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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040627028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904062702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904062702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-27
- Monat1904-06
- Jahr1904
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DeznflS-PretS K d« vauptexpebtlioa ober deren Ausgabe stellen aberholt: vierteljährlich 3—, bet zweimalig« tägitchel Zusteliung tnS Hau» 3.7b. Durch di« Pos! bezogen für Deulich- land m Oesterreich vierteljähOich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeilvstgspleiSlislr. lkiehaknqfl: Johuiiuisgaffe 3. Sprechstunde: b-L Uhr Nachm. Fernsprecher: 153 VrpkMtou: Johanntsgasse L Fernsprecher: 2^2 FiltaiNtpe»,Nauen: Alfred Hahn Buchbundla.,Universitätsstr.3 iFernspr. Nr. 4046), L Lüsche, Katbarinen- sttaße 14 (Fernsprecher Nr 2935: u. Königs- platz 7 iFernsp:echer Nr 7505). Hqiwt-Atttair Dresden: Marienstrabe34lKern>prechec Amt I Str. 1713). Haupt-Filinle Berlin: CarlDuncker,HerzgI.Bayr.Hl>fbuchbandlg., Lützowstraße lOtFernsprecherAmtVI Nr.460.3.) Abend-Ausgabe. MipMcr TllMM Anzeiger. Ämtsvratt des Königlichen Land- «nd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales „nd des Nokizeiamtes Ser Stadt Leipzig. Anzetgerr-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 7b nach den Frmilienaach- richten (6 gespalten) bO «j. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ojsertenannahme 25 Extra-Vrilagr» ^geiaczi), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—. mit Postbrshrderung 70.—. Annahmefchluiz inr Anjetgrur Sbend-AuSgabe: vormUtag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Erpeditipn ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pah tu Leipzig (Inh. I)r. B., R. L LS. Klinkhardt). Nr. 323. Montag den 27. Juni 1904. 98. Jahrgang. Vas ttlIMIgrte vsm rage. * An Bord der Königsjacht „Victoria and Al bert" fand gestern abend ein Festmahl zu 42 Ge- decken statt. König Eduard saß zwischen dein Kaiser und derKaiserin. Sämtliche Schiffe hatten wiederum illuminiert; ein großes Feuerwerk wurde ab gebrannt. * Prinz Moritz zu Schaumburg-Lippe erlitt gestern in der Nähe von Langcnschwalbach einen Autoinobilunsall. Er wurde aus dem Wagen geschleudert und leicht verletzt. Der ihn be gleitende Kammerhcrr blieb tot am Platze. (S. Dtsch. Reich.) * In Wien beschlossen die Zimmergesellen, in den Ausstand zu treten. * In Ungarn wurden in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag heftige Erdbeben verspürt. vir ffieirr Lnnlrrpriichr. Die Monarchcnreden beim Prunkmahl aus ver „Hohen- zollern" liegen jetzt auch im Wortlaut vor, der übrigens nur ganz unwesentlich von der zuerst verbreiteten Inhaltsangabe abweicht. Trotz der geringen Unterschiede, die nur auf die Abweichungen der indirekten von der direkten Rede begründet sind, kann cs von Wert sein, den genauen Wortlaut zu bringen, weshalb wir diesen hier folgen lassen: Der Kaiser sagte: „Es gereicht mir zu hoher Befriedigung, Euerer Königlichen uud Kaiserlichen Majestät zum ersten Mal an Bord eines deutschen Kriegsschiffes den LÜillkoiiiiucngruß zu entbieten. Den Seeweg wählend, sind Euere Majestät zum deutschen Gestade geloinnren als der Herrscher eines großen durch die See welt umspannenden Reiches und wollen auch gütigst an den Beranstaltungen des deutschen Segelsports Anteil nehmen. Begrüßt sind Euere Majestät worden durch den Donner der Geschütze der deutschen Flotte, welche erfreut ist, ihren Ehren