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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041123012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904112301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904112301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-23
- Monat1904-11
- Jahr1904
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BezugS-Vret» in der Hauptexpeditton oder deren Ausgabe- siellen abgeholt! vierteljLhrltch ^l S.—, bet zweimaliger täglich« Zustellung in» Han« 3.7Ü. Durch di« Post bezogen für Deutsch. ,and u. Oesterreich vierteljLhrltch 4.K0, für die übrigen Länder laut Zeitung-prei-ltste. Diese Rm»»er kostet auf allen BahnhSfen und III V bei den ZeitungS-Berkäufern I * «edaktio» «ast GxIedittotu 1LS Fernsprecher 22L Johannt-gaffe S. HmrZt-Ailtale Dresden: Martenstraße 84 (Fernsprecher Lmt I Nr. 1713). Hmcht-SUtÄe Berlin: CarlDunckrr, Herzal.Bayr.Hofbuchbandla^ Lützowstraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Nr. 596. Morgen-Ausgabe. MpWr.TllMlltt Anzeiger. Ämtsölatt -es Hönigticheir Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Aales und -es Notizeiamles -er Zta-t Leipzig. Mittwoch den 23. November 1904. Anzeigen-Preis die «gespaltene Petirzcile 2V Reklamen unt« dem Redaktion-slrich (4 gespalten) 7b nach den Famtltennach- richten l«gespalten) bO — Dabellarisch« und Ztffernsa» w«d«n entiprechend höher b«. rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2b A»n«tz«eschlutz fstr Nnjetgen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Marge»«LuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigeu sind stet- an di« Expedition zu richten. Ertra-Veilnge» lnur mtt der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die GrstedUto» ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von U. P-lz in Leipzig (Inh. Or. v., R. L W. »linkhardt). 98. Jahrgang. Var lvichtigrte vsm rage. * Die beiden freisinnigen Fraktionen des preußischen Abgeordnetenhauses brachten gestern eine Inter pellation in Sachen des Berliner Schulstreits ein. * Die schwedisch.norwegische Regierung, die HayS Einladung zur zweiten Friedenskonferenz annimmt, wünscht Behandlung der Frage der Neutralen und der Frage der KriegSkontrebande. (S. Ausland.) * In Ipek haben 60 türkische Offiziere wegen rück ständigen Soldes gemeutert; in Küprülü kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen türkischem und bulga- rischem Volke. (S. Ausland.) * Der Haager SchiedSgerichtShof für den Gebäudesteuer- konflikt zwischen Japan und den Mächten hat sich nach Terminfestsetzuugen vertagt. (S. Ausland.) sstoserrsr Lampreckl über Umeriüs. Die persönliche Begegnung eines Mitgliedes unserer Redaktion mit Geheimrat Lamprecht, der soeben aus Amerika heimgekehrt ist, qab diesem Gelegenheit, einige Grundideen über feine amerikanischen Eindrücke zu äußern. Wir geben sie im folgenden mit feiner Erlaub nis um so lieber wieder, als sie, zuerst in einem Kommers der Alten deutschen Stltdenten in Amerika zu New Aork ausgesprochen, von dem amtlichen Blatte dieser Studen tenoereinigung, also von den Amerikanern selbst, als das „Fesselndste und am tiefsten Durchdachte" bezeichnet wor den sind, was auf diesem Kommers über Amerika 'gesagt worden, obwohl Männer, wie Harnack und Sombart ge redet haben. Professor Lamprecht geht von einem grundsätz- licken Unterschiede zwischen Zivilisation und Kul- tur aus, wie er in den Vereinigten Staaten besonders sichtbar < werde. Zivilisation ist ihm äußerer Fortschritt der Menschheit hin ans bessere Lebenshaltung, vor allem durch eine stärkere Be herrschung der Natur — in neuerer Zeit vor allem in folge der Entwicklung der Technik. Kultur ist ihm Ent- Wickelung der inneren Eigenschaften dos Menschen, des Gemütes, des Herzens, der Plzantasie, und als ihre Früchte erscheinen ihm Dichtung