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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040622015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904062201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904062201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-22
- Monat1904-06
- Jahr1904
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* Tie Millionen der Karthäuser. In -en Erörte rungen der Blätter über die Montagosimmg der U n t e r- s u ck> ii n g s k o ni in ission spiegelt sich die grosze Be wegung wieder, die die G e g c n ü b e r st e l l u n g La- graves mit Edgar Comdes und d c in M i - n i st e r p r ä s i d e n t c n in den »ammcrkreisen fiervor- gerufen hat. Regicrungssemdlichc Blätter ertlären, die Aussagen Lagraves Hütten dein Ministerpräsidenten und seinem Lohne einen unheilbaren Lckilag verseht, das Ende des M i n i st e r i u m s C o m tz e S sei als be vorstehend anzusehen. Tie radikalen und ministeriellen Zeitungen meinen, alle Treibereien der Gegner der Re gierung konnten die Tatsache nicht aus der Welt schassen, daß der Ministerpräsident der Kammer das Ausweisungs gesetz vorgelegt hat trotz der unter Waldeck Rousseau zu Gunsten der Karthäuser abgegebenen Gutachten. An dieser Tatsache müßten die verleumderischen Manöver der Nationalisten und der klerikalen scheitern. - In Dc- putiertenkreiscn hält man cs für möglich, daß die gestrigen Vorgänge in der UntersuchungSkommisüon bereits heute in der Kammer zur Sprache kommen werden. Ten An laß dazu werde vielleicht ein Antrag Scmbat(Soz.) bieten, welcher tür die llniersuchnngstomm'ssion gerichtliche Ge walt verlangt. Es beißt, die.Kommission werde den na tionalistischen Deputierten von Grenoble, den ehemaligen Architekten der Karthäuser, Vickat, sowie den Chef redakteur des „Petit Tauplünois", Besson, ver nehmen, der den Feldzug gegen Edgar Combes begonnen hat. Außerdem bat die Kommission beschlossen, den Generalprior der Karibäuscr und den PatcrRey , den Leiter der Likörfabrik, für nächsten Montag vorzuladen und zu diesem Zwecke für diese beiden vom Ministerium des Innern freies Geleit zu verlangen. (LZr^ichritlsmmen. * Ter glänzende tiliernlc Wahlsieg in Tevanpart ver ursachte großen Jubel bei teil Liberalen im Unterbaust. Asquith trabteie rem „Dailn Cbrouiele", taS Wahlergebnis bilde eine Aufforderung an ric Regierung, abzudantcn. Die unionnkischen Blätter versuchen, die Tragwcue des Wahl sieges abzuschwächen, mir Ausnahme des „Standard", der in dem Wahlergebnisse den fetten Entschluß der Wähler erblickt, Chamberlains Zollreformpläne nicht zu dulden. ' Englische Beschwerden ans Samoa. Ein englischer An siedler aus Samoa macht in den „Times" darauf aufmerksam, raß die Engländer in Apia nur in auteren Teilen von Samoa sich immer noch in größter Not befinden, da bisher für ihr Eigentum, das im Jahre 1899 durch englische und amerika nische Kriegsschiffe zerstört wurde, keinerlei Lckadcnersatz ge leistet wurde. Die Ansiedler, ric früher wohlhabend ge Wesen seien, lebten heute in den Hütten der Eingebore nen, nachdem man damals ganz unnötigerweise ihr Hab und Gut zerstört habe. Der Briefschreibcr fahrt fort: „Se. Majestät, König Oskar von Schweden, der über die Forderungen dieser Opfer des Krieges zu ent scheiden hatte, entschied vor zwei Jahren dahin, daß Großbritannien und Amerila scharenersappflichrig feien, und eS ist überraschend, raß zwei so große Mächte so lange Zeit nötig haben, um die zuerkannlen Entschädigungssummen zu zahlen. Man muß bedenken, daß außerdem alle die zu Ent schädigenden in Samoa als Engländer