admiral zu sehen. Sie ist die jüngste Schöpfung unter den Flotten der Welt und ein Ausdruck der wiedererstarkenden Seegeltung, des durch den verewigten großen Kaiser neu geschaffenen Deutschen Reiches. Bestimmt zum Schutze seines Handels und seiner Gebiete, dient sie ebenso wie das deutsche Heer der Aufrechterhaltung des Friedens, den Las Deutsche Reich seit über 30 Jahren gehalten und Europa mit erhalten hat. Einem jeden ist bekannt durch Euerer Majestät Worte und Wirten, daß Euerer Majestät ganzes Streben auf eben dieses Ziel gerichtet ist, die Erhaltung des Friedens. Da auch dies Ziel zu erreichen, ich stets meine gesamten Kräfte eingesetzt habe, so möge Gott unseren Bestrebungen Gelingen verleihen. In unauslöschlicher Erinnerung an die in Osborne gemeinsam ver lebten unvergeßlichen Stunden am Sterbebette der großen Beherr scherin des jetzt von Euerer Majestät regierten Weltreiches leere ich mein Glas aus das Wohl Euerer Majestät. Ich trinke auf das Wohl Seiner Majestät deS Königs von Großbritannien und Irland, Kaisers von Indien". König Eduard erwiderte in deutscher Sprache mit folgendem Toast: „Indem ich Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät meinen aufrichtigsten Dank sage für die überaus freundlichen Worte, in welchen Euere Majestät auf mein Wohl getrunken haben, schätze ich mich glücklich, daß sich schon jetzt Gelegenheit bietet, meinem Gefühl der höchsten Anerkennung Ausdruck geben zu können für den glänzenden Empfang, den Euere Majestät mir hier bereitet haben. Es sreut mich ganz beson ders, daß es mir möglich war, Euerer Majestät zu einer Zeit des Jahres eineu Besuch machen zu können, in welcher ich ge wöhnlich in der Heimat am meisten in Anspruch genommen bin! jedoch der Anteil, den ich seit langen Jahren am Segelsport genommen habe, übte zu große Anziehungskraft aus, um nicht den Anlaß zu benutzen, mich zu überzeugen, wie es Euerer Majestät gelungen ist, für diesen Sport auch in Deutschland so viele Liebhaber zu gewinnen. Dazn gesellte sich der Wunsch, die innigen verwandtschaftlichen Beziehungen, welche unsere Häuser seit so langer Zeit verbunden, haben, durch erneuerten persönlichen Berkehr womöglich noch enger zu knüpfen. Euerer Majestät anerkennende Erwähnung meines unablässigen Strebens nach Erhaltung des Friedens hat mich tief gerührt, und ich bin beglückt in der Gewißheit, daß Euere Majestät das gleiche Ziel im Auge haben. Möchten unsere beiden Flaggen bis in die fernsten Zeiten, ebenso wie heute, nebeneinander wehen zur Aufrechterhaltung des Friedens uud der Wohlfahrt nicht allein unserer Länder, sondern auch aller Nationen. Ich bin stolz darauf, Euerer Majestät Flotte als Ehrenadmiral anzugehörcn, ebenso wie meine Flotte es als hohe Ehre schätzt, daß Euere Majestät die britische Seeuniform tragen, welche Euerer Majestät von meiner unvergeßlichen Mgtter verliehen wurde, deren Andenken uns beiden gleich heilig ist. Ich erhebe mein Glas, um aus das Wohl Euerer Majestäten zu trinken, Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen und Ihre Majestät die Kaiserin und Königin leben hoch, hoch, hoch!" Anlaß zu tiefgründigen politischen Kommentaren dürften diese Reden kaum geben. Zwei Momente finden sich in beiden gleichmäßig betont: die Friedensliebe und das Andenken an die Ouexn. Beide Erwähnungen waren durch die Umstände und die verwandtschaftlichen Beziehungen geboten, so daß irgend etwas Auffälliges nicht daran gefunden werden kann. Bietleicht werden ja trotzdem nicht „ alle Nationen" ihren Frieden und ihre Wohl fahrt gerade