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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192811089
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19281108
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19281108
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-11
- Tag1928-11-08
- Monat1928-11
- Jahr1928
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1928
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abend bis in Vie sinkende Nacht hinein war er ans dem Felde, im Stalle «nd in -er Scheune unermüdlich tätig. Sei» Wunder, -aß er noch in seinem Alter nicht unbeschäftigt fein kann. Bon Deutschneudorf fiedelte er noch Oberlochmühle Aber, wo er 11 Jahre lang in der Biermannschen Holzwarensabrtt Arbeit fand. 1889 kaufte er sich in Mulda an, wo er sich mit seiner Familie, die aus seiner Fra«, zwei Söhnen und 2 Töchtern bestand, in dem sehr hübschen, massiven Wohnhaus, das setzt seine« Schwiegersöhne, dem Oseusetzmetstrr Oswald Köhler gehört, ein neues Hei« gründete. I« angeborene» Drang nach Be tätigung übernahm er in einer Holzwarensabrtt den Pofte» eines Platzmeisters und Fabrttnachtwächters. Fast ein Menschenalter »ar -ter hie Familie glücklich »ereint. Das goldene Ehejubiläum zu seiern «ar de« Hundertjährige» leider nicht vergönnt. Nach 49- jähriger Ehe entriß ihm und seinen Kindern 1905 »er Do- die teure Satti» und treusorgende Mutter. Seit dieser Zeit steht er in der treuen Obhut und Pflege seiner jüngsten Tochter. Die Arbeit in der Fabrik hat -er liebe Vater Seifert zwar nn« länger schon aufgegeben, aber den noch ist er rastlos tätig. Bis nor 4 .Jahren, als» mit VS Jahr«<hat er noch in den Muldaer Wälder» Stöcke gerodet und zerkleinerte Krüh nm 4 Uhr ist er im Sommer schon aufgebrochen, wenn andere Leute noch schlummerten. Und dabei hat er nie Mittagsruhe ge halten. ^Krüh aus »nd zeitig zu Bett* heißt seine Tageslosung. Und »och im Jahre 1928 hat er das GraS für die Kühe feines Sohnes gemäht, wie unser Bild zeigt. Den Dreschflegel hat er bis in sein hohes Alter noch fleißig geschwungen. Und gibt es in -er Wirtschaft -es Sohnes oder im Hause des Schwie gersohnes ein Gerät auszubessern, dann ist -er alte Vater -er Praktiker, -er alles wieder instand setzt und sich überall nützlich macht. Dabei ist sein Geist noch sehr rege. Für die Fragen -er Gegenwart zeigt er noch lebhaftes Interesse. Sein nächstes Ziel, .die Hunuert voll zu machen", hat er erreicht. Sein Wunsch, zu erfahren, was aus Deutschland wird, -ürfte wohl kaum 1» Erfüllung gehen, lieber -le Politik unter richtet er sich durch eingehendes Lesen seines Heimat blattes, »es »Muldaer Tageblattes". Trotz seines hohen Alters verfügt er über ei» staunenswertes Ge dächtnis. Die Weihnachtsbräuche im Erzgebirge in feiner Jugendzeit vermag er noch 1» anschaulichster Weise zu schildern und durch Proben damaliger Reim kunst zu belegen. Auch hegt er noch das Bedürfnis, sich »it andere» Leuten auszutauschen. Darum sucht ex im Sommer oft Sonntags nachmittags eine benach barte Gastwirtschaft auf, wo er bet 2 Gläschen Malz bier und einem Kümmel einige Stunden angeregter Huterhgttmlg verbringt. Die Zigarre, die er dabei schmaucht, erhöht sein Wohlbehagen. So hat sich das Lebe» -es liebe« Alte« im Lause der Jahre zu einem Gewohnheitsdasein bei mäßiger Lebensweise und denkbar einfacher Kost gestaltet: Durch feinen angeborenen guten Humor, sein