geboren wurden und englische Untertanen waren, bis Großbritannien Samoa an Deutschland ablrat, und man wird verstehen, wie kiese Leute in ihrer kläglichen Lage über diese offenbare BernackKänigung durch ras Mutterland denken, kessen Söhne unk Töchter sie doch noch in gewissem Sinne bleiben." Nrchland. * Tic Lage in Fiirland. Der russische Schriftsteller Beliajew, der in den letzten Monaten zum Zweck des Studiums der finnischen Boltsstimmung Finlank bereist hak, sieht die Lage als außerordentlich trübe an. Er sagt über seine Erfahrungen: „Ich fuckue alle Städte an der Westküste auf, setzte mich mit reu betten Männern in Verbindung und erhielt überall entmutigende Schilde rungen der Lage. Die Lonalitten haben eine harte Zeit. Von Hango aus fleht man in ständiger Verbindung mit England und Schweden, unk die russische Autorität wird nur durch einen einzigen Polizeikommissar unc 3u Polizisten dargeslellt. In den F>orts herrscht eine ununterbrochene Tätigkeit, und es ist nicht schwer zu raten, was dort vorgeht. In Abo regen die Schweden kas Volk ans, bcruseu aufrührerische Versammlungen und in den Klubs und Restaurants wird nur über Politik gesprochen. Die Finen leisten hartnäckigen Widerstand; nur wenige unter ihnen neigen zur Nachgiebig keit. Die Iungsinen beherrschen ric Arbeiterklassen und die Schweren die Iungsinen. In Nikvlaistad, das als Hauptpunkt der Schweren betrachtet werden kann, und weiter nördlich in Uleaborg ist ein stetes Wachsen ter anti russischen Bewegung zu bemerken. Mau hört von Guerilla krieg, von vollständiger Nickerlage Rußlands und von der Feuilleton. Zur Psychologie der Lynchjustiz. Von vr. E. T. Nachdruck verbaten. Das Lynchen von Verbrechern gehört zu den ab schreckendsten unb gleichzeitig merkwürbigsten Erscheinun gen öes Amerikanismus. Kein Plan zu seiner Unter- orückung hat bisher Erfolg gehabt, und keiner wird Er- folg haben, der nicht das liebel bei seiner Wurzel anfaßt und die eigentlichen Gründe des Mißbrauchs in üen niedrigen Instinkten des Menschen aussucht und außer Tätigkeit zu setzen vermag. Die Negierungen, sowohl der Gesamtheit wie der einzelnen Staaten, haben sich bis her ohnmächtig gezeigt. Die Statistik lehrt, daß im vorigen Jahre in den Vereinigten Staaten 118 Neger gelyncht wurden. Etwa der dritte Teil der Opfer war angetiagt. Verbrechen gegen Frauen begangen zu haben; die Berechtigung der Anschuldigung war nicht einmal überall erwiesen. Es ist in den letzten Jahren mit dem Lynchen immer schlimmer geworden. Das sogenannte Volksgcricbt beschränkt sich jetzt nicht mehr am einige be sondere Vergeben, und es und auch zahlreiche -Fälle be kannt, wo oen Gerichteten nicht das geringste Verschulden traf. Eine amerilaniiche Wochenschrift, der in Nein Bork erscheinende „Medical Record", sagt dazu selbst, es habe tatsächlich den Anschein, als ob die Leute oft nur von dem Gekühl ausgingcn: ..Es ist beute ein io schöner Tag. wir wollen einmal ins Freie spazieren und irgendeinen umbringen!" Die Neger werden von der Lynchjustiz be sonders bäusig betroffen uns nicht nur Männer, sondern auch Greise. .Knaben und Frauen, die ost wegen der ge ringfügigsten Uebeltaten getötet werden. Nicht selten ge- nügt ein Argwohn oder der Vorwnri eines Verbrechens, das vielleicht von einem anderen begangen wurde. Daß diese Morde zuweilen aus furchtbare Art vorgenommcn werden, kann man von Zeit zu Zeit in den Zeitungs nachrichten lesen. In einem Falle soll dein Lpker die Leber ausgeschnitten sein, die dann in tleinen Stücken unter die Menge verteilt wurde, nm als Erinnerung an den „Festtag" anfbewabrt zu