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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041117024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904111702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904111702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-17
- Monat1904-11
- Jahr1904
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BezugS-PreiS in der HauptexpeLitton oder deren Ausgabe stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung inS Hau» 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitunqSpreisliste. Diese Ru«»er kostet auf allen Bahnhöfen und III I bei den ZeitungS-Verkäufern s * rsaktton un» Expedition: lb3 Fernsprecher 222 JohanniSgasse 8. Haupt-Alltale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-AUtale Berlin: CarlDuncler, Herzal.Bayr.tzofbuchhandlg^ Lützowstraste 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Abend-Ausgabe. MMerTaMÄ Anzeiger. Amtsblatt des Liiniglichen Land- und des Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 588. Donnerstag den 17. November 1904. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem RrdattionSstrich (4 gespalten) 7b nach den Famtlieuuach- richten <6 gespalten) KO -H. — Tabellarischer und Ziffernfay werden entsprechend höher be- rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertrnannahme 2b »L- Annahmeschlusz für Anzeigen. Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu«Au»gabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richte«. Ertra-Veilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet vou jruh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- in Leipzig (Iah. vr. B., R. L W. Kltnkhardt). S8. Jahrgang. Vas lllichtigrle vom Lage. * Die feierliche Eröffnung des außer ordentlichen Landtages wird am Dienstag, den 29. November, nachmittags 1 Uhr im königl. Ne- sidenzschlosse zu Dresden stattfinden. * Der Parteitag der Sozialdemo kratie Preußens wird auf den 28.—30. De zember nach Berlin einberufen. * Der Ausschuß des Preußischen Lehrer- Vereins hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, in Rücksicht auf das Schulkompromiß einen außerordentlichen allgemeinen preu ßischen Lehrertag für die Zeit nach Weihnachten nach Berlin einzuberufen. * In der heutigen ersten Sitzung des öster reichischen Abgeordnetenhauses wird ein deutscher Dringlichkeitsantrag gestellt, der die so- fartige Schließung der italienischen) Fakultät, in Innsbruck und Entschädigungen, verlangt. (S. den befand. Artikel.) ' Ein SchiedH vertrag zwischen England und Portugal ist gestern im Schlosse zu Windsor unterzeichnet worden. (S. Ausland.) * Nach Reuter hatte der „Rastoropny" ver siegelte Befehle an Bord gehabt, die ihm vor- geschrieben hätten, das Schiff zu sprengen, falls sich nicht eine günstige Gelegenheit bot, zu entkommen. (S. russ.-jap. Krieg.) * Nach der russischen Telegraphenagsntur beabsich tigen die Japaner am 19. zum Vormarsch über zugehen und das russische Zentrum zu durch brechen. (S. russ.-jap. Krieg.) * Nach Reuter sollen in der chinesischen Pro vinz Kwangsi Aufständische die kaiserlichen Truppen geschlagen haben. (S. Ausland.) Mäki unä vertrau«. Aus Paris, den 16. November, schreibt unser -s-Korrespondent: Tie große Nachricht von Andres verzögerter Demission hat am Mittwoch in den Couloirs der Kammer ihre Runde gemacht und sofort wurde gemeldet, daß Berteaux, der Abgeordnete von Seine-et-Oise, zum Nachfolger gewählt sei. Um 5 Uhr nachmittags wurde das Dekret, das heute im „Journal Officiel" erscheint, durch den Präsidenten der Republik unter- .zeichnet. Herr Cornbes hatte versucht, die Neuigkeit, deren Veröffentlichung nach dem Ministerrat man er- ivartet hatte, zurückzuhalten; durch eine Indiskretion wurde sie von den Journalisten, die im Salon de la Paix verkehren, aufgeschnapvt. Ter Abschiedsbrief des ent- lassenen Kollegen ist Co mb es gestern früh zugeschickt worden. In diesen Zeilen spricht