Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040621013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904062101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904062101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-21
- Monat1904-06
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS i» der Hauptexveditiim oder der« Ausgabe, stell« avgeholt: vierteliklhrltch 8.— bei zwetmultger tLgltcher Z»st»ll»,g tu« Hau« 3.7L Durch die Post bezog« st, Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für di» übrig« Länder laut Zeitvagsprei-liste. Medaktta»! Johauntsgasie 8. Sprechknuder 6—ii Ubr Nach«. Fernsprecher! 153. Erpedttta«: JohauuiSgasie L Fernsprecher: 822. , lbilialemedtHKneu r Alfred Ha h«. Buchbandlg.,UniversitStsstr.8 Aernspr. Nr. «046), L. Lolche, Katharinen straß, 14 (Fernsprecher Nr. 2835) u. Königs- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Alltal« Dresden: Marten strotze 84 (Fernsprecher Amt l Nr. 17131 Haupt-Alltale Berlin: LarlDnncke rLrrzgl.Bayr.tzosbuchbandla- Lützowstraße 10(FernsprecherAmt VI Nr.4603.) Morgen-Ausgabe. ripMcr TagMall Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Volizeiamtes der ötadt Leipzig. Nr. AI. Dienstag den 21. Juni 1904. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene PetitzeUe 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich («gespalten) 75 -H, nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 -4- Tabellarischer und Fifsernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Extra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung üO.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmrschlutz für Anzeige«: Abe ad» Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet »oa früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kliuthardt). 98. Jahrgang. Var Mchtigrte vom Lage. * Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II." des Norddeutschen Lloyd bat auf seiner heute vollendeten Heimreise von New Bork einen neuen Ozeanrekord aufgestellt, indem er die Strecke Tandy Hook-Eddystone in 5 Tagen II Stunden 58 Minuten zurücklegte. Die stündliche Durchschnitts- Geschwindigkeit betrug 23,58 Seemeilen — -13,00 Kilo meter. (S. A. aller Welt.) * Die Zusammenkunft des Kaisers Franz Josef mit König Eduard von England in Marienbad gilt als vollkommen gesichert. 'König Christian von Dänemark ist heute früh von Wien nach Nürnberg abgerclst. * Die „Rufs. Telcgr.-Agentur" ist aus amtlicher Quelle zu der Erklärung ermächtigt, daß die Zeitungs meldung über RuhestörungcninHelsingfors vollständig unbegründet sei. vor Kampf an Kecdtloren. Im politischen Leben gibt cs keine Ruhe, keine Voll endung. So viel auch schon erreicht sein mag, immer neue Bedürfnisse heischen Befriedigung, immer neue Forderungen pochen an die Türen der glücklichen Be sitzenden. Mit der französischen Revolution begann die gewaltige, noch heute nicht abgeschlossene Bewegung, welche die Emanzipation der rechtlosen Masse zum Zweck batte. Neben den Adel und Klerus, die beiden begünstig ten Stände, stellte sich breitbeinig das Bürgertum als der dritte Stand. „Was ist der dritte Stand?" so fragte der adlige Abbs Singes, und er gab daraus die revolutionäre Antwort, daß er die Nation selbst darstelle in ihrer Sou veränität und Machtvollkommenheit. Die große Revo lution hat über den Adel und Klerus, auch über den Kopf des Königs hinweg, diesem Anspruch Geltung verschafft. Tas Bürgertum erhielt für ein Jahrhundert lang die do minierende Stellung im Staat, nicht bloß in Frankreich, sondern nach dem Gesetz der historischen Konscguenz auch in den übrigen Kulturstaatcn des Abendlandes, auch — wenngleich mit manchen Modifikationen — in Deutsch- land. Aber die politische Entwickelung ging weiter. Tas Bürgertum, einst die große einheitliche Masse der prodn- zierenden Kräfte des Volkes, differenzierte sich und schuf aus sich selber neue