werden. „So weit wir auch in der Geschichte zurückbliaen", schreibt die amerikanische Zeitschrift, „wird es 'chwcr fein, eine Zeit zu finden, in Zusicherung englischer Hülfe reden. Es ist Zeit, daß Rußland eingreift. Mau ist über die schwedische Bewegung falsch unterrichtet. Kurz, ich habe nur die düstersten und ent- mutigendsten Mitteilungen von allen Seiten erhalten." Beliajew vergißt in der Zahl der Gründe für die Erregung den hauptsächlichsten: die Art und Weise, wie alten Ver trägen und feierlichen Versprechungen entgegen in Finland die Russifizierung betrieben wird! Türkei. * Konstantinopel, 2t. Juni. Nach Angaben aus türkischer Ouelle ist der Befehl, den Bezirk Lassun von Ar meniern zu säubern, zurückgenommen worden. Die armenischen Flüchtlinge in Musch erhielten Erlaubnis zur Rückkehr nach dem Bezirke Sassun. Nordamerika. * Arbeitslosigkeit in bcn Bereinigten Staaten Einer Statistik zufolge, welche die „World" auf Grund eigener Erhebungen über den wirtschaulichcn Mißstand in den Ver einigten Staaten aufstellt, sind in Amerika gegenwärtig 665 000 Mann arbeitslos. Davon sind 110 000 Eisen- und Stahlarbeiter, 120 000 Eisenbahnangcstellte, 80 000 Textil arbeiter in den Neuengland Staaten. Die „World" führt den Arbeitsmangel im Eisen- und Stahlgewerbe auf die vom Stahltrust eingesührlen Ersparnisse zurück, die einen Wertrückgang der Aktien des Trusts verursacht hätten, sowie ans das glcichzeiüge Anfhören des spekulativen Aufschwunges an der New shorler Börse. Diese beiden Umstände hätten zusammen mit den von Sully hervorgerufenen Schwankungen auf dem Baumwvllmarkt auf das ganze Land ungünstig eingewirkt. Leipriger /Ingelegenkellen. * Leipzig, 22. Juni. Die gesetzliche Erbfolge. Wer kein Testament macht, wird nach den gesetzlichen Bestimmungen beerbt, die in den 88 192-1 ff. des Bürger!. Gesetzbuches stehen. Das Gesetz ist sozusagen sein Testa ment. In erster Linie erben nach dem Gesetze die Kinder, und zwar zu gleichen Teilen. War der Erblasser ver heiratet, so erbt neben den Kindern der Ehegatte, und zwar zu einem Viertel. Hatte also der Erblasser zwei Kinder, so erhielt die Witwe ein Viertel, jedes der Kinder drei Achtel. Den Kindern kann durch das Testament die Hälfte ihres Erbteils entzogen werden. Der Erblasser kann cs also auch so einrichten, daß seine Witwe fünf Achtel, jedes der zwei Kinder drei Sechzehntel erhält. Sind die Kinder des Erblassers gestorben, haben sie aber ihrer seits Kinder hinterlassen, so treten diese an ihre Stelle. Hat der Erblasser überhaupt keine Abkömmlinge, dann erbt der etwa überlebende Ehegatte zur Hälfte. Tie andere Hälfte der Erbschaft fällt an die Eltern des Erb lassers, und wenn diese nicht mehr leben, an seine Ge schwister. Lebt der Ehegatte des Erblassers zur Zeit des Erbfalls nicht mehr und sind auch keine Abkömmlinge vorhanden, so erben die Eltern bez. die Geschwister das Ganze. * * vr. Ernst Ludwig Barth ch. Der weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Schulmann, der am 20. Juni unerwartet einer Darmoperation erlag, wurde im Jahre 1831 in Sebnitz geboren. Er schlug zunächst die Laufbahn eines Burcaubcamten ein. Leb hafter Bildungsdrang und ungewöhnliche Begabung er möglichten es ibm, im Alter von 23 Jahren an der hie sigen Nitolaischuke die Reifeprüfung abzulcgcn, die ihm den Zugang zu akademischen Studien eröffnete. An dem nachmaligen Professor Or. Arend, der ihm vor zwei Jahren im Tode voranging, sand e»- einen Gleichstreben- dcn, mit dem ihn innige Freundschaft ver band. Barth wandte sich dem Lehrfach zu, besonders an gezogen von der Pädagogik Herbarts in der