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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040623017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904062301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904062301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-23
- Monat1904-06
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Landeskultur als des Handels und der Lctnfiahrt liege, zu fördern. Muiner v. Podbielski sühn aus, vvi: einer Ekrcnpslichl der Regierung gegenüber Ostpreußen könne nicht die Rede sein. Es handele sich um die Befriedigung der Interessenten. Erst wenn er die Ueberzeugung habe, daß daS, was erreicht werde, in einem richtigen Verhältnis zu den großen Ausgaben siehe, könne er voll und ganz die Sache vertreten. (.Beifall.) Darauf wird die Be sprechung geschlossen. Sodann werden Petitionen erledigt. Am Schlüsse der Sitzung entspinnl sich eine lange Geschüstsorduungs- debatte über die Beratung des Anstedelungsgesehes in dicier Tagung. Minister Frhr. v. Hammerstein bittet um die dritte Beratung der Vorlage. Feste, welche immer es seien, könnten ihn nicht veranlasten, bei Beratung eines so wichtigen GeicpeS zu fehlen. — Auf Ausführungen des Abg. Bachem iZtr.l betont Minister v. Hammer st ein, daß er schon vor 10 Tagen dem Prä sidenten des Hauses mitgeteilt habe, daß die Regierung Wert auf die Beratung der Vorlage vor der Vertagung lege. Um 3'/ Udr vertagt sich das Haus auf Montag: Feuerlöschwesen, Seehandlung, Ansiedelungsgesetz. * Aa -er SanaUsmmMen des Abgeordnetenhauses fand am Mittwoch eine allgemeine Besprechung des Kanals vom Rhein nach Hannover statt. Berichterstatter Zehnhoff legte in mehrstündigem Vortrage die Grundgedanken der Vorlage dar, die auf die Verbilligung des Transportes gerichtet seien, um der Industrie eine billigere Produktion und einen leichteren Wett bewerb mit dem Ausland zu ermöglichen. Ein lebhaftes Interesse nahm der Vorschlag in Anspruch, für die Einmündung der Emscher- tallinie eine Variante ins Auge zu fassen, die von Herne bis Anja nach der Zeche Bismarck, dann nordwärts abschwenkend bei Dorsten in die kanalisierte Lippe münden soll. Bei der Be- svrechung der Leistungsfähigkeit des Kanals wurden die Gründe entwickelt, die dafür sprechen, die Emschertallinic nicht für Schiffe von 600 Tonnen, sondern für solche von l000 Tonnen einzurichten. Sodann besprach der Berichterstatter ausführlich die Rentabilitäts- frage und die der Einwirkung des Kanals auf die Einnahmen der Eisenbahn. In letzter Beziehung legte er dar, daß die finanziellen Bedenken gegen die frühere Kanalvorlagc gegenüber der gegen wärtigen Vorlage unbegründet seien. Zum Schluffe befürwortete Zehnhoff die Einrichtung eines Wasserstraßenbeirates wie er in Oesterreich bestehe. Diesem aus Fachmännern und Vertretern der Interessenten bestehenden Beiräte würden ähnliche Funktionen wie dem Landescisenbahnrate zu übertragen sein. Es wurde daraus beschlossen, zunächst in eine kurze Begründung der 22 vorliegenden Anträge aus Materialbeschaffung cinzutreten. Nach Begründung der Anträge auf Materialbeschaffung erklärt der Minister, daß die Regierung alle Anträge und Anfragen sorgfältig prüfen und bis zum Wiederzusammenlritt der Kommission ihre schriftlichen Er klärungen dazu abgeben werde. Morgen Generaldebatte. Ausland. Oesterreich - Ungar«. * Auszeichnungen -er Gesan-Ischast -es Sultans. Der Kaiser verlieh dem türkischen Botschafter Mudmud Nedim Bey und dem Marschall Sckakir Pascha das Großkreuz des Leopolds-Ordens. Der Divisionsgeneral Rahmt Pascha erhielt den Orden der eisernen Krone I. Klasse, der Adjutant Nebjib-Bey das Komkurkreu; Les Franz Josephs-Ordens. * Ter Kampf um Vie -eutschc Sprache. Aus der gestrigen Beratung des Abgeordnetenhauses wird aus Pest berichtet: Bakonyi (Kossuthpartei) brachte eine Interpellation über die dem Bürgermeister von Debreczin zugegangene deutsche Zuschrift des österreichisch-ungarischen Konsuls in Gal atz ein und richtete die Anfrage an den Ministerpräsi denten, welche Verfügungen er treffen werde, damit auf der Grundlage der Gleichstellung in Oesterreich und Ungarn das Recht der ungarischen Sprache im Ministerium des Aeußern und bei Len ihm unterstellten Behörden an erkannt werde. Schweiz. * Ter Stän-cral über de» Anschlag Jlnitzkis. Aus Bern wird unter dem 22. Juni berichtet: Im Ständerat beantwortete der heule Bundesrat Brenner, der Ches des Justiz- und Polizeidepartements, die Interpellation über den Anschlag des russischen Ingenieurs Jlnitzki auf den russischen Gesandten Schadowski und sprach das Bedauern des ganzen Landes über das beklagenswerte Er eignis aus. Die Untersuchung werke ergeben, ob es sich um die Tat eines Verbrechers oder eines Geistesgestörten handele. Der Redner stellte sodann fest, daß das Polizeirepartement schon am 3. Sep tember l903 auf Wunsch ter russischen Gesandtschaft die Berner Polizeibehörde mündlich und schriftlich aufgefordert habe, Jlnitzki zu überwachen. Die Ueberwachung habe nichts Verdächtiges ergeben, sodaß die Behörden all gemein den Eindruck erhielten, von Jlnitzki fei nichts zu befürchten. Da feine Papiere vollständig in Ordnung gewesen, er einen regelrechten Paß de« türkischen Generalkonsuls in Gent besessen und sein Verhalten in Berlin zu keinerlei Klagen Anlaß gegeben habe, hätten die Behörden es nicht für nötig befunden, Erkundigungen über ihn einzuziehen. Die russische Gesandtschaft selbst habe ihnen nichts weiter mitteilen können, als daß Jlnitzki in Rußland schlechte Geschäfte gemacht und hierfür die Behörden verantwortlich gemacht habe und wegen Bestläigung der Behörden vom Generalgouvernement in Kiew ausgewcesen worden sei. Im Januar 1904 seien die Polizeibehörden infolge eines Schreibens Jlnitzkis an die Gesandtschaft, in dem er mit dem Rechts wege, keineswegs jedoch mit Gewalttaten gedroht habe, auf gefordert worden, die Bewachung Jlnitzkis fortzusetzen. Dies sei geschehen, aber wieder mit dem Ergebnis, daß in feinem Ver halten nichts Auffälliges zu bemerken sei. Daher habe die strenge Ueberwachung nachgelassen. Ein weiterer Umstand, der das Attentat ermöglicht habe, sei gewesen, daß der Ge sandte Schadowski von seinem Wohnsitze in Genf nach Bern zu kommen pflegte, ohne die Behörden davon zu'benachrich- tigen und daß diese weder auf der Gesandtschaft in Bern selbst, noch im Hotel „Berner Hof", wo der Gesandte zu logieren pflegte, haben in Erfahrung bringen können, an welchem Tage der Gesandte nach Bern käme, sodaß es nicht möglich gewesen sei, sofort Maßnahmen für die Sicherheit des Gesandten zu treffen. Redner bezeichnete zum Schluß den Anschlag als eine Folge der Verkettung von unglücklichen Umständen. Die Hauptschuld liege in der völlig falschen Beurteilung Jlnitzkis. Der Vorfall