Gegensätze. Aus den sich bekämpson- den Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erwuchs der vierte Stand, der Stand der industriellen Arbeiter. Seine Emanzipationskämpse sind nicht weniger heftig ge wesen, als einst die des dritten Standes waren: nicht weniger utopisch waren und sind noch heute die Ansprüche, die er an die Gesamtheit stellt. Noch ist dieser Entwicke- Inngsgang nicht abgeschlossen: noch wäre cs töricht, Vor aussagen zu wollen, wie weit die Forderungen der Ar beiterpartei sich realisieren lassen. Nur so viel steht heute schon fest, daß auch die Wirkung des vierten Standes auf den Staat einerUmwälzung gleich kommt. Tas gleiche und direkte Wahlrecht bedeutet ebenso wie die große soziale Gesetzgebung ein neues Ferment des Volksganzen, das weiterwirkend die Struktur der Gesellschaft umgestaltcn muß. Und abermals drängt es heran. Neue Scharen von Rechtlosen und Enterbten fordern ihren Anteil an den Gütern der Erde. Schon beginnt sich auch der vierte Stand wieder zu scheiden. Eine Elite von Arbeitern, wie sie in den Gewerkschaften und Gewcrkvercinen organisiert ist, separiert sich allmählich von. der großen Masse der un organisierten und ungelernten Arbeiter und von der noch niedriger stehenden der Heimatlosen, der Arbeitslosen und Arbeitsscheuen, der Vagabunden und Ausgcstoßenen. Die Sozialdemokratie bat die Gefahr, die ihr ans dieser neuen Differenzierung des vierten Standes droht, längst dunkel gefühlt. Will man dem Dresdner Parteitage, will man besonders der Haltung Bebels gerecht werden, so muß man diese Vorgänge besonders unter dem Gesichtspunkte betrachten, daß die Gesamtheit der Proletarier, vom bcst- sitnierten und bestorganisicrten Elitearbeiter bis zum letz tcn Bettler, eine große Einheit bilden und geschlossen gegen den Staat, oder vielmehr gegen das Bürgertum, in dem sich angeblich die Gefahr verkörpert, Front machen soll. Aber die Entwickelung läßt sich nicht oushalten. Und wenn man sich die Dinge unbe fangen ansieht, dann kann man nicht bestreiten, daß die Gewerkschaftsbewegung Och dieser proletarischen Politik immer ziclbewußter entgegcnstellt, daß man in den Ge werkschaften nach einer Verständigung mit den Arbeit gebern sucht, kurzum, daß mau sich auf dem Boden der bürgerlichen Gesellschaft wohnlich einznrichten sucht, während man um die eigentlich revolutionären Forde rungen des Proletariats bernmgcbt wie die Katze um den heißen Brei. Jedenfalls liegt in dem nur allzu großen Heere der Arbeitslosen ein Problem, das auch die Sozialdemo, kratie nicht zu lösen vermocht hat. Die Formeln des sozialdemokratischen Programms passen eben nicht auf Leute, die noch gar nicht zum politischen Denken erzogen sind, die noch wie die Lilien des Feldes leben, weder säen noch ernten, am liebsten auch nicht arbeiten und sich, so gut es geht, von ihrem himmlischen Vater ernähren lassen. Deshalb ist es auch begreiflich, daß ihnen setzt ein Fürsprecher aus einer ganz anderen Sphäre erwachsen ist, ein Mann, der eigentlich auch jenseits aller Politik steht, wenn er sich auch konservativ nennt, der preußische Abgeordnete Pastor v. Bodelschwingh. Dieser ehr- würdige Mann, der ein langes Leben im Dienste der Allerärmsten hingebracht hat, bat eigentlich zum ersten Male in einem Parlamente das Problem der Arbeits losen wirklich angepackt. Wie er schon bei der Kanal debatte sich über den Streit zwischen Industrie und Landwirtschaft stellte und allein der beim Bau be schäftigten Arbeiter sich annahm, so hat er setzt wieder das Wort ergriffen, um einen Antrag zur Gründung von Wanderarbeitsstätten für arbeitsuchende mittellose Wanderer zu empfehlen. Und merkwürdig, dieser so weltfremde und doch so weltklnge alte Herr hatte den Erfolg, seinen Antrag einstimmig angenommen zu sehen. Es war freilich nur ein Initiativantrag, dessen Durchführung wohl etwas lange auf sich warten lassen