Fortbildung, die sie durch Tuiston Ziller gefunden. Jni Jahre 1861 gründete Barth hier in Leipzig eine Privatschnlc, die sich aus den bescheidensten Anfängen allmählich zu einem pädagogischen Unternehmen von Weltruf entwickelte. Die Hcrbart Zillcrschen Theorien vom erziehenden Unterricht in die Praxis einfübrcnd, nannte er seine An stalt Erziehungsschnle. Aus Zillcrs Anregung begrün dete Barth im Jahre 1862 auch den ersten Kindergarten. Schon ini Jahre 1875 ward die Barthsche Erziehungs schule von der Behörde als berechtigte Realschule aner kannt, die nun schon Hunderte von Schülern mit dem Reifezeugnis entlassen konnte. Dor drei Jahren nötigte I)r. Barth ein Augenleiden, die Leitung der Schule seinem Sohne vr. Robert Barth zu übergeben, der sic in der alten bewährten Weise weitcrführt, bis zuletzt noch unterstützt von der reichen Erfahrung ihres Be gründers. Wohl in Erinnerung an die Schwierigkeiten, der die jetzt gegen die Neger bei uns verübten Grausam- leiten übertroffen worden sind." Ob es nun etwas nützen wird, über das Zustandekommen solcher Vorgänge Psycho logisch nachzuwrschcn und gelehrte Abhandlungen dar über zu schreiben, kann auch noch sehr in Frage gestellt werden. Immerhin hat sich ein Mann gefunden, der einen Versuch nach dieser Richtung unternimmt. Er geht von der Erwägung aus, daß der civilisierte Mensch die höchste Kulturstufe nur sehr langsam erreicht hat. In seinem Gehirn haben sich gewisse höhere Zentren entwickelt, die sein Leben und sein Betragen gewöhnlich beherrschen. Der Naturmensch ist im Gegensatz zum Kulturmenschen des abstrakten Denkens noch nicht fähig, und die höheren Gewirnzellen sind bei jenem noch unentwickelt. Sein Be nehmen wird geleitet von niedrigeren und einfacheren Gehirnzentren; er ist unvernünftig, leidenschaftlich, in stinktiv und zu schnell zum Handeln geneigt. Auch in dieser Beziehung wird wieder auf den Hypnotismus ver wiesen, der den Unterschied zwischen dem vernunftmäßi gen und dem unwillkürlichen Handeln zur Erscheinung bringt. Vor der Hypnose ist der Mensch im vollen Besitz seiner Geisteskräfte oder, nach einer bekannten Redensart, „König von allem, was unter seinem Hut steckt." Durch die Hyvnose aber werden die höheren Gehirnzentren aus geschattet und die niederen, weniger entwickelten und ein facheren treten in das Recht der Herrsckiast ein. Wie der Hypnotiseur es will, kommen Furcht, Haß, Wut zum Vorschein, auch die Instinkte der Grausamkeit und der Mordsiicht. Der Hypnotisierte hat alle Macht über seinen Verstand und jede Selbstzucht verloren. Tic Geschichte lehrt nun allerdings, daß es auch im gewöhnlichen Leben rüste gibt, die aus den einzelnen Menschen wirken wie die Hypnose. Die wichtigsten Faktoren dieser Art sind die Ansteckung die in sozialen Erregungen liegt, und der Nachahmungstrieb im allgemeinen. Die Bluttaten der Bartholomäusnacht, die Judenverfolgungen und Heren- Verbrennungen, die Morde der französischen Revolution sind alle aus das Fluidum zurückzusührcn, das man als Massensuggestion bezeichnen könnte. Ein bedeutsames Wort sagt: „Tie Dualität des Einzelnen ist in der Menge ebne Bedeutung, denn innerhalb einer Mcnschenmasse ist der Gelcbrte ebenso unfähig zu eigentlicher Beobachtung und zu vernimstmäßigem Handeln wie der Unwissende." So kann man auch sagen, daß die Leute in den Süd staaten der Union nicht jeder für sich allein dahin ver anlagt sind, angebliche Verbrecher gesetzmäßig uinzu- mit denen er selbst einst zu kämpfen hatte, wgrd vr. Barth der Begründer des Vereins zur Unterstützung talentvoller Knaben, der noch in Segen wirkt. Neben dieser