Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041126024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904112602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904112602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-26
- Monat1904-11
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sette 2. Nr. «VS. »8. Jahr,. Leipziger Tageblatt. wieder zu Verkehrszweigen ein Tunnel gebaut und soeben bar der Magistrat beschlossen, mit der ..Groszen Berliner" in Konkurrenz zu treten um städtische Straßenbahnen zu scl>afsen. Da» ist gewiß ebenso erfreulich wie fach- gemäß. „aber glücklich". — so heiszt eö in cineni alten Couplet —. „glücklich macht cS nicht!" Eine „Kultur" hat Berlin, trotz aller technischen Fortschritte, nicht auf« zuweisen. Eine Stadt. in der ein Denkmal wie das Monument Kaiser Friedrichs vor dem neuen Museum auch nur möglich ist. eine solche Stadt ist . . . gewiß sehr geduldig, aber sicher nicht kultiviert. Wie ein Wacht meister laber kein Lcffingscher!) sitzt eine Gestalt steif und ängstlich auf einem temperamentlosen Schwadrons gaul. Kaiser Friedrich war kein Wachtmeister, gerade die» war er nicht. Also ein im schlechten Sinne preuszisches Denkmal in einer sich mehr und mehr amerikanisieren den Stadt. Mit -cm künstlerffäzen Preußen wird dafür energisch aufgeräumt. Schauspielhaus und Opernhaus sind bereits „verschönert", setzt geht cs an den Pariser Platz. Dieser ist bekanntlich einer der wenigen Plätze Berlins, die harmonisch wirken. Nun ist's um seine stille Vornehmheit geschehen. Tas Redcrnschc Palais wird abgerissen und an seiner Stelle wird sich ein modernes Hotel erheben. Vermutlich ein Wolkenkratzer. Zwar soll nach einem Polizeierlaß nicht gestattet sein, die Nachbarhäuser des Platzes zu überbauen, indessen solche Erlasse können aufgehoben werden. Und wenn kein Wolkenkratzer, dann ein ..Kasten". Wie dem auch sei. der einheitliche Charakter des Platzes wird zerstört. Aber auch die köstliche Ruhe, die den Großstädter auf atmen läßt, ist dahin. Solche Plätze sind Oasen in der großstädtischen Steinwüste, Stätten der Andacht mitten im wirren Tanz ums goldne Kalb. Und solche Pausen der Selbstbesinnung sind notwendig: ein Volk, das nicht mehr zu rasten vermag, wird keine Ewiakeitswerte mehr erzeugen, mag auch seine Produktion in Milliardenziffern Hineinwipfeln. Eine weise Politik sollte das nicht ver kennen, sollte Ruhepunkte schaffen, nm der Verelendung durch „diminesH" entgegcn-unvirken. Statt dessen planen die leitenden Männer fiskalische Ausbeutung der Waldbestände und erteilen die Erlaubnis dazu, daß ein Hotel, das seinem Zwecke und Wesen nach banausisch sein muß, den schönsten Platz Berlins entstellen darf. Es ist schwer, keine Satire zu schreiben. Eine Sorge des „Figaro". Offiziös wirv geschrieben: Der Anteil Kaiser Wilhelms an der zum 4. Dezember bevorstehenden Taufe des italienischen Kronerben bereitet dem römischen Korrespondenten des „Figaro" viel Kopfzerbrechen. Am l!t. d. M. meldet er bekümmert, wie er vorausgesagt, werde der deutsche Kaiser Pate des kleinen Thronfolgers sein und Prinz Alberich (sicff von Preußen werde als Vertreter des „imperial purruiu" den Feierlichkeiten beiwohnen. Am folgenden Tage teilt er voller Freude „nach Informationen aus bester O-uelle" mit, entgegen allen bisherigen Ankündigungen werde Kaiser Wilhelm nicht Pate sein. Am 22. d. M. ist die Freude schon wieder gedampft: denn das „Giornalc d'Jtalia" sage, Kaiser Wilhelm werde doch Pate sein. Um der Ungewißheit ein Ende zu machen: Paten des italienischen Kronprinzen sind die Königin-Mutter Margherita und Fürst Nikolaus von Montenegro. Kaiser Wilhelm und König Eduard sind Taus zeugen und lassen sich als solche vertreten. So war es von Anfang an in Ausficht genommen, und in diesen Bestimmungeu hat sich nie etwas geändert. Ergötzlich aber ist der Eifer, mit dem der „Figaro"-Korrespondent das Haus Savoyen in seinen Beziehungen zu verbündeten und befreundeten Herrscher häusern überwachen zu müssen glaubt. Zur Reichstagsersatzwahl in Mecklenburg-Schwerin. Die „Natl. Korr." hat sich verleiten lassen, eine Angabe der „Dtsch. TageSztg." und anderer Blätter für bare Münze zu nehmen, wonach daö endgültige Resultat der Reichstags ersatzwahl bereits vorliegen und diese zu einer Stichwahl zwischen Konservativen und Sozialdemokraten geführt haben sollte. Es wurden sogar bereits die genauen Zahlen an geführt, wonach der Nationalliberale Büsing mit 7002 Stimmen nur um 31 gegen den Konservativen Darc (7033) zurück war. (Der sozialdemokratische Kandidat kann hier außer Betracht bleiben, weil er mit seinen 10 490 Stimmen ohnehin sicher an der Stichwahl beteiligt ist.) Mittlerweile ist aber noch eine neuere Meldung eingeganzzen, die wir im Morgenblatt bereits mitgeteilt haben, und die das Stimmen verhältnis folgendermaßen fixiert: Dade 7034 (-f- l), Büsing 7036 (-ff 34) und Antrick 10 588 (-ff 98) Stimmen. Dabei stehen noch immer fünf Ortschaften aus. Das Stimmenverhältnis zwischen den beiden „kritischen" Kandidaten hat sich also vollkommen umgekehrt; Büsing bat seinen Gegner nm 2 Stimmen überholt. Trotzdem ist über die Entscheidung noch immer nichts zu sagen, sie häuat von den: Ausfall der Wahl in den noch fehlenden fünf Ortschaften ab. Gleich ¬ wohl findet sich in der „Natl. Korr." am Schluffe ihrer Betrachtungen bereits folgende Mahnung: Bei der Stichwahl werden aber die bürgerlichen Parteien sich fest jufammeiischiithen müssen, soll der Kreis nicht schließlich doch au die Sozialdemokratie verloren gehen. Wir haben eine ähnliche Mahnung in konservativen Blättern bis jetzt nicht gesunden, erwarten aber, daß ihr entsprechend auch in dem Falle gehandelt wird, wenn der nationalliberale Kandidat gegen den Sozialisten in die Stichwahl kommt. Die tapferen StaLtrLte von Paris. In der Lichtstadt ist eine Abordnung skandinavischer Parlamentarier cingetroffen, die gleich auf dem fran zösisch-belgischen Grenzbahnhof Jemnont, als sie „den Fuß auf Frankreichs Boden setzten", dem Präsidenten Loubet ein Huldigungstclegramin mit dem Ausdruck tiefster Verehrung sandten. Tort wurde schon ein Em pfang improvisiert; mehrere Abgeordnete und ein Sena- tor, Träger der Schicdsgerichtsidce und der französisch' skandinavischen Freundschaft, waren zur Stelle. Tas dänische Komitecmitglicd Hey drückte feine Freude aus, daß inan es eingeladen habe, „an einem jener Werke hoher Menschlichkeit, die den aufgeklärten, großmütigen Geist der edlen französischen Nation charakterisieren, teil- zunehmen". Auch Georg Brandts ist mit Fräulein Bran des bei der Sache. Im Pariser Nordbahnhof erwarteten d'Estournellcs de Constant, der von Wilhelm II. ausge zeichnete Friedcnssenator, und der alte Herr Gabriel Monod den Zug; abermals ergoß inan sich in gerührten Reden. Tie Reise, die durch feinere Kulturzusammen- hänge sogar autorisiert sein könnte, ist für uns ein Aer- gernis, weil sie im Pariser Munizij.>alrat zu einem groben Ausfall gegen Deutschland benutzt worden ist. Der Gemeinderat Salli brachte mit 60 Gefährten seinen Antrag ein. worin von einer „hochherzigen Kundgebung für das Prinzip des Schiedsgerichtsverfahrens unter den Völkern" gesprochen wird; dies soll das skandinavische Essen im Stadthaus sein. Nach dem Antrag ist das „lwuptsächlichc Hindernis für den Triumph dieses Prin zips die Zerstückelung Frankreichs im Jahre 1871". Alle friedliebenden Völker sollen für „die Sache des Rechts cintreten, das durch den Vertrag verletzt worden ist, der Frankreich Effaß-Lothringen entrissen hat". Plumper konnte der Plan, der den Wählern schmeicheln und gleichzeitig das Bankett zurllsten soll, nicht formuliert werden; aber er ist ein Dokument. Eine zweite Äriegsbctrachtung des jüngeren Tolstoi. In der Dezembernummer von „World'S Work", der von dem Liberalen Henry Norman berauSgegebenen Monatsrund schau, wird Leo Tolstoi der Jüngere abermals einen Aussatz über den Krieg veröffentlichen. Noch rückhaltloser als vorder würdigt er die „schwere Zeit" als ein notwendiges, historisches Ereignis. Die wesentlichen Absätze der Kundgebung lauten, wie unS aus London gemeldet wird, folgendermaßen: Ti« Mehrzahl der Bauern, mit denen ich sprach, stimmte fast überall in folgende AnSrufe ein: „Was soll man daran tun?", „Man kann seinem Schicksal nicht entgehen!", „Tie Japaner sind rebellisch geworden, sie müssen wieder zur Vernunft gebracht werden!", „Biele unserer Brüder werden sterben, aber Japan wird noch mehr leiden!" „Nichts können wir daran ändern. Wir haben lange keinen Krieg gehabt und nun bricht eben wieder einmal einer aus. Obgleich wir ihn nicht wünschten, läßt sich nun doch nichts mehr daran tun. Selbst wenn wir eS auch nicht dorthin in die Ferne zu ziehen, so werden wir eben hinziehen müssen!" „Ich bin nach Tambosf gegangen, um meinen Bruder nach dem Kriegsschauplatz abreisen zu sehen. Ich habe Scenen bei gewohnt, die mir das Herz zerrissen haben. Mehrere tausend Per sonen, Bäuerinnen, Greise, Kinder, gut gekleidete Städter, waren zu der Abfahrt eines Militärzuges von 40 Wagen gekommen, von denen ein jeder 40 Soldaten aufgenoinmcn hatte. Als das dritte Glockenzeichen ertönte und der Zug sich langsam in Be wegung setzte, um dem Bahnhof in die Ferne zu ent eilen, schluchzte die ganze Menge wie ein einziges Wesen. Die Soldaten drängten sich um die geöffneten Türen der Wagen. Einer weinte wie ein Kind, ein anderer tauschte Scherze mit einer Zurückbleibendrn aus, ein Tritter sagte seinem Weibe, seinem Vater, seinen Kindern Lebewohl! Ein Vierter rief Hurra, und ein Fünfter stimmte ein Lied an. Ter Zug ging fort und die Menge sammelte sich um eine alte Bäuerin, die ohnmächtig auf dem Bahnsteig niedergesunken war. Ich ging hin, um sic zu betrachten. Mit wachsbleichem Antlitz lag sie da in ihrem Kleid von derbem braunen Stoff, wie die Bäuerinnen cs tragen. Tie Aufregung, die Tränen und die Ermüdung hatten sie überwältigt. Und wie ist doch trotz dieser tiefen, schweren Leiden die Haltung dieser selben Leute vernünftig und rechtschaffen gegen das, was man den Krieg nennt, und was in Wirklichkeit den TodeSkampf für ihre Rasse und für ihr Land be deutet. Man must außerordentlich kindisch und kurzsichtig fein, um nicht daS Endresultat de» Konflikte« vorherzusehen. ES genügt, dazu einen Blick auf die Karte Rußland« zu werfen. Dieses Land mit seinen ungeheuren Fläch«, sein« Feldern und Wäldern, seinen Seen und Gebirgen, seiner ungeheuren Bevölkerung endlich wird un« den Eindruck geben, daß eü ein» geeinte Macht ist durch seine Lage, fein Klima, seine Bevölkerung, durch seine religiöse und intellektuell« Einheit, fei« Temperament, seine Friedensliebe, — und die« alles muß den schließlichen Sieg sichern!" Dieser Aussatz, der, obschon karge Spuren von der Fähigkeit de« Alten zeigt, das dumpfe Fühlen der Massen zu schildern, ist nicht ohne Heftigkeit, und eS scheint durch aus unmöglich, daß nicht schwerere Familienkonflikte ihm voransgegangen sein sollten. Rumänische Ministrrkrisis. ^.Bericht unseres -8. Korrespondenten.) Bukarest, 24. November. Wir haben hier in den letzten Tagen eine Ministerkrisis erlebt, die, wenn sie sich auch für den Bestand des Kabinett augenblicklich befriedigend gelöst bat, doch den Schatten künf tiger Ereignisse vorauswirft. Die schon seit langem im Schoße des Kabinetts bestehenden Parteiungen, die eine Folge der in der herrschenden liberalen Partei entstandenen Differenzen sind und' zwei Lager geschaffen haben, die man als dir Alt- und die Iungliberalen bezeichnet, ließen in dem Minister deS Innern, Vasile LaScar, den Wunsch aufkeimen, feine Demission zu geben. Nun gehört LaScar zu den hervorragendsten Männern des gegenwärti.wn Regimes und ist eine der jestesten Stützen des Kabinetts sturdza. Es wurden sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn zur Ausgabe feiner Demission zu veranlassen, und nach mehrtägigen Bemühungen ist dies nun auch gelungen. Doch ist der entstandene Riß nur ver- lleistert, nicht geheilt worden. Die Notwendigkeit, dem am 28. November wieder zusammentretenden Parlament ein vollzähliges Kabinett zu präsentieren — was, da zum mindesten der Iustizminister Gianni, wahrscheinlich aber auch der Domänenminister StoiceScu bis dahin noch durch andere geeignete, unter zahlreich vorhandenen, mit einander rivalisierenden Bewerbern nicht leicht zu wählende Personen ersetzt werden müssen, an sich schwierig ist —, sowie der Wunsch, die dem Parlament zu unterbreitenden wichtigen Vorlagen, wie z. B. den Handelsvertrag mit Deutschland und das Budget mit dem Nachdruck zu ver treten, den ein vollzähliges, homogenes Kabinett gewährt, hat dazu geführt, den Frieden mit Lascar zu schließen, der seiner seits hierfür Bedingungen gestellt hat, die man wohl zu er füllen versprochen hat, bezüglich deren es aber über kurz oder lang doch wieder zu Friktionen kommen wird. Nach der Be schlußfassung über das Budget dürfte die Krisis im Kabinett von neuem zürn Ausbruch kommen, und wenn auch der Ministerpräsident Sturdza in einer vorgestern in Berlad an läßlich der Enthüllung des dort für den verstorbenen Finanz- nilnister Pallade gehaltenen Rede seine Parteigenossen auf gefordert hat, die entstandenen Meinungsverschiedenheiten zu begraben und einmütig zusammen zu stehen, damit das liberale Kabinett auch die zu Anfang des nächsten Jahre« bevorstehenden Parlaments-Neuwahlen leiten und die Macht weiter behaupten könne, so ist die Konstellation der inneren Verhältnisse des Landes doch derart beschaffen, daß im Ernste niemand mehr an eine lange Dauer deS Kabinetts Sturdza glaubt. Allseitig ist man auch darauf gespannt, ob dieses noch Anstalten machen wird, die Rentenbesitzer wegen der im Finanz- ministerum stattgehabten fraudulösen Rentenziehungen zu entschädigen. Bei der vor dem Kassationshof als letzter Instanz geführten Verhandlung gegen die in dieser An gelegenheit Angeklagten sprach der Kassationshof die Ver pflichtung für den Staat aus, die Rentenbesitzer zu entschädigen, und cS wurde zu diesem Zwecke auch Das Vermögen der Angeklagten beschlagnahmt. Viele Monate sind aber seitdem verstrichen, ohne daß eine solche Entschädigung erfolgt wäre, und auf alle diesbezüglichen Anfragen hüllt sich die Regie rung in Stillschweigen. Es ist dies ein Verfahren, welches in weitesten Kreisen deS Landes und selbst unter den Partei gängern der Regierung mißfällig bemerkt wird. Deutsches Deich. * Leipzig, 26. November. 2. Außerordentlicher sächsischer Landtag. Tic Tagung des aus Anlaß des Thronwechsels ein- berufenen außerordentlichen Landtags nimmt am Montag, den 28. ü. M., ihren Anfang. Die Zweite Kammer wird voraussichtlich scheu am späten Nach mittag ihre erste Präliminarsitzung halten, nachdem vor her dre Einweisungskommission die Anmeldung der Ab geordneten cntgegengenommen hat. In dieser Sitzung, einem ganz jungen, eben geschaffenen Unternehmen, daS einen ganzen Mann fordere. Zögernd, seufzend, mit mühsam verbissenem Grimme und Gram, stimmte die Mutter bei, — nicht etwa auS Ueberzeugung, . . . .nur, weil sie sehen mußte, daß dies in der Tat für Oswald eine unhaltbare Situation war, die seine ganze Zukunft schwer schädigen konnte. Sie litt grausame Eifersuchtsgualen, die Frau. Ter einzige Mensch auf der ganzen Welt, den sie in ihrer Weise wirk lich liebte, dem sie freudig vieles geopfert hatte, für den sie hätte sterben mögen, war dieser Sohn. und sie mußte cS erleben, wie er sich kaltblütig von ihr abwandte, ruhig mit ansah, wie sie sich in Schmerz ver zehrte, und wie er der ganzen Welt Trotz bot nm dieses Mädchens willen! Nie fiel eS ihm ein, seiner Mutter blasses Gesicht, ihre geröteten Augen, ihre Einsilbigkeit zu beachten, — er sah so strahlend auS, als überschütte er alle Welt mit Güte und Liebe, während er dies tatsäch lich nur einer zuteil werden ließ, — Diese eine aber war für ihn die Welt! Seines Vaters Vorschlag einer baldigen Heirat be grüßte er natürlich mit Wonne! Die Seinigcn niußten cS ja sehen, er war jetzt zu nichts zu gebrauchen, er schlug alle vorsichtigen Mahnungen, alle-Vorschläge zur Arbeit lachend in den Wind: „Laßt mich doch, Kinder! Laßt mich! Ich kann nichts tun seht, — kann positiv nicht! Hab ich erst mein eigenes Heim und darin sic, meine Kleine, Süße, Geliebte, dann sollt ihr mal sehen! Tann wird die Scherwitz-Oper 'nen Aufschwung kriegen, und die Leute werden Augen machen!" „Aber, Oswald!" wandte Schwester Stephanie ein; sie konnte neuerdings am ehesten etwas mit ihm an- stellen, sogar ihm gelegentlich widersprechen, weil sie von Annemarie so entzückt war. „Tu hast dich doch verpflich- tet, zur Eröffnung der Scherwitz-Oper eine Fest-Ouver türe zn komponieren und natürlich auch zu dirigieren, . . wie weit bist du damit?" Lachend hatte er die Schwester in die Arme genommen und durch das Zimmer gewirbelt. „Kein Notenkopf steht bis jetzt davon auf dem Papier, Steffic, — kein Köpfchen und kein Schwänzchen! Wenn meine Hochzeit am elften Oktober ist. wirklich und wahr haftig am elften, und die Scherwitz-Oper wird den acht- undzwanzigsten eröffnet, — Menschenskind, das sind dann noch über zwei Wochen! Ta hau' ich in ein paar Stunden die ganze Festlichkeit aufs Papier und studier' es den Kerls ein, daß eS nur so wettert! Bloß sich nicht unnütze Gedanken um all' den Kram machen! WaS