lehre, daß eine genauere Kontrolle der zureisenben Fremden, namentlich auch ein besserer Kontakt der Schweizer Polizei mit der aus ländischen, auch eine zweckmäßigere Organisation des Polizeiwesens der Hauptstadt Bern notwendig sei, da nach der Verfassung der Bund selbst keine Polizei truppe besitze. Gemeinschaftliche Sitzung des Nates und der Stadtverordneten. Leipzig, 22. Juni. Unter Vorsitz des Herrn Ober bürger Meisters Justizrat l)r. Tröndlin fand heute eine gemeinschaftliche Sitzung des Rates und der Stadtverord- neten statt. Einzigen Gegenstand der Tagesordnung bildete die Wahl eines Stadtbaurates für die Stelle, die jetzt Herr Stadtbaurat Scharen berg inne hat. Die Anwesenheitsliste wies 21 Ratsmitgliedec und 58 Stadtverordnete auf. Abgegeben wurden 79 Stimmzettel. Von ihnen lauteten 73 auf Herrn Scharenberg, während 6 unbeschrieben oder zer splittert waren. Ter Genannte ist nunmehr auf 12 Jahre wiedergewählt. Rach Festellung des Wahlergebnisses bemerkte Herr Oberbürgermeister Dr. Tröndlin, daß er seine Kam- petenz nicht zu überschreiten glaube, wenn er beide Kolle gien von ganzem Herzen zu dieser Wahl beglückwünsche. Der Gewählte habe sein bestes Wissen und Können zum Wohle der Stadt hergegeben und er werde ein Gleiches sicher auch in Zukunft tun, angefeuert durch diese glän- zende Wahl. (Bravo!) Nach Verlesung des Protokolls durch Herrn Stadt schreiber vr. Barthol wurde die Sitzung geschlossen. anderen Man». Ich bin froh, daß ich eine» Amerikaner nahm, denn Amerika hat den Sultan gezwungen, den Gouverneur fallen zu lasten und eine große Anzahl unschuldig ein- gesperrter Leute frei zu lassen. Ich erwarte, daß der neue Pascha zwischen mir und dem Volke stehen wird. Er muß gerecht sein, denn sonst warne ich die Regierung vor einer Erneuerung der augenblicklichen Unruhe. Ich wünsch« nicht, daß Marokko von irgend einer Nation besetzt wird, oder daß Truppen gelandet werden, denn das würde neue Unruhen zur Folge haben. Mr. Perdicaris ist gesund und sicher und wünscht nichts weiter, als seine Frau wieder zusehen. Ich hoffe, ich habe meine Stellung dem englischen und dem amerikanischen Volke klar gemacht." Das englische Blatt teilt nicht mit, welcher Sprache sich Raisuli bediente. Sollte er wirklich das Englische be herrschen? Es wird wohl die Annahme richtig sein, daß der Brief von den „Gefangenen" im Namen Raisulis geschrieben wurde. Nordamerika. * Republikanischer Nationalkonvent in Chicago. Der Unterausschuß des mit der Feststellung der Resolutionen be trauten Ausschusses einigte sich über tue in der Zolltarif- frage zu fastenden Beschlüsse. Der Ausschuß erklärt sicb ru Gunsten des Schutzzolles als Grundprinzip und sagt, die Höhe des Zollsatzes solle den Unterschied zwischen den Herstellungskosten der Ware in den Vereinigten Staaten und den Herstellungskosten im Auslande gleich kommen, Aenderungen von Zolllätzen sollten nur erfolgen, wenn die Verhältnisse sich so geändert haben, daß sie durch das öffentliche Interesse geboten sind; auch soll eine gemäßigt gehaltene Bestimmung, die sich für die Wechselseitigkeit aus spricht, in die betreffende Resolution ausgenommen werden. Die Bestimmung darüber war Gegenstand sehr lebhafter Erörterungen und wurde im Interesse der Einigkeit ange nommen. Das zur Annahme gelangte Programm soll, wie eS heißt, im ganzen aus eine völlige Uebergabe der An schauungen Roosevelts