vielseitigen pädagogischen Tätigkeit machte sich Dr. Barth auch hochvevdieift um die Förderung der wirtschaftlichen Lage des Privatschullehrerstandes durch Begründung des Leipziger und des deutschen Privatschul- lehrervereins. Ein Leben, reich an Arbeit, aber auch an Erfolgen, hat seinen Abschluß gefunden, und die segens reiche Spur von seinen Erdentagen sichert dem Heimge gangenen ein bleäbendes Andenken über das Grab hinaus. * Ter Abschluß der Ltadtkassenrechmmg für IM! schließt mit einem Zuschuß von 124 703 „L ab, während die Rech nung von 1902 einen Ueberschuß von 791 675 aufwieS. Im Jahre vorher, 1901, war jedoch noch ein größerer Zuschuß als 1903 zu verzeichnen, denn derselbe betrug 104 089 Was die Höhe der zur Erhehung gelangenden Prozente der Gemeindeeinkommensteuer betrifft, die, wie wir schon mitteilten, für 1904 sich auf 140 belaufen sollen, so sei bemerkt, daß im Jahre 1903: 135, 1902: 140 und 1901: 130 Prozent erhoben wurden. Aller Wahrschein lichkeit nach dürften 140 Prozent zum Normalbetrage für die Zukunft werden. * Geistliche Fürsorge in den sächsischen Gefängnissen. Vom evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium sind in jüngster Zeit neue Bestimmungen für das Amt der im Bereich der Justizverwaltung angcstellten evan- gelisch-lutherischcn Geistlichen festgesetzt worden. Diese Bestimmungen treten m i t d c m 1. I u l i d. I. in Kraft. Als geistlicher Kommissar für die Angelegenheiten des geistlichen Amtes der evangelisch-lutherischen Landes kirche ist vom Landeskonsistorium im Einverständnis mit dem Justizministerium Herr Geh. Kirchenrat a. D. Keller in Dresden bestellt worden. * Neuregelung der Konten des Stammvermögens der Stadt Leipzig. Bei der Beratung über den Rech nungsabschluß und die Inventur des Stammvermögens der Stadt Leipzig war im Stadtverordnetenkollcgium bemerkt worden, daß eine Neuregelung einzelner Konten dringend wünschenswert sei. Der Rat ist dieser An gelegenheit näher getreten und hat verschiedene Beschlüsse von weiterem Interesse gefaßt. Namentlich ist zu er wähnen, daß der Buchwert der städtischen Schulgebäude eine erhebliche Veränderung erfahren soll. Bei 19 Schulen, von denen 15 in Alt-Leipzig gelegen sind, sieben nämlich die Schulbauplätzc ohne Wert zu Buche. Für diese Bauplätze, die meist sehr wertvoll sind, Zollen Beträge in einer Gesamthöhe von rund 4 303 000 Mark eingestellt werden. Dadurch wird cs möglich, die Kosten des Carola-Gymnasiums, das der Stadt gar nicht mehr gehört, vom Stammvcrmögcn voll abzuschreiben, ohne daß das Reinvermögen verringert wird. Die übrigen vom Rate beschlossenen Acndernngcn sind von weniger erheblichem Interesse. r. Zur Abhaltung von Hebungen wurde gestern das 3. Bataillon des hier garnisonierenden Infanterie- Regiments Nr. 106 mittels Sonderzuges nach Zeithain befördert. Der Sonderzug verließ den Dresdner Bahn hof vormittags 7 Uhr 25 Minutan und langte 10 Uhr 33 Minuten am Truppenübungsplätze bei Zeithain an. * Verein für Ferienkolonien. Unter dem Vorsitz des Herrn Direktors Professors Thomas hielt der Verein für Ferienkolonien gestern abend in der Ersten Bürger schule sein 24. Generalversammlung ab. Zu nächst gedachte der Vorsitzende des vor kurzem verewigten, um das große Werk hochverdienten Herrn G u st a v de Liagre, zu dessen ehrendem Gedenken die Ver sammelten sich erhoben. Hieraus erstattete der Schrift führer, Herr Direktor Eißenreich, den Jahres bericht, dem zu entnehmen ist, daß cs dem Vereine im vergangenen Jahre trotz der wenig günstigen wirtschaft lichen Verhältnisse wieder möglich gewesen ist, 759 Kin der (16 