02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040623023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904062302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904062302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-23
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RrdaktionSslrich (4gespalten) 75 nach den Familienuach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zissrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschlutz ,nr Anzeigen: Abend-AuSgabr: vormsttag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: aachmittagS 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zn richte». Tie Expedition ist wochrnrag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kltukhardt). 98. Jahrgang. Nr. M Donnerstag den 23. Juni 1904. Var Wichtigste vom Lage. * Der Rat der Stadt Leipzig übersandte dem Pro- re,stör vr. Carl Reinecke zu seinem heutigen 80. Geburts pa ge ei» Glückwunschschreiben. (S. Reinecke-Artikel.) * Für die Ausführung der Bauten auf dem Süd fried- hofe der Stadt Leipzig ist vom Rate ein neues Projekt aufgestellt worden. Die Kosten sollen 777 868 betragen; gegen frühere Projekte tritt eine Ersparnis von 157 000 ei». * Der Erbprinz von Sachsen-Meiningen hat sich nach Besichtigung der Leipziger Garnison um 2 Uhr 25 Minuten nachmittags nach Dresden begeben. (S. Leip;. Angeleg.) * Oberst Leutwein geht nach dem Süden des Schutz gebietes von Südwestasrika. Das Hauptquartier Trothas d leibt vorläufig Okahandja. (S. Ausst. d. Herero.) * Im ungarischen Abgeordnetenhause findet heute die namentliche Abstimmung über die Antwort des Ministerpräsidenten Grafen vonTiSza in der Sprachen frage statt. (S. AuSl.) vor heilige vimittiu. 8. Bukarest, 21. Juni. Der heilige Dimitriu ist heute die populärste Person in Bukarest und weiterer Umgebung. Hat er doch seinen alten Ruf als Regenspender aufs neue glänzend bewährt. Die langanhaltende Trockenheit, welche die Entwicklung des Weizens und anderer Bodenfrüchte bereits derart un günstig beeinflußt hat, daß leider eine Mißernte zu er warten steht und die auch, falls sie nicht bald ein Ende erreichte, die Maisernte ernstlich bedrohte, hatte bereits zu mancherlei mystisch-religiösen Ceremonien geführt, um den sehnlichst erwünschten Regen herbeizuflehen. In den verschiedenen Distrikten des Landes wurden die Gebeine der Lokalheiligen, welche im Gerüche stehen, das Wetter beeinflussen zu können, aus der Kirche hervorgeholt und in feierlicher Prozession herumgetragen, und zahlreiche Regenmacherinnen — zehn- bis zwölfjährige Mädchen, meistens Zigeunerinnen — durchzogen in ihrem weniger ästhetisch-schönen als für diesen Zweck praktischen Kostüm, nämlich den nackten Körper nur mit Weidenlaub bedeckt, Stadt und Land, um sich unter frommen Gebeten und Liedern in den einzelnen Gehöften mit Wasser begießen zu lassen, was dann die Bildung von Regenwolken herbei führen sollte. Viel halfen aber alle diese Ceremonien nicht, wohl regnete es hier und da, aber nur unzureichend, und ein allgemeiner Landregen blieb aus. Da entschloß man sich zu einem Hauptcoup, zu einem Unternehmen, zu dem man nur in der äußersten Not zu schreiten Pflegt. In der Metropolie zu Bukarest ruhen in einem silbernen Schreine die Gebeine des heiligen Dimi triu, berühmt durch die nach dem Tode des Heiligen ge machte Entdeckung, daß, wenn sie durch die Straßen ge tragen werden, die Schleusen des Himmels sich öffnen, selbst wenn sie bis dahin noch so hartnäckig verschlossen blieben. Am gestrigen Sonntag wurden nun diese Ge beine unter besonders hierzu vorgeschriebenen Feierlich keiten aus der Metropoliekirche geholt und unter Voran tritt der gesamten Geistlichkeit, die zu noch größerer Wirk samkeit alle wundertätigen Heiligenbilder den Bukarester Kirchen entnommen hatte und mit im Zuge trug, durch die Straßen der rumänischen Hauptstadt geführt. Der Zug, in dessen Mitte auch mehrere