dürfte, aber in der allgemeinen Zustimmung kam doch der Gedanke zum Durchbruch, daß sich dahinten, irgend- wo weitab von den geordneten Ständen der Gesellschaft, ein neuer Stand regt, der noch ganz embryonal ist, eine durcheinander schwimmende veränderliche Masse bilder, der aber doch nicht mehr übersehen werden dürfe. Die Mittel, die Herr v. Bodelschwingh zu seiner Hebung an wenden will, sind ebenso embryonal: Fernhaltung des Alkohols, Zucht und Zwang zur Arbeit. Aber das Interessante an dem Vorgänge ist, daß hier die Struktur der Gesellschaft abermals eine neue Gliederung zeigt, deren Entwickelung noch im Schoße der Zeiten liegt. Mag es sich bei der großen Reservearmee dec Arbcits- losen immerhin noch um Zukunftsmusik handeln, so tritt uns in dem Kampfe der Frau, wie er in der letzten Woche auf dem internationalen Frauenkongreß proklamiert wurde, ein höchst aktuelles Problem entgegen. Auch wer regelniäßig die Frauenfrage verfolgt hat, der wird doch erstaunt gewesen sein über die Fülle der Aufgaben, über den Unifang der Forderungen und über die Kühnheit der Ziele, dix von den Frauen erstrebt werden. Es ist kaum ein Amt in Staat und Gemeinde, nach dem die Frauen nicht ihre Hand ausstrccken, kaum ein Beruf, den sie nicht zu erobern suchen, kaum ein Gebiet des sozialen, politischen, religiösen und wirtschaftlichen Lebens, auf den« sie nicht mitsprechen wollen. Manches, was auf deni Kongreß vorgebracht wurde, mag recht ungeklärt und unausgegoren gewesen sein; aber zugleich wurden doch Gedanken und Wünsche laut, denen sich auf die Dauer zu verschließen Torheit wäre. Die Frau drängt heute, das hat der Berliner Kongreß unwiderleglich ge zeigt, als mächtiger Faktor auf den Markt des öffent lichen Lebens, und die Frauen bilden schließlich die Hälfte der Menschheit. Wir Männer haben es sozusagen mit der Mutter- milch eingesogen, daß die Frau in das Haus gehört und im öffentlichen Leben nichts zu suchen hat: wir haben auch noch manche andere Vorurteile von unseren Vor fahren überkominen. Nun drängt sich auf einmal die Frau hervor und will sich emanzipieren. Das löst be greiflicherweise zunächst Unlnstgefühle aus. Aber Ge- fühlspolitik ist immer eine schlechte Politik gewesen. Wer auf seine Zeit wirken will, der muß sie zu verstehen suchen. Und da läßt sich nun einmal nicht leugnen, daß die Verhältnisse heute anders liegen, als sie zur Zeit unserer Eltern und Großeltern lagen. Das uncrbitt- lkck-e Leben stößt die Frau aus dem Hause hinaus: des- halb ist es nur natürlich, daß sie sich auch außerhalb des Hauses zu orieutieren sucht. Manche Uebertreibung der Frauenbewegung wird die Zeit beseitigen, aber vieles wird sich bewähren und unser öffentliches Leben be reichern. Auch den Kampf, den die im heutigen Staate Rechtlosen führen, wird man leiden müssen, mag man sich auch immer bemühen, ihn in die richtigen Bahnen zu lenken. ver Mkrtanü aer Derer». Di« Lag« im AnfftanH»g«bi«t. Zu dem bereit« mitaeteilten Telegramm des Generals v. Trotha bemerkt die „Nat.-Ztg.", nachdem sie konstatiert bat, daßLeutwein nunmehr endgültig von der Leitung und überhaupt von der Teilnabme am Feldzug zurückgetreten ist: Sonst enthält die Depesche v. Trotha« wenig Neue-. Samuel sitzt immer »och in seinem alten Lager am Mittellauf deS Dmu- ramba und steht »ach wie vor unter dem entscheidende» Einflüsse seines kampflustigen Unterhänptlinq- Ma Niarna. Ans den: Um stand, daß Michael, der Kapitän von ^marnrn, nnd Tctjo, der Kapitän der Ewambandjeru, sich au« dem Lager des Obrrbänpl- lingS entfernt haben, kann kaum der Schluß gezogen werden, daß die beiden Führer kriegsmüdc sind. Bon Tetjo, dessen Uebermnt durch den „Sieg" von Owikokorero naturl.ch noch g^ wattig gewachsen, ist dies am allerwenigsten anzunehmen. Nnd bezüglich des Kapitäns Michael mag es genügen, auf die an der Straße Omaruru Outjo in der letzten Zeit neu ausgebrochenen