weniger als im vorausgegangenen Jahre) auszu senden. Lebhafter Tank wird für die dem Vereine zu begangenen Spenden gezollt: Rat und Stadtverordnete verwilligten 5000 ans der Stiftung eines Mcnschen- ftcnndes wurden 500 <-(/ gestiftet, weiter gingen Stif tungen von 15 000 von Herrn Alfred von Hoffmann, ein Vermächtnis des in Neckargemünd verstorbenen Rechtsanwalts Reichel in Höhe von 20 000 sowie mehrere andere ein. Möchten alle Geber auch fernerhin Gönner und Wohltäter des Vereins bleiben, möchten sich auch besonders die kleinen Gaben bei den in den Zeitungen bekannt gegebenen Sammelstellen mehren. Tie in der 7. Bezirksschule für alle Bezirksschulen eingerichtete Klciderkammer hat wieder reichlich Kleider für solche Kinder gespendet, denen es nicht möglich war, das Not wendigste, was an Kleidung vorgeschrieben ist, zu be schaffen. Tas Geld und die Kleider verdankt der Verein zumeist den wohltätig gesinnten Töchtern unserer höheren Privatschulen und höheren bringen, vielmehr sind sie eine von Natur freundliche und menschliche Bevölkerung. Daher scheint es in der Tat der Mühe wert, die Psychologie der Lynchmordc aus ihrer Rätselhaftigkeit herauszuziehen. Ucbrigens sind die Akte der Lynchjustiz nicht auf die Südstaaten beschränkt. In New Dort ereigneten sich vor einiger Zeit eine Reihe von Untaten, die jeder Ortschaft, Georgia oder Virginia, zur Ehre gereicht haben würden. Ein Neger hatte einen Polizisten erschossen, der ihn verhaften wollte, obgleich nun der Verbrecher hinter Schloß und Riegel gebracht worden war und sicher einer schweren Bestrafung ent gegensah, rottete sich eine Menschenmenge zusammen, griff ganz harmlos arbeitende Neger mit tödlichen Waffen an, überfiel unschuldige farbige Frauen und er mordete so eine ganze Anzahl von Menschen. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Leute, die an diesen Aus schreitungen tätigen Anteil genommen hatten, sich am folgenden Morgen fragten, wie sie denn überhaupt dazu gekommen wären. Worin liegt das Heilmittel gegen diese Zustände? Der amerikanische Forscher, der sich in die Psychologie der Lynchjustiz vertieft hat, sucht es in demselben Prinzip, das überhaupt allein den Knftnr- sortschritt verbürgt, nämlicki im Individualismus. Die Negermetzeleien würden erst dann aufhören, wenn ein zelne Leute von Mut und Charakter, die der Hypnose zu widerstehen im stände wären, ibren davon ergriffenen Mitmenschen sich entgcgenwnrfen. Auirftkalender für Leipzig. Theater. Leipziger Stadttheater. Neues Theater. Heute Mittwoch wird Rossinis Oper „Ter Barbier vonsc- Villa" gegeben. Morgen gelangt „Tannhäuser" zur Aufführung. Tie Titelpartie singt Herr Rugcrt Gogl vom Stadtthcatcr in Lübeck, den Biterolf Herr Robert B üssc l. Zur Feier des 80. (Geburtstages Earl Reineckes ist für Freitag des Jubilars komische Oper „Der Gouver neur von TourS" in neuer Einstudierung angcsetzt. Leipziger Schauspielhaus. AntonFranck setzt am Mitt woch sein (Ristspiel als Carl Flcnz in der Posse „E rund seine S ch w e st e r" fort. Donnerstag geht als Vorstellung für die Einielmitglieder des Deutschen Metallarbeitcrvcrbandes zu Leipzig Schillers „W ilhelm Teil" in Scene. Zu die ser Vorstellung, welche um 8 Uhr beginnt, findet kein Billett verkauf statt Freitag tritt Anton Franck als Voß in dem Bürgerschulen. Der Verein hat nunmehr in 24 Jahren 14 089 Kinder versorgt. Er wird, wenn die Kolonien von 1904 heimgekehrt sein werden, auf eine 25jährige Tätigkeit zurückblicken können. Im ganzen Reiche bestehen jetzt in 119 Städten 190 Vereine, hinsicht lich der Jahresausgabcn für die Kolonien kommt der