und Kunst, Religion und teilweise auch Wissenschaft. Die Kulturwerte sind die höheren in der Welt, denn sie vornehmlich erscheinen von Volk zu Volk übertragbar: sind also weltgeschichtliche Werte. Nun kann sehr wohl, wenigstens bis zu einem ge- wissen Grade, hohe Kultur mit geringerer Zivilisation, und umgekehrt hohe Zivilisation mit geringerer Kultur zusammengehen. Ein Beispiel relativ geringer Zivili sation bei hoher Kultur bot z. B. Japan vor dem Ein- dringen europäischer Einflüsse. Tas Charakteristische für die Vereinigten Staaten ist, daß sie eine hohe Zivilisation besitzen bei noch ge ringer eigener Kultur. Zur Entwicklung der Zivili- sation haben sie die europäischen Techniken und Wirtschaftsformen nicht nur herübergenommen, sondern zweifelsohne vielfach selbständig weiter entwickelt. Die Kultur dagegen, die sie haben, ist noch wesentlich nur angeeignet, ist europäisch und nicht Erzeugnis eigener schöpferischer Kraft. So vor allem in der Musik, der modernsten aller Künste, wo nur das Negerlied mit seinen« invcrsierten Rhythmus und manchen anderen Eigentümlichkeiten einen Ansatz zu etwas Neuem darstellt. So in der Architek- tur, die nur im Residenzhause und im „Lüyscrapsr" neue Formen zu entwickeln beginnt, so in der Malerei, die bei allem Streben, z. B. nach Wiedergabe amerikanischer Landschaften, noch in den Fesseln der europäischen Tech nik befangen ist, usw. Was bedeutet nun dieser Zustand, universalgeschicht- lich betrachtet? Und ist er haltbar? Für die Morschheit als Ganzes hat damit Amerika noch wenig geleistet. Ge setzt, eine ungeheure Erdkatastrophe bräche heute über die Vereinigten Staaten herein und vernichtete sie, so würde von all dem bisherigen Ringen der amerikanischen Menschen nur wenig übrig bleiben, das der weiteren Ent- Wickelung der Menschheit zugute käme. Selbstverständ- lich ist aus dieser Lage den Amerikanern kein Vorwurf zu machen: sie haben zuerst, mit Hülfe der Zivilisation, ihr Land wohnlich zu machen; und wer die Arbeit kennt, die in dieser Hinsicht seit zwei Jahrhunderten und mehr ge leistet ist, wird ihr die aufrichtigste und hellste Bewun derung nicht versagen. Aber eben in diesem Zusammen hänge wiederholt sich die Frage: ist dieser Zustand ohne Eigenkultur haltbar? Die Amerikaner sollten sich, in unvoreingenommener Betrachtung ihrer Lage, darüber klar werden, daß das nicht der Fall ist, und daß eine Unterlassungssünde auf diesem Gebiete ihren Untergang bedeuten würde. An« einfachsten versteht sich das, um nicht noch tiefere und all gemeinere Fragen aufzuwerfen, vom Standpunkte der inneren Fortentwickelung der Vereinigten Staaten selbst. Auf diesem Gebiete ist kein Zweifel, daß jeder Ameri kaner den Abschluß der ungeheuren Menschenmasse von 80 Millionen Seelen innerhalb der Grenzen des Bundes, staates zu einer Nation wünscht und wünschen muß. Wie aber kann eine Nation sich bilden und bestehen ohne eine Volksseele? Jedoch nicht Eisenbahnen und Telegraphen, nicht Banken und Fabriken an sich schmelzen eine Nation zusammen, son dern gemeinsames Fühlen, Empfinden, Anschauen. W«e sind diese nun, mindestens in ihren höheren und wich tigeren Lagen, zu erreichen ohne gemeinsame — und das heißt ureigene — Kunst und Dichtung, Weltanjck>auung und Wissenschaft? Das Probien« der Durchbildung der Nationalität fällt für die Amerikaner mit demjenigen der Schaffung einer eigenen Kultur mindestens teil weise zusammen: Wollen sie neben Engländern und Deutschen die dritte große teutonische Nation werden, die zu werden sie in jedem Sinne verdienen, so müssen sie Gemüt und Herz ganz anders zu Worte kommen lassen, als bisher. Ob sie das können? Professor Lamprecht erwähnte, daß in dieser Hinsicht die Ansck)auungen der fremden Be- obachter geteilt feien; und daß sich auch unter den Amer«- anern Zweifler fänden, wenngleich