Suche löschen...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192802042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19280204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19280204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-02
- Tag1928-02-04
- Monat1928-02
- Jahr1928
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1928
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Schild? Bo» IM, »kft««. (Rachdruck verbot«».) haften St» schon gehört — «ns«, Freundin, Cecile Verton, ist über de« gewaltsamen Verlust ihre« Verlobten, de« Maler« Floiret, tiefsinnig geworden. Sie bildet sich «in, di« Wieder verkörperung einer gewissen Marquise Mertignac zu sein, dir um da« Eno« de« 18. Jahrhundert« gelebt haben soll, und di« Giftmörderin zwrirr blühender Leben geworden ist, deren Ver bindung ft« nicht dulden wollte, nämlich ihrer Richte und eine« Chevalier», de« sie selbst leidenschaftlich liebte, wenn ander« »uw der Historie glauben darf.' I» de« kleinen geselliaen Kreis« war man plötzlich darauf aufmerksam geworden. — Wer denn die verton seit d«m furcht- bare« Unglück schon gesprochen habe, wollte man wissen. .Wir glaubte« »och, da- sie niemanden Vorkasse»', meinten einige, vor allem ihre Berufskollegin, die Schriftstellerin Madam« DrS- moulin«. Philipp veranger, ein intimer Freund de« verunglückten, ergriff da« Wort: »Ich wollte, al» ich von dem Unglück de« guten Floiret Kennims erhielt, ihr al» seiner Braut selbstver ständlich al» erster mein Beileid auSsprechen. Wie Sie ja alle wisse», ist Floiret durch scheuende Pferde eine« Müllwagen« heut« vor nicht ganz drei Wochen zu Lode gekommen.' Man rückte zusammen, und Beranger fuhr fort: »Ich traf st« in ihrem Boudoir, das sie, schauerlich genug, ganz in Schwarz hat ausschlagen lassen, seit FloiretS Aufbahrung darin stattgefunven hat. — Sie selbst saß mit dem Rücken gegen ein«« Spiegel. St« hatte ein ganz schwarze«, spttzenüberrtesel- te» Rokokokoftüm an, ja gewiß — Rokokokoftüm', bekräftigte er, al» Zweifel laut wurden, »trug ihren ganzen Schmuck, der, wie wir wissen, sehr reich ist, und hatte hinter sich zwei Kerzen stehen, die sie unheimlich beleuchteten. Ihre kleine Zofe kam mir im schwarzen Kleidchen, vor welche« sie im Gegensatz zu früher statt eine« Weißen, ein schwarze« Schttrzchen gesteckt trägt, mit verweinten Augen entgegen. ,Das gnädige Fräulein laßt bitt«»', sagt« sie, und dann machte sie ein Zeichen an der Sttrn, da« mir den Geisteszustand ihrer Herrin andeuten sollt«. Ich trat also, schon auf mancherlei gefaßt, durch die schwere Portier« ein; aber ich mußte dann doch an mich halten, um nicht zurückzuprallen, denn daS Gesicht der armen Verton erschien mir fremd, »«gewöhnlich, um Jahre, um ntcht zu sagen, um Jahr- h««d«tt« gealtert, wenn man sich so etwa» vorstellen könnt«. Sie empfing mich mit einer dunkel verschleierten Stimme, di« ich nie an ihr gehört habe. — .Setzen Sie sich, mein lieber Be ranger" — ihre Hand ihr wißt, daß sie immer schon sehr schön«, adlige Hände hat»«, aber jetzt schienen mir dieselben noch gestreckter, in die Länge gedehnt, und beinahe ohne Fleisch zu sei« —, ihr« Hand also legte sie auf meinen Arm, und Vie goldenen, edelsteinbesetzten