unter britischer und deutscher Flagge zu erstreben und zu schützen für angebracht halten, aber es ist doch ange nehm, den guten Willen zur guten Tat bei der Gelegenheit zu vernehmen. Nur eins ist unö aufgefallen und muß auffallen, gerade auch deswegen, weil, wie man weiß, solche Reden aufs ge naueste vorbereitet und redigiert werden, weil sogar die Texte vorher ausgetauscht zu werden pflegen. Das sind die Gründe, die den König von England nach seinen eigenen Worten zu seinem Kieler Besuche bewogen haben. Es ist an erster, also wichtigster und ent scheidender Stelle nicht davon die Rede, daß es sich nm eine Gegenvisite, um einen Pflichtbesuch handelt; es ist auch nicht an erster Stelle davon die Rede, daß die verwandtschaftlichen Beziehungen den Besuch ver anlaßt hätten, sondern es wird klar und unzweideutig aus- gesprocheu, daß der „Anteil am Segelsport" die eng lische Majestät veranlaßt hat, seine dringlichen Geschäfte daheim anfzuschieben. „Dazu" — dieses „dazu" ist bestimmt, um jeden Zweifel auszuschließen, daß jetzt Gründe minder schwerer Natur kommen — „gesellte sich der Wunsch, die iuuigen verwandtschaftlichen Beziehungen" usw. Wir haben bereits vor einigen Tagen darauf hingewiesen, wie vortrefflich die englische Königsfamilie es versteht, mit der öffentlichen Mei nung in England chncoorä zu bleiben. Auch hier findet man das wieder bestätigt. In England ist die Parole ansgegeben worden, den Besuch als absolut unpolitisch zu betrachten, und der König von England erklärt demgemäß, seine Reise nach Kiel sei aus sportlichen Interessen unternommen. Es erscheint uns schon aus diesem Grunde als ein Akt der Höflichkeit, dem Besuch des Königs in Kiel keine größere Wichtigkeit beizulegen, als der König selbst ihm zu geben für geboten hält. Ker rurrircb japanische Flieg. Meldung de» General» Sfacharsw. Ein Telegramm des Generals Ssacharow an den Generalslab vom 25. Juni meldet: Gegen Morgen des 25. Juni zogen sich die Vorhutabteilungen des Gegners, welche das Tal des Flüßchens Ho, 16 Werst südwestlich non Uaitschou, besetzt hielten, nach Süden in die Nähe von Ssenjutschen zurück. Am 24. Juni rückte eine zwei Kompagnien und zwei Eskadrons starke feindliche Ab teilung bis znm Dorse Siadiao, 11 Werst südlich von K aitschou, vor. Feindliche Streifwachen zeigten sich ebenfalls in der Umgegend von Ehonawansyn, 25 Werst östlich von Kaitschou und 7 Werst nordwestlich vom L s ch a P a n l i n P a ß. Ans dem südlichen aus tssiujan nach Uaitschon führenden Wege nahm eine Vorposten abteilung der Japaner das Dorf Tamjarlgon ein. Auf dem Wege nach Ehamsa. etwa 12 Werst nördlich vom Tschapanlinpaß. stehen feindliche Patrouillen. Auf dem Wege von Föngwangtschön nach Haitschen hatten russische Freiwillige in der Umgegend von Largangn am 24. Juni ein Scharmützel mit einer feindlichen Streifwache, die einen Mann verlv r. An demselben Tage wurde gegen Abend festgestellt, daß die Japaner aus Sargaugu aus dem nach Haitschen führenden Wege weiter vorrück ten uud daß eine Abteilung ihrer Vorhut, die zwei Kom pagnien stark war, das Dorf Kangasousa, etwa 8 Werst nordwestlich von Sargangu, eingenommen hatte. Eine ebenfalls feindliche Abteilung hat Tnngopura, 8 Werst nordwestlich von Sselntschan, besetzt. Nachrichten au» Port Arthur. Der Berichterstatter der „Birshewija wjedomosti" telegraphiert aus Liaujang , daß er nachfolgende aus Port Arthur vom heutigen Tage, nachmittags 5 Uhr, datierte Meldung erhalten habe: Unser Geschwader ist in einen Seekamps verwickelt. Die Belagerung der Festung ist nicht vollständig durchgeführt. Unsere Trup pen stehen 14 Werst von den Forts von Port Arthur ent fernt. Die Dschunke, auf welcher der Ueberbringer dieser Nachricht fuhr, wurde von einem japanischen Torpedo boot in den Grund gebohrt. Der Ueberbringer rettete sich auf eine Tonne, blieb zwei Stunden auf dem Meere, wurde dann von einer anderen Dschunke ausgenommen und gelangte schließlich nach Kaiping. — Lebensmittel treffen in Port Arthur ungehindert auf dem See wege ein. Tartaren-Nach richt. Die „Nuss. Telegr.