hinauslaufen. * Englischer und deutscher Postdienst. Aus New Dork wird geschrieben: Man ist in hiesigen Geschäfts kreisen außerordentlich unzufrieden mit der Art und Weise, wie die Post von Amerika nach England und um gekehrt befördert wird. Am Mittwocb der vorigen Woche wurden der „Teutonic" die Postsäcke von vier Tagen übergeben und diese Säcke trafen am Donnerstag abend der darauffolgenden Woche in London ein. Hätte man die Post mit der „Deutschland" geschickt, die einen Tag später abfuhr als die „Teutonic", so würde sic 24 Stunden früher in London abgeliefert worden sein. Am 18. Juni wurde die Briefpost der „Philadelphia" übergeben, obgleich die schnellere „Campania" zu der- selbsn Stunde abfuhr. Die Kaufleute New Jorks schließen daraus, daß die amerikanische Post ihre Post säcke nicht mehr den Schiffen übergibt, die sie am schnellsten befördert, sondern Schiffen solcher Linien, von denen die eine schwere Gelder bezieht und die anderen sich aus irgend einem Grunde einer Begünstigung der Behörden erfreuen, die durch die Leistungen in keiner Weise gerechtfertigt wird. Niederlande. * Deutscher Flottenbesuch. Ueber den Besuch deutscher Kriegsschiffe in niederländischen Häfen, der zwischen 14. und 19. Juli ftatlfinden soll, werden der „Köln. Ztg." aus Amsterdam folgende Einzelheiten mitgeteilt: Nach dem Helder kommen „Wittelsbach", „Wettin", „Zähringen" und „Mecklen burg", also vier der größten und neuesten Linien schiffe, ferner drei kleine Kreuzer, „Amazone", „Frauenlob" und „Arcona", sowie ein Torpedoboot; für Blis singen sind ebenfalls vier erstklassige Linienschiffe in Aussicht genommen, „Kaiser Wilhelm I.", „Kaiser Wilhelm der Große", „Kaffer Friedrich III." und „Kaiser Karl der Große", ferner der kleine Kreuzer „Blitz" und ein Torpedoboot 8 38; in Rotterdam sollen vier ältere Küstenpanzer- schiff e, „Hildebrand", „Beowulf", „Odin" und „Frithjof" nebst dem kleinen älteren Kreuz er „Pfeil" erscheinen ;inTe rneu z eu zwei der neuesten großen Kreuzer erster Klasse, „PrinzHeinrich" und „Prinz Friedrich Karl", ferner drei neue kleineKreuzer, „Ariadne", „Medusa" und „Ncobe", während vor Amuiden das Torpebogeschwader, das die- Liliienschiffe begleitet, vor Anker gehen wird; es soll aus etwa 20 Torpedobooten bestehen. Ob der Kaiser nach Beendigung seiner Nordlandfahrt die Absicht hat, einen eng lischen oder holländischen Hafen zu berühren, ist noch nicht bekannt; dagegen wird die „Viktoria Luise" von der Hamburg-Amerika-Linie vor ihrer Reise nach Norwegen Mitte Juli nach Rotterdam kommen. Großbritannien. * Der Kommissar -es Lftafrika-ProtettoratS Str Charles Eliot hat seine Stelle niedergelegt und an den Premier minister Balfour eine Depesche gerichtet, worin er eine öffentliche Bekanntgabe der Umstände, die zu stinem Rücktritt führten, verlangt. Eliot versichert, der Minister des Aus wärtigen Marquis osLansdowne habe ihn angewiesen, Landkonzessionen an bestimmte Privatpersonen zu verweigern, gleichzeitig aber dem Ostafrika-Syndikat ein Landmonopol zu unverhältnismäßig vorteilhasten Bedingungen zu gewähren. Diese Anweisungen auszusühren, habe er sich geweigert, da er sie für ungerecht und schädlich ansehe. Rußland. * Aus einem Briefe -es ermordeten GeneralgonverneurS Bobrikow, den er kur; vor dem Mordanfall geschrieben, teilt ein Petersburger Blatt mit, der Verstorbene sei von einer günstigen Wendung der Lage in Finland überzeugt gewesen; demnächst wollt« er einen zweimonatigen Urlaub antreten, die Einberufung de« Landtag« hielt er so gut wie gesichert. Von der Haltung de« Senat« spricht er mit Befriedigung. Ton wie Inhalt de« Brieses zeigen, daß er mit den Erfolgen seiner Tätigkeit sehr zufrieden und durch kommende Ereignisse nicht beunruhigt war. Türkei. * Die Lage in Sandschak Musch. Die russische, englische und französische Botschaft setzten die Schritte bezüglich der Lage im ^Sandschak Musch fort. Die Pforte billigte für die armenischen Flüchtlinge und Notleidenden Hülfeleistung sowie Straferlaß zu. Die Hülfeleistung wird jedoch von den Kon suln als nicht genügend befunden. Die Pforte versichert, daß vollste Ruhe im Sandschak Musch eingetreten sei, was die Konsuln teilweise bestätigen. Sie melden jedoch anderer seits, daß Klagen vorliegen, und daß bei der Suche nach den armenischen Führern in den Dörfern noch immer Plünde rungen und Mordtaten verübt werden. Asten. * Lord Kitcheners Armeeorgauisation iu Indien. Lord Kitchener hat den Vorschlag gemacht, die Garnison verhältnisse in Indien einer vollständigen Aenderung gu unterziehen. Die Hauptmasse der indischen Armee soll in Zukunft an der Grenze liegen, wo man sie im Falle eines Krieges verwenden würde. Augenblicklich ist die Armee über ganz Indien verteilt und Lord Kitchener ist der An sicht, daß eine derartige Verteilung im Kriegsfälle ledig- lich zu großen Beförderungskosten und großem Zeitverlust führen würde. Nach der indischen Meuterei erschien die Besetzung der indischen Städte und die Anhäufung von Truppen in den Präsidentschaften geboten, aber man glaubt, daß die Indier heute so zuverlässig sind, daß man diese Vorsichtsmaßregel außer acht lassen kann. Die besten Truppen der Armee will Kitchener nach dem Nordwesten legen, und er schlägt vor, die Grenze in parallele geo graphische Bezirke zu teilen. Jeder dieser Bezirke würde eine in sich geschlossene Feldarmee erhalten, deren Auf gabe es sein würde, die eigene Grenzlinie zu halten und mit den anderen Feldarmeen im Kriegsfälle sich nähernd entweder auf den Bolan- oder den Klyberpaß vorzurücken, da diese beiden Pässe die großen Heerstraßen für eine feindliche Invasion bilden würden. Die weiter südlich gelegenen und nach Kitcheners Plan zu räumenden Gegen den würden durch Polizcitruppen zu besetzen sein. Kitche ners Plan erfordert eine Vermehrung der indischen Armee um 5000 Mann, so daß sie in Zukunft 230 000 Mann stark sein würde. Die Generäle, die augenblicklich ihre Hauptquartiere in Madras. Bombay und Bengal haben, würden freilich nach Einführung des Kitchenerschen Gar- nisonierungsentwurfes ihre angenehmen Quartiere mit Feldquartieren an der Grenze vertauschen müssen. Den Steuerzahlern wird es besonders gefallen, daß die neue Einrichtung billiger sein wird als die alte. Afrika. * „von -em Sklaven Voltes Schute- Beu Sb-Ulla Scherst Raisuli an den Herausgeber der „Daily Mail?' So beginnt nach der genannten englischen Zeitung ein Brief, den Raisuli angeblich an Herrn Wallace, den Berichterstatter dieses Blattes in Tanger, gerichtet hat. Er lautet: „ES ist gut, daß Engländer und Amerikaner die Wahrheit er fahren, weshalb ich Mr. Perdicaris gefangen genommen habe. MeS, was in Tanger über mich gesagt wurde, daß ich die christlichen Europäer Haffe und sie aus Marokko zn treiben wünsche, ist falsch. Solche Reden sind Lügen. Zwischen Marokko und Europa, zwischen Muselmann und Christ herrscht nichts als Frieden, und wir beabsichtigen nicht, einem Christen Unrecht zu tun. 'Sollte Unruhe kommen, so kommt sie durch Europa, denn wenn Truppe» landen, so werden wir kämpfen. Die Ber- anlassunq zu der auaenblicklichen Unruhe bot die Familie des Abchadeck, des Gouverneurs von Tanger, der jetzt abgesetzt ist, sowie sein Onkel und seine Verwandten, die Generationen hindurch Gou- verneure von Tanger waren. Abdsadek und seine Leute haben Jahre hindurch meinen Stamm mit Feuer und Schwert verfolgt. Er tötete unsere Knaben, verstümmelte unsere Kinder und beraubte uns. Er verachtete alle Prinzipien unserer Religion. Sie werden sich wundern, daß ich Mr. Perdicaris gefangen nahm. Nun, eine Zeit lang überlegte ich, ob ich Tanger überfallen und an dem Gou verneur Rache üben sollte; aber ich erkannte, daß dies wegen der großen Anzahl von Fremden aller Nationen schwierig sein würde. Um nicht die Mächte zu beleidigen, beschloß ich, nach Tanger zu kommen und einige Europäer von Bedeutung aufzuheben. Als ich kam, hatte ich eS ebensowenig auf Mr. Perdicaris abgesehen, als auf irgend einen Feuilleton. Zu Carl Reineckes 8V. Geburtstag. Von HcinrichZoellner. Achtzig Jahre alt — und doch noch kein alterMann! So widerspruchsvoll dieser Satz klingt, auf Carl Neinecke paßt er. Was heißt alt sein? Eine hohe Zahl von Jahren erreicht haben? O nein! Alt sein heißt: trägen, abgestumpften Geistes sein, mit mürrischem, schiefem Blick die Dinge betrachten, keinen Sinn mehr haben für das, was wir im Leben gut, schön, edel nennen. Ich habe manche jungen Leute gekannt, bei deren Gesprächen ich innerlich seufzte: O, was für alte, verknöcherte Leute seid ihr! Ich kenne aber auch manche bejahrte Menfchen, Männer wie Frauen, mit schlohweißen Haaren, mit faltigem Antlitz, bei deren freundlichem, lieben, sonnigen Gesichtsausdruck ich ausrufen möchte: O, was für junge, prächtige Menschen seid ihr! Eure Glieder sind zwar nicht mehr gelenkig genug, um noch tanzen zu können, aber euer Geist — der tanzt noch! Das alte Feuer — es lebt noch! Der alte Schwung — er durch glüht noch eure Seele! Tas alte Herz — es ist noch warm, es vermag noch zu jauchzen, ja, es vermag sogar noch andere zu erwärmen! Zu dielen alten Leuten mit iungen Herzen gehört unser heutiger achtzigjähriger Jubilar CarlReinecke. Sem Leben, es ist Mühe und Arbeit gewesen. Und darum war es auch so köstlich. Vielleicht nicht immer. Aber doch in der Hauptsache. Er hat viel, sehr viel er reicht, der Ehren sind ihm zahlreiche erwiesen worden. Der Ehren? Jcb sehe Carl Reinecke leise lächeln bei diesem Worte. Als ob es ihm auf die äußeren Ehren an gekommen wäre! Nun ja, sie sind ja gewiß nicht zu ver achten, aber in einem inhaltsreichen Künstlerleben sind sie doch nur ein Zierrat, ein wenig bedeutender Schnörkel. Die Hauptsache wird bei einem ganzen Manne immer sein: Handle so, daß du vor dir selber nie zu erröten brauchst. Arbeite, um dicb innerlich zu befriedigen. Strebe nach Hohem, aber blähe dich nicht gewaltsam auf. Nur die einfältigen Leute sagen dann: Seht, welch ein Koloß! Bewunderung von Kindern lind Affen. Wenn dir darnach der Gaumen steht — Nein, wabrlich, Carl Reinecke ist einer derjenigen, die nach solcher Affenbcwunderung nie und nimmer gestrebt haben. Und das hat den einsichtsvollen und reifen Kunstgenossen stets Respekt vor ihm und seiner Gesinnung cinqeslößt. Schon :n Reineckes jungen Jahren. Denn in dieser Zeit war es, daß der von ihm so sehr verebrte Robert Schumann ihm ein Klavierwerk widmete. Als der junge Reinecke einst vor einem Musikalienladen stand, sah er dies eben er- schienens Werk, und las zu seiner großen Verwunderung, wie noch größeren Freude: Carl Reinecke gewidmet. Zer streut, wie Robert Schumann war, hatte er ganz ver gessen, Reinecke darüber zu schreiben oder ihm ein Dedi- katwnsexemplar zu schicken. Das war eine der Ehren, die doch noch anders wirken, als etwa ein Titel oder ein buntes Bändchen ins Knopfloch. Ist Reinecke auch keine jener Rieseneichen, welche alles überschattend als unvergängliche Markzeichen einer ganzen Epoche im Musikwalde stehen, so ist er doch eine herrliche Edeltanne, schlank und ebenmäßig gewachsen, ein erfreulicher Anblick für jedes Auge, welches sich noch nicht durch fortgesetztes Bestaunen von „interessanten" Krüppel, fichten und ähnlichem Schwefelgezwerch verbildet und verdorben hat. Und dabei, welch reiche Schöpferkraft! Welch kräftig sprudelnder Jungbrunnen von Melodie. Noch in seinen letzten Werken ist kaum ein Nachlassen seiner schassenden Kraft zu bemerken. Ebenso in seinem Wesen. Wer hat die Empfindung, wenn er mit Reinecke spricht, daß er einem alten Herrn gegenübersteht? — Derselbe feinsinnige Humor wie vor einem Vierteljahr hundert, dieselbe bezaubernde Liebenswürdigkeit, dasselbe intensive Interesse für seine Kunst. Auch für Neu erscheinungen. Natürlich mit Einschränkungen — die werden aber auch mit gutem Rechte von vielen gemacht, die nur die Hälfte seiner Jahre zählen. Daß seine volle Bewunderung und ganze Liebe den Klassikern und Romantikern gehört, ist bekannt. So vor allen Mozart. Ich entsinne mich mit inniger Freude, wie Reinecke einst, als ich noch sein Kompositionsschüler war, in der Stunde über Mozart sprach. Er sprach warm, mit Begeisterung. Beinahe wie ein Jüngling von seiner Geliebten. Und dann holte er ein umfang reiches Manuskript Mozarts hervor — sein Eigentum! Wie liebevoll hefteten seme Augen auf dem alten vergilb ten Papiere, welches Mozarts Hand berührt, auf den ver blaßten Notenköpfen, die Mozarts Hand geschrieben, und siehe da — was ist das? Ein Klecks, ein leibhaftiger Tintenklecks, von Mozart gemacht vor einem Jahr hundert! „Aber sehen Sie", erläuterte Reinecke weiter mit heiter und freudig leuchtenden Augen, „Mozart hatte sicher kein Löschblatt zur Hand. Was tat er? Erleckte ihnab!" Es war kein Zweifel. Wenn auch vielleicht nicht seine Lippen, Mozarts Zunge hatte sicher das Papier berührt. Und mit heimlichem Neide starrte ich auf den vcrebrungswürdigen Klecks, der sich vor meinen Augen sichtlich aufzublähen schien, aus Stolz, daß er mit Mozarts Munde in innigste Berührung gekommen. — Kleine, scheinbar unbedeutende Züge enthüllen uns oft mehr den Charakter eines Menschen, als dickbändige Lebensbeschreibungen es vermögen. So werden viele ältere Leipziger ähnliche Züge aus Reineckes Charakter beobachtet haben — und deswegen erfreut sich auch dec heutige Jubilar in der Stadt, in welcher er seit andert halb Menschenalter wirkt, so außerordentlicher Sym pathien, so großer Liebe, lieber Reineckes Leben, seine Bedeutung als Komponist, Pianist, Dirigetit, Musik schriftsteller, Lehrer, wird in eingehender Weise an ande rer Stelle in diesem Blatte gesprochen — hier wollen wir vor allem dem vorzüglichen Menschen Carl Reinecke einen Morgengruß zu seinem Ehrentag zurufen mit den Worten: Heil sei dir beschert, du greiserJubilar! Zur Zeit der blühenden Rosen hast du das Licht der Welt erblickt — mit blühenden Rosen sei dir heute die Stirn umwunden! Mit Blumen des Lenzes in den kleinen Händen mögen die dir so lieben Enkel dich be grüßen, möflen sie den Großpapa begrüßen mit seinen eigenen Weisen, mit den Klängen deiner ewig jungen Kinderlieder! Heiter und harmonisch sei dein Lebens abend, von leuchtendem Sonnengolde umflossen, wie die Abende des heurigen herrlichen Frühlings. Gar vieles Schöne hast du erdacht, durch deine edel-reine Kunst hast du gar viele geläutert und erhoben, in treuer Fürsorge gar manchen iungen Kunstkollegen gestützt und geführt bei seinen ersten Schritten ins Künstlerleben. So sei dir denn besonders heute gedankt, so sei dir ein herz lichster Glückwunsch zugerufen für heute und für noch so manches kommende Jahr, du jugendlicher, acht zigjähriger Altmeister der deutschen Musik! * Trinkspruch a«f Carl Reinecke. So» 8». Geburtstag. «e»»r«-«» «»» o« »tltzel« He»»e» »»f««» Ge»»«««e« «» ». Amt. Nun, Pauker, stimm mir gut die Felle, Und du, Trompeter, schmettre laut. Daß deines Instrumentes Helle Sich kecklich m die Ohren traut. Ihr Hörner, blaset im Quartett, Ihr Geigen, gebet reinen Ton, Ein festlich-freudiges Bankett Beginnt die Maffenovation. Tönt alle weit hinaus ins Land borti«imo der Botschaft Freude! Was heut uns hier zusammenband. Erfahren sollen's alle Leute. Carl Reinecke ist achtzig worden — Kalenderweisheit kram' ich aus — In Ost und West und Süd und Norden, In jedem musikal'schen Haus Frohlocket drum so Kind wie Greis. Ter Pianist, der Dirigent, Ein jeglicher auf seine Weis' Sich heut zu Reinecke bekennt. Im wirren Kontrapunkt des Lebens Hielt er die Noten stimmungsrein. In allen Phasen seines Strebens, In seiner Laufbahn süßer Pein Im Sturm und Drang der Jugendjahre, In Manneskämpfen ernst und echk. Kurz, „von der Wiege bis zur Bahre" Blieb er sich selber stets gerecht. Die Bahre freilich, die ist fern, Ihr Zimmrer darf noch lange feiern, Ein Dutzend Jahre gut und gern Seh'n wir ihn noch sein Schiftlein steuern. Schau ich des Blickes klaren Glanz, Die schöne Sicherheit der Gesten, Tie Schärfe dieses Kunstverstands, Den hohen Sinn, den wetterfesten, Schau ich des Greises rüst'gen Gang, Des dichten Haares Seltenheft, So prophezeit ihm sonder Zwang Die Hundert meine Wenigkeit. Ihn, der durch manchen Sturm gezogen. Der allen Wettern widerstand. Der nicht zerbrochen noch gebogen Ins ruhige Alter heim sich fand. Ihm wünschen wir des Lebens 06» An Länge gleich dem Mittelsatz. Ich sprech' im Namen aller, so da An dieser Tafel nahmen Platz. Wir wünschen ihm in sanftem Moll Ertönend eine Schlußfermate, Die feierlich erklingen soll Wie Orgelton in der Kantate. Es möge ihm ein sanft Genießen, Ein sinnig-heiteres Behagen Des Lebens Abend nun versüßen Bis zu den letzten Erdentagen. Der Gott, der gnädig ihn geführt Bis in das achtzigste hinein, Hat sicher längst ihm schon cediert Ein Säkulum ganz allgemein. Der Gott, der Achtzig ihm gegeben, Er wird ihm hundert Jahre schenken. Ich trink' den goldnen Saft der Reben In diesem Sinn! . . . Obus 8«6e>nkc«n.
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