der General seine Hoffnung aus, daß dank der Union der Mehrheit die republikanische Partei ihre Aufgabe vollbringen werde, der seine Kräfte zu widmen er glücklich gewesen sei. Un endliche Hochachtung wird dem .Kabinettschef zugesichert, der stracks nach dem Kriegsministerium eilte und aus dem Gebäude sehr bewegt wieder hervorgekommen sein soll. Die Nachrufe, welche die farblose Pariser Presse an stellt, sind nur soweit von Belang, als sie biographische Einzelheiten bringen. Danach wurde Andrch der vor- her die zehnte Infanteriedivision in Paris kommandierte, am 29. Mai 1900 durch Waldeck-Rousseau berufen. Er war Ersatzmann für Galliffet, der infolge des parlamen tarischen Zwischenfalls mit dem Hauptmann Fritsch plötz- lich zurückgetreten war. Sechsundzwanzig Kriegs minister sind seit dem Bestehen der dritten Republik aus der Bildfläche erschienen; von ihnen ist Andrä mit 4 Jahren und 6l4 Monaten am längsten im Hotel der Rue-Saint-Tominigue geblieben, zäher als er war nur Freycinet, der etwas mehr als 4 Jahre und 9 Monate sich behauptete. Louis Joseph Nicolaus Andr6 ist Sohn eines Winzers in der Cüte d'Or und 1838 geboren. An den kriegerischen Ereignissen vor Paris hat er im Haupt- mannsrang teilgenommen. Im März 1903 hatte er die Altersgrenze erreicht, was ihm die militärische Me daille, die höchste Auszeichnung, eintrug; im Juni wurde er zum Rang eines Kommandeurs der Ehrenlegion er- hoben. Schon einmal war er Zeuge mehrerer Minister stürze; denn er allein hat sich mit Dclcassä und Mougeot bei der „Reorganisation" des Kabinetts Waldeck- Rousseau hinübergerettet. Von den mit seinem Namen verbundenen Maßnahmen sind die Unterdrückung der für Offiziersheiraten bis dahin obligatorischen Mitgift- klausel, die Herabsetzung der Militärschulen zu Gunsten früher unterwertiger Ausbildung und endlich die Vor- läge wegen der zweijährigen Dienstzeit zu erwähnen. Herr Maurice Berteaux marschiert, was die Zeitungen nicht vergessen, stets mit einer dicken Aktenmappe über die Straßen; vermöge dieser Aktenmappe hat er sich den Ruf eines „großen Arbeiters" erworben. Er ist in Sachen der zweijährigen Dienstzeit Kommissionsberichterstatter gewesen und hat vor dem Plenum den Entwurf in einer nicht erfolglosen Rede verteidigt. 1852 geboren, war er von seinem 27. Lebensjahre ab Makler an der Bourse de Paris. Die erste politische Würde, wonach er strebte, ivar die eines Gemeinderats, dann wurde er Maire in Chatou, das er jetzt noch häufig bewohnt, und General- rat für den Kanton Poissh. Nach ihm. Radier und Jaurds ist das Gesetz über die Dienstordnung für die Eisenbahner benannt. Seine oratorischen Fähigkeiten werden ge- flissentlich belobt. Er hat stets die Tagesdekrete der Linken als feste Stütze des Ministeriums ausgeteilt. Seine Beförderung zum Ressortchef war längst abge kartet; Combes hat ihn sofort nach dem Elysse gezogen, und mit Andrs hatte er in dessen Bureau eine so lange Unterredung, daß er den Zug nach Saint-Germain en Laye verfehlte. Im Interview hat er das bekannte: „Unvorbereitet, wie ich mich habe" zu bezeugen nützlicher geglaubt. Hierbei führte er aus: „Auf der Tribüne der Kammer habe ich meine Anschauung über diese Zettel und Denunziationsgeschichte zu erkennen gegeben; nach meinem Gefühl hat ein Kriegsminister das Recht und die Pflicht, sich über die Meinungen der Offiziere zu unter richten. Aber die von der Kammertribüne herab ent hüllte Methode war ungeschickt; sie war auch nicht viel wert, denu nicht mit Zettelchen ist die Armee zu republi- kanisieren, sondern in voller Öffentlichkeit." Zwei Reformen hat Berteaux versprochen, neben der Dienstzeitreform ein Gesetz über das Avancement der Offiziere. Nachzutragen wäre, daß der neue Kriegs- Minister einen kleinen Finanzagenten zum Vater hat, daß aber jetzt sein Vermögen auf 30 Millionen geschätzt wird. Soeben war er Sekundant des Rittmeisters de Gail, durch seine Initiative wurde dem verhafteten