Armbänder raffelten und klän ge« leise zusammen. — .Sie wollen mir Ihr Beileid aus drücke«, lieber Freund, aber lassen Sie das; nein, nein, be dauern Sie mich nicht, jede« Bedauern nimmt meiner Buße an Wert. Ich verdiene mein Schicksal, denn ich habe es mir selbst geschossen — wie wir ja alle daS unsere. Freilich, Wohl nicht jeder hat so schwer« Schuld auf sich geladen, wie ich, die ich z»r Mörderin wurde an einer glücklichen Liebe. Ja, ja —' sie seufzte, »nd ich muß sagen, es ging mir durch Mark und Bei», »oie sie e« tat —, .darum muß ich also selbst den Tod meiner Liebe erleben, so ist das nun einmal! Sie müssen wisse«, daß ich nur jetzt Berton heiß«, im vorigen Leben war lch die Marquis« de Mertignac und lebte im 18. Jahrhundert. Ich habe, da ich nun von einer höhere« Hand gezwungen bi», di« Summe meine» früheren Leben« zu bezahlen, auch da« Aekd angelegt, da« ich damal« trug. Der Spiegel, vor dem Sie mich sitze« sehen, ist di« Rückerinnerung an da» Ver- «rngene. Immer Weiler läßt er nrich zurückblicken, obgleich ich mit dem Rucken dagegen fitze, «nd ntcht Umschau«. Die beiden Kerze» endlich stellen da» Licht der Erkenntnis vor, da« in «et» bisher so blinde« Leben kam." Sie mußte Wohl den Aus druck »»einer völligen Verwirrung in meinen Züge« bemerkt habe». Jedenfalls winkte fte mit der Hand ab, als errat« st« «et»« ««danke», wobei leiser Mehlstaub auf ihr schwarze« Kleid fiel. Hch bi» nicht wahnsinnig, Beranger, ganz und gar ntcht. FreilH», wir Menschen sind ja leider nur zu geneigt, tiefste« Wisse» für Wahnsinn z» nehmen. Hören Sie denn auch, wie ich zu dies«» Wissen kam: Es war ket» Traum; e« war t» ttner Nachtstunde erlebt. Irgendeine Falltür der Vergangen heit hatte sich geöffnet, ich trat hinein und stürzt« zurück in nein früheres Leben; oder besser nur in einen Ausschnitt der selbe». Wie Sie wissen, hatte ich vor, mit Philipp da« dies jährige große Sünstlerfest zu besuchen. Genug — ich meinte, rs schon hinter mir zu haben und eben davon z» kommen. Unser Wagen hatte sich verspätet, die anderen waren all« fort- »efahre«, so daß wir zu Fuß durch die Straßen gehen mußten. Wir gingen ziemlich schweigsam, denn er fröstelte un» — Fe- dnmrschne« fiel. Da gelangten wir in eine Sackgasse, di« ich schon gesehen zu haben meinte, allerdings so wett zurückliegend, »aß ich mich kaum darauf besinnen konnte. Ein große« Tor blickt« un« entgegen, und darüber stand: Palat» Mertignac. — Mir sind da, Floiret, ich bin zu Hanse", sagte ich, und fand «tu. Di« alter Hof mit Laudengängeu und Risch«, «mpftn- un«. «a» mir zunächst ausstrl, waren zahllos« Sänften und Wag««, di« umherftande». Prächtig« Wag««, prächtig» Sänf ten, da» heiß», einstmal» prächtig gewesen, jetzt scht«n«n ft« ver- ftaubt, gebrechlich, »«rschltssrn und windschief, wt« Museum- stück«. .Warum kommt un« k«t« Sakai entgegen", kragt« ich Floiret vorwurfsvoll, al« ob «r daran schuld sei. Ich halt« «ine mir fremd« Stimme, «in mir fremdes Kl«id an, et« Kleid wie diese«, veranger, wenn St« e« wissen «ollen. ,Wo sind die Sänftenträger", fragt« ich nochmal«, .wo die Pferds die diese Wagen gezogen habens" — .Sie mußte» doch längst auSra»gi«rt und kassiert werden, Diener «nd