die weitaus über wiegende Zahl derer, denen er die Frage vorgelegt lxibe, ie unbedingt bejaht l)ätlen. Es käme nur darauf an, daß sie einmal eingehend und öffentlich gestellt werde, 0 würde man sie zu lösen beginnen, meinten viele. UebrigenS, fuhr Prof. Lamprecht fort, ständen einzelne Punkte dieser Betrachtungsweise keineswegs allen Amerikanern fern; eben die besten hätten die hier be handelten Fragen teilweise auch schon ausgeworfen; und von Roosevelt z. B. dürfe man sich versehen, daß er sic vollkommen üdersckxme. Was Professor Lamprechts eigene Meinung angcht. so gehört auch er zu den Hoffenden. Er findet die Vor- auSfetzungen zur Entwickelung einer hohen Kultur der Hauptsache nach gegeben; er meint, es gelvähre eben den höchsten Reiz eines amerikanischen Aufenthaltes, in« amerikanischen Leben schon jetzt den Anfängen dieser Kultur nachzugehen; und er findet die Garantie für ihre bmmende vollere Entwicklung vor allem in dein überaus regen religiösen Leben, das große Teile des Landes er- llllt, und in der zähen Kraft der Willensbetätigung, die alle charakterisiert, die vonvärts kommen. Wir Euro päer, so sagte er schließlich, müssen diese Entwickelung neidlos ansehcn, mit derselben Neidlosigkeit, mit der jeder Vater und jede Mutter wünschen werden, daß ihre Kinder größer und besser werden möchten, als sie selbst, und kann das nicht der Deutsche ganz besonders leicht? Es ist kein Zweifel, daß das deutsche Element der Ver einigten Staaten in der Entfaltung der Gemütsseiten der neuen Volksseele besser zu seinem Rechte kommen wird, als in dem hastenden Treiben der technischen und wirtschaftlichen Entwickelung." ver Huktanä in 5Uäwe;lakrika. Versprengte Herersbanden. General Trotha meldet vom 2l. November aus Wind huk: Mühlen fels hat von der bisherigen Abteilung Estorfs die 5. und 7. Kompagnie mit der 4. Batterie unter Major v. v. Heyde losgelöst und diesem die Besetzung von Eware, Oparakana und Okatjekuri übertragen. Zahl reiche in dieser Gegend auftretende Banden machlen die Absperrung durch zwei hintereinander liegende Linie» wünschenswert. Neue Vanipfercharterung. Die deutsch.australische Dampfschiffahrtsgesellsckast in Hamburg vercharlerte ihren Dampfer „Rostock" von 7000 Tonnen Tragfähigkeit zu günstigen Bedingungen durch Vermittelung der Firma Woermann an die Reichsregierung für Truppentransporte nach Swakopmund. ver turrircb-japanlrcbe Krieg. Vie rückwärtigen Verbindungen der Japaner. Die Verstärkungen für die japanischen Truppen in Nordkorea dürften lediglich zur besseren Sicherung der japanischen Verbindungen bestimmt sein. Zur Belagerung von Wladiwostok können genügende Truppen erst nach de«n Fall von Port Arthur und einer siegreichen Schlacht bei Mulden disponibel gemacht werden. Die japanischen Verbindungen werden, wie ein militärischer Mitarbeiter der „H. C." darlegt, erheblich alteriert, sowie die Baltische Flotte im Osten eintrifft. Nach der Ausschaltung des russischen Port Arthur- und der Schädigung des Wladiwostok - Geschwaders war Japan Herr deS Meeres. Alle Sendungen von Truppen, Munition, Material und Proviant nahmen den Wasserweg. Mit Ein- treffen der Baltiscken Flotte wird sich das Bild ändern, besonders wenn Port Arthur bis dahin aushält. Japans Feldarmee und die vor Port Arthur würden dann zunächst nur auf die Landverbindung Fusan—Söul—Pjöngjang—Andschu angewiesen sein. Fieberhaft wird daher seit dem Beginn des I Krieges an der Herstellung der neu eröffneten Balmlinie I Fusan—Söul und deren weiterer Fortfübrnng nach Norden l gearbeitet. Wiederholt sind Streifscharen der Wladiwostok- Truppen — bisher General Linewitsch —, voraussichtlich Nertschinski-Kosaken nicht ohne Erfolg gegen die Straße Söul—Gensan vorgegangen und haben auch Andschu und Widschu beunruhigt. Gegen diese Unternehmungen muß die nun bald einzige japanische Verbindungslinie geschützt werden. Dazu soll vorauSsicktlich das neugebildete Armeekorps Verwendung finden. Zur Lösung ihrer Aufgabe werden diese Truppen an der Meerstraße bis Kamheung und von Pjöngjang auf der Tumenstraße bis Tsckanglschin—Rangkö vor stoßen müssen. Welche umsasseuben Aenderungen durch die Verlegung der Verbindungen von der See nach dem Lande nölig «verden, wie nachteilig die japanische Kriegführung da- durch beeinträchtigt wird, das erhellt aus dem Umstande, daß jetzt von Sasebo bis Inkau (Niutschwang) in vier Tagen Transporte ausgesübrt werden können, die später zu Lande an 35—40 Tage beanspruchen «verden. Die japanische Heeresleitung muß daher bemüht sein, alle nur irgendwie disponiblen Verstärkungen jetzt beranzuziehen: denn nach Neujahr wird man sich kaum noch auf den schnellen und vorteilhaften Seetransport verlassen dürfen. Da» Lroaranini der Hull-Nsninrlffisn ist, wie den« „L.-A." aus Paris gemeldet wird, in den Grund zügen festgestellt. Jedem der fünf Admirale sind zwei Sach verständige mit beratenden Stimmen beigeaeben. Die Kosten des Verfahrens werden von England und Rußland gemein sam gelrag 11. Aufgabe der Kommission ist die Abfassung eines Protokolls, welche- aus zwei Abteilungen bestehen soll, erstens aus einer möglichst genauen Feststellung der äußeren Umstände, welche das Sinken eines englischen Fischerbootes, eine Beschädigung mehrerer anderer Fischerboote und den Tod zweier Fischer verursachte, zweitens aus einem Gut achten über die Frage rcS Verschuldens und den Grad des Tadels, welcher gegen Angehörige Rußlands oder England oder irgend eines Fremdstaates auszusprechen wäre. vsn Port Arthur. Bei der japanischen Belagerungsarmee vor Port Arthur trafen, wie der „H. C." aus Tschisu meldet, zwei neue Artilleriechefs ein, die dem zwecklosen Bombarde ment ins Blaue hinein Einhalt geboten und ihr Haupt augenmerk auf die Auskundschaftung wichtiger Objekte inner halb des Festungsbereichs richten. Diesem System ist aber mals ein Erfolg zu verdanken, nämlich die schon gemeldete Zerstörung einiger das Arsenal von Port Arthur umgeben- den getrennt liegenden Gebäude, darunter eines größeren Pulvermagazins. Von -er Front. Nach einer Petersburger Depesche deS „B. T." er- wcssen sich die von russischen Korrespondenten verbreiteten Gerüchte über einen bevorstehenden Angriff der Japaner als hinfällig. Wohl wird angenommen, daß die Japaner nach erfolgtem Zufrieren der Flüsse eine Umgehungsbewegung auf Tieling ausführen werden, um die Russen zum Verlassen ihrer festen Stellungen zu zwingen. Es herrscht die Ansicht vor, daß die Untätigkeit der Russen bis zum Eintreffen aller Verstärkungen damrn wird. veutscver üeicv. * Leipzig, 22. November. * Das „Chemnitzer Tageblatt" zählt sich, so viel wir wissen, zu den konservativen Blättern. So weit bei dem Parteiregister die Vertretung materieller Interessen in Betracht kommt, mag diese Selbsteinschätzung auch stim men, denn wenn auch das Fleisch schwach ist — der Wille ist wenigstens da. Wir bezweifeln trotzdem die Berechtigung des Blattes zur Führung des konservativen Firmenschildes, denn wir haben noch nicht gehört und auch nie angenommen, daß die konserva- tive Parteirichtuna zur Unanständigkeit verpflichte. Und das angeblich konservitive „Chemnitzer Tageblatt" ist unanständig. Dies Blatt erlaubt sich, unsere (übrigens unantastbare) Informationen über die Aus sichten des gothaischen Exministers Heutig als „blühen- den Unsinn" zu bezeichnen, gestützt auf die Erklärung einer „unterrichteten Stelle". Wenn moralisch disqualifizierte Blätter vom Range der „Leipziger Volkszeitung" in derartigem Tone reden, so nimmt das niemand Wunder. Von einem Organ der konservativen Partei, deren Führer nicht auf hören, die Kartellpolitik zu verherrlichen, kann man aber so viel Wohlanständigkeit verlangen, daß es den Zweifel an einer unpolemischen Information in der Manier ge bildeter Leute ausdrückt. Wir möchten noch ausdrücklich betonen, daß wir die Sünden des „Chemnitzer Tagobl." nicht der konservativen Partei an die Rockschöße hängen wollen, und daß es uns auch in Zukunft nicht einfallen wird, ohne jeden Grund in ähnlichem Jargon von kon- servativen Männern oder Organen zu reden. * Schönfärberei. Wie wir schon in einer unserer letzten Nummern bei Besprechung der Denkmalsenthüllung in Wa- shington bemerkt haben, hält eS die offiziöse Presse für not wendig, bei solchen Gelegenheiten die Stimmung der fremden Nation im günstigsten Lichte zu schildern. So geschieht dies denn auch jetzt wieder. Die „Post" z. B. erblickt in der Enthüllung des Denkmals sogar „einen wichtigen Denkstein in der Ge schichte der deutsch^amerikanischen Beziehungen" und die „Nord- deutsche Allgemeine Zeitung" schwärmt davon, daß die beiden Nationen „einander in mehr als einer Richtung sehr wertvoll ergänzen." Nun sind wir zwar bereits an die koloristisch-pathetische Palette des offiziösen Blatte« gewöhnt. „Blumen, nichts als Blumen!" ist seine Losung. Indessen möchten wir dock einmal fragen, in welcher Hinsicht denn eigentlich Deutschland und Amerika sich ergänzen? ES wäre unS wirklich interessant, wenn die „N. ,A. Z." sich zu einer eingehenden ethnologischen Darlegung herbeilassen wollte. Der „Post" gegenüber bemerken wir, daß sich seit dem Geschenk de« Kaiferü nicht«, aber auch nicht da« Geringste in den Beziehungen zwischen beiden Ländern geändert bat und daß sich nach ver Aufstellung deS Denkmals nicht da« Geringste an ihnen ändern wirk. Wie lcickt wäre es, Politik zu treiben, wenn ein Auftrag an einen geschätzten Bildhauer genügte, um den Widerstreit der Interessen zwischen zwei Nationen zu ver söhnen und alle Antipathien zum Schweigen zu bringen. Wenn dem so wäre, dann lebten wir in der Besten aller Welten und unser Planet wäre nichts anderes al« eine große Kinderstube. * Geistliche Politiker oder wie es gemacht wird. Der „Badischen Landeszeitung" ist ein interessantes Dokument ultramontaner Wahlpolitik auf den Rebaktionstisck geflogen in Form eines Rundschreibens, das vom Zentral komitee der Badischen Zentrumspartei an sämtliche katholischen Pfarrämter des Lande» versandt wurde und in seinem wesentlichen Teile lautet: Ew Hochwürden haben wohl die Freundlichkeit, eine Bitte de« Zentralkomitees entgegenzunehinen und dieselbe nach Tunlichkeit auf dem Gebiete Ihrer Partei zu berücksichtigen. Sie betrifft dir Presse. Daß die Presse in den Strömungen und Kämpfen des poli- tischen Lebens eine bedeutsame Rolle spielt und eben deswegen gar nicht außer acht gelassen werden kann, wenn von erfolgreicher Leitung der Zentrumspolitik soll gesprochen werden können, liegt für jedermann auf der Hand. Es kann auch nicht bestritten werden, daß die Haltung der Presse im innigsten Zusammenhang steht mit den kirchlichen Interessen im allgemeinen wie speziell auch mit den Interessen, die jeder Seelsorgegeistliche in seinem Berufe zu wahren und zu fördern hat. So ist es wohl auch zu erklären, daß bei un« in Baden wie auch anderwärts der Klerus in voller Uebereinslimmung mit dem Episkopat es sich angelegen sein läßt, nach Maßgabe der in den einzelnen Gemeinden obwaltenden Verhältnisse, die Verbreitung der Presse der einen Richtung möglichst zu hemmen, die der anderen möglichst zu fördern. Tie Mittel und Wege können nicht wohl allüberall die gleichen sein. Auch die Art, wie ein und dasselbe Mittel in verschiedenen Orten zur Anwendung kommt, muh häufig nach der Verschieden artigkeit der Verhältnisse selber auch verschieden sein. Wo Männervereine bestehen, läßt sich gewöhnlich von diesen aus mit Erfolg wirken. An den verschiedensten Orten hat es sich sehr bewährt, zu diesem besonderen Zwecke eine Veliammlung abzuhatten und im Anschlüsse daran Unterschriften für das in Frage kommende Zentrumsblatt zu sammeln, eventuell dieselben durch eigens bestellte Männer im Orte weiter zirkulieren zu lassen. In der Regel ist auch davon Erfolg zu erhoffen, wenn der Pfarrer mit der angemessenen Zurückhaltung und Vorsicht von der Kanzel herab nach der einen Richtung hin warnt, »ach der anderen mahnt und bittet. Als besonders wirkungsvoll hat es sich in einer Reihe von Fällen gezeigt, wenn die Pfarrämter eine« ganzen Kapitels oder wenigstens einer Gegend sich miteinander ver ständigten, an einem und demselben Sonntag eine zuvor vereinbarte, gleichlautende Erklärung zu verlesen . . . Es (das Zentralkomitee) wäre Ihnen auch sehr zu Dank ver bunden, wenn Sie die Freundlichkeit haben möchten, demselben gelegentlich Mitteilung darüber zu machen, welche Art des Vorgebens Ihnen für Ihre Pfarrgemeinde angemessen erschienen ist und welchen Erfolg Sie dabei erzielten. Solche Mitteilungen wären ein wertvolles Material, die Erfahrungen zu erweitern. Für jegliche Bemühung zum voraus herzlich dankend zeichnet hochachtungsvollst Tas Zentralkomitee. Wacker, Vorsitzender. Das Schriftstück ist dem Blatte aus den« Lande rugeichickt worden, vermuklick von einem Geistlichen, der sich für die ihm zugewiesene Rolle bedankt. * Bischof Bcnzlrr hat More« gelernt. Bischof Benzler, dem einige Blätter in jüngster Zeil Rücktrittsabsichten zu schrieben, scheint unter einem höheren Drucke „toleranter" geworden zu sein. Der evangelische Psarrer Berger, zu dessen Parockie das durch Bischof Benzlers Friedhossinterdikl be kannt gewordene Famek gehört, schreibt nämlich in einem Danlichreiben für eine Gustav Avolf-Gabe in der November- Nummer des „Gustav Adolf-Boten für Thüringen" und den „Hessen-Kasseler Hauptverein": „In Heidelberg (auf der diesjährigen Hauptversammlung deS Gustav Adolf-Verein«) hat das Bild des Ketzergrabcs und Fried- Hofes von Famek einige« Interesse erregt. Bischof Benzler hat dis heute nicht mehr den Mut gefunden, den Fameker Friedhof abermals zu interdizieren, trotzdem ich vor drei Wochen abermals ein evangelisches Kind aus dem alten Teil in der Reihe beerdigt habe. Er hat Mores gelernt, wie heute ein Zeitungsartikel aus Famek sagt". * Berit», 22. November. * Tie neueste Kansterretze in englische» Beleuchtung. „Daily Telegraph" schreibt in einer Besprechung der Rede veS Reichskanzlers beim Stappellaufc de« Linien- schiffes „Deutschland": Graf Bülow hat in Kiel eine wahrhaft patriotische und staats männische Rede gehalten. Er hat sorgfältig weite Grenzen gezogen zwischen der Defensive und der Offensiv«. Bon der Haltung eine starken Mannes in Waffen, der seine Güter wahrt, konnte keine bessere Definition gegeben werden. Auf einem Ge- biete, wo die Interessen aufeinanderstoßen, wie e- unvermeidlich ist zwischen denen, die sich bemühen, ihre Reiche zu festigen, giebt eS andere Mittel, um widerstreitende Ziele miteinander in Einklang zu bringen, al- unaufhörliche leidenschaftliche Eifersüchte- leien und feindselige Verdächtigungen. Wenn die Nationen sich die Lehre de« schiedsgerichtlichen Verfahren« zu eigen machen, dann ist es gut für sie, sich ebenbürtig gegenüber zu stehen mit entsprechenden Machtmitteln zur Berteidigung. weil dir Schwäche zur Gewalt hrrau«fordert, während dir Stärke dir beste Sicherheit für die Ruhr gibt. Auch wir erhalten unsere Waffen scharf und können daher nicht« dagegen haben, wenn andere dasselbe tun. E« ist eine Freude, eine Rede aufzuzrichnen, dir so erfüllt ist von friedfertigem Griff« und praktischer Wrisbeit wie die. in der Graf Bülow di« Ideale d«S deuljchen Vaterlandes cnäuielt hat. Wenn sich die englische Presse durchweg dieser verständigen
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