Duellkandidaten Syveton die Freiheit wieder geschenkt. Objektiv läßt sich zur Frage der Kontinuität wenig sagen, gar nichts mehr als über die nächste Zukunft des Kabinetts, dessen Mit glied Chaumis bei der Debatte über das Unterrichts- budget, wo sich zeigte, daß ein inzwischen getadelter Pro zessor Gaumand für den Grand Orient spionierte, ohne seine rasche Korrektur in ähnliche Situation wie Andr6 gekommen wäre. Berteaux ist mit Doumer befreundet, zählte also, trotz seinem gouvernementalen Benehmen, zu den „Ehrgeizigen". In der politischen Presse zittert die Empörung gegen Andrch die bei der Interpellation wegen des von ihm für irrsinnig erklärten Majors Cuignet zu heftigstem Ausbruch gekommen wäre, nach. Im „Radikal" sagt Maujan, Andrs habe es vorgezogen, durch die „Porte basse" zu entweichen, anstatt in mutiger Verantwortung vor der Kammer. Die eine solche Lösung auf dem Kerbholz habe, werde einer „be klagenswerten Geschäftigkeit" beschuldigt, Jaurds ist enorm befriedigt. Er preist die Bescheidenheit Andres, der von hohem, republikanischem Opfergeist beseelt ge- tvesen sei. Clemenceau bemerkt, Combes persönlich habe seinen Mitarbeiter „demissioniert": „Es gibt ein Wort, das diesen totalen Mangel an Heroismus bezeichnet, ein sehr gebräuchliches Wort, nur habe ich es glücklicherweise im Moment, wo ich dies schreibe, nicht zur Hand." Der „Figaro" schreibt, Combes habe Andrs fallen lassen, so wie zuerst Andri? den Hauptmann Mollin fallen ließ. Er erinnert daran, daß Combes seine Mitwisserschaft an oen Denunziationen am selben Tage geleugnet habe, wo die Publikation aus Waldeck Rousseaus Nachlaß sie authentisch erhärtet habe. Ter Mantel ist gefallen, der Herzog soll nach; man will, daß logisch das Gesamt- kabinett verschwinde. ver ftotttana in ZiiamrtaMira. Vte militärisch« La-e. Die letzten Nachrichten lassen immer deutlicher er- kennen, wie schwer und wuchtig die scharfe Verfolgung seitens der Trothaschen Truppen auf die Herero einge- wirkt hat. Die Lage der Verfolgten in der östlichen Omaheke muß in der Tat eine verzweifelte gewesen sein, wenn sie dazu gezwungen wurden, nach Westen — den, Feinde entgegen — zurückzugehen. Da aber inzwischen hier die Hauptwasserstellen von unseren Truppen besetzt worden ivaren, so kam es zu mannigfachen Zusammen stößen mit den zurückflutenden Rebellen, die erfreulicher weise für uns ohne Verluste verliefen. Aus den Mel dungen über diese Gefechte kann man nach der „T. Kol.- Ztg." herauslesen, daß es sich heute nicht mehr darum handelt, widerstandsfähige, geschlossene Heerhaufen des Gegners zu bekämpfen, sondern vielmehr nur um die (gleichwohl auch recht schwierige!) Aufgabe, zahlreiche kleine Banden auszusuchen, zu zersprengen und kampf unfähig zu machen. Diese Aufgabe wird eine geraume Zeit in Anspruch nehmen und muß mit aller Energie zu Ende geführt werden. Zuni ersten Mal tauchen in den letzten Meldungen die Namen gefallener Häuptlinge und „Großleute" auf, von denen Kavizeri und Eliphas die allgemein bekanntesten sind. Beide haben sich von jeher durch eine deutschfeind, liche Gesinnung bemerkbar gemacht, ihr Tod ist die Sühne für ihre Freveltaten. Ausdrücklichst sei hier noch mals darauf hingewiesen, daß die Niederwerfung deS Aufstandes erst dann für beendet erachtet werden kann, wenn sämtliche Häuptlinge und Rädelsführer sich in un- serer Gewalt befinden. Unnachsichtlich strenge Strafe muß jeden von ihnen treffen. Recht betrübend ist die Stellungnahme eines Teils der englischen Presse in Bezug auf die Behandlung der- jenigen Aufständischen, die auf britisches Gebiet über- getreten sind. Die Forderung deutscherseits, die Rebellen. Horden zu entwaffnen nud auszuliefern, ist eine durch- aus berechtigte. Es gehört das ganze Uebelwollcn der kapkolonialen Presse dazu, ein sentimental gefärbte» Lamento über die deutschen Wünsche anzustimmen, und es ist nur zu hoffen, daß die britischen Behörden andere, freundnachbarliche Wege einschlagen und ihre helfend» Hand dazu bieten werden, Räuber, Mörder und Mord' brenner unschädlich zu machen. Vom südlichen Kriegsschauplatz sind Nachrichten über größere Zusammenstöße nicht eingetroffen. General von Trotha verstärkt seine Truppen durch Nachschübe über Land (Windhuk—Rehoboth) und auf dem Seeweg» (Swakopmund—Lüderitzbucht). Letztere Maßnahmen sind besonders bemerkenswert, weil sie die Absicht des Generals erkennen lassen, sich der Straße Lüderitzbucht —Kubub—Keetmanshoop nußbar zu machen, die für die Verproviantierung des Groß-Namalandes von ausschlag, gebender Bedeutung ist. Die Einholung und Sicherung der Besatzung und der weißen Anwohner von Kocs, dem Hauptort der Veldschoendrager-Hottentotten und Sitz ihres Häuptlings Hans Hendrik hat ergeben, daß dieser Stamm vorläufig noch treu ist und es angeblich auch bleiben will. Wir haben zwar kein rechtes Vertrauen zu diesen von jeher unruhigen Köpfen, aber wir wollen das beste hoffen! Feuilleton. Dir heilige Caeeilie. 2.7j Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten. „Komponierst du nichts neues?" „Im Gegenteil! Entschuldige! Wollte sagen: kann mich zu keiner Stimmung aufschwingen. Habe hier im Musikverein mein Quartett aufgefllhrt, — war nichts los damit! Kein Schneid' in den Kerls! Das hat keine an- ständigen Instrumente, das fiedelt ewig und immer die selben alten Geschichten herunter, — von modernen Kam- Positionen nicht den Schimmer. Ich hab' schon an G. nach Berlin geschrieben, — wenn da irgend was passendes frei wird, soll er zunächst an mich denken!" „Wenn G. die hiesigen Zeitungen liest und die Kri tiken über deine Einstudierungen wird er kaum Lust dazu haben, dich nach Berlin zu nehmen!" „Aber ich bitte dich, Papa! G. ist doch ein vernünf- tiger Mensch, — der muß sich doch sagen, daß ich in Berlin ein ganz anderer Kerl bin, wie hier! War ja als Provisorium soweit nicht schlecht, — aber auf die Dauer wird ein Mensch wie ich hier zum Idioten. — buchstäblich! In Berlin bin ich wieder Ich selbst, — da werde ich auch wollen! Hier hab'ich nicht gewollt, — ecoo!" „Sehr unklug von dir, mein Sohn! Die Zeitungen" — „Diese Käseblättchen! Dieser dreifach destillierte Esel von einem Kritiker! Ja, — wer liest denn so 'n Zeugs, und, vor allem, wer glaubt daran? Habt Ihr etwa" .. „Natürlich halten wir die Zeitungen, — Mama be stand darauf I Wir lesen sämtliche Kritiken, — geschrieben haben wir es dir nicht, um dich nicht zu ärgern" — „Die Geschichte ist gut! Beteiligt sich unsere übrige liebe Familie vielleicht auch an dieser interessanten Lektüre?" „Ringhaupts und Brückners halten die beiden Zei tungen auch, — Vollmars und die Tanten borgen sie sich von ihnen" — „Natürlich! Sin- zu geizig, sich diesen Hochgenuß aus eigener Kasse zu leisten! Erbauliche Neuigkeiten, — das muß ich sagen!" „Du weißt doch, wie unsere ganze Familie sich für dich und deine Carriere interessiert, — es darf dich mithin nicht befremden —" „Gewiß, — ich weiß!" Oswald ging, die Hände in den Taschen des braunen Samt-Saccos, nut raschen, kurzen Schritten im Zimmer uniher; die Cigarette im Munde war ihm ausgegangen, er merkte es nicht. „Es läßt sich ja verstehen, daß es dir hier nicht be- hagt!" nahm Direktor Mentzel von neuem das Wort. „Man darf immer nicht vergessen: du kommst aus Ber lin! Daß du es aber, sowohl in deinen musikalischen Leistungen, als auch privatim, so auffallend markierst..." „Privatim? Wer hat das gesagt? Wer kann wissen ..." „Ich fuhr da eben mit ein paar Leuten zusammen, — alle drei aus R. gebürtig, — die haben viel von dir ge redet!" „Wird was schönes gewesen sein! Von Objektivität und sachlichem Urteil ahnt hier keine Seele etwas! Was für Leute sind's denn gewesen? Wie sahen sic aus? Weißt du zufällig ihre Namen?" „Nein! Wir haben uns einander nicht vorgestellt, ich habe mich überhaupt an der ganzen Unterhaltung, da sie dich vielfach betraf, nicht beteiligt. Offen