — ich habe ihn zweimal nur, und jedeSmal sehr flüchtig, gesehen. Ich selbst habe nicht viel freie Zeit, und Annemarie ist vollends ewig in Hetze, in Aufregung, — Sie begreifen — eine so kurze Verlobung — die Hochzeit so rasch" — „Ja, die Deutschen machen sich das alles zu umständ lich, setzen den ganzen Apparat zu schwerfällig in Scene. Wir in Amerika kommen leichter d rüber weg. Ist sie glücklich, die kleine Heilige?" „Ich glaube ja! Sie sagt eS wenigstens!" „Sagt es!" Frank pfiff einmal leicht durch die Zähne „Wissen sie. Miß Asta, was ich gedacht hatte?" „Sie sehen mich so bedeutsam an, — ich kann mir schon denken, was Sie sich dachten!" „Aha! Sie etwa nicht?" .,N — n — ein — och, ich weiß nicht recht! HanS geht so ganz auf in seiner Wissenschaft. Er hatte sich ein Ziel gesteckt" — „Ja, — und wenn er das erreicht hätte, würde er daS kleine Mädchen da geheiratet haben!" „Hat er Ihnen daS gesagt oder geschrieben?" „OK! Kot n dit! Johnnie — und mir so etwas sagen! Nun gar schreiben! Ich hab' mir dies kombiniert!" „Er hat Annemarie sehr gern, das weiß ich, hat viel Interesse fiir sie" — „Nun eben! Aber er hat sich's nicht bedacht, während er da in Paris saß und hysterische Weiber beruhigte und dekadente Mädchen einschläferte, daß hier die Leute auch Augen im Kopf haben und ihm derweil die kleine süße Lli88 nitkiogLlv fortnehmen!" ..Ja" Anscheinend gleichmütig zuckte Asta Kühne die Achseln. ES war ihr innerlich durchaus nicht so ruhig zu Sinn. Es tat ihr sehr leid um ihren Bruder, — mehr noch um Annemarie Lombardi. „Wird sie aufhören zu singen?" fragte Frank nach einer kleinen Weile. „Keineswegs. Das wäre auch zu schade, so weit, wie sie nun schon gekommen ist. Sie will gleich nach der Hochzeit ihre Studien wieder aufnehmen, will auch in die Oeffentlichkeit hinein. Ob Mentzel das zulassen wird, weiß ich nicht. Er ist blindlings verliebt und egoistisch und eifersüchtig und sonst noch allerlei!" „OK, — ok! koor littl« tdingl Sie soll so schön singen!" „Wunderschön! Sie ist auch sonst sehr begabt, fiir die Musik, — für Kompositionslehre und Pädagogik!" (Fortsetzung folgt.)
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