-Agentur" läßt sich aus Liau- j a ii g vom 26. Juni melden: P r i n z v o n Bo u r b o n Ivar Augenzeuge einer empörenden Behandlung russischer Verwundeter durch die Japaner, die sogar „Tote mit dein Bajonett durchbohrten". Er habe bei der Räumung der Station Wasangon durch die russischen Truppen eine nut großen Buchstaben an die Wand geschriebene, an die japanischen Generale und Offiziere gerichtete Mitteilung über die mit eigenen Augen gesehenen Greuel zurück gelassen. in der er zum Schluß die Zuversicht aussprach, daß sich ähnliches nicht wiederholen werde. politische lagerrcha«. * Leipzig, 27. Juni. „Zur Festigung in den sozialistischen Anschauungen". Es ist ziemlich unbemerkt geblieben, daß der Theore tiker der sozialdemokratischen Partei, „Genosse" Kautsky, die fünfte Auflage seiner Erläuterung des Erfurter Programms jüngst veröffentlicht hat. Infolgedessen ist es begreiflich, wenn,der „Vorwärts" es sich angelegen sein läßt, die Lektüre der neuen Auflage als „Erfrischung nach den oft unerfreulichen kleinen Kämpfen des Tages" und zur „Festigung in den sozia listischen Anschauungen" zn empfehlen. Daß die „Ge nossen" dabei an objektiver Kenntnis allzuviel profitieren werden, ist allerdings von vornherein ausgeschlossen. Denn „Genosse" Kautsky bat ausgesprochenermaßen auch in der neuen Auflage der fortgeschrittenen Erkenntnis nur geringe Zugeständnisse gemacht. Diese Zugeständ nisse beziehen sich ans den Kleinbetrieb in der Landwirt schaft, von dein Kautsky eingesteht, daß er nicht im er warteten Umfange zurückgegangen sei. Wie Kautsky sich hiermit und mit der Entwicklung der Kleinbetriebe über haupt abfindct, darüber vielleicht ein anderes Mal. Heute sei nur die Aufmerksamkeit auf die Art gelenkt, mit der Kautsky die Verelendungs- und die Kris en - theorie des Erfurter Programms rettet. Betreffs der letzteren weist er triumphierend aus die letzte Wirtschafts krisis hin. nm den Revisionisten höhnend zuzurufen, daß sie die von ihnen 1898 für falsch erklärte Krisenthcorie schon im Jahre 1900 hätten abermals revidieren inüssen. Kautsky setzt sich dabei über die Bekämpfung des Erfurter Programms hinweg: die Krisen würden „i mmeru in - sang reicher und verheerender". Wird dies etwa durch die letzte Wirtschaftskrisis bewiesen? War die letzte Krisis wirklich umfangreicher und verheerender als die Krisen in den siebziger und achtziger Jahren? Eben sowenig stichhaltig ist Kantskys Ansicht, daß die Ver elendungstheorie in das Erfurter Programm „hinein- ge lesen" sei. Das Erfurter Programm besagt doch darüber wörtlich: „Für das Proletariat und die versinkenden Mittelschichten — Kleinbürger, Bauern — bedenket sie (nämlich die wirt schaftliche Umwandlung infolge der „Monopolisierung" der Produktionsmittel durch Kapitalisten und Großgrundbesitzer. Redaktion) wachsende Zunahme der Unsicher- heit ihrer Existenz des Elends, des Druckes, der Knechtung, der Erniedrigung, der Aus beutung". Wer angesichts dieses Wortlautes behauptet, die Ver- Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verbalen. Zn