Leipziger Verein an dritter Stelle. Auf die interessanten vergleichenden Zahlen ini Bericht kommen wir noch zurück. Die 27 Kolonien des Leipziger Vereins bestanden wieder aus 24 Gebirgs- und 3 Soolbadkolonien, deren Pfleg zeit bei ersteren 3, bei letzteren 4 Wochen betrug. Weiter werden in dem Berichte eingehende Mitteilungen über den Aufenthalt der Kolonisten und der Wunsch ausgesprochen, daß der Verein auch ferner sich gedeihlich entwickeln möge. Dem Kassenbericht zufolge betrug das Ergebnis der Sammlungen.im letzten Jahre 13 076 «kk (in diesem Jahre beträgt die Sammlung laut Quittung in vor liegender Nummer bis jetzt 9087 c/(). Die Einnahmen betrugen 56 947,90 die Ausgaben 52 508,76 so daß ein Bestand von 4439,14 -F verblieb. Dem Kassierer wurde Entlastung erteilt. Die Versammlung wählte die ausscheidenden Mitglieder auf Antrag des Herrn Pfarrers vr. M chlhorn wieder, neu in den Verein gewählt wurden die Herren Stadtrat Vr. Wagler, Stadtver- ordnetenvorsteher vr. Iunck und Kommerzienrat Stöhr ; als Rechnungsprüfer wählte die Versammlung die Herren Simon und Fritsche wieder. * Tic Einnahme bei dem WohltättgkeitSfest zum Besten des Leipziger Vereins der Kinderfreunde (Kinder schutz) betrug über 9500 so daß nach Abzug der Kosten der sehr bedürftigen Kaffe eine erhebliche Summe ausgezahlt werden kann. Bei den vorangegangenen und auch jetzt noch schwebenden großen Wohltätigkeits-Veranstaltungen und in Anbetracht dessen, daß dem Verein nur bis 12 Uhr mittags — wegen des Sonntags — in entgegenkommender Weise seitens der Paimengarten-Direktion die Eintrittskarten-Einnahme belassen werden konnte, sowie in Rücksicht auf die volkstümlichen Preise für alles Gebotene ist der Erfolg des Festes ein sehr erfreulicher. Seit dem Jahre 1901 hat der Palmengarten nicht eine solche riesenhafte Ansammlung von Menschen ge sehen, ein Beweis dafür, daß die Bestrebungen des Kinder- schutzvercins dem Publikum sehr sympathisch sind. Ein Dank an alle, welche in uneigennütziger Weise der guten Sache gedient haben, sowie die Liste der nicht abgeforderten Ge winne der Puppenlotterie befindet sich noch an anderer Stelle unseres Blattes. * Abend-Motette in 2t. Johannis. Am Johannis tage, den 24. Juni, abends 8»'z Uhr, findet in der Johannis kirche Abend-Motette vom Kirchenchore statt unter freund licher Mitwirkung von Frl. Liddy Risch aus Königsberg und Herrn H. Schöne aus Paderborn. * Tätigkeit der Acttnngsgcscllschaft „Samariter-Verein". Im Monat Mai wurde nach den Meldungen an die Kanzlei die erste Hülse im ganzen von 747 Personen beansprucht. Davon wurden wegen Unfällen 667 und wegen anderer Plötz licher Erkrankungen 57 behandelt. Die vier Sanitätswachen wurden zusammen von 629 Hülsesuchenden in Anspruch genommen und zwar 519 mal bei Tag und 110 mal bei Nacht. Befunvscbeine für Gerichte, Polizei u. s. w. wurden 5 aus gestellt, Krankentransporte 28 ausgeführt unb Eis für die Zwecke der Krankenpflege in 61 Fällen abgegeben. Im Vieh- und Scklachthos wurde in 56 Fällen, in der Markt halle in 21 Fällen seitens der dort angestellten und als Samariter ausgebildeten Beamten die erste Hülfe geleistet, während nach Ausweis der von den betr. Amtsstellen ein- aesandten Zählkarten die Schutzleute, Feuerwehrleute und Ratsdiener in 13, die freiwillige Hilfsmannschaft des Vereins und sonstige vom Verein ausgebildete Samariter in 28 Fällen als Nokhelser in Tätigkeit traten. * Auf dem neuen Friedhof in L.