Ross« modern, antwortet« Floiret mit Selbstverständlichkeit. Da wußte ich, daß e« Jahrhunderte her war, feit dies« Sänften hierher getragen, di« Wage« hergesahren worden waren. Abe, da» berührte mich nicht. Mich bekchästtgte etwa» andere». Ich strich mir über die Stirn. Wußte ich doch nicht, wa» mir eigentlich hier sollten, wo doch alle«, wa« geschehen war, Jahr hunderte zurücklag. Plötzlich durchzuckte mich ein Schmerz. — Philipp" — ich hatte seinen Arm ergriffen —, .feiert man ntcht heut« di« Hochzeit meiner Richte, Avonne d« Mertignac, mit dem Chevalier — dem Chevalier" «» war et« Raine, den ich geliebt haben mußt«, aber ich konnte mich trotz aller Mühe aus ihn nicht besinnen. — .Zu dienen, Madame la Marquise, man feiert heute in Ihrem Haus« Hochzeit" —, ich erschrak, denn ein bisher unsichtbarer Kerl trat mit diesen Worten hinter den Sänften vor. Ein kleine« hagere« Männchen, übrigen« katz buckelnd und äußerst servil, wie e« schien, «in Lakai in Knie hosen mit Dreispitz und Zopf. Seine Kleider sahen sich höchst sonderbar an; dunkelbraun, wie überjährtge« Herbstlaub, war sein fllberbetreßter Rock, «nd dünkte mich von Rost und Motten zerfressen. Er grinst« dienernd, und riß sich, ob im Ueberetser oder mit Absicht war ntcht zu entscheiden, di, Kapp« samt der Perücke vom Kopfe, und da sah ich zu meinem Entsetzen, daß dieser Schädel von Bein war, und kein einzige» Haar daran saß. - .Flüchten wir, Philipp, der Tod ist im Hause." Ich stieß e« fliegend hervor, aber fliehen konnte ich nicht; ich war wie festgebannt, während Philipp vorwurfsvoll sagte: .Sie haben ihn doch selbst in da« Hau» gerufen!" — Sin zweite Tür flog zugleich auf, wie von einem Windstoß aufg,rissen. Wir standen in einem andern Hofe meine« Hause». Wie, Beranger, soll ich Ihne» beschreiben, wa« jetzt kam. Zunächst der Hof — alle« schien grünlich, wie dem Wasser entstiegen. Die Wände, die Fliesen, die Luft, die ihn erfüllte, ja selbst das viereckige Stück Himmel, da« über ihm hing. Oder, nein doch, ntcht wie Wasser grün, e« war ein graugrüner Hauch, feiner al» Staub, ähn lich wie Moder, vielleicht auch wie da« Grün de« Salpeter« in feuchten Kellergewölben oder in Grabkammern. Und an den Seiten wuchs Gras, hohe« Gras, wie auf Kirchhöfen. In dem Hose wogte e« von Menschen. Ich wußte, es waren die Hoch- zeitSgäste, die da gekommen waren, das Fest mitzufetern. Be kannte, wenn auch längst wieder entschwundene Gesichter. Ihre Tracht war verschollen wie die meine. Es waren prächtige Roben darunter, aber von einer Pracht, wie sie sich ansieht, wenn sie lange in GlaSschreinen ruhen oder in verlöteten Sär gen. Ueber allem lagen heimliche Rostschuppen, Stockflecken; — Sommersprossen im Gesicht der Vergänglichkeit. Man konnte meinen, die Spitzen müßten knisternd zerstieben, die Echarpen in Staub zerfallen, wenn man daran rührte. Die Menschen be- wegten sich seltsam. Richt, als gingen sie auf zwei Beinen, viel mehr als würden die Damen von den bauchigen Glocken ihrer windgebauschten Kleider, die Herren von den Flügeln ihrer Pelerinen getragen. Denn ei» Wind ging, wenn auch unhör bar, und er machte «ich schaudern. .Floiret", bat ich, .