ruhiges Temperament und sein seelisches Gleichgewicht er freut sich Vater Seifert bei denen, die ihn näher ken nen, eines ausgezeichneten Wohlwollens. Möge es de« biedere» Alten bis a» sein Lebensende erhalten bleiben. Vie errgeblrgiictie SMemmuuikoktur im Spiegel 6er Zakrtiunllerte. Bon Hans Str« Velo w, Nürnberg. »Unter denen vielen Erfindungen — welche die anff alerhand Ueppigkeit speculirende Hoffarth aus ihre» Gehirn hervor gebracht — seynd auch die so ge nannte Spitzen oder Canten — frantzöfisch Dentelles oder Point-, von -en vielen Spitzen »der Ecken also genannt — weil vorzeiten die Spitzen — Zähn- oder SLgcnweiß — wie ettoan noch die alten Fürsten mit der gleichen Spitzen - Kragens abgemahlet zu ersehen — gemachet gewesen — daher» man sie sich noch an einigen Orten Zähngens — sonderlich die kleinen Spitzen — zu nenne» pfleget." So lesen wir im 3. Kapitel -er von »Paul Jacob Marperger, Söntgl. Pohln. und Chur-Sächsischen Hof- und Eommercien-Rath und Mitglied -er König!. Preußischen Societät -er Wissenschaften," herausge gebenen .Ausführlichen Beschreibung -es Hauffs und Flachs nnd -er daraus verfertigten Manufakturen — sonderlich -es Zwirns, -er Leinwand und Spitzen — was in solchen vor ein großer Handel durch alle Welt- Theile gctrmben und wie viel tausend Personen da durch ern-Wet werden (Leipzig. Bey Joh. Friedrich Gleditsch und Sohn. 1710)." Marperger war geboren am 27. Juni 1856 als Sohn eines aus der oberen Pfalz" stammenden adligen schwedischen Offiziers Paul Marperger, -er nach Seßhaftmachung in Nürnberg jedoch -en Adel ab gelegt hatte. Der junge Marperger bezog ans Wunsch seines Vaters die Universität Altdorf, wo er 1666 als Student inskribiert worden sein soll, um Theologie — rin Bruder Marpergers war Theologe — zu studieren. Marperger scheint aber an diesem Studimn keine rechte Freude gehabt z« haben, denn er sattelte znr Juris prudenz um, was nicht nach -em Geschmack ,-es Va ters war. Dieser nahm -en Sohn daher von der Uni versität weg und übergab ihn einem Lyoner Handels haus. Als .Gelehrter Kauffmann" verfaßte er eine reiche Literatur und er kann als einer der ersten deutschen Schriftsteller seiner Zeit angc- sprochen «erden, - i e diesem Zweig derNational- ökonomie den Weg bereiteten. Bon seinen über 169 hinterlassenen Werke« und Schriften interes siert uns hier sein Buch über .das Tuchmacherhand- werk und die von ihm verfertigten Tücher", in'-em sich -er Chronist auch ausführlich mit -em Spitzenhandel be schäftigt, als dessen Sitz und Produktionsgebiet er, so weit Sachsen in Betracht kommt, neben Annaberg auch Meißen besonders in -en Kreis seiner Betrach tungen zieht. Ganz köstlich ist, was Marperger allgemein iiber die Spitzenmanufaktur schreibt: .Es dienet diese Waar weder vor die Hitz noch vor die Kält — sondern bloß zur Hoffarth — und ist — wo sie noch darzu mit großen baren Geld ins Land gekaufft wir- — eine unnützliche und einen schärften Verbot in -er Kleider ordnung unterworffene Waar — weil nicht allein viel Pracht und Stoltz damit getrieben — sondern auch viel Gel- damit verschleudert wird — vor welches zuletzt nichts als etzliche Lumpen — die kaum zum Zunder in die Zunder-Lade genug seyn — übrig bleiben — wie aber -ort aus -em Aaß des Löwens Honig-Seim zu holen war, also ergeht eS auch mit diesem Spitzem» Handel. — Daß solcher demjenigen Land nützlich wird — welches die Spitzen-Mauusaetur als