mir nach Budapest! Und Dich, den zweieinhalb jährigen Jungen, hatte sie der Obhut der Kinderfrau überlassen! Ich glaubte, falsch gehört zu haben, glaubte, alles beruhe auf einem Mißverständnis, aber die Aussagen des Kastellans, der Kinderfrau, der Diener, des Kutschers, der sic zur Station gefahren, lauteten übereinstimmend: „Nach Budapest, den gnädigen Herrn zn überraschen", das waren ihre Abscküedsworte gewesen, und das war vor vier Wochen geschehen. — Ich war wie erstarrt. Was nmr da passiert? War ein Pahnnnglück erfolgt? Aber davon hätte ja etwas in den Zeitungen gestanden. Ein solches Unglück konnte nicht verborgen bleiben, wo sich die Oessentlichkeit schon des kleinsten Ereignisses bemächtigt. Auch wenn sie unter wegs trank geworden wäre, hätte inan davon etwas er fahren müssen, da. wie ich annahm, sie in Begleitung ihrer Jungfer gefahren war. Das war es eben . . . sie war allein gereift, die Jnnlfier hatte sie vorher verab schiedet, sie wollte sich ein Stnbenmädel aus der Haupt stadt mitbringen. Auch da kain mir noch nicht das geringste Mißtrauen, nur lälnncnde Angst erfüllte mich, da siel inir aber ein, daß ich all die Zeit über Briese von ihr erhalten hotte, aus Schloß Lavadi datiert, zwei-, dreimal in der Woche, und alle in der alten zärtlichen Weise geschrieben. . . . Wie war das möglich gewesen? . . . Und warum hatte sie La« getan? . . . Und ich hatte ja die Briefe beant wortet! . . . Was mußte nur die Dienerschaft denken, die meine Handschrift kannte, daß Briefe vom Herrn un die gnädige Frau kamen, wo diese bei ihm in Budapest weilte?! — Meine Briefe laugten aber niemals in Schloß Lavadi an. Unter mir wich der Boden . . . etwas Ungeheures stieg vor niir auf . . . Das Unerklärliche, Rätselhafte fing an, Leben zu bekommen , . . erschreckendes Leben. — Mir fiel ein, mein Pferd satteln zu lassen, um nach Schloß Tornm zn reiten. Mein Freund Bela mußte doch etwas davon wissen. Bei nnserm innigen Verkehr war es unmöglich, daß er nichts gemerkt hatte. Und dann wunderte ich mich vlötzlich, daß er mich nicht aufmerksam gemacht, mich nicht gewarnt hatte. . . . Der Weg nach dem Schlosse ist mir erspart worden, und ich habe ihn nie wieder im Leben gefunden. Während man mir mein Pferd sattelte, ging ich noch einmal in das Boudoir Deiner Mutter, um doch irgend eine Spur, ein hinterlassenes Zeichen zu finden. In einem Fach des Schreibtisches lag ein an mich gerichteter Brief.... Ich konnte ihn nicht gleich lesen; denn alles ver schwamm vor meinen Augen, drehte sich im Wirbel mit mir, die geliebten Schriftzüge waren zu ringelnden Schlangen geworden, die ihre Giftzähne gegen mich hoben. . . . Und doch ahnte ich das ganze Schrecknis nicht, wußte ich nicht, daß ich ganz zum Bettler geworden war. — Es waren nur wenige Zeilen. Deine Mutter schrieb mir, daß sic mit meinem Freunde Bela fliehe; denn sie liebten einander seit der ersten Stunde, wo sie sich ge sehen. Seit sie Baron Tornm kenne, wisse sie, daß sic mich nie geliebt habe, daß sie nur, jung und arm wie sic war, mein Rang und mein Reichl um geblendet hätten. Die Liebe zu Bela sei größer und stärker als Pflicht, Tankbarkeit und Ehre als alle Gesetze der Welt. Al« ich so weit gekommen, schrie ich auf wie ein zu Tode Getroffenen ; ich schlug meine Brust, ich raufte mein Haar, ich war wie wahnsinnig. . . . Erst viele Stunden später konnte ich die paar Schlußworte lesen. Ich sollte sic nicht suchen; denn ich würde sie nicht finden, und fände ich sie, so würde sie beide nur der Tod von einander trennen. Wie groß ihre Liebe sei, könnte ich daraus ermessen, daß er den Freund verraten und sie ihr Kind verlassen habe. — Und was dann weiter geschah? ... die Tage, Wochen, Monate, die darauf folgten? — Ich will darüber Hinweggehen; denn was ich schon längsi in mir tot wähnte, wird wieder lebendig und bohrt seine scharfen Spitzen in mein Herz. . . . Ein solches Meer von Zorn, Jammer, Verzweiflung läßt das Herz stille stehen oder weckt den Wahnsinn im Gehirn. . . . Und mit welcher List und Ueberlegung sie alles er sonnen und vorbereitet hatten! Ich will nicht davon sprechen, daß Deine Mutter an Schmuck und Wert papieren mitnahm, was im Schlosse vorhanden war; ich war ein reicher Mann und konnte den Verlust ver schmerzen. Aber sie hatte vorher all' die Briefe an mich geschrieben, jeden mit dem bestimmten Datum ver sehend. Sic hatte sie dem Postmeister im nächsten Ort — damals gab es noch keine Post in Turnowa — mit der Weisung übergeben, dreimal in der Woche an bestimmten Tagen je einen davon, den sie bezeichnete, an mich nach Budapest abgehen zu lassen. Meine Briefe aber nach Schloß Lavadi sollte er ihr nach einem kleinen sieben- bürgischen Dorf, dessen Nanien sie ihm aufschrieb, post, rk^tsnte, nachsenden. Dem Postmeister, den sie reichlich für diesen Dienst belohnte, band sie ein Märchen auf: ihre Mutter lebe in jenem -Orte, ich hätte ihr die Annäherung an die bürgerliche Fran verboten, darum benützte sic meine Abwesenheit zu einem Besuch bei ihr. Mich sollten also die im voraus geschriebenen Briefe im Glauben lassen, sie, die Gräfin, befände sich ini Schlosse. Daß ihr» Mutter schon seit langen Jahren tot war, wußte der Mann nicht, und welche Ursache hatte er sonst, an ihren Worten zu zweifeln? Es war ja nur natürlich, daß eine Tochter die Mutter Wiedersehen wollte und es im Ge heimen tat, wenn es ihr verwehrt wurde. Was Baron Torma und die schöne Gräfin planten, davon konnte der Beamte keine Ahnung haben. Sie aber gewannen da durch, daß sie mich derart in Sicherheit wiegten, einen Vorsprung «on einigen Wochen und konnten längst in einem anderen Weltteil gelandet sein. Ich habe mir selber dann die Briefe aus jenem entfernten Orte geholt, um, da die Adressatin sich ja niemals melden würde, der Post keine Veranlassung zu geben, sie selber zu öffnen. ... Und was soll ich Dir weiter erzählen, mein Sokn? Daß ich lange Jahre meines Leben« der Rache gewidmet habe, dem brennenden, verzehrenden Wunsche, sie zu finden und beide zu töten?! Ich habe sie nicht gefunden ... ein zweiter Ahasver bin ich durch die Welt gewandert, kein sichtbares Zeichen ist mir jemals von ihnen geworden; sie waren wie vom Erdboden verschwunden. Ich kam in die .Heimat zurück, ein müder, gealterter Mann. Ich versuchte, mich meinen so sehr vernach lässigten Gütern zu widmen, ein Interesse am öffentlichen Leben zu gewinnen, um mir einen Lebensinhalt wieder zu schaffen — nichts fand ich mehr in mir. . . . Tatkraft. Begeisterung, gemeinnütziges Interesse, alle Ideale meines Lebens n>aren erloschen. . . . Der ungeheure Ver rat an meinem Herzen, der ungestillte Durst nach Ver- geltung, der mich jahrelang verzehrte, bat alles in »Ur zu Asche verbrannt. . . . Und doch war ich nicht ganz verarmt, ich batte jo einen Sohn! .... Warum konntest Du mir nicht werden, was andere Söhne ihren Vätern? Warum fand ich keinen Ersatz in Dir, keinen Trost, keine Stütze? Du trägst daS Antlitz Deiner Mutter, und Dein An blick tut mir weh. (Fortsetzung folgt.)
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