Sängerkorps heilige Lieder sangen und dem sich die ungezählten Massen der Prekupeze (Straßenverkäufer von Gemüse, Obst usw.) an geschlossen hatten, bewegte sich unter dem Geläute sämt licher Glocken Bukarests um die Metropoliekirche herum, an dem Ufer der Dimbovitza entlang und durch die Calea Victoriei bis zum Sicgesplatz ani Eingang der prächtigen Chaussee Kiscleff. Als der Zug, zu dessen Ehren sämt liche Geschäfte geschlossen waren und aller Straßenhandcl ruhte (was sonst trotz des Gesetzes über die Sonntagsruhe nicht der Fall ist) am königl. Palais vorüberkam, trat die Wache ins Gewehr und erwies den Heiligenbildern, sowie den heiligen Gebeinen königliche Ehren. An einem offe nen Fenster sah man die Königin und die Kronprinzessin vor diesen Heiligtümern das Knie beugen und andächtig beten. Auf dem Sicgesplatz war ein Altar errichtet und der Metropolit hielt davor ein feierliches Hock)amt, während dessen Tauer der König und der Kronprinz, welche sich kurz vor dein Eintreffen der Prozession in einem offenen Wagen nach dem Siegesplatz begeben hatten, ebenso auf den Knien lagen, wie die ganze große Schar der Prozessionsteilnehmer. Nach Beendigung des Hochamtes wurden die Gebeine des Heiligen wieder in derselben Weise nach der Metropolie zurückgebracht. Es war ein glühend heißer Lag; aus dem wolkenlosen tief blauen Himmel sandte die Sonne ihre Strahlen wahr haft versengend herab. Gegen Abend aber ballten sich Gewitterwolken zusammen und eine dichte Regenflut er goß sich über die lechzende Erde; beute aber erfreuen wir uns eines sehr ergiebigen Landregens. Und das alles bat nun der heilige Dimitriu be wirkt! Nächst ihm wird der ersehnte Regen aber auch dem Gebete des Königs zugeschriebcn. Soeben war nämlich mein Aufwärter bei mir. der unter seinen Kol legen als ein Aufgeklärter gilt, und versicherte mir, daß, wenn der König nicht in so hingebungsvoller Weiss die Petition des heiligen Dimitriu beim lieben Gort unter stützt hätte, der Eintritt des Regens schließlich doch noch fraglich geblieben wäre. Am meisten Freude über den Regen herrscht aber unter den Popen, die ihre Macht unter dem Volke aufs neue gestärkt sehen — dank ihrer Vorsicht, mit der sie die Prozession zn einer Zeit veran stalteten, als das Barometer im starken Fallen be- griffen war. ver Humana aer Kems. Trotha «nv Lentrvein. Am Montage ist Gouverneur Leut wein in Okahandja eingetrosten und vom General von Trotha, der ihm mit seinem Stabe entgegengeritten war, auf das herzlichste be grüßt worden. Es liegt kein Gründ vor, au der Richtigkeit dieser Meldung zu zweifeln, da die Begrüßung doch vor vielen Zeugen stattgefunden hat, also recht bald eine Richtigstellung der Meldung zu erwarten wäre. Die Annahme eines Gegensatzes oder gar eines Zerwürfnisses zwischen Trotha und Leutwein ist also unhaltbar. Diele Ansicht kommt auch in einer Zuschrift zum Ausdruck, welche die „Deutsche TageSztg." von kolonialer Seite erhielt. Es heißt darin: „Wenn der neue Kommandeur auch einige frühere Anordnungen' und Ausstellungen geändert hat, so braucht man sich darüber nicht zu wundern, denn nirgends wird eS wohl einen Nachfolger geben, der in allen Punkten mit seinem Vorgänger gänzlich übereinstimmt. Gegen die Annahme spricht in bestimmter Weise auch die Meldung des Generals, daß er den Oberst gebeten habe, nach Okahandja zu kommen; der Gouverneur, der kein Truppenkommando mehr führt, soll ihn mit seinem erfahrenen Rate unterstützen. Diese Unterstützung, die überhaupt unter den bestehenden Verhältnissen nicht zu entbehren ist, kommt in allen Telegrammen von dort zum Vorschein. Bemerkenswert ist vor allem, daß General v. Trotha von neuem betont, die Herero wären im Süden des Water berges in großen Massen vereinigt. Er saßt also die Lage sehr ernst auf. Wie wenig wir jedoch über die Dinge bei den Herero unterrichtet sind, geht daraus hervor, daß es heißt, Michael habe sich von