einen Angel gebraucht — anderer und frembder Länder Gut und Geld dadurch an sich zu bringen — und ihren Armen und Mißiggängern durch diese Manufaetnr Brod zu verschaffen. Es wtrtz, auch das Verfertigen solch« Spitzen und -as Tragen derselben in gewissen Matzen zulässig und löblich — «an» baS künstliche und arbeit same Frauenzimmer — sonderlich junge «nd zarte jungfräulich« Hände — sich -en Vorrath — den sie z« shren Putz an Spitzen nöthig haben — selbst nehen und knüppeln — und also die Früchte ihrer Hand arbeit genieße« — welche Arbeit vielmahlS mtt eini gem Christlichen Gesang oder bey einem gute» DtscurS perrichtet — und also -er Müßiggang — »er or-inaire denen Leute» — -ie in gutem Wohlstand fitze« und um die Nahrung nicht bekümmert seyn dörffen — gleichsam angeboren ist — und aufs -em Fuß «achfol- get — vermieden wird — zu geschweige« — daß ein solches Frauenzimmer — welche von guten Harrß ent sprossen — wann sie bev zette« in der Jugend sich das Sitzen und künstliche Arbeit wache» angcwöhnet — nn- hernach ihren zuvor reichen und vornehme» Hauß et» Anfall oder <t» kmttmo zufkossen solte — sich mit dergleichen Hand-Arbeit heimlich and in -er Still ernehre» kan — wie ich denn unterschied liche arme Baroneßen-, Generals- und Obersten-Töch- ter gekaubt — denen das liebe Spitzen-Knüppeln ihr einige Zuflucht und Mittel gewesen — durch welches sie sich Brod und Kleider ver-ienen können." Unser Chronist geht nun In seinen «eiteren Aus führungen -es näheren auf -ie Herstellung -er «rz- aebirgisch«, Spitzen ein und erzählt u»L klar un deutlich, waS seinerzeit mit dem Klöppeln verdient worden ist. Da -ie Bergknappen im Erzgebirge kärg- ltch gelohnt wurden, waren sie gezwungen gewesen, mit noch anderen Mitteln sich und die ihrigen zu er nähren. Es kam daher Las Spitzenklöppeln in Vor schlag und Aufschwung, -as sich so rasch auSbreitete, »daß nunmehro ein Strich Landes von 10 biß 12 Mett Wegs in Sachsen un- Böhmen und in denselben 10600 Menschen sich davon ernehret — deren jede Person wöchentlich von 12 biß 16 Meißnische« Groschen auch wohl über 1 Lhaler verdienen kan — gesetzt aber — daß es nur durch die Banck 10 Meißnische Groschen wären — so jede verdiente — so kämen doch in 52 Wochen iiber vterthalbhunderttausend Rheinische Gül ¬ den heraus — welches nur Arbetts-Lohn ist — die Beta leger schlage« zum allerwenigste» 8 bis 10 pro C. da« aufs — un- die hausirende Frantzosen — Savoyarde» und Italiener — twelche tiefe Spitze» bey große» Quantitäten einkanffe« — un- selbige wieder vor Brabandtsch Gut denen — -ie keine Kenntnis davon seyn- — Verkaufs«») »olle« doppelten Gewinn -ar« auff haben — woraus je genugsam erhellet — wie viel an dieser Spitzenmanufactur -em Ertzgebürgische» Sachsen und Böhmen gelegen — und waS vor ein Ca pital nur allein in Teutschland darinnen umgesetzet werde." Der Chronist erwähnt dann kurz -ie Reißner Spitze«, meist fchwarzseidene, die überallhin exportiert werden, .sondeÄich in das benachbarte Lhurfürsten» thum Sachse» (seines theursten Landes - Vaters Königs Kriderici Augusti allergNSdigsten — und i» einem «och jüngst sub dato den 2S. Januar emantrtr« Patent zu Verbesserung -es Landes Eommercia an der Manufacturen an Tag gelegte« Intention nach)." Hier, im Meißnische« Lande, wurden auch leonische goldene und silberne Spitze» geferttgt und nach -er Länge wie auch Gttvtcht verkauft. Marperger sprich« dann «och über den S Pi tz enh an -e l und sagt u. a.: .Der Handel »fit de» Annaberger Spitzen betreffen» —so gehet sel-iger nicht allein -urch gantz Teutschlanö — sondern auch in unterschiedlich ihme angräntzenbe Reich und Länder — und zwar f», daß in diesen Letz-' tern un- auch in Teutschland selbst — denen -ie kein« genaue Spitzenkenuer seyn — die so genannte Anna berger vor Brabandische passtre« MüffeN — wiewohl nicht zu läuguen — daß unter beyden ein ziemlicher Unterschied --- indem sie keine solche Dichte noch Festig kett — wie die Brabauder habe« — auch durch -aS Waschen leicht nicht einlauffen. Es bestehen aber solche Aunaberger Spitzenmanufacturen nicht in bloßen Ellen-Werck allein — sondern es werden auch gantz« RachtmäntelS — Echürtzen und Touren vor Frauen zimmer daselbst verfertiget." Was -er Autor über Spitzen anderer Herkunft sagt, berührt uns hier nicht. Er schließt sei« Epitzen-Tractat mit Anweisungen, wie weiße Spitzen schön zu waschen find, dasselbe gibt er au für schwarze Spitzen und ebenfalls für die Wie derherstellung von leonische« Spitzen — Rezepte, die hküte wohl gründlich durch -ie chemischen Wäschereien überholt sind. Kob rkor XlelaktaA. Klei «st ad t.... Es liegt etwas tröstlich Be ruhigendes in diesem Begriff, ähnlich wie in -em -er ^sagenhaften guten, alten Zeit. Weil -as Leben dort ruhig uud unbeirrt seine« Gang läuft, sachte und be häbig immer wie aus Filzpantoffeln. In Wirklichkeit überlegt -ie neue Zeit auch erst ein Weilchen, ehe sie an -ie Kleinstadtpforten klopft un- Einlaß begehrt. Wenn es auch nicht gerade -er weitzbehandschuhte Ver- kehrsschntzmann ist, -er sich in den Kleinstadtgassen postiert, so entsendet die Neuzeit -och genügen- Ver treter. Industrie, Auto, Kino, Radioantenne, Jazz, Bubikopf — allerorten haben sie sich eingenistet, wenn an -en Kleinstadthäusern auch noch Wetterhäuschen und Spion ihr Leben fristen. Dennoch — eine Klein stadt lob' ich mir .... Da kommen aus allen Himmelsrichtungen -ie Feldwege und Landstraßen zu -em roten Dächerknäuel Kleinstadt Herbetgelaufen, verbin-en es mit Dörfern und Nachbarstädten und überhaupt mtt -er große« Welt. Zwischen den Kkeinstadthäusern werden es krumme Gassen un- Winkelplätz«. Die Gaffe» laufe« vom Rathaus zur Kirche, von -er Schule zum Amts gericht und treffen sich allesamt auf dem Marktplatz, Ser -ie Würde -et ganzen Kleinstadt verkörperte .Darum Haven sich auch -ie wohlhäbigen Honoratioren häuser rundum ausgestellt. Da wohnen darin der Herr; Bürgermeister un- -er Herr Apotheker, der Herr Dok-' tor un- Amtsrichter und wer sonst Noch etwas zu mel den hat im kleinen Städtchen. Kirchtürme und der dicke Rathausturm überragen Herrschhaft alle Giebel. Weiter hinten recken sich glatte Schornsteine auf — -ie neue Zeit! Reste der alten Stadtmauer, gleichsam ver- steinte Chronika, ducken sich verschämt hinter Efeu und ein stehengebliebcner Wachtturm aus heroischer Zeit kann sich mit der neuen Zeit nicht recht abfinden. Der einstige Wallgraben — ach -er böse Feind vor Zeiten spottete seiner — avancierte vornehm zur Promenade. Weniger standesgemäß sprang -as Schicksal mit -em alten Schloß um — es beherbergt Len Landstreicher kotter. Ein Friedliches ist's um Kleinstadtgaffen am Sonn« tagsmorgen. Da ist -er Himmel über dem Städtchen so still und, feierlich ^rad' als wollt er öffnen sich". Die sauber
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