Unruhen hinzuweisen. Michael wird den in seinen. Hnmatsbezir und in den Paresisbergrn zurückgebliebenen Banden, welche u'Ngst die Heliographenstationen Etaneno und Okowakliatiiwi ernst ich bedroht haben, z»d Hülfe geeilt sein. Daß Lnmnel ,elb,t nicht mehr kriegslustig ist, kann als sicher angenommen wer- den ist ja bekanntlich in den ganzen Feldzug lediglich durch seine kriegerischen Unterführer, vor allem dnrch den genannten Assa getrieben worden. Nach allem, was vorangegangen ist, kämpft der Oberhäuptling um seinen Kopf. In den Onjatibergen, dem früheren Lager der nunmehr am Omuramba sitzenden Hauptmacht Samuels, scheinen keine Feinde mehr zu stehen. Dagegen gilt das Komashochlaud zwischen Wind- huk und Otjimbingwe immer noch nicht als gesäubert. Hier halten sich wohl noch Ucberreste der sonst meist nach Osten abgezogenen Banden versteckt, mit denen einst am Lievcnberg und bei Groß- Barn.en gekämpft wurde. DaS auffällige Verlangen des Generals v. Trotha nach bedeutenden Verstärkungen soll darin feinen Grund haben, daß Oberst Lentwein zu weist vorgestoßen ser, sodaß die Rückzugs- und Etappenliuie fast ohne Verteidigung sc. und es den Herero ein Leichtes wäre, sie an ledemZ-ellebigen Punkt zu unterbrechen und uns damit die ernstesten Schwierig keiten zu bereiten. ver russisch-japanische Weg. Der Rückzug -er Generals Stackelberg. Nach englischen Meldungen wurde der Rückzug des Korps Stackelberg durch eine dritte Division gedeckt. Die Rück- zugslinic war beinahe abgeschnitten, durch Angriffe der Kosaken wurden aber die Japaner zurückgeschlagen. General Kuropatkin hat, um zu verhindern, daß General Stackel berg von den ans Sinjau kommenden Japanern abgeschnitten wird, eine Abteilung zu Hülse geschickt. Dar Gelände der bevsrftehenden Räinpfe wird aus einer Reibe parallel nach Süden laufenden, von acht größeren sich in die Koreabucht ergießenden Flüssen durchschnittenen Bergketten gebildet, über die sich von -siujan bis zur Westküste unterhalb Kaipings hinüber guer die Siuug-vo-Kette lec^t, erbebt sich bis zu ltulo—4500^Fuß und läßt nur wenige Straßen durch seine Kluften und Schluchten hindurch. Sie alle münden bei Sius an, ebenso wie die nach Tatschitsao und Hauckong führenden Straßen. Auf ihnen rückten von dem Tage, wo General Stackelberg seine Ankunft in Wasangou meldete, die Kolonnen der zehnten Division vor, besetzten das wichtige Paijangkau und die Straße nach Sin- noetschoen (25 km südlich von Kaiping an der Eisenbahn). Daß General Kuropatkin und seine Kosaken von diesen Be wegungen nichts wußten, erklärt sich zur Genüge ans den zwischen beiden Heeren liegenden Bergketten, deren Zugänge sich bereits eine Woche früher in den Händen der japa nischen Avantgarde befanden. Sinjan selbst wurde gleich zeitig von Kurokis äußerstem linken Flügel besetzt, so daß der bei Takusehan gelandete Teil der Truppen Nodzus für den Vorstoß gegen die Eisenbahnstrecke Siunoet- ichoen — Kaiping—Tatschitsao völlig frei wurde. Hier, wenige Kilometer südöstlich von Kaiping, erlitten Stackelbcrgs Reserven am t l. Juni jene Niederlage, die Niutschwang in Aufregung versetzte, und nach kaum erfolgter Räumung zur schleunige» Wiederbesetzung TatschitsavS führte. Wie weit es wahr ist, daß Kuropatkin weitere 40 000 Mann nach Tatschitfao und darüber hinausgeworfen und in Mulden und Liaojang nur die nötigsten Truppen zurückgelassen, um Kuroki sestzuhalten, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls wird dort in den nächsten Tagen eine ver wichtigsten Entscheidungen des Krieges lallen, es müßte denn General Stackelberg mit Hülfe der Eisenbahn gelungen fein, schneller als General Nodzu es erwartet hat, seine Divisionen über Tatschitsao in Sicherheit zu bringen. Dir Stinnnung in Japan. Dem „B. L.