«ritt zur Seite, drücke dich an mich, Weiche ihnen aus, laß dich nicht von ihre» Kleidern streifen, sonst fegen sie dich fort, und du mußt mit in ihren Reigen." — »In ihren Hochzeitsreigen?", erwiderte er leicht spöttisch, und dann plötzlich ernst werdend: .Alle Bor sicht nützt nichts, Cecile, der Sturmwind wird mich von deiner Seite reißen; den Sturmwind hast du selbst entfesselt." — In diesem Augenblick lies «in Murmeln durch die Menge. Aller Auge« wandte« sich nach dem Schlotzportal. .DaS Brautpaar", hörte ich neben mir flüstern, .das Brautpaar kommt. Ich bin begierig, wie st« seine» Anblick ertrage» wird." Man meint« mich dabei. Und auch ich starrt« nach de« Portal, wo mein« Richte Avonne Mertignac mit dem Chevalier im nächsten Augenblick erscheinen mußte. Ein Windstoß blie» die Flügel türen auf, herrisch, riesenwett, und heraus schwankten, schwarz, tücherverhangen, »nter fransenschleppendem Baldachin — — zwei Särge. Durch diese Särge sah ich, al» wären sie GlaS. Ich sah di« wtenbleichen, gespitzten, maskenhaften Gesichter meiner Opfer: da» »eine, einst so liebliche Gesicht der armen Avonne und die Züge des Chevalier«, sie glichen denen von Philipp Floiret, obgleich der an meiner Sette stand. Ich tastete nach Philipps Hand, um nicht zu taumeln; sie war eiskalt. DaS Entsetzen mochte ihm alle» Blut nach dem Herzen ge- trieben haben. Und dann, kaum einen Gedanken später, jagten wir davon. Hals über Kopf. Hinaus, nur fort! Donnernd siel di« Tür butter uns ins Schloß wi« die Pforte eines Grab gewölbe«. Ein Wagen jagte an un« vorbei. Auf dem Bock faß der kleine livrierte Lakai von vorhin, de» Schädel schon wieher von der Perücke bedeckt. Floiret schrie ihm nach. .Halt! Halt, Kerl, hörst d« nicht, wir wollen mttfahren, Cecil« Berton ist müde, st« ist durch Jahrhunderte gewandert, laß nn« aufsttzenl", di». Ein SchönheitSserum. Ein Wiener Arzt, Dr. Kapp, ha> nach Pressemeldungen ein Schönheitsserum erfunden, da« durch Einspritzen unter dir Haut wieder Jugendsrische verleihen soll dl». Jazz und Lebensalter. Aus dem Kongreß der ameri kanischen Liga für Kindererziehung erklärte der Vorsitzende, daß daS vielverschriene Jazz-Zeitalter rin gesundheitlich wert volles Zeitalter sei. Die kurzen Rücke hätten den Gesundheits zustand der Frau nur gefördert und der Jazzrhythmus hätte viel zu einer schnelleren Bewegung der Damenwelt beigetragen. «v er kwf vem Waam tzunervrem, «m m» »em«» m «m Zügel zu fall««. .Siehst du denn nicht, daß «» nur «i» MÜS wagen ist, wir könne« ja doch nicht mit ihm fahr««", rief ich b» schwörend, «r aber hing d«n Rosse« schon im Zügel. La riß der Kutscher di, Säule herum; Floiret stürzt«, und Huf« u«d Rüper ging«« über ihn »eg. Ich erwachte mit einem Schrak, «nd fand mich auf dem Boden meine» Ankleidezimmer» vor de« Spiegel liegen — vor diesem Spiegel, der meine Rück erinnerung ist." — Di« Verton schwieg «inen Augenblick. Sie schien ungeheuer erschöpft, und ich wollte fl, schon bitten, zu schweigen; doch sie schüttelte den Kops und fuhr leise in klagen dem Ton fort: .So hab« ich in jener Rächt in Vergangenheit und Zukunft zugleich geschaut. Seit dieser Zett war mein Be sitz Philipp» ein zitternde» Warten auf seinen Verlust. Ich wußte, daß er mir vom Tod entrissen werden würde, daß mein Glück der Vernichtung verfallen war, fo, wt« ich «in Slück und eine Liebe vernichtet hatte; wußte, daß ich würde erleide» müsse«, wa» ich anderen an Letd juaesügt. Denn da» ist dar Sin« unsere« Leben» und unserer Läuterung. — St« wtssm» doch, daß e» ein Müllwagen war, dessen Pferde, weil der Kud scher auf dem Vock oben betrunken «ar, scheuten, «in Mül wagen, unter dem mein Verlobter den Tod fand. Hatte mir da» Gesicht jener Rächt in der Zukunft die Wahrheit gesagt; warum nicht auch in der Vergangenheit? Da» ist mein« Geschichte, Beranger. Erzählen Sir sie ihren Freunden, di« ja auch Philipp« und somit meine Freunde waren. Sagen St« ihnen, daß ich nie mehr in ihrem Kreis« erscheinen werd«. Ich hab, nicht Zeit für heitere Geselligkeit, ich muß zurück- schauen in mein frühere« Leben, um alle Reue auszukosten. Am End« wartet der Tod, daß ich ihn rufe. Wann da« sein wird ich weiß e« nicht. Vielleicht bald, vielleicht spät. Zuvor aber muß ich noch da« Maß meiner Strafe aus mich nehmen, und dem Licht der Erkenntnis, wt« schwer e« sich auch erträgt, die Augen offen halten." — von Grauen geschüttelt, da» dürfe« Sie mir glauben, verließ ich da« Hau« der unglücklichen Pep ton. Wa» aber da« Seltsamste ist, di« Familiengeschichte der Marquis« de Mertignac, die Ne sich zu sein «inbtlbet, deckt sich mit dem, wa« st« mir von jener Frau erzählt«. Selbst da» Palais steht noch, und befindet sich wirklich in einer stille» Sackgasse, deren Abschluß es bildet. Allerdings ist die Familie längst au-gestorben, und heut« sind Armier und Kanzleien in dem Gebäude, zu denen man durch zwei Borhöfe gelangt, untergebracht.' Beranger schwieg. Eine tiefe Stille lagerte über dem Go- mach ES war, al« habe sich ein schweres, feuchte« Tuch über alles gesenkt, unter dem man nun fröstelnd geduckt faß. Wahrend man noch über da« eben Gehört« nachgrübelt«, klingelte e» draußen, und ein Bote bracht, einen kleinert trauergeränderten Brief. Er war an Beranger gerichtet. Richt« Gutes ahnend, erbrach er ihn und las vor, was er enthielt. ES stand da: «Ich habe da« Meer meines Jammer« auSgeschöpst bi» auf den Grund. Mein Haar ist weiß geworden in diesen Tagen un"^ Nächten. Die Trennung von Philipp hat eine Ewigkeit gewährt, nun aber darf ich zu ihm gehen. Leben Sie wohl und grüßen Sie alle jene von mir, die uns beiden stet« gute Freunde gewesen. Und eins: Vergessen Sie nicht Ihre unglücklich« Cecile Berton, Marquise de Mertignac.' »Wer geht's R»mer.' Probe« eine« englischen Tänzerpaare« für einen kommende» Mode-anz (Tanzkarikatur). Sik krmke Tmbe. Hin« Legend« vo» Jutta ADilfing. (Nachdruck verboten.) JoHamr» von Valois saß, wie so oft, in ihrer einsamen Kemenate, die ungeweinten Tränen ihres Herzen« dem Him mel aufopfernd, und trug in stummer Ergebung ihr freud lose» Seschtck. War doch ihrem Gatten, dem Herzog von Orleans, vor wenigen Monden nach ihres Bruders, Karl« Vlll. Lod«, Frankreichs Krone zugefallen, die er nun al» Lud wig XÜ. trug, ohne daß auch nur ein Schimmer von all dem KrönungSglanz auf sie, seine Gemahlin, überstrahlte. Ihre «roße» umschatteten Augen m dem hageren, durch angeborene Kränk!ickkeit und stete« Kummer blaß «nd enttäuscht gewor den«« Gesicht, glitte» halt- und trostsuchend empor an dem hohe», ebenholzenen Kruzifixus, der schweigend in de, »immerecke aufragt«. Dann senkte sie ergeben da« Haupt vor dem Bild de« Leiden», da- da, über alle- menschliche Ermessen «oft, durch di« Jahrhunderte starrte und sich doch ohne Wider stand hiuei» ergab in Gotte« Gebot. Rein, auch sie wollte nicht klage»! Hatte Gott st« in die Welt gestellt mit dem Grbrest der schiefen hinkende» Hüfte, mit dem völligen Mangel an weib- Kcher Anmut, so war es wohlgetan. Daß ihr Gatte sie nicht siebe» konnte, begriff sie nur zu wohl, aber die Grausamkeit, mit der er die« zur Schau trug, schnitt dennoch jedesmal in ihre Seel« wie «in uiedersausender Getßelhieb. Ihr Vater hatte st« mtt de« Orleans vermählt au« Gründen der Staat«, omst und die« war di» schwerste Prüfung ihres Leben« ge worden. Still und in sich gekehrt, wie sie schon als Mädchen gewesen, hatte sie den schönen Vetter Wohl heimlich geliebt, nie aber hätte sie sich seinen Besitz zu ertrotzen vermessen. Im Gegenteil, ohne Groll hätte ft« absettSstehen mögen, wäre ein« endere ihm zmn Traualtar gefolgt; nun aber, al« sein« Gattin, mußt« st« zu dem Schmerz dieser glücklosen Leidenschaft noch di« Erniedrigung ertragen, die seine Kalte, sein Hohn, der Spott der Höflinge auf sie häufte. Und auch jetzt, da er dir König «würde Frankreichs trug, war sie nicht die gekrönte Ge- sährnn, sondern nur di« mit dem Spott der Verachtung Gegeißelte, die nnter der Last einer unsichtbaren Dornenkrone Einfterschrettende. — In lottbe Gedanken versponnen «nd da ¬ zwischen wieder »um Heiland um Kraft im Ertragen flehend, saß sie am geöffneten Fenster, traurig in den dämmernden Abend blickend. Da rauschte etwa« an ihr vorbei in» Zimmer, ei« unstet flatternde« Flügelpaar streifte sekundenlang ihre Stirn, dann lag ihr, hochatmend «nd keine« Erheben« mehr fähig, «ine verflogen« Waldtaube im Schoß. Boll Mitleid hob sie da« Tierchen hoch und gewahrte, daß es am Flügel und unter der Brust durch scharfe Schnabelhtebe verwundet schien. Ein Bussard oder Falke mochte e« Wohl verfolgt haben, bi« es endlich, sinnlos vor Angst und Mattigkeit, hier in« Fenster flüchtete. Die liebevoll« Pfleg«, di« die königliche Frau dem hilflosen Vogel anaedeihen ließ, machte ihn «ach kaum einer Woche wieder flügge Aber ach, au« seinem Behältnis entlassen, flattert« der freiheitsgewohnte Flüchtling stets von neuem gegen di« bletgefatzten Fensterscheiben de« Gemach«, daß zu befürchten war, er würde sich da« Köpfchen abermal« ver wunden. Da beschloß Johanna, dem Tier di« Freiheit wieder- zugebe«. Richt aber im Garte» sollt« es ausgesetzt sei«, nein, bis nach de« Wald«, seiner wirklichen Heimat, wollt« sie es tragen. Ihre mißgebildete Gestalt, wie ft« es immer tat, wenn fl« in« Freie ging, in einen wetten dunklen Mantel hüllend, setzte sie di« Taube in ein verschlossenes Körbchen und schritt auf stillen abgelegenen Pfaden dem Walde zu. Doch seltsam, da sie da- Tierchen aus seinem Behältnis befreite, hob es nicht die Schwingen zu ungehemmtem Flug, sondern flatterte nur auf ein niederes Gesträuch, nicht weit von der Stelle, wo fte es freigelassen. Johanna, besorgend, es habe durch die Verwun dung dauernd Schaden genommen eilte ihm nach, um e« wieder zu Haschen, da aber erhob sich di, Taube und flatterte wieder eine Strecke voran, und so fort, bis sich die Königin plötzlich in einem schönen, freundlichen Tal befand, in dessen Mitte «ine kleine halbverfallene Kapelle stand. Auf deren Türmchen schwang sich die Taube, schien kopsruckend und flügel schlagend noch einmal für d>e empfangene Pflege zu danken und verschwand dann hinter den Wipfeln dem Blick der blassen Frau. Diese aber trat in das still« kleine GotteShau», das ihr nach dem Treiben der geräuschvollen herzlosen Welt da draußen wie ein« Frtedenstnsel erschien. Al» sie im schmerzlichen Gebet vor dem einzigen Bild«, das di« Kapelle enthielt — es stellte di« Verkündigung dar —, hin- gesunken lag, glaubte üe ein« flüsternde Stimm« n- v-r»ebm«n: »Johanna, deine Seele ist eine kranke Taube, di« di« Ruh« und Genesung nur finden kann im Schoße der Kirch«, de» heiligen Trösterin. Gründe denn an diesem Ort ei» Kloster «nd befiehl alle« andere Gott!' Seltsam erhoben, kehrte die einsam« Frau nach Hause zurück, entnahm ihrer Schatztruhe soviel, al« zum Bau eine« Klosters immer nötig war, und ordnete alle» Wetter« an. Und al« da« fromm« Gebäude inmitten jene« Tale» wtrft ltch ausgebrettet lag, behäbig und doch erhaben zugleich pilgerte sie ost dahin, um von den Klosterfrauen Trost mw Zuspruch zu erbitten. Oh, wie gern hätte sie selbst dauernde» Schutz gesucht an dem einsamen Ort, den da» Rausche» der Lannen mit dem Atem der Ewigkeit umgab, aber ihr, de» an^etrauten Gattin eine» lebenden Manne», versagt« sich dies« Heimgekehrt, betete sie dann stets in ihre, Kamm«, daß Sott ein Wunder tun und sie dennoch htnfiihren möge i« de» Kret« der Frauen vom Orden, den st« selbst gestiftet, vom Orden der Verkündigung Mariä zu vourges. — Einmal hatte st« wieder die Sehnsucht ihre« Herzens vor dem Krnztfirns ausgebrettet wie ein Weiße« faltenloses Tuch» als nach leise« Pochen die Tür ihre« Zimmer« sich austat «nd ihr greiser Beichtvater etntrat. »Wappnet Euch, hohe Fra«*, sprach er voll trauernder Behutsamkeit, ,tn der Kraft der Entsagung. Der König hat es durchgesetzt, daß seine Eh« mit Euch als null und nichtig erklär» Werve. ES ist heut« geschehen.* Er schwieg betreten. Daß es die wtldentflammte Leidenschaft «m schönen Witwe Anna, der Erbin der Bretagne, war, dte de» König zu diesem treulosen Schritt trieb, verheimlichte « mit- leidig. Allein, zu seinem Erstaunen kreuzt« Johanna dte Hänw über der Brust, als müsse sie das freudig« Schlage» ihres Herzens beruhigen und sagt« mit klarer Stimme: »VH, so brauche ich dem Wunsch«, mein Leben dem Kloster zu weih«», der gerade in den letzten Wochen seit meiner Jugend Wteder übermächtig in mir wurde, nicht mehr ,« widerstehen. — Lu Labsal aller Trostlosen*, sprach sie leis« zum Kruzifix»» empor, »du hast meine Tränen erhört!* Und also flüchtete di« Seele der armen Johanna von valot» in« Kloster nach Bourge». Wie «ine von den scharfen Schnabel hieben he» Leben» verwundet« Taube fand Ye dort Aufnahme und Genesung, bi» sie nach Jahresfrist die wetßen Flügel spannte und »her alle» Srdenletd urr «wl^n aLL,» -MMk"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder