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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041124014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904112401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904112401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-24
- Monat1904-11
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem RrdaktionSstrich (4 gespalten) 78 nach den Familirnnach. richte» (S gespalten) 80 — tabellarischer und Ziffern!atz werden entsprechend höher be rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Ossrrtenannahme 28 Annahmefchluf, fitr Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au«gabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an di« Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die «rpedtti-n ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Polz i» Leipzig (Inh. Or. B„R. L W. Klinkhardtl Nr. 5S8. Donnerstag den 24. November 1904. 98. Jahrgang. vsr Aftdtigrtr vsm Hage. * Da« Präsidium de« Evangelischen Bunde« soll vom Grafen Wintzingerode auf Konsistorialrat Dr. Goebel in Halle übergegangen sein. (S. Dtsch. Reich.) * Die Kanalkommission de« preußischen Abgeordneten bause« tritt Montag zur zweiten Lesung zusammen. (Siehe Dtsch. Reich.) * Mit dem nächstjährigen Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag in Köln soll eine große Ausstellung verbunden werden. (S. Dtsch. Reich.) * Nach Meldungen au« Madrid sollte der König gestern ein neues Anarchistengesetz unterzeichnen. (S. Letzte Depeschen.) * In Brest und Lorirnt haben die französischen Arsenal arbeiter wegen des Minister« Pelletau den Geixeral- au«stand beschlossen. (S. Au-land.) * ^Die Pforte hat in Athen wegen der Bildung griechischer Banden Vorstellungen erhoben und Verschärfung ver militärischen Maßnahme» au der Grenze be schlossen. (S. Ausland.) Vie stecdtranwaltrchast beim steichrgencht. Neuerdings ist bescnderd unter Berliner Anwälten wieder einmal das Thema von der Zulassung zur Rechts anwaltschaft beim Reichsgericht zur Diskussion gestellt worden. Aus diesem Anlaß wird uns von einem Prak- rnchen Juristen geschrieben: Die Rechtsanwaltschaft beim Reichsgericht ist in wesentlichen Punkten anders geordnet als die Rechts- Anwaltschaft bei den Instanzgerichten. Während sonst die Anwärter um Zulassung bei der Landesjustiz. Verwaltung nachzusuchen haben, entscheidet über die Zu lassung zur Rechtsanwaltschaft beim Reichsgerichte das Präsidium dieses höchsten Gerichtshofes. Das Präsi dium besteht nach 8 133 des Gerichtsverfassungsgesetzes aus dem Reichsgerichtspräsidenten, den sämtlichen Lenatspräsiüenten und den vier dienstältesten Reichs- aerichtsräten. Diese Behörde entscheidet über den An- trag auf Zulassung nach freiem Ermessen. Hierin unterscheidet sich das Reichsgericht hauptsächlich von anderen Gerichten. Die Landesjustizverwaltungen müssen den Anträgen auf Zulassung zur Anwaltschaft entsprechen, wenn nicht einer der im Gesetze ausdrücklich bezeichneten Versagungsgründe vorlieat. Das Prä- sidium des Reichsgerichts 'hat Mar die Versagungs gründe des 8 5 der Anwaltsordnung gleichfalls zu be- achten. Es kann aber auch darüber hinaus die Zu lassung verweigern, vor allem deswegen, weil kein Be dürfnis nach Vermehrung der Anwälte beim Reichs- geeichte vorliegt, ferner auch vielleicht, weil der Be werber nicht den besonderen wissenschaftlichen An forderungen entspricht. Der Grundsatz der Freiheit der Ädvckatur ist also beim Reichsgerichte durchbrochen. Die hierfür maßgebenden rechtspolitischen Erwägungen sind leicht verständlich. Nach 8 4 der Anwaltsordnung muß jeder in dem Bundesstaate zur Anwaltschaft zu gelassen werden, wo er die Richterprüsung bestanden bat. Würde dieser Grundsatz aufs Reichsgericht aus gedehnt, so würde er lauten müssen: Wer in irgend einem Bundesstaate die Befähigung -um Richter amte erworben hat, muß zur Anwaltschaft beim Reichs- geeichte zugelassen werden. Die Aufstellung eines solchen Rechtssatzes würde binnen kurzem zu einer Ueberfüllung des Standes der Reichsgerichtsanwälte führen. Die Herren würden Not haben, ihr Aus kommen zu finden. Vielleicht würde mancher unter der Menge sein, der der besonders gearteten Tätigkeit nicht recht gewachsen wäre. Indem man die Entschließung über die Zulassung in das freie Ermessen deS Präsidiums stellte und ein Recht darauf nicht an erkannte, beugte man derartigen Mißständen vor. Das Präsidium kann die Zahl der Anwälte beliebig ver- mehren cder auch, indem es Abgänge nicht ersetzt, ver mindern. Auf diese Weise ist es imstande, Len gerade tätigen Reichsgerichtsanwälten eine ihrer Stellung ent sprechende Einnahme dauernd zu sichern. Weiter kann das Reichsgericht unter den Bewerbern sich die juristisch am besten Qualifizierten auswählen. Die juristische Befähigung ist den Herren vom Präsidium entweder aus der schriftstellerischen Tätigkeit des Bewerber- oder aus den Akten der von jenem geführten Prczesse be kannt hie und da kommt es auch vor, daß ein Reichs- gerichtsrat die Tauglichkeit des Bewerbers aus der Zeit her kennt, wo er selbst noch in den unteren Instanzen als Richter tätig war. Vor dem Inkraftreten -es Bürgerlichen Gesetzbuches war noch von Bedeutung, daß das Präsidium die Anwärter aus den verschiedenen Rechtsgebieten des Reichs nach Bedarf heranziehen konnte. Wie jedes Privileg, hat auch das den Reichsgerichts anwalten verliehene seine Schattenseiten neben den nicht zu leugnenden Vorzügen. Herkömmlich sind einige 20 Herren als Anwälte beim Reichsgericht tätig. Unter diesen sind einzelne hochbetagte, die man vielleicht nicht mehr als volle Kräfte bezeichnen kann. Der eine oder andere kränkelt und läßt sich von einem jüngeren In- stanzanwalte oder Assessor vertreten, was zulässig ist. Unter den voll arbeitsfähigen Herren ist dieser oder jener Spezialist für Seerecht, Versicherungsrecht, französisches Zivilrecht usw. Einzelne Anwälte erfreuen sich ganz be sonderen Ansehens: sie vermögen nicht alle einlaufenden Aufträge anzunehmen. Manche große Handelsfirmen, die viele Prozesse führen, pflegen nun die angesehensten Reichsgerichtsräte gleichzeitig zu beschäftigen, sei es mit Prozeßvertretungen, sei es mit Erstattung von Gut achten. Auf diese Weise verhindern sie, daß ihre Gegner die Dienste dieser selben Herren in Anspruch nehmen können. Hier ist auch darauf hinzuweisen, wie die Revi- sionen gewöhnlich bearbeitet werden. Die Partei, die Revision einlegen will, geht irgend eine juristische Auto rität oder mehrere um ihr Gutachten über die Aussichten einer solchen an. Das so gewonnene Material wird dann dem Reichsgerichtsanwalte übermittelt und dieser ver arbeitet es zu einer Revisionsschrift. In zahlreichen Fällen findet der Reichsgerichtsanwalt freilich auch die Revisionsgründe selbsttätig aus, meist wird ihm aber die Arbeit tunlichst erleichtert. Zu erwägen bleibt auch, daß ein sich in den Grenzen des Gesunden haltenden Wett bewerbs alle Zeit ein gedeihlicher Ansporn zu ersprieß lichem Wirken ist. Zu betonen ist schließlich, daß das Privileg der Reichs gerichtsanwälte nur auf dem Gebiete des Zivilprozesses besteht. In Strafsachen gilt ja ohnehin der Grundsatz der Lokalisation der Anwaltschaft nicht. Als Verteidiger kann jeder deutsche Anwalt vor jedem deutschen Gerichte, auch dem Reichsgerichte, tätig sein. Der Berliner Anwaltverein hat sich kürzlich mit der Ordnung der Rechtsanwaltschaft beim Reichsgericht be schäftigt und einige Leitsätze