-A." wird aus Tokio gemeldet: Das Volk ist entsetzt über das Unglück in der Tsuschimastraße. Die Fortschrittspartei hielt eine Versammlung ab, in der be schlossen wurde, vom Kriegsminister und vom Marineminister genaue Auskunft darüber zu fordern, welche Maßregeln zum schütze von Transportdanipsern getroffen worden sind, welches Verfahren gegen die für das Unglück verantwortlichen Personen beabsichtigt wird und welche Sicherheitsmaßregeln in Zukunft ergriffen werden sollen. Von den untergegangenen schiffen sind schließlich mehr Ueberlebende eingetroffen, als ursprünglich angenommen worden ist. Die Bedeutung -er Fall» vsn Port Arthur für Weihaiwei. Einer unserer Londoner Berichterstatter schreibt unS: Beim Durchblättern des Jahrgangs 1898 ter „TimeS" stieß ich dieser Tage durch Zufall auf den anglo-chinesisctien Pachtvertrag, Er ist vom l. Juli desselben Jahres datiert, in Peking unterzeichnet und ein besonders interessanter Passus lautet: „. . . . die Regierung Sr. Majestät des Kaisers von China verpachtet I. M. der Königin von Großbritannien und Irland Weihaiwei in der Provinz von Schantung und die nahen Gewässer für eine bis dahin sich erstreckende Periode, als Port Arthur von Rußland okkupiert ist . . . ." Zwei Momente scheinen mir hierbei besonders wichtig: China kann von Großbritannien (den Fall Port Arthurs an genommen) die Rückerstattung Weihaiweis fordern und — hierin liegt für mich die Quintessenz des Ganzen — diese Möglichkeit scheint man, merkwürdiger Weise, vor emundeinhcllb Jahren in London ins Auge gc- saßt zu habens Weigerte sich nicht die britische Regierung, die Hafenarbeiten, für die das Parlament «neben der bereits verausgabten Lumme) vier Millionen Lstrl. be willigt hatte, auszufiihrcn? Diese Frage ist in politischer Beziehung eine außerordentlich wichtige, da sie di« Vermutung auftauchen lassen kann, daß man in der Londoner Downing Street von den enormen japanischen Rüstungen und ihrer Bestimmung wußte. Abschwachend für diese pessimistische Auffassung wirkt allerdings, daß die Arbeiten in Weihaiwei alsbald nach dem Abschlüsse des anglo-japanischen Bündnisses eingestellt wurden, woraus angenommen werden könnte, daß England seine Seemachtstellung im fernen Osten genügend gefestigt glaubte. Wie dem immer sei, wollen wir hier nicht entscheiden, jedenfalls werfen der tibetanische Feldzug und die dem rusfisck.cn Botschafter in London dieserhalb erteilte schroffe Antwort ein bedeutsames Streiflicht auf die gegen wärtigen anglo-russischen Beziehungen. Deutsches Keich. * Berlin, 20. Juni. * Tn- Kaiser hörte hellte in C tt x h a v e n den Vor- trag des N c i ch s k a n z l e r s Grafen v. Bülow und be suchte am Nachmittag die hier ankernden Jachten „Meteor" und „Iduna". Zur Abendtafel lvar Exzellenz Eisendechcr geladen. * Tie Nordlanvsreise des Kaisers wird, wie schon ge meldet, in den ersten Tagen des Juli ihren Anfang nehmen, und zwar von Swinemünde aus. Sie soll nach den bis herigen Dispositionen etwa vier Wochen dauern. Nach der Rückkehr des Kaisers wirb die kaiserliche Familie dem „L.-A." zufolge zu mehrwöchigem Sommeraufenthalt nach Schloß Wilhclmshöhe bei Cassel übersiedeln. * Aus Tcntsch-Ostafrika. Vom Kongo hat ein belgischer Dampfer die Nachricht nach Antwerpen gebracht, daß ein deutscher Offizier, Hauptmann von Elberstein, die Grenze des K ongv st aates überschritte n und fick, am Rutschurn, in der Nähe des Albert Edwardsees, festgesetzt habe; ein Offizier des Kvngostaates sei ihm entgegengeschickl stvorden. Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß nach den vorliegenden Listen ein Offizier dieses oder ähnlichen Namens weder der Verwaltung noch der Schutztruppc Deutsch-Ostafrikas angehört, eine private Unternehmung aber, an die man vielleicht auch denken könnte, in jenem Teil des Schutz gebietes nicht tätig ist. Allein das schließt nicht aus, daß in dem offenbar aufgebanschten Gerücht ein Körnchen Wahr beil steckt, doch nur ein ganz winziges Körnchen, dem die böse Pslanzc der Zwietracht zwischen Deutschland und dem Kvngostaat sicherlich nicht entsprießen wird. Die „Voss. Ztq." erinnert nämlich daran, daß es dort, nördlich vom Kivusec eine „Grenze" zwischen dem Kongostaat und Deulsch-Ost- asrika überhaupt nicht gibt, daß eine solche also auch nicht verletzt werden kann. Die Grenze soll in nicht zu ferner Zeil durch diplomatische Verhandlungen festgestellt werden; vorläufig werden die deutschen Offiziere mit den benachbarten kongvstaallichen Kameraden aus Gründen der Verwaltungs- praris darüber übereingekommen sein, wo ungefähr der deutsche und kongostaatliche Machtbereich einander be gegnen. Wenn aber z. B. ein einzelner Stamm, der danach als unter longostaatlicher Oberhoheit stehend betrachtet wird, die unter deutscher Herrschaft stehenden Eingeborenen belästigt, und die kongostaatlichen Beamten solche Uebergriffe nicht verhindern können, dann erscheint es als ganz selbst verständlich, daß die Deutschen die imaginäre Grenze über schreiten und fick. Rübe verschaffen. Etwas Derartiges wird möglicherweise vorlicgen; von einem „Feslsetzen" kann aber natürlich keine Rede sein. Wäre ein Belgier in ähnlicher Lage zu dem gleichen Schritt gezwungen, so würden wir dagegen ebenfalls nichts einzuwenden haben. Man wird sich also in Brüssel hoffentlich nicht über den „Fall" aufregen. Ob nun aber etwas passiert ist oder nickt, jedenfalls sollte die deutsche Regierung mit dem Kongostaat recht bald die endgültige Grenze vereinbaren. Das Material dazu liegt ja schon seit langem vor. * Ter Kampf um die Schulreform in Württemberg. Für Montag abend ist in Stuttgart von den Vorständen der deutschen Partei, der Volkspartei, der jungen Volkspartci, der junglibcralen Partei und des nationalsozialen Vereins eine große allgemeine Protestversammlung einberufen worden, um gegen die Erste Kammer Stellung zu nehmen. In dem Aufruf dazu heißt es: „Abermals hat die Kammer der Standesherrcn hindernd und zerstörend in die Oiesetzgebnng Württembergs eingegriffen und hat auch in den letzten Tagen die bescheidenen Fortschritte, welche die Bolksschulnovelle bringen sollte, zu nichte gemacht. Langst hat die durch nnd dnrch rückständige, teilweise landfremde Mehrheit dieser Kämmer bewiesen, daß sie kein BcrständniS hat für die Rechte und Bedürfnisse des württembergischen Bolles. Sie hat auch diesesmal wieder gezeigt, daß sie nichts ist, als ein Organ für Adelsvorrechte und ultramontane Herrschgelüste. So kann und darf es nicht weiter gehen: Wer für geistige und politische Freiheit einlritt, für den ist es heilige Pflicht, hier ganz entschieden Protest zu erheben. Kein freiheitlich gesinnter Mann darf hier fernbleiben. Nnr eine überwältigende und impo sante Kundgebung des ganzen liberalen Bürgertnms kann schleunige nnd gründliche Abhülfe schaffen." Die Sozialdemokratische Partei hält am 30. Juni gleichzeitig drei Protcstversammlungen gegen die Erste Kammer ab, in welchen die Abacortncten Blumbardt, Keil und Kloß referieren werden. — Der Eva ngelifche Pfarr verein bat an den Kultusminister I)r. v. Weizsäcker ein Schreiben gerichtet, worin er sein aufrick tiges Bedauern über das Scheitern der Volksfchulnovelle ausspricht und betont: „Der Pfarrverein begrüßte den gerade durch die beabsichtigte Neuregelung der Bezirksschnlauisicht 'angebahnten Fortschritt, der dem wohlverstandenen Interesse der Schule wie der evangelischen Kirche gerecht zu werden versprach." Schließlich wird in dem Schreiben der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß es der Regicrnn.z gelingen werte, „in nicht all- zuserncr Zukunft unter voller Wahrung der von ter evangelischen Kirche stets und rückhaltlos anerkannten Hobeitsrechle tes Staates über die Schule die vorläufig ins stocken geratene Sckulsrage auch bei uns in Württemberg zum erwünschten Abschluß "zu bringen."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite