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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192808013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19280801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19280801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-08
- Tag1928-08-01
- Monat1928-08
- Jahr1928
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1928
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Ak MlRvffKk. Die Sleidmcg der Redfaßrert« einst nn» jetzt. Al» da» Hochrad vom Throne gestürzt war und da» Dreirad in die Erscheinung trat, empfand auch da» schwache Geschlecht Sympathie für da» neue Sportwerk- zeug, aber die Frage der Bekleidung war umso schwerer zu lösen, al» die Radlerin, jeder Erfahrung bar, tn den Fesseln einer engherzigen Weltanschauung schmachtete. War der Gedanke, ein Fahrrad zu besteigen, für eine Frau an sich „frevelhaft", so war die Vorstellung, daß beim Radeln der Rock durch den Wind gehoben und die Wade sichtbar werden könne, ungeheuerlich. In dieser Not kam die Radlerin auf die wunderlichsten Ideen. Sie nähte sich Bleistücke in ihren langen Nock, um dem Empor« heben des Rockes sowohl beim Treten der Pedale, als auch durch Luftzug vorzubeugen, band den Rock zusam men, befestigte ihn am Rahmen des Rades oder fesselte ihn an die Fußgelenke. Um keinen Anstoß bei Sichtbar werden der Waden zu erregen, trug sie hohe Schnür oder Knopfstiefel. Der Oberkörper war mit einer am Hals engschlietzenden Bluse bekleidet, und auf dem Kopf schwankten die wunderlichsten Hüte, von der Kapotte an gefangen bis zum Pleureusen behängten Kalabreser. In solcher Ausmachung war das Radeln kein Vergnügen, und m dem Bestreben, die gleiche Freude am Radeln zu emp finden, die der leichtbekleroete Mann daran empfand, tat die Frau den ersten Schritt zur Vermännlichung. Sie schuf durch eine Kombination von Rock und Pluderhose den Hosencock. Die Welt fand diese Emanzipation em pörend, weil das neue Kleidungsstück einen Teil der Wade sehen ließ, aber die Radfahrerin ließ sich nicht be irren. Als die Empörung ihren Höhepunkt erreicht hatte, spielte sic ihren Trumpf durch das Anlegen einer Pluder hose aus. Mit der Beit gewöhnte man sich an die «Sport bekleidung der Radfahrerin, und das iminer weiter um sich greifende „Uebel" des Damenradelns befreite die Rad lerinnen von jenen Belästigungen, denen die Bahn brecherinnen in Stadt und Land ausgesetzt gewesen waren. Neben der Pluderhose war der bis zu den Knöcheln rei chende geteilte Rock die Bekleidung der Radlerin. Um ein Verfangen des Rockes in oep Kette oder im Hinocrrade zu verhüten, wurden die Damenräder mit Kettcnkästen und einem, die Oberhälfte des Hinterrades bekleidenden Netz versehen, aber das Zeitalter der kurzen Röcke und der kurzen Haare hat nicht nur Kettenkastcn und Kleiderschutz, sondern auch die Monstra von Kopfbedeckungen verschwin den lassen. Die moderne Radlerin trägt bei Fahrten in der Stadt höchstens ein Stirnband, und auf längeren Touren eine leichte, der Herrenmützc ähnelnde Kopfbe deckung, während sie ihre Röcke ruhig flattern läßt, weil es nach neuzeitlichen Begriffen nicht mehr sündhaft ist, die Waden den Blicken anderer prciszugeben. Die Welle des Sports hat auch die Radlerin emporge- hobe». Kurzer Rock und kurze Haare sind Allgemeingut geworden, und Radlerinnen aller Lebensalter haben sich zu dieser Auffassung bekannt. Leider ist die holde Weiblich keit in ihrer Emanzipation auf dem Rade vielfach über Las Ziel hinausgeschossen, und bei der Erwähnung des Dornen weges der Radlerin früherer Zeiten soll auf die Gefahr hingewiesen werden, die in solchen Ucbertreibungen einzel ner für die Gesamtheit der Radlerinnen liegt. Ebenso ge sund, wie die Ablehnung des sogenannten Herrenschnittes und das Tragen von Herrenbckleidungsstücken durch weib liche Wesen für normal empfindende Frauen ist, so gesund ist auch die Abneigung gegen Vermännlichung der Radlerin. Gegen die Benutzung eines Herrenrades ist nichts einzuwen den, wohl aber gegen die Anpassung der Damenkleidung an die Kleidung des Radlers. Enganliegende Breeches und absolut männliche Kopfbedeckungen wirken unschön, und eine trotz aller praktischen Erwägungen auf Anmut und Weiblichkeit Wert legende Radlerin sollte einen solchen Aufputz vermeiden. Man vergleiche die vermännlicht« mit der leicht und modern gekleideten Radlerin mit webenden Haaren und wehendem Röckchen, dann wird man begreifen, daß eine Frau mit dem Besteigen des Rades ihre Anmut nicht ablegen, sondern erst recht dafür sorgen soll, daß ihre Anmut als SportSdame ein würdiges Gegenstück zu dem Manne bilden soll, der auch auf dem Rade keine komische Figur werden, sondern ein ansehnlicher, aesthetisch wirkender Mensch bleiben will. Zum Unterschied von früher, als die Radlerin ihr« Bekleidung praktisch und modisch zu gestalten hatte, gibt es eine ausgesprochene Sportkleidung für Damen nicht mehr. Die Dame auf dem Made trägt das, waS sie zu tragen gewohnt ist, wenn nicht besondere Anlässe ihr BekleiLungS- SenatSpräfldent beim preußischen Kammergericht, vollendet am 8. August sein KO. Lebensjahr. Dr. Großmann ist beson der» in seiner Eigenschaft al» 2. Vorsitzender de» Republik«. Nischen Richterbundes in weiten Kreise» bekannt geworben. Vorschriften machen. Da» Korsett ist verpönt, der lang« Rock ist überwunden, Leichtigkeit, Bequemlichkeit ist Trumph. Darum leichte Blusen, leichte Röcke, kurze Haare und, wenn nötig, als Kopfbedeckung bi« mit Recht so beliebt« Basken- mütze. Da auch di« Schuhe der praktischen Dame mit den Stöckelschuhen der Dame au» früheren Zeiten nicht» mehr gemein haben, ist auch die BeschuhungSfrage für di« Rad fahrerin durch bequeme Schuhe mit Leber- oder Gummi kreppsohlen gelöst worben, und frei und leicht wie ein Früh- lingsmorgen kann die moderne Radlerin auf ihrem Stahl roß bi« Welt durchfliegen. ZA MN MMWer III MMMW. Vorbereitungen für 1SSV. vdz. Noch zwei Fahre bi» zum Beginn der weltbe- rtthmten Passionsspiele in Oberammergau, aber schon jetzt beginnen für dieses Spiel die Vorbereitungen. Das Pas- sionsspielkomitce ist bereits aus den Mitgliedern deS Ge- meinderates sowie einigen weiteren Grmeinbemjtgliedern gebildet worden. In den letzten Monaten haben die Haupt straßen des OrteS einen Asphaltbelag erhalten, mit dem nnn auch die Nebenstraßen versehen werde« sollen. Die größt« Aufgabe ist der Neubau des Theaterhauses. Schon nach dem Passionsspiel im Fahre 1910 bestand die Absicht, den Holzbau durch ein neues Theater zu ersetzen. Aber der Krieg und die folgenden Jnflationsjahre haben diesen Plan vereitelt. Beim Passionsfpiel 1980 werden die Besucher Oberammergaus dagegen einen vollständigen Neubau b«S Theaters antreffen. Im alten Theater litt besonder» die Mittclbühne darunter, daß die Requisiten, Kulissen und Soffitten so lagerten, daß dadurch der Einfall des Lichte» auf die Bühne, die bekanntlich unter freiem Himmel steht, sehr beeinträchtigt wurde. Die Bühn« des Neubaues, wie derum eine Freilichtbühne, wird unterkellert, um Raum für die Unterbringung der Requisiten je nach Bedarf zur Bühne in die Höhe gezogen werden. Durch diese Einrich tung wird der neuen Bühne ein ungehinderter Lichteinfall gesichert. Di« Entwürfe und Skizzen der neuen Bühne wurden von den Oberammergauern geschaffen. Die Ge meinde hat jedoch auch Fachleute der bayerischen Staats theater im Theaterbau zu Rate gezogen. Der Neubau wird nach den Angaben der Passionsspielleitung, die 1980 wieder in den Händen von Georg Vang sein wird, erstellt. Er wird also wie das Spiel selbst, ein eigene» Werk der Gemeinde Oberammergau bleiben. Der Zuschauerraum, der die glei chen großen Ausmaße behalten wird, kommt in Eisenkon struktton zur Ausführung und erhält ein Glasdach. Für die 4200 Sitzplätze sollen neue Stühle aufgestellt werden. Di« srAheren mmchen «eyvm»e, vw n» oer «xnrpemme mv »G Einheimischen besttmmt waren, soll«, vollständig verschwin den. Di« Einheimischen solle« dafür durch eigene, für ste bestimmte Spieltag« entschädigt werden. Die Proben für da» Spiel beginnen bereit» im kommenden Herbst; bi» dahin sind auch bi« rund 480 Mitwirkenden, sämtlich Oberammer gauer, auSgewählt. Für die Gemeind« bedeutet die Errich tung der TcheaterbaueS «in große» finanzielle» Opfer. Wer. de« doch mehr al» siebenhuuderttausend Mark aufgebracht werde« müssen. Ak MW» Mn M A. W M Lretzv«,. Die biesta« Börse verkehrte beute bei weiter geringem Geschäft in ziemlich behaupteter Hialtnng, wen» auch die Kur«verändrrung«n im allgemeinen nicht bedeutend waren und immer noch ein» Reibe Herabsetzungen »u ver- zeichnen war. Sa büßten Polvvhon erneut Sl7. ein. Ver einigt« Photo-Aktien minu« 10, Grnußschein« minu« 20'/» ferner Großenhainer Mebttuhl minu« 8, vereinigt« Stroh stoff minug 2.K. Thod,-Stammaktien und Kunstanstalten Man ie minu« 2'/.. Befestigt lagen u. a. Reichsbank und Carl Hamel je vlu» 6,87^ von den Brauereien Schloß- Cbemnitz vlu» 18 und Kieler Eiche vlu« 8'/., ferner Losch» wider Kartonnagen plu» 2,5, Mimosa und Glasfabrik Brock witz je vlu« 27- Cbemnitz. Die heutige Börse zeigt« wieder «in freund lichere» Aussehen, sodaß verschiedentlich Kurserholungen^ allerdings von mäßigem An«maß, eintraten. Radeberger vier gewannen 47- Gebr. Unger und Daradlesbetten je plus 2'/,. Auch Kappel-Maschinen und Carl Hamel waren leicht beteftiat. Dagegen büßten Liebermann minn» 2,5'/. und David Richter minu« 3'/. ein. Der Frriverkehr zeigt» ein etwas lebhaftere« Geschäft. Leipzig. Da» Geschäft an der Leipziger Effektenbörse zeigte sich im allqemeinen etwa« freundlicher. Polyphon setzten ihre rasende Abwärtsbewegung »war fort und ver loren auch heut« wieder 32'/,. Im übrigen aber waren auf vielen Gebieten kleine KurSbefferunqen zu verzeichnens so gewannen Schubert und Salzer 2'/.. Nordwolle 17» auch Cbromo Najork «nd Halle Zucker batten «inen kleinen Ge winn. Dagegen sind Mittweidaer Spinner, von denen «in relativ große» Angebot drückte, nm 77,7. gefallen. Sin große» Geschäft entwickelte sich nicht. Marktberichte. Amtlich festgesetzte Preise an der Produktenbörse z« Berlin am 1. V ugust. Getreide und Oelsaaten pro 1000 sonst pro 100 tx in Reichsmark. Weizen, märkischer 237—240, pomm. —. Roggen, märkischer 243—249, märkischer, neu —, pomm. —. Gerste, Sommergerste —, neue Wintergerste 205—215 Hafer, märkischer 215-258, schlesisch. -. Mat«, loco Berlin 243—245, Waggon frei Hamburg —. Weizen mehl, pro 100 tg frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marke» über Notiz) 29,25—32,75. ReggenmeHl pro 100 kg frei Berlin brutto inkl. Sack 32,50—35,50. Weizrnlleie, frei Berlin 15,00 «oggenkleie, frei Berlin 17,00-17,25. «ap» 320-3SS. Leinsaat -. Vittorie-Erbsen 44,00-54,00. kl. Speife-Erbse» 35,00 b. 49,00. Knttererbse« 25,00-27,00. Peluschke» 27,00-30,00. Ackerbohnen 26,00—28,00. Wicken 27,00—30,00. Lupine«, blau« 14,50 — 16,00, gelbe 16,50 — 17,50. Serradella, neu—. Rapskuchen Bast« 38-/, 19,50—20,00. Leinkuchen Bast« 37 '/, 23,90 b. 24,40. Trockenschnitzel 17,40—17,60. Sotza-Egtroetion«. Schrot Bast« 4»'/. 21,40-22.50. Kartoffelstöcken 24,80—25,20. Weizen- Ueie-Melaffe 15,90-16,10. Großenhainer Schvetnemartt vom 3l. Juli 1928. Preis eine« Ferkels: 9—16,00 M. Ausnahmen über Notiz. Zufuhr« 102 Ferkel. Wasierftände der Moldau, Eger «ud Elbe. Riesa —157 —ISS Städtisches Elbbad. — Wafferwärme 22» v. Elbe Moldau Eger Mo ¬ di Sl. Drei, den 21 — 96 22 —104 -s- 22 -j- 25 Mel- nik — 26 - 24 — 25 — 32 -s- 54 4- 57 Aus, sig — V2 — 57 -208 -210 Leit- ineritz Vraxd. ei» — 59 — 61 Ka- maik dran MlernMzsoM. Von Hans Arno. Anker den Passagieren des norwegischen Dampfers, der uns durch die Fjorde führte, fiel nnr besonders ein älterer Herr in einfacher Kleidung auf. In seinen Zügen hatten die Daseinsstürme starke Spuren hinterlassen. Er blieb stets für sich, beteiligte sich auch während der Mahl zeiten kaum an einer Unterhaltung und schloß sich auch niemanden an. Mich interessierte seine Einsamkeit. Als nun das Schiff auf der Fahrt durch den Geirangersjord in Merock vor Anker ging, glückte es mir, mit ihm dasselbe Stolkjaarre zu bekommen. So machten wir die Fahrt die berühmte Geirangerschaussee hinauf zusammen. Und als dann hoch oben auf der Höhe von Djupvandshvtten vor uns der Jostedalgletscher lag und das Auge über das Hochplateau nordischer Gebirgswelt dahinschweifte, wurde er gesprächiger. „Es ist so schön, daß einem da» Herz aufgeht!" Und bald erzählte er von sich. Auf einer Gebirgstour in Norwegen war sein Sohn ums Leben gekommen. Das hatte seine Frau nicht lange überlebt. „Seitdem bin ich allein! Ich habe für niemanden mehr zu sorgen! Und zu Hause ist es so leer, so einsam! Ich kann keinen Schlaf mehr finden. Jeden Sommer seitdem fahre ich hierher, wo der Junge geblieben ist. Alle Orte muß ich sehen, von wo er uns die Karten geschrieben bat. — Ich kann Ihnen das nicht so sagen, aber es ist mir, als ob ich hier das wiederfinden könnte, was ich verloren habe!" Da» Schiff fuhr nordwärts. Während der Nachtzeit blieb es so taghell, daß man auf Deck lesen konnte. — Mein Reisegefährte sprach nun öfters mit mir. Meist erzählte er von seinem Sohn. Bei allen Schönheiten, die wir zu sehen bekamen, wußte er, was ihm dieser damals darüber geschrieben hatte. — Müdigkeit schien es an Bord nicht mehr zu geben. Es war ein herrlicher Tag, al» das Schiff Bodö passierte. Die Lofoten lagen im Sonnenschein und dar über der blaue Himmel. Das Nordkap, das nördlichste Ziel unserer Fahrt, war nahe. Da fand ich meinen Freund, einen alten mit Bleistift geschriebenen Brief in der Hand. ,Jch Weitz es selbst nicht," sagte er, „wie oft ich den Brief schon gelesen habe! Es ist der schönste meines Jungen. Damals war er gerade auf dem Nordkap gewesen und hatte die Mitternachtssonne gesehen. Es war das letzte Lebenszeichen von ihm! Dann warteten wir lange, lange! Schließlich kam die furchtbare Nachricht. . .!" Er hielt inne, um nach einer Weile mit beherrschterem Tone fort- zufahren: „Wir kommen jetzt nach dem Nordkap! Hof- lentlich sehen wir die Mitternachtssonne!" Da wußte ich um den großen Wunsch des alten Mannes, das Erlebnisglück des Sohnes nacherleben zu können. — Al» wir hinter Tromsö in der Nachmittagsstunde an den Vogelberg kamen, gerieten wir in Nebel hinein. Die durch die Schüsse eines kleinen Schiffsgeschützes auf geschreckten Vögel waren in ihrem Flug nur noch schwer zu erkennen. Bald war das Schiff mitten in einer Nebel wand drinnen. Und heute Abend sollten wir ans Nord kap kommen, mit dem Blick auf das nördliche EiSmeer und auf die Mitternachtssonne. Was dann, wenn wir auch dort im Nebel blieben? Es wurde eiskalt, das Deck wurde leer, schaurig erdröhnte das Nebelhorn! Schließlich stoppte das Schiff. Vorn kletterte ein Matrose den Hochmast hinauf aus Ausguck. Mein Freund stand neben mir. „Nun Wirde» nicht»!" Da sah ich in ein übermüdetes Gesicht hinein. ÄlS ich seine Nervosität bemerkte, bat ich ihn, sich doch etwas schlafen zu legen. „Wenn wir ausgebootet werden sollten, müssen Sie ausaeruht sein! Ueberlegen Sie bitte, der Weg dort hinaus. . .!" — Schließlich willigte er ein. „Aber Sie versprechen mir, mich auch bestimmt »u Wecken!" — Das versprach ich ihm. . Langsam setzte sich da» Schiff wieder in Fahrt. Es vergingen einige Stunden, ohne daß wir au» dem Nebel herauskamen. Da hieß eS mit einem Male, wir hätten das Nordkap erreicht. Nichts war zu sehen! Sofort war auch mein Bekannter unruhig wieder auf Deck, sah ent täuscht in den Nebel hinein, dann sagte er: „Passen Sie auf! Da» Schiff wird drehen!" Das klang so müde und traurig! Aber er ging auf mein Zureden wieder hinab. Nach einer Weile aber wurde e» plötzlich Heller. Das war ein gutes Zeichen! Der Kapitän glaubte deshalb warten zu können. Die Helligkeit nahm immer mehr zu und dann, nach etwa einer Stunde stand vor uns im Nebel so etwas wie eine ungeheure Mauer: Das Nordkap! Ueberall Bewegung, Aufatmen! Frohe Gesichter! „Das ist es l" Einige Zeit später war der Blick auf die Höhe des Kaps frei! Um uns und unten aus den Wassern lag der Nebel, aber drüben, in naher Ferne leuchtete die Nordkaphöhe. Da beschloß der Kapitän ausbooten zu las sen. In der Hornvickenbucht ging das Schiff vor Anker. Die erste Barkasse tauchte hinab in die Flut, Passagiere kletterten die Treppe hinab. Ich sah den hohen Wellen gang. Einfach war die Tour nicht! Aber ich hatte ver sprochen, ihn zu wecken. Auf der Kajütentrcppe kam er mir bereits entgegen. In voller Ausrüstung! Aeußerlich ruhig. Aber ich sah es ihm an, geschlafen hatte er be- stimmt nicht. Die Fahrt ans Land bestand er trotz des hohen SeeaanaeS aut. Stu« ging e» durch Nebel und Regen l einen schlüpfrigen, steilen und steinigen Gebirgspfad hinan. I Aber alles strebte zuversichtlich vorwärts: wir wußten l ja, oben die Höhe war frei. Mein Bekannter blieb oft stehen, atmete tief. Aber er wies jede Hilfe ab und schritt dann wieder langsam und bedächtig bergan. So ging es durch den Nebel aufwärts und endlich au» dem Nebel heraus. Wir mußten bald oben sein. Der leichte Dunst, der uns jetzt noch umgab, gestattete bereits einen weiteren Blick. Und vor uns, hinter dem Dunst, da vorn, da glühte e». „Da» ist sie!" Jetzt ging der Weg wagrecht voran. Wir waren auf der Hohe ange- langt. Nun ging eS dem voroeren Abhang zu. Vor un» glühte es so wundersam, immer gewaltiger, immer inten siver, und auf einmal wich der Dunst, da war es da, da lag vor unseren Blicken ein goldene» Wunder: die Mitter nachtssonne! Groß, ungeahnt groß stand sie auf dem Horizont. Um sie herum fließendes Silber, leuchtendes, wogendes Gold, das Meer in märchenhafter Färbung, glühende Berge und Flächen. Das schönste aber war das Antlitz neben mir, dessen Züge die Mitternachtssonne verklärte. Ueber dessen tiefe Schmerzfurchen Tränen herabperlten. Still stand er da, tiefatmend und sah mit großen, weitaeöffneten Augen in die Mitternachtssonne hinein. Ms ob er dahin stiegen wollte! — Nie werde ich die Schönheit seines Blickes, nie das Glück in seinen Mienen vergessen. Und da schwebte seine Seele bereits der Mitternachtssonne entgegen. Er siel ganz Plötzlich um. Wir hoben ihn auf und trugen ihn in das Unterkunftshaus, das dort oben steht. Die Mitternachtssonne war die Erfüllung seine- Lebens ge worden! Der letzte Nebel hatte sich zerteilt, al» eS dann wieder den Pfad hinabging. Schweigend und erschüttert folgten wir der Bahre, die die Matrosen vorantruaen. Und alle Natur schickte sich an, ihm auf seinem Heimweg vom Nordkap ein Flammenfest zu bereiten. Ueber glühende Felsen stiegen wir zur Bucht hinab. Wir erfuhren dann an Bord, daß er, als daS Schiff Tromsö passiert hatte, bei dem Schiffszahlmeister ein» Summe Geldes mit dem schriftlichen Wunsch hinterlegt hatte, daß er in Hammerfest oder Bergen betgesetzt werden möchte, fall» ihm etwas unterwegs zustotzen sollte. Hatte er sein Ende vorhergeahnt? Am Mittag de» nächsten Tage» ging da» Schiff in Hammerfest vor Anker. Einige «stunden später geleiteten wir ihn auf seinem letzten Wege. Ein paar hundert Meter nördlich der Meridiansäule wurde er der nordischen Erde anvertraut. Dort schläft er nun! Und jeden Sommer umglüht die Mitternachtssonne seine Ruhestatt!
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