Samuels Hauptmacht getrennt. Dieser Michael wäre der Sohn und Erbe Manastes von Omaruru. Nach der Eroberung von Omaruru durch die Kompagnie Franke wurde aber besonders angegeben, daß der Tod Michaels sicher scheine. Der Zu sammenschluß der gesamten Herero ist nach den letzten Meldungen nicht mehr aufrecht zu erhalten, die bedeutendsten Häuptlinge suchen sich mit ihren Leuten nach ihrer Heimat zu entfernen. Darin liegt ein deutliches Zeichen dafür, daß nicht allein Samuel Maharero, sondern auch die meisten anderen Häuptlinge kein rechtes Vertrauen mehr in den Sieg ihrer Sache haben. * Llahanoja, 22. Juni. Oberst Leutwein geht Anfang August nach dem Süden des Schutzgebietes, um die Ansiedler zu beruhigen und die Eingeborenen in Schach zu halten. Das Hauptquartier Trothas bleibt vorläufig Okahandja. Bei der alten Abteilung Estorfs und der bisherigen Haupt abteilung sind bis gestern zusammen 64 Typhusfälle vorgekommen. Wachhunde für Südwestasrika. Für die Mannschaften in Südwestafrika sind eine Anzahl Wachhunde bestimmt, die ihre Begleiter und Beschützer im Lagerleben sein sollen. Gerade in den Kämpfen gegen die Hereros, wo mit dem Anschlcichen des Feindes gerechnet werden muß, werden die Hunde sicherlich gute Dienste leisten. ES sind das nicht eigentliche Krieqshunde, die durch mühevolle Dressur auf ihren „Beruf" vor bereitet werden, sondern es handelt sich hier um Wach hunde, die den Lagerdienst versehen. Auf das Ersuchen von beteiligter Seite hat der „Deutsche Tierschutzverein" für die Schutztruppe in Südwestafrika und zwar zunächst für die Feldartillerieabteilung eine Anzahl Hunde zur Ver fügung gestellt. Der Kommandeur der 1. Feldartillerie abteilung Major Freiherr v. Reitzenstein hat den Empfang des Transports in einem Schreiben bestätigt, worin es heißt: „Dem Deutschen Tierschutzverein zu Berlin gestatte icb mir auch im Namen sämtlicher Offiziere des Stades der 1. Feldartillerieabteilung der Sch. f. S. W. A. für die gütige Uebersendung von 15 Hunden sür Kriegszwecke in Südwestafrika meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Die Abteilung wird nicht verfehlen, dem Verein seinerzeit Mitteilung darüber zu machen, wie sich die Hunde in Afrika bewährt haben." Man wird mit großem Interesse den Berichten entgegenseheu können, da bisher eine Verwendung von Hunden in dieser Art noch nicht durchgeführt ist. ver rursirch-japanirche Krieg. Die Tage in jsssrt Arthur. Der Korrespondent der Zeitung „Matin" meldet bei spielsweise auSNiutschwana, daß ein norwegischer Dampfer, der von einem russischen Zerstörer in Port Arthur eingebracht worden war, nach genauer Untersuchung aber wieder ent lasten wurde, mitteilte, im inneren Hafen seien 3 Schlachtschiffe, 4 Kreuzer, 6 Kanonenboote und verschiedene Torpedoboote zu sehen gewesen. Nach der Ansicht des norwegischen Kapi täns ist die Garnison etwa 30 000 Mann stark, und man erzählte ihm, daß die Festung reichlich mit Lebensmitteln versehen sei. Eine gleicht Ansicht hat der Kriegskorrespondent Mr. Hector Fuller, der, in Port Arthur der Spionage verdächtigt, ge fangen gehalten wurde, jetzt aber freigelasten worden ist und in Tfchisu eintraf. Er telegraphierte nach New Bork, daß die Nachrichten von einer bereits eingetretenen Lebensmittelnot in Port Arthur falsch seien. Die japanische Blockade sei keineswegs wirksam, und die 50 bis 60 000 Mann (?) starke Garnison erhalte durch chinesische Dschunken Vorräte zuaeführt. Derselbe Korrespondent teilt mit, daß die russischen Kriegsschiffe repariert worden sind, und daß die Rusten neue Fort« anlegen. Er ist der Ueberzeugung, daß vorläufig der Fall von Port Arthur noch nicht zu erwarten ist. Das „Bureau Reuter" erfährt ebenfalls aus Washington, daß es keineswegs die Absicht der Japaner sei, die Festung durch die Armee des Generals Oku angreifen zu lassen, sondern, daß man augen blicklich mit einer Abfchließung der Festung zvffrieden