für die Aenderung der be stehenden Verhältnisse aufgestellt. Wenn nun auch die Rechtsanwaltschaft beim Reichsgerichte ihren Aufgaben bisher vollkommen gerecht geworden ist, sich sogar nicht unerhebliche Verdienste um die deutsche Rechtspflege er worben hat, so kann man in der Kritik, die der Berliner Anwaltsverein an den gegenwärtigen Verhältnissen ge übt hat, einen berechtigten Kern nicht verkennen. Das freie Ermessen, nach dem das Präsidium über Zu lassungsgesuche zu entscheiden hat, mißfällt dem Berliner Anwaltverein hauptsächlich. Er will ein Recht auch auf Zulassung beim Reichsgerichte einführen. Die Qualität der reichsgerichtlichen Anwaltschaft soll dadurch gewähr leistet werden, daß im Gesetze erhöhte Voraussetzungen für die Zulassung festgelegt werden. Durch eine solche Ordnung der Dinge würde, darin ist den Berliner An wälten Recht zu geben, von der Zulassung beim Reichs gerichte auch der Schein der Pfründenverleihung ge nommen. Auch dürfte es nicht allzu schwer sein, aus der bisherigen fünfundzwanzigjährigen Zulassungspraxis des Präsidiums einige Grundsätze abzuleiten, die die Grundlage für die gesetzliche Formulierung der aufzu stellenden besonderen Zulassungsvoraussetzungen bilden könnten. Für sehr dringlich ist die ganze Angelegenheit nicht zu erachten. Das Präsidium hat bisher zum Vorteile der Rechtspflege von seinem freien Ermessen Gebrauch ge macht. Es ist auch nicht etwa zu befürchten, daß es je die Hand dazu bieten wird, um die Anwaltsstellen beim höchsten Gerichtshöfe erblich zu machen, falls einmal darauf gerichtete Bestrebungen zutage treten sollten. Die Behörden entscheiden auch sonst nach freiem Er messen. Freilich ist in vielen Dingen eine eingehende Normierung der Ermessensfreiheit vorzuziehen, vielleicht auch bei den hier in Betracht kommenden Personalfragen. Ueberdies hängt die Organisation der Anwaltschaft beim Reichsgerichte aufs engste mit der Gestaltung des Rechts- mittels der Revision zusammen. So sind denn auch in den Erörterungen über die Entlastung des Reichsgerichts und die Umgestaltung der Revision eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Abänderung der hier in Frage stehenden Gesetzesvorschriften gemacht worden. Handelt es sich bei der vom Berliner Anwaltverein angeregten Reform auch nicht um eine Grund- und Lebensfrage des deutschen Anwaltstandes, so wird man ihm darin beistimmen können, daß die Angelegenheit wichtig genug ist, um den deutschen Anwaltstag zu be schäftigen. vr. dl. ver vreraeim lllaMampf. Die Dresdener Nationalliberalen haben eine Bewegung gegen sich herausbrschworen durch ihre Stellung nahme zu den Stadtverordnetenwahlen. Trotz ihrer prinzipiellen und auch im Prinzip nie verleug neten Gegnerschaft gegen die in der Reformpartei ihren Mittelpunkt erblickenden Gruppen, baben sie sich zu einem Wahlkartell mit den Antisemiten bereit erklärt. Da« Kartell ist ja nun, glücklicherweise muß man sagen, noch vor dem endgültigen Abschluß in die Brüche gegangen, aber dafür fallen nun dr« Gegner, und zwar Antisemiten und Sozialdemokraten, in schönster Einmütigkeit über die Nationalliberalen her. Dabei haben die Nationalliberalen noch den Fehler begangen, bi« zum letzten Augenblick über die ihnen wovl selbst unheimliche Abmachung sich in Schweigen zu hüllen. Damit wurde nur erreicht, daß ihren Freunden die Hände gebunden wurden, während die Gegner sich keinerlei Rücksichten auferlegten. Jetzt endlich erscheint in der „Nationallib. Korresp." ein informatorischer Dresdner Artikel, der aber schon wegen seiner Länge seinen Zweck ver fehlen muß. Welche Zeitung hat für solche behagliche Breite immer Platz? Auch wir müssen un« damit begnügen, fol genden kurzen Auszug zu bringen: Wir haben das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahl recht, aber mit Listenabstimmung. Nun hat die Reformpartei e« verstanden als herrschende Partei, die ihren Freunden allerhand Vorteile zuzuführen bemüht war, nicht nur die im Stadtverord- neten-Kollegium vertretenen Parteien, wie die konservative und dir Hausbesitzer-Partei, derart unter ihre Fuchtel zu bringen, daß diese sich bei den Wahlen ihr vollständig unterordnen, sondern sie hat auch in fast alle neutralen Vereine, wie die Beztrksvereine und Bürgervereint, und in alle mittelstandlichen Vereinigungen (Handwerkervereine, Innungen usw.) sich eingedrängt. So vereinigt sie unter ihrem Vorsitz und ihrer Leitung etwa 80 Vereine verschiedenster Art. Alle diese Vereine geben dann einzeln oder in Gruppen diese eine Liste als ihre List» an die Bürgerschaft und speziell an ihre Mitglieder ab, und gegen diesen Ring vermag keine Gegenliste auf zukommen. Alle Anstrengungen gegen diese geschloffene Macht waren bisher vergeblich; der Reichsverein, der fast immer allein stand, brachte e« nur auf etwa» über 2000 Stimmen, während die große Koa lition über 10000 Stimmen erzielte. Da drohte dieser Kaolstion plötzlich in diesem Jahr eine große Gefahr. (Weil nämlich die Sozialdemokraten neuerdings in Masse das Bürger- und damit zugleich das Wahlrecht erwerben konnten.) Bewerber um daS Bürgerrecht sollen nach der gesetzlichen Bestimmung in erster Linie „selbständig" sein, und als solche wurden bisher Leut», die keine eigene Wohnung batten, also Schlafburschen vom Rate nicht ange sehen und somit abgewiesen. Diese Praxis hielt namentlich den flattierenden Teil der Arbeiterschaft von der Bürgerschaft fern." (ES wird nun auseinandergesetzt, daß diese Praxis hat aufgegeben werden müssen und daß jetzt etwa 8 — 9000 wahlfähige sozial demokratische Bürger vorhanden sind. Außerdem hat den Reformern ihre Umsatzsteuer viele Feinde gemacht.) Di» Furcht vor einer solchen Wendung veranlaßte den großen Vereinswahlausschuß, nachdem der Reichsverein rund abgelehnt hatte, sich mit ihm in einen Kuhhandel einzulassen, die reformerischen Vorsitzenden und seine konservativen Kollegen an den Oberbürgermeister abzusendrn, damit er vermittle. Er schlug ihnen als BergleichsbasiS die Aende rung des Wahlrechts nach dem von ihm vor etwa fünf Jahren gemachten und vom Rat gebilligten Vorschlag vor, der seit dem nach wiederholten Beratungen noch immer in den Aus schüssen de» Stadtverordneten - Kollegiums begraben lag, und der, wie bekannt, auf gesonderten Wahlen nach vier Berufsabteilungen, die jede wieder durch eine Ein- kommengrenze von 2800 in zwei Klassen geteilt waren, beruhte. Als sie zugestimmt, machte er nun national-liberalen Mitgliedern der städtischen Kollegien den gleichen Vorschlag, mit dem Hinzu- fügen, die Wahlrecht-ünderung müsse natürlich noch vor der dir«, jährigen Wahl beschlossen werden, wenn sie auch erst im nächsten Jahr in Kraft treten sollte. In einer Besprechung von Mitgliedern der städtischen Kollegien aus den drei Parteien (kon servativ, national-liberal, reform) unter Vorsitz des Oberbürger meisters und unter Anwesenheit der drei Vorsteher des Stadtverordneten-KollegiumS wurde endlich, nachdem die national, liberaleu Versuche, wenigsten« die Klassen etwas gleichmäßiger zu gestalten, Handel und Industrie vom Gewerbe noch zu trennen, um hier neue Kämpfe abzuschneiden und andererseits der Arbeiter klasse entsprechend ihrer Zunahme an Bürgern eine etwa« größere Bertreterzahl zu sichern, abgelehnt worden waren, dieser nun einmal schon längst beratene und auf der damaligen Statistik beruhende Entwurf als nach Lage der Verhältnisse zur Zeit einzig verwendbare Basis an- erkannt. Die konservativenReformer verpflichteten sich, alle» aufzubieten, um die Mehrheitsparteien des Stadtverordnetenkollegiums zur Ver abschiedung der Vorlage vor den diesjährigen Wahlen zu bestimmen, Li« Nationalliberalen wollten andererseits sich bemühen, den Bor- stand de» Reich-Verein« natürlich nur für die diesjährig« Wahl noch zum Verzicht auf eine eigene Liste zu ver- anlassen. Der Vorstand de« Reichsverein« nahm nach langen Beratungen und immerhin gegen eine nicht unansehnliche Minorität die« Kompromiß an, die konservativen Vertreter erzielten ebenfalls die Zustimmung ihrer Fraktion, die reformerischen Führer aber mußte» erklären, daß sie ihre Leute nicht hätten bestimmen können, ihnen jetzt zu folgen, daß sie sich ober verpflichten wollten, wenn auch nicht vor den Wahlen, so doch noch in diesem Jahr die Annahme der Vorlage durchzusetzen. Da für diesen besseren Erfolg, je nach dem Ausfall der Wahlen, jede tat- sächliche Garantie fehlte, derselbe sogar nach den Wahlen nach Versagen der Macht der Reform-Führer über ihre Leute in diesem kritischen Augenblick noch viel unwahrscheinlicher war, lehnten die Nationalliberalen weiter« Verhandlungen ab, um so mehr, als das Reform.-Organ, die „Wacht", das Ver sprechen, während der Verhandlungen jede Preßfebde zu unter- lassen, brach und bereit« begann, die Nationalliberalen ganz gegen die Wahrdrit als Urheber diese« „ Geldsack Wahlsystem«" zu ver- dächtigen, für dessen Durchführung sich noch am gleichen Tage die Hauptführer der Reformer ausdrücklich und feierlich verpflichtet batten. Der Artikel war im Grunde die ärgste Schmäh, schrtft gegen die eigene Partei! Nunmehr kam, wa« kommen mußte. Folgende Depeschen geben darüber Auskunft: v. Dressen, 23. November. (Eigene Drahtmeldung.) Etwa 80 diesige Vereine veröffentlichen beute nachmittag folgende Erklärung: Wir verwahren un« gegen die ungerechten Angriffe, die von nationalliberale« Politikern, insbesondere Herrrn Stadttat Landrichter Dr. Heinze und Rechttanwalt Klöpfner, gegen die von unserer Gruppe in da« Stadtverord- netenkollegium entsandten Stadtverordneten gerichtet sind, auf das entschiedenste. Dergleichen maßlose Angriffe sind bisher bei den Stadtverordnetenwahlen unter nationalen Gegnern nicht üblich gewesen. Wir bedauern diese von nationalliberaler Seite herbeigeführte Verschlechterung des Tones und sprechen gleichzeitig unseren Stadtverordneten, die ohne Rücksicht auf Partei-Interesse stets das Wohl des Ganzen im Auge gehabt haben, unser vollstes Vertrauen aus. Wir ver- wahren uns ferner gegen die an- der Lust gegriffene Behauptung, unsere Kandidaten würden von zweien oder dreien au« unserer Mitte ausgestellt. Ferner tagten bereits gestern 10 sozialdemokratische Versammlungen, welche die üblichen Entrüstungsresolutioncn annahmen. Jedenfalls ist aus dem Verlauf der ganzen Angelegenheit das Eine sicher zu ersehen, wie gefährlich unklare Situationen sind, auch wenn sie nur rein taktischen Zwecken dienen sollten. ver rurrirch-japauircke Weg. AurKpatttn. Eine recht ungünstige Schilderung vom General Kuro- patkin entwirft ein konservativer Russe M. N. A. Tem- tschinSki in einem vom „schwarzen Kabinett" inhibierten Brief an die „Nowoje Wremja", von dem jedoch eine Kopie in die ausländische Presse gekommen ist. Dem vom 6. Oktober aus einer Oertlichkeit bei Kurgan basierten Brief entnehmen wir nach der „Berl. Ztg." folgende«: „Ihr in Petersburg seid schlecht unterrichtet über das, wa« in der Mantschuret vorgeht. Ein Beispiel: Die Bewunderer Kuro- patkins erzählen überall, her Vormarsch gegen Süden (der Stackelbergs) sei Kuropatkin ausgezwungen worden. Auf Ehrenwort, daS ist eine unverschämte Lüge. Ich habe mit eigenen Augen die Unterschrift Kuropatkins unter dem Operation-plan gesehen, -en er dem Jilinskis entgegen stellte, der für den Vormarsch auf FSngwangtscheng war. Beide Pläne wurden telegraphisch nach Petersburg gesandt, der Kuropatkin« dort gebilligt. Ein andere« Beispiel: Ihr Peters burger nehmt Euch den Mund mit Erzählungen voll über das Vertrauen und die Liebe, die Soldaten und Offiziere für den Generalissimus hegen. Das ist Blödsinn. Ich kann Euch sagen, Kuropatkin ist vor der ganzen Armee lächerlich gemacht Viermal hat er alle Welt belogen. „Keinen Schritt breit werden wir fortab zurückweichen", hat er bei der Truppenrevue gesagt — ein paar Tage später hat er die Ordre zum Rückzug gegeben. Und dies wiederholte sich noch dreimal. Die Armee bat nur Vertrauen zu Linrwitsch. Man wünscht ihn herbei. Aber Linewitsch versiebt fick eben nicht auf Reklame wie Kuropatkin. Andere Dummheit. Aller Welt redet man vor, Kuropatkin habe bei seiner Ankunst in der Mantschurei die Arme« sammeln und organisieren müssen. Lächerlich. Er traf »ine vollkommen organisiert« Armee von 48 Bataillonen an. Wir hotten ein': weniger, al» wir über die Donau rückten, um Nicopolt, Ttrnovo und Schipka zu nehmen und Rustschuck und Plewna zu belagern Nur daß damal» unsere Truppen nicht derart auf die Flucht dressiert waren wie jetzt. Die militärischen „Talente" KuropatkinS zu beurteilen, ist nicht meine Sache. Aber über die administrative Organisation der Armee kann ich mir ein Urteil anmaßen. Daß dieser Brief in seinen Schlußfolgerungen gewaltig übertreibt, liegt auf der Hand. Daß Kuropatkin kein Feig ling ist, beweist seine ruhmreiche Vergangenheit, das Urteil über seine militärische Fähigkeit spricht sich der Verfasser selbst ab, bleiben die Verwaltung-fehler. Und kann man vielleicht sagen, daß selbst ein Kuropatkin über das russische „Nitschewo" nicht Herr werden kann. Der ganze Brief macht, wie in seiner Kritik der „H. C." mit Reckt bemerkt, den Eindruck, als wäre er von einem guten Freunde des einige Zeit in den Hintergrund gestellten Generals Linewitsch geschrieben. Kur Untersuchung Her Veggerbaukaffäre. Nach einem Londoner Telegramm der „Voss. Ztg." ver lautet, die internationale Kommission zur Untersuchung des Zwischenfalles in der Nordsee werde erst kurz vor Weih nachten zn arbeiten beginnen. Die Regierungen Englands und Rußlands sind nunmehr in vollem Einvernehmen bezüglich der Artikel der Konvention. Der Artikel, der ab- aeandert wurde, lautet jetzt: Die internationale Kommission hält eine Untersuchung ab über alle Umstände des Zwischen falles sowie über die Frage der Verantwortlichkeit und de« Schuldgrades der beiden Länder oder anderer Länder, fall« deren Verantwortlichkeit durch den Bericht der Kommission festgestellt ist. Liu dritte» russische» Geschwader. Die „Nowoje Wremja" regt, wie au« Petersburg ge meldet wird, die Entsendung eines dritten Geschwaders nach Ostasien an, weil sie befürchtet, daß daS baltische Geschwader selbst im Falle eines Sieges nicht lange im stande sein werde, die Herrschaft zur See zu be haupte». veukscves Keicb. * Lechzt«, 23. November. * Die Aussichten de« Herr« Dr. Heutig lassen manche Politiker noch immer nicht ruhen und daS aus ganz be sonderen Gründen nicht. Er gilt ihnen nämlich al» der „schwarze Mann", weil er nicht Reaktionär ist. Hierin ist auch ein sehr durchsichtiger Grund zu suchen, weswegen so viele Leute ein Interesse daran hatten, unsere Nachricht von seiner Bestimmung für da- kaiserliche Zivilkabinet anzuzweifeln. Man glaubt nicht gern, wa« man nicht wünscht. Nach der ersten Verblüffung beginnen die auf den Wahlspruch Sempor reirorsum Eingeschworenen nunmehr ihre Gegenaktion; de» Anfang
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