gestanden, ich ärgerte mich!" „Sehr unklug und auch nutzlos, — nimm es mir nicht übel, Papa! So etwas hört man sich an und pfeift d'rauf, aber ärgern?.... Also, wie sehen sie au», die lieben Mitbürger?" — „Elegante Dame, — noch jung, ganz hellblond, etwas zur Ueppigkeit neigend; sehr lebhafter Herr, dunkeln Henriquatre, Monocle, Strrn ziemlich kahl, untersetzte Figur, — stößt beim Sprechen ein wenig mit der Zunge an. Diese beiden waren ein Ehepaar. Dann noch ein sehr junger Mensch, aus einer anscheinend ungeheuer musikalischen Familie, — schien viel Geld zu haben, — kam aus Antwerpen." — „Ach so! Danke! Weiß schon Bescheid! Kenne alle drei Leute sehr gut, bin bei dem Ehepaar im Winter mehrfach aus- und eingegangen, habe sogar da gespielt. Die hohen Herrschaften wünschten mich zu begönnern, mich — ich bitte dich! Mich! Don einer Arroganz sind diese Pfeffersäcke, als hätten sie die ganze Kunstkritik gepachtet! Habe mich natürlich nicht gemüßigt gefühlt, ihr Urteil irgendwie anzuerkennen I Können mir einfach mit Gummischuhen den Buckel lang rutschen, wie man bei uns in Berlin sagt!" Trotz dieser im wegwerfendsten Ton vorgebrachten Aeußerungen hatte Oswald eine senkrechte Falte zwischen den Brauen und zuckende Lippen, so daß der Vater es deutlich genug sah, der berühmte Sohn ärgerte sich auch! „Reden wir also von etwas anderem!" fing Mentzel Senior nach einer Pause an. „Da du hier in R. nicht gern bleiben zu wollen scheinst. . . ." „Nicht eine Stunde länger, als unbedingt not wendig ist!" „So muß man eben Schritte tun, daß sich etwas neues für dich findet, womöglich in Berlin, schon um deiner Mutter willen, die sich schmerzlich nach dir sehnt! Einen Ersatzmann für deinen jetzigen Posten wird man nicht lange suchen dürfen, bei den vielen Vorteilen, die die hiesige Stellung doch immer bietet." — Es klang etwas bitter und wurde zögernd gesagt. Hoffte der Vater doch noch, der Sohn würde einlenken? Es geschah nichts derart. Oswald hatte zu pfeifen begonnen und ging wieder im Zimmer umher, während der Direktor in kleinen Zügen seinen Portwein schlürfte. „Du kommst doch zu Melanies Hochzeit?" Mit einem Ruck blieb der junge Mann stehen. „Wann soll sie sein?" „Mama wird es dir doch jedenfalls geschrieben haben!" „Ja, gewiß, — natürlich, — glaub' ich gern! Aber ich hab's eben vergessen! Hab' mehr in meinen Kopf zu nehmen, also .... Also wann?" „Anfang September, — der Tag ist noch nicht genau festgesetzt. Aber Melanies Schatz bekommt dann Urlaub, — das junge Paar will reisen, — nach dem Süden." — „Natürlich! liebliche Römerfahrt k" „Doch nicht! Spanien! Alhambra! Neuerdings sehr in Aufnahme gekommen!" „Ah! Wird sich gut ausnehmen, die kleine Melanie, mit ihrem feudalen Schatz, wenn sie da auf geweihtem Boden herumsteigt k Ein Wink von mir mit dem kleinsten Tulpenstengel — und sie wäre mit m i r hcrumgestiegen! Ja — ja — die Weiberchen!" Oswald gefiel sich offenbar darin, den Vater an seine Erfolge bei den Frauen zu erinnern; sein Blick ging über all' die aufgestellten Photographien hin, dann wieder zu seinem Vater zurück, wie wenn er sagen wollte: auch diese da kann ich haben, — eine, wie die andere! — Fast lag in seiner Manier etwas anfbegehrendeS, etwas, das sich zur Wehr setzen zu wollen schien, gegen eine Stimme in seinem Innern, gegen irgend eine unbequeme Erinnerung. ... Ter Direktor verstand seines SohneS Blick sehr gut, — er lächelte flüchtig. Behaglich war ihm aber nicht zu Sinn, namentlich nicht, wenn er an seine Heimkehr dachte, an die hundert Fragen, die ihm die Gattin, die Familie entgegcnschleudern würde über Oswald. Lieber Gott, ja, er war und blieb ein reizender Mensch, der den Frauen immer gefallen würde, — aber damit war doch am Ende nichts getan, — darauf gründete man keine Zu- kunst! Nun war er so gut versorgt gewesen, der geniale Sohn, — jetzt hatte er die Sache schon wieder satt, wollte
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