sei. Die eigentliche Eroberung des Hafens würde Sache der Armee des Generals Nvgi jein, die im Landen begriffen ist, oder bereits landete und zwar bedeutend südlicher und dem Hafen von Port Arthur näher als die Armee des Generals Oku. Am 1. Juni lagen in einem japanischen Hafen nicht weniger als 26 Transporte, nm die Armee des Generals Nogi zu verschiffen. Es ist wahrscheinlich, daß die Schiffe, die neulich von dem Wladiwostok-Geschwader in den Grund gebohtt wurden, zu diesem Transportgeschwader gehörten. Ans den, rnsfischen Hauxtquartier Aus Liaujang meldet „Reuters Bureau": Nach glaubwürdigen Gerüchten gehen die Japaner bei Port Arthur gegenwärtig nicht tätig vor. Die Russen sind augenscheinlich zuversichtlich, daß die Besatzung der Festung, soweit dir Lebensmittelversorgung in Betracht kommt, standhalten kann. Für besonders bedeutsam wird die Lage im Norden angesehen. Kuropatkin scheint überall zugleich zu sein; er soll seit der Schlacht von Wafangou die ganze russische Front persönlich besichtigt haben. Die beiden zapa- nischen Armeen drohen, unterstützt durch die nördlich stehende Streitmacht, jeden Augenblick ihre Vereinigung durchzuführen. Die japanischen Truppen am Golf von Liautung leiden seit dem 16. d. M. unter starken Negenfällen, welche die militä rischen Maßnahmen erschweren. Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. I. Obwohl es nahe an Mitternacht war, ging es sehr lebhaft im Spielsaal des Offizierkasinos in Pest zu. Die Kristallkronen und vielen Wandkandclabcr ver- breiteten fast Tageshelle in dem weiten Raum, und in ihrem aufblitzenden Licht erstrahlte die reich mit Gold ein gelegte Täfelung der Decke und Wände, erglänzten die bunten Uniformen der Offiziere Es waren junge und ältere Herren, verschiedener Grade und Abteilungen: sie fasten in Gruppen zu zweien und dreien an größeren und kleineren Tischen bei Wein und Karten oder auch Schach und Domino, während andere von ihnen durch den breiten Mittelraum prome nierten und Bemerkungen anstauschten. Die Flügeltüren des Saales öffneten sich wieder weit und eine Anzahl junger Offiziere trat ein. Ihre frischen, von der Kälte geröteten Gesichter, die heiteren Augen und Stimmen brachten etwas von der belebenden Luft da brausten in die schwüle, von Gaslicht und Cigarreudamvf erfüllte Atmosphäre. Tie Kellner eilten herbei und nahmen den .Herren die Mäntel ab. Unter den jungen Offizieren fiel ein Husarenleutnant auf. Au Wuchs überragte er alle; ebenso bildete das rötliche Blond seiner Haare, die Helle Gesichtsfarbe und die blitzenden blauen Augen einen auf fallend und zugleich angenehmen Gegensatz zu all den dunkeln oder grauhaarigen Köpfen. Von manchem der Tische streikte ihn ein wohlgefälliger Blick, klang ihn, ein freundlicher Grust entgegen; sic kannten ihn meist alle, den lustigen Husaren, den Grafen Bethlen Lavadi. „Es scheint ja heut' wieder hoch herzugehen", meinte einer der jungen Männer und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. Es wäre besser gewesen, aus der Gesell schaft direkt nach Hause zu gehen, wie ich's vorgeschlagen habe." „Unsinn, lieber Cserny! Erst wollen wir uns den Zwang und die Langeweile von der Seele herunter spülen. Oder wie? Ist so ein „befohlenes Festesten" nicht ertötend?" Bethlen Lavadis fröhliche Augen gingen fragend im Kreise herum. „Es ist gut, daß die Herren Vorgesetzten deine innerste Meinung nicht kennen", warf ein Kamerad ein. „So bist und bleibst du der Herzbezwinger, der Liebling der Menschen und Götter." „Die guten Gedanken behält ein Kluger für sich", versetzte der Husar lachend und steckte sich eine Cigarre an. „Man braucht wahrlich nicht nach Monte Carlo zu gehen, um sich zu ruinieren, man kann das auch hier und spart dabei das Reisegeld", sprach Oberleutnant Cserny, als von dem großen Spieltisch her ein hoher Ein satz genannt wurde. „In Monte Carlo must es aber viel iuterefsauter sein", sagte Rittmeister v. Revezs. „Denkt euch nur diese internationale Verbrüderung, sich gegenseitig aus- zuplündern! So ein Anblick muh ja einzig sein!" „Wieviel hast du jüngst bei unfern vaterländischen Roulettes verloren, Bethlen?" fragte Oberleutnant Cserny. „Ob da der Verlust einen weniger bitteren Bei geschmack hat?" „Ach ja, auch hier kann man sich zp Grunde richten!" warf Revezs ein. „Wieviel hast du verloren, Bethlen?" wiederholte Cserny. „Nicht viel, nur dreitausend Gulden!" antwortete der Husar. „Ist eine anständige Summe!" riefen mehrere zu gleich. „Besonders, wenn Ebbe in der Kasse ist", bekräftigte der Rittmeister mit einem Seufzer diesen Ausruf. „Das ist aber ein Zustand, den Sie, Herr Kamerad, nicht zu kennen scheinen." „Wenn das Geld zu Ende ist, so schreib' ich halt meinem Vater." „Und der schickt stets?" „Prompt das Geld und keine Zeile dabei." Bethlen stäubte die Asche von seiner Cigarre ab. „Wer auch solch einen Vater hätte!" meinte ein blut junger Offizier. „Bei meinem Alten ist's grade umge kehrt. Wenig oder gar kein Geld und seitenlange Moral reden." Dieser Stoßseufzer rief eine große Heiterkeit hervor. Nur über Bethlens lustiges Gesicht flog ein leichter Schatten. „Ich weiß nicht, ob ich nicht zur Abwechslung ein mal so einen Moralbrief vorzöge", sagte er, dann, als wollte er etwas Unliebsames abschütteln, fügte er mit dem alten, sorglosen Ausdruck hinzu: „Wißt ihr schon, Kinder? Ich hab' die Wette an Oberleutnant Savary verloren." „Es hört sich an, als sprächest du von einem Gewinn und nicht von einem Verlust", warf Baron Cserny kopf schüttelnd ein. „Vielleicht ist es auch einer", versetzte der junge Lavadi lächelnd. „Um was hat es sich bei der Wette gehandelt?" fragte einer der Herren neugierig. „Weil von uns zweien die schöne Jolan Slavitsch liebenswürdiger finden würde." „Ach, die fesche, die unvergleichliche Jolan vom großen Ballett!" tönte es im Chore. „Und Savary hat die Wette gewonnen?!" hieß es dann mit ehrlichem Staunen, worauf ein heiteres Ge lächter folgte. „Wieviel hat dich dieser schöne Spaß wieder gekostet?" fragte Cserny mit leisem Vorwurf. „Eine Bagatelle! Tausend Gulden! Jedenfalls bin ich billiger davongekommen, als wenn ich die Wette ge wonnen hätte. Dies wirst du auch zugeben." Damit warf er den Rest der Cigarre in einen der bereitstehenden Aschenbecher. „Wie ist's, Kameraden? Wollen wir ein Spielchen machen?" fragte er dann. „Nein, meine Herren, daraus wird nichts!" wider sprach Cserny. „Ich geh' nach Hause." „Sei kein Störenfried, Arpad!" rief Bethlen, der schon Platz genommen hatte, und zog den Freund neben sich. „Hast du kein Geld", fuhr er leise fort, „so steht dir meine Kasse zur Verfügung. Viel hab' ich zwar nicht inehr, für heute wird es aber noch reichen. Wir müssen ja nicht hoch spielen." „Nein!" sagte Baron Cserny fest. „Ich bin dir schon schuldig, und neue Schulden werden nicht gemacht." „Sei kein Philister, alter Knabe!" drängte Bethlen gutmütig. „Tu bereitest mir keine Verlegenheit. Ich borg morgen irgendwo, bis Geld von Hanse kommt." „Nein, ich spiel' heut' nicht", beharrte Cserny. Dann mit leiser Stimme: „Wir leben überbanpt zn wild Bethlen! So kann das nicht weiter geben. Es heißt, Major Fevari babe sich auch nur Schulden balber er schossen. . . . Zuletzt bleibt einem ja nur die Kugel, wenn man nicht mebr ein noch aus kann." — „Ach Unsinn! Man stirbt durch eine Kugel oder durch irgend etwas anderes. . . . Tas ist zum Tchlust ganz einerlei. Doch hör jetzt auf mit deinen ernsten Be trachtungen! Noch ist das Leben schön und man ist nur einmal jung!" Er sah mit seinen van Lebcnsfrohsinn er füllten Angen im Kreise herum. ..Meinetwegen will ich dir zu Liebe morgen ein Trappistendascin anfangcn, aber die heutige Stunde soll leben!" Er rief den Kellner und bestellte Karten und Champagner. (Fortsetzung folgt.)
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