-Eutritzsch finden bei günstiger Witterung am Johannistage abends i-9 Uhr Gesangsvorträge des Kirchenchorcs statt. * Ter Verkehrsverein Leipzig wird am 27. Juni abends eine Mitgliederversammlung, zu der jedoch auch Gäste willkommen sind, im Hotel „Palm baum" abhalten. Es stehen zwei äußerst wichtige An gelegenheiten zur Verhandlung. Herr K. Jacob-Leipzig wird über „W e g e m a r k i e r u n g" sprechen, eine An gelegenheit, die schon auf dem allgemeinen Bundestage der deutschen Verkehrsvcrcine in Hannover auf der Tages ordnung stand, während Herr Schriftsteller Heiland das für Leipzigs Messen ungemein beachtenswerte Thema: „Die Verlegung der K I e i n m e s s e nach den Frankfurter Wiesen", behandeln wird. Alle Interessenten werden auf diese Versammlung aufmerk sam gemacht. * Ein Waldfest in der Harth veranstaltet am nächsten Sonntag der Christliche Verein junger Männer, Musikalische Vorträge, Gesellschaftsspiele, Scheiben- und Vogel schießen, sowie Schau- und Wctturneu werden auf dem Fcsi- platz geboten. Außerdem wird Herr Pfarrer Wangcmann, aus gehend von Reiseerlebnissen und Beobachtungen, einen kurzen L'Arrongeschcn Lustspiel „Der Kompagnon" auf und Sonnabend nochmals als Weigel in dem Volksstück „M e i n Leopold". Sonntag nachmittag wird als Vorstellung für den Gewerkvcrcin „Tic bcrüh in tc Fra u" gegeben. Ein Billetlvcrkauf hierzu findet n i cki t statt. Sonntag abend spielt der Künstler in „Zwei Wappen" den Thomas Forster. Die Direktion und der Lokalverband Deutscher Bühnen angehöriger dankt an dieser Stelle den gütigen Spendern milder Gaben bei Gelegenheit des Festes zum Beste» der Deut schen Bühnengenosscnschaft herzlichst. Tas Resultat des er zielten Reingewinns ist glänzend gewesen und ein Beweis für die bei dem wohltätigen Zweck bewiesene Anteilnahme des Publikums. Kristall Palast-Theater. Morgen verabschieden! sich die 30 Original-Schlierseer vom hiesigen Publikum. Für die letzten beiden Tage hat sich dieses beliebte Ensemble einen Schlager ausgcspart, die Bauern-Possc mit (flcsang und Tanz: „Der A in c r i ka s e p p l". Namentlich Laver Tcrofal amüsiert die Besucher in der Vcrklciduugsccne als Wirtschafterin Barbara. Zentraltlieatcr. Der täglich zunehmende Besuch, sowie der ungeteilte Beifall bekräftigen den Erfolg der pikanten Posse „G a st ons Hochzcirsnach t", welche vorläufig auf dem Spiclplau verbleibt. Mehrere auswärtige Thcater-D' rcktoren waren in den letzten Tagen bereits hier, um dieser Uraufführung im Zentralrheatcr beizuwohnen. Sommertlicatcr Drei Linden. Heute findet die 3. Auf führung der Gesaugspost'e „S eine Kleine" statt. Morgen wird das historische Lustspiel von Hermann Hcrsch, „T i c Anna-Liese" gegeben. Die Anna-Liese spielt Frl. Else Treptow, den Chalisar Herr Kranz Stahl. In Vor bcreitung befindet sich die Gcsangspossc von Leon Trep tow (dem Bruder unseres artistischen Leiters) „Unsere Don Inans". Sunstsalon. Leipziger Kunstvrrrin. So bedeutend schon die Aus stellungen unseres Kunstvercins in den letzten Wochen gewesen sind — wir nennen aus dem reiche« Bestände nur die Kollek tion englischer Original-Radierungen und die Gemälde F r i tz v v n U h d c S — so reiben sich ihnen doch un ausgesetzt noch immer neue Kunstwerke berühmter Meister an. Auguste Rodin und Albert Bartholoms, sind seit Montag ini Kunstvcrein vertreten. — Wer gedächte nicht bei Nennung dieser Namen der Gruppe der Bürger von Calais des Einen und des Denkmals für die Toten aus dem Psre Lacl'aise des AnderenI Daß solche den Mitgliedern des ttuuü Vereins dargcbotcn werden konnten, ist der Güte eines Mu glicds zu verdanken, welches diese Werke aus seinem Privat besitz auf das Zuvorkommendste der Ausstellung zugcführt hat.
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