will das alles bedeuten gegen .... Herrgott, gleich sechs Uhr! Höchste Zeit für mich, daß ich nach der Alscnstraßc komme!" Und er stürmte die Treppen hinab, ohne jemanden adieu zu sagen, warf sich in einen Wagen und trieb den Kutscher durch das Versprechen, eines guten Trinkgeldes zur größten Eile an. DaS Ringhauptsche Dienstpersonal kannte schon dies rasche Vorfahren, dies Sturmläuten am elektrischen Knops der Gitterpfortc, den Schritt, der fliegend, elastisch zwei Stufen der teppichüberdcckten Marmortrcppe zugleich nahm. Lächelnd sahen die Diener einander an: „Ist der aber verliebt. Na, es lohnt ja auch! Unsere kleine Braut wird jeden Tag hübscher!" DaS wurde sie, — aber sicgesgcwisser und über mütiger auch! Ueberraschend schnell war sic in die neue Situation hincingewachsen, empfand nichts von Peinlich keit oder Gedrücktsein, nahm jede Huldigung, jede reiche Gabe unbefangen entgegen, als müßte cs so sein, — schien über jede absichtliche Kälte oder bissige Bemerkung hin- wcgzusehen, als existiere sie nicht. Wie eine junge Königin nahm sie Oswalds bedingungslose Anbetung auf, sie be trat sein Elternhaus nicht wie jemand, dessen Anwesen heit dort nur widerwillig geduldet wird, sondern mit der Miene einer Siegerin,.... und als solche fühlte sic sich auch. Mußten sie ihr nicht alle kommen und sich freundlich erweisen, diese Menschen, die bis vor kurzem uugern genug die Mittel für ihre künstlerische Ausbil dung zusammengebracht hatten? Scherzend, plaudernd stieg sie heute in Onkel Ringhaupts schone Eauipage, um Besuche zu machen, ging sie morgen mit Oswald auf Besichtigung moderner Möbel, übermorgen mit Tante Babette in die Oper, dann wieder mit Margot Wessel oder mit Stephanie Mentzel auf Einkäufe, — — zur Besinnung kam Annemarie jetzt niemals, und gerade das war cS, was sie bezweckte. Nach einem derartig un- ruhigen Tage, der von morgens bis abends auSgcfüllt war, Lessen einzelne Stunden ihre eigene Bestimmung hatten, forderte ihr junger Körper gebieterisch sein Recht; die Augen sielen ihr zu, noch während sie im Ausklciden begriffen war. Fest und traumlos schlief sie in den Hellen Morgen hinein. Lieber nicht grübeln und nach denken, wie daS alles so überraschend gekommen wart Was half das? Es war so gekommen und war gut! Die Tatsachen hinnehmen, nicht immer mit „Wenn" und „Aber" rückwärts blicken und sich fragen, ob dies und jenes auch richtig sei und ihrer früheren Auffassung ent spreche! Ter Mensch wird eben älter, gereifter, kommt in neue Verhältnisse, ... da ändert sich auch die Aus fassung! Wie Annemarie jetzt mit gelöstem Haar vor dem großen Spiegel saß, da war sie nur gewillt, ihr AeußercS zu bespiegeln, — nach einer Besichtigung ihres Innern gelüstete es sie weniger. Es fiel ihr aber ein, daß Asta ihr Examen gut bestanden habe und nach Hause gereist sei, um sich zu erholen und zu pflegen. Schwere Arbeit lag hinter ihr, angestrengte Arbeit sah sie vor sich' Annemarie seufzte ein wenig. Gottlob, daß sie sich nicht so zu plagen hatte! Oswald würde das nie zugcbcn. Oswald wollte sic auf Händen tragen, ihr jeden Wunsch auS den Augen ablesen, er fand alles entzückend, was sie tat und sagte,.... ach ja .... eS war sehr schon!! Aber ein paar Worte an Asta mußte sie doch schreiben, — an Asta, die jetzt daheim war.... Wie das Wort klang: daheim! Ihr Heim war jetzt Berlin, das schöne, große, stolze Berlin! Was das Städtchen in Westprcußen dagegen bedeuten wollte!! Paris sollte freilich noch herrlicher sein! Wenn sie eS Oswald sagte, — sicher ging er mit ihr nach Paris, Tonnavend, 2Ü. November 1V04. die nut einer Ansprache des Vorsitzenden der Ein- Weisungskommission, des Geh. Hofrats Dr. Mehnert. eröffnet werden wird, erfolgt die Teilung der Kammer in fünf Abteilungen. Die Wahl LeS Präsidiums er folgt in der Regel erst in der zweiten Sitzung. Am Dienstag wird der König die Präsidenten der beiden Kammern empfangen, welche bei dieser Gelegenheit die Zusage deS Königs cntgegennehmen, die Verfassung un verbrüchlich zu halten. Die Urkunde hierüber wird dem ständischen Archiv einverleibt. Mittags um 1 Ubr wird dann der König im Thronsaale deS Rcsidenzschlosscs den Landtag in der üblichen feierlichen Welse eröffnen. An demselben Tage kcnstituieren sich die beiden Kammern, wobei in der Ersten Kammer die Verpflichtung LeS vom Könige neu in die Kammer berufenen Geheimrats Jenke zu erfolgen hat, auch nehmen die Kammern die Wahl der Deputationen vor; es werden jedcch, dem Zwecke der außcrordentlickxm Tagung entsprechend, nur die Finanz und die Gesetzgebungsdeputationen gewählt. Am Mitt woch folgt dann die erste und voraussichtlich auch letzte ordentliche Sitzung. Da das königliche Dekret Nr. 1. das einzige, das zur Beratung kommt, eine Erhöhung der Zivillistc und der Apanagen nicht enthalten wird, ist anzunchmen, daß die Kammern mit der allgemeinen Vcrbcratnng sogleich die Beschlußfassung verbinden. I" diesem Falle würde der Landtag dann am Donnerstag im Auftrage des Königs durch den StaatSmnwtcr v. Mctzsch wieder geschlossen werden. * In Bezug auf »ie deutsche MittelftandSvcreinigung, die gegenwärtig in Berlin ihre l. Generalversammlung ab- hält, bat der Vorstand des Zentral» erbandeS deutscher Kaufleute und Gewerbetreibender in einer am 23. d. M. in Leipzig abgehaltenen Sitzung folgenden Be schluß gefaßt: „Ter Vorstand deS Zentralvcrbandes deutscher Kaufleute und Gewerbetreibender verleiht seiner Freude über den Zusammenschluß deS deutschen Mittelstandes, in dem er eine Förderung der auch vom Zentralverbande verfolgten Bestrebungen erblickt, Ausdruck. Er ist aber zn seinem Bedauern außer stände, sich korporativ der deutschen MittelstandSvrreinigung anzuschließen, weil der Zentral- verband lediglich als eine wirtschaftlichen Zwecken dienende Gc- nossenschaft in das Genossenschaftsregister eingetragen ist und, um nicht gegen die Vorschriften deS 8 43, Abs. 2 und 3 B. G.-B. zu verstoßen und der Auslösung anheimzufallen, alles vermeiden muß, was einer Wirksamkeit auf politischem Gebiete gleichkommt. Ter Vorstand muß es deshalb den einzelnen Mitgliedern des Zentral- verbandeS überlasten, sich an der deutschen Mittclstandövereinigung zu beteiligen." * Verhökerung vo» t^csetzeutwürsen. Von einer dem Herrn Reichskanzler nahestehenden Seite hören wir: Die vorzeitige Veröffentlichung des Mili tärvcnsionS- gesetz es und der Vorlage wegen Ankaufes der Hibernia- Aktien hat in der Presse zu erneuten Klagen über die Ver hökerung von Gesetzentwürfen geführt. ES sei des- balb darauf hingewiesen, daß der Reichskanzler die Be rechtigung dieser Klagen durchaus anerkennt Graf Bülow hat nach wie vor die Ueberzeugung, daß Gesetzentwürfe, so bald sie völlig fertiggestellt sind, in einem Organe veröffent licht werden sollen, daS jeden Zweifel an der Authentizität der Veröffentlichung ausschließt und das der gesamten Presse, soweit möglich, gleichzeitig vorliegt. Der Reichskanzler hat von diesem Standpunkte auS die jetzt erfolgten vorzeitigen Veröffentlichungen von Gesetzentwürfen zum Anlasse genom men, seine Stellungnahme gegen die Verhökerung amtlichcn Mat erials von neuem geltend zu machen. * Berlin, 26. November. * A«S Sem Etat für 1SO5. Der Etat für daS preu ßische Militärkontingent weist, wie schon kurz gemeldet, an Einnahmen im ordentlichen Etat nach 6 670 214 (— 21 760) für Rechnung der Bundesstaaten mit Ausschluß von Bayern und 4l6324 (— 308 180) für Rechnung aller Bundesstaaten im außerordentlichen Etat 1 858 547 (— 2 963 283). Die fortlaufenden Ausgaben des ordent lichen Etats betragen 463 961 397 V/ (-ff 12 845 841) und die einmaligen 25 026 920 (-ff 993 369). Im außordeut- lichen Etat werden 53 589 400 (-ff 32 470 700) verlangt. Bei den Mehrausätzen deS ordentlichen Etats machen sich vielfach die auS den Gesetzentwürfen betr. die Friedens präsenzstärke und die Aenderung der Wehrpflicht hervor gehenden Maßregeln geltend. ES erscheinen für 1905 Erfordernisse für zwei Bataillone Infanterie mit niedrigem Etat als dritte Bataillone bestehender Regimenter, für drei Kavallerie-Regimenter, davon eine mit hohem Etat, unter Absetzung der vorhandenen EskadronS Jäger zu Pferde. ferner für eine Kompagnie und eine Bespaunungs- abteiluug bei der Fuß-Artillerie-Schießschule, sowie für eine VersuchSkompaHnie der VerkehrStruppcn unter Absetzung von Manschaften bei den Eisenbahntruppen. Durch die dauernde Festlegung der 2jährigen Dienstzeit wird bei jedem das er ja kannte und liebte! Sie brauchte nur zu wollen .... Ach nein, — lieber nach München, — nach Florenz — warnin sollte cS gerade Paris fein? Wie sie darauf verfallen war! Ihre Mutter, ihre liebe, schölte Mutter, — die hatte Petersburg gekannt und Odessa und Kiew, die war mit ihrer reichen russischen Familie viel gereist. Immer hätte Annemarie ihr zuhören können, wie sie davon er zählte! In Petersburg, da hatte ein glänzender Offizier sich sehr um die Mutter bemüht, - sie Hatto das dein jungen Kinde nur mit wenigen Worten angedeutet und hatte hinzugefügt, sie hätten ja beide gewußt, daß sie nie zu- sammenkommen könnten, seine Stellung und ihre beider seitigen Verhältnisse hätte» es nicht zugelassen,.... aber großen Einfluß habe dre damalige Zeir auf das junge Mädchen ausgeübi' „Kernen guten Einfluß!" Es war Annemarie mit cincmmak, als höre ne rhrer Mutte«. Stimme, — als stände die Mutter dicht hinter rur und zpräckre zu ihr: „Ich war jrrng rind hübsch damals mw rehc gefeiert und verwöhnt; es war eine Atmosphäre von Eitelkeit und Gefallsucht und Selbstzufriedenheit um mich herum, die mir sehr, sehr gefährlich wurde. Ich kämpfte zuweilen dagegen an, rch sagte mir: wen» Lu jv bteibst. wie du jetzt bist, verflachst du rettungslos. Tee Mensch ist dazu da, an sich zu arbeiten, besser zu werden .... du aber wirst bei diesem Leber, nicht edle^ du wirst selbstsüchtig und oberflächlich! Es gefiel i.nr aber alles so gut, meine Eitelkeit empfing wviel Nahrung, daß ich mich aus eigenen: Antrieb sicher nicht herausgerettet haben könnte. Der Winter in Petersburg ging indessen zu Ende, wir zogen aufS Land, ich wurde nicht mehr umschwärmt und gefeiert, mein Anbeter ging nach Moskau, und ich habe ih» nie mehr wiedcrgesehcn. Da bin ich denn allmählich zur Besinnung gekommen, — es ist aber auch hohe Zeit für mich gewesen!" — / v « / . "s (Fortsetzung folgt.) "
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder