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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192812015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19281201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19281201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-12
- Tag1928-12-01
- Monat1928-12
- Jahr1928
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1928
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ten - - aber wird dadurch erschwert, daß der KrebS fast nie mit Schmerzest, Fieber oder sonstigen Krankhettserschetnungen verbunden ist, wenigstens nicht im An Sltitt»»»»er MBvltMkN. Beveulsawe, Vortrag von Proftssoi Grass. - Net»th«orw. — Lrtltch« — vorbeuauuG. i Nachdruck verbaten.) vollkommen neue Theorie» über den streb», sein» Ent- ftehuna, dt» DiSpokÜ tonen zum streb«, die Feststellung de» Bo- ginn« vu stranweit und s, wett«, stell»« Uutoersttlltmrrosessor Dr. Erwin Grass in Wien aus. In einem Vortrag über seine Forschungen setzt« er unter anderem an-etnontzer: In gewissem Sinn« gl,ich» der streb» einer gutartigen Se- schwulftbtldung. Er ist auch nicht» andere» al» «u« Geschwulst- btldung, dt, au» der schrankenlose« Vermehrung gewtsser Aelle» an irgendeiner Stell« de» menschlichen Körper- entsteht. Der Unterschied »wischen der gutartigen und der b»»arttg«n Gr- schwulftbtldung, da» heißt dem streb», besteht darin, daß dt« gutartigen Geschwülste da» Nachbargeweb« zwar drücken, aber nicht zerstören, wogegen der streb» sich in die riese frißt, und sich über die Vlutbahnen de» ganzen störper» «»»breitet. Pro fessor Grafs ist der Ansicht, daß der streb» kein« Inf« k- tton»kranihet« ist, sondern daß feine Btldung auf der von Rudolf Virchow ausgestellten Retztheorie beruht. So ist ,» bekannt, daß die Chinesen sehr häufig an Speise- rShrenkreb» leiden, da sie gewohnhett-mäßtg ihren Ret» so heiß wie irgend möglich essen. Menschen, welche jahrelang Pfeifen mit hartem Mundstück im Munde halten, erkranken häufig an Lippen, und Aungenkreb». Chronische Reizzustände der ver schiedensten Art führen häufig zum streb». Dies« Retzcheor« de» strebse» hat man an vielen Tieren au-geprobt. Trotzdem darf beim streb» auch dt« erbliche Belastung nicht über- sehen werden. Die Kranlhetl al» solche wird nicht vererbt; ver erbt wird nur die Dt»positton ,ur KrebSkrank- heil. Der erblich belastete Mensch der gewissen Retzen au»- gesetzt ist, die die Entstehung de» strebse» begünstigen, läuft mehr Gefahr, am streb» zu erkranken, al» ein nicht erblich Be- lastete» Trotzdem kann natürlich der Betreffende zett seine» Leben» von der Krankheit verschont bleiben. Unendlich wertvoll zur Bekämpfung der Krankheit wär» e», wenn da» Vorhanden sein der Neigung »um Kreb», dl« erbliche Belastung, festgeftellt werden könnte. Bet der Heilung ist da» Wesentlichste die möglichst früh zeitige Feststellung der au-gebrochenen Krankheit. Da» Er. kennen der allerersten Anfänge ' - - - daß der Kreb» fast nie mit Schi Krankhettserschetnungen verbunden ist, wenigsten» nicht im An- fana de» Ausbruchs der Krankheit. Die Beschwerden treten meist erst dann in Erscheinung, wenn die Krankheit schon eine« gewissen Grad erreicht hat, und nur schwer oder gar nicht mehr zu heilen ist Trotzdem behauptet Professor Graff, daß die Zahl der unheilbaren Krebskranken eine gewaltige Verminde rung erfahren würde, wenn alle Menschen schon betmAustaucheu der ersten Symptome ungesäumt zum Arzt gehen würden. Ebenso wichtig wie die rechtzeitige Behandlung deS bereit» vorhandenen Krebse» ist die Vorbeugung. Langdauernde Retzzustände der verschiedensten Art führen zur Entstehung de» Krebses. Jede» Geschwür an der Hautoberfläche, an de« Lippen, der Mundschleimhäute, der Zunge ist gründlich zu be. fettigen. Häufig wird durch einen schlechten Zahn die Zunge immer wieder gereizt; eine Wunde an der Zunge wird durch diese Reibung an der Ausheilung gehindert, und führt zur Entstehung de» Zungenkrebses. Mehrere oder viele an und für sich unscheinbare, flach« Warzen oder Muttermale, namentlich die dunkelgefärbten, führen in höherem Alter, zuweilen auch schon früher, zu bösartige« Wucherungen, und sollten entfernt werden. Menschen mit chronischen Magen, und Darmstörungeu sollten sich häufig gründlich untersuchen lassen; zahlreiche Magenkrebse haben sich auf dem Boden vernachlässigter Magen geschwüre entwickelt. öia. Wie Gleim z» KliM» .i» »le Kur ft»*. lRachdruck verboten.) Wie »Vater Gleim* allzeit ein grundgütig« Mensch gewesen und jedem mit Rat und Lat beizustehen bestrebt war, so war er ost in eigener Sache von rührender Unbeholfenheit. Immer wußte er einen Weg, anderen zu helfen, bet not wendiger Selbsthilfe versagte er jedoch. Im Februar de» Jahres 1766 hatte sich Gleim eine starke Erkältung zugezogen. Er hütete da» HauS und befand sich, infolge de» körperlichen Unbehagens, auch in einer nicht gerade sehr rosigen seelischen Verfassung. Aus dieser Stimmung heraus, schrieb er seinem Freunde Klop stock einen Jammerbrief, in dem er ihm das ganze Elend eines am Ofen hockenden und an daS HauS ge bundenen Patienten vor Augen hielt. Die Wirkung dieses „JammerbriefeS* war bet dem Emp fänger freilich eine andere, als e» sich der „Patient Gleim* ge dacht hatte. Klopstock, bekanntlich ein begeisterter Natur- und Wtntersportfreund und Anhänger der Abhärtungsiheorie, „ver ordnete* seinem kranken Freunde das folgende „Rezept*. daS er ihm unter dem 4. März 1766 in» HauS schickte; Rp. Schlittschuhlaufen: 8 Helle Stunden de» Vormittag» T Helle Stunden de» Nachmittag gute Gesellschaft viel Frühstück ' Item ein wenig Nordwind al» Trunk bei der Arzenei. , Dos.: Treibe dies acht Tage hintereinander. , krobatum est. Gleim hat die» „Rezept de« Herrn Dr. Klopstock* gewiß nicht befolgt» aber der au» dieser „Verordnung* lachende, lebensbejahende Humor seine» Freunde« wird sicherlich auch so seine günstige Wirkung nicht verfehlt haben. 1. dahtnflogl Freilich, manchmal blteb e» auch unterwegs stecke» oder der Faden in der Spule ritz; und dann gab e» mir jede», mal einen Stich in» Ktnderher», wen» der Knecht Jakob meinte, daran sei wohl mein Gespinst schuld. „Ich habe doch nur Spatz gemacht*, sagte er hinterher, wen« er mein betrübte» Gesicht sab, und ltetz »um Trost da» Schift- chen über da» Ziel schießen, so daß ich e» ihm aufheben mutzte. Und dann wurde jedeSmal ein dick« Kretdeftrtch an die Bal ken der „Gezau* gemacht, und für jeden «hielt ich zu Ostern ein schöngefarbte- Osterei. Aber nicht nur vom Jakob. Auch Großmütter und die Mägde ließen, zu meiner jubelnden Freude, oft da» Schiffchen fallen, so daß ich zu Ostern einen ganzen Korb voll bunter Eier suchen konnte. Wir wußten e» ganz genau, di« am Webstuhl Sitzenden und ich, datz da» Schiffchen mir zuliebe so oft aufgehoben werden mutzte; ab« wir sagten «S einand« nicht, und da» war auch etwa» Wunder schöne» Al» ich heranwuch» und nach längerem Aufenthalt in einem auSwSrttgen Pensionat hetmkehrte, war dte Zett de» eigenen Weben» im Grobelternhause vorbei, die „Gezau* war in der Bodenkammer auf» Altenteil gesetzt, wa« mt, sehr leid tat Mir war. al» sei etwa» Köstliche» au» meinen« junge« Leben gestrichen Manchmal betrachtete ich mir wehmütig de« alten, wurmstichigen Webstuhl, an dem unverwflcht noch einige Oftereierstrtche zu sehen waren Grotzmütterchen aber span« weit«, solang, ste lebte, und gab ihre Spulen mit gekauftem Leinengarn zusammen einem au»- wärttgen Weber In ihren letzten Lebensjahren spann st« Wolle zu Strümpfen für Grötzvater und dte grotz» Enkelschar; Strümpfe, dte wärm« und dauerhafter waren, al» man ste heute trägt. Da» heitzt: ich fühle mich im Winter erst rech« be haglich warm, wenn ich «in paar recht dicke Wollstrümpfe, recht» und link-maschige, an den Füßen habe D« Dekoration halb« ziehe ich wohl hier und do noch ein paar dünn« dar- über, aber, wie gesagt, nicht immer Und wenn Grotzmütterchen mich so derb bestrumvft sähe, hätte st« ihr« Helle Freude daran. SrotzwllUers SssimMcheil von Johanna WeiSkirch. lRachdruck verboten.) Meine Großmutter schläft schon lange den letzten Schlaf auf dem schlichten, kleinen Friedhof meiner dörflichen Heimat. Eine prächtige Trauerweide neigt ihr Gezweigs tief über den mit Efeu und Rosen bepflanzten schmalen Hügel, in dem eine vom Scheitel bis zur Sohle nach jeder Richtung hin ech: deutsche Frau und Mutier ruht. Sie hielt e» nicht mehr lange auf Erden au», nachdem ste ihrem wackeren Lebenskameraden, meinem Großvater, die ehrlichen, blauen Männeraugen zugedrückt hatte, und ging an einem wonnigen Frühlingstage mit der Sonne friedttch zur Ruhe. Meine schönsten Erinnerungen an die ferne Kindheit ranken mn da» GroßeltetnhauS; aber ganz besonder» innig sind ste mit der trauten, altväterlich auSgeftatteten Wohnstube im Unter stock verbunden, in dem e» dreierlei Töne gab, denen mein Kinderherz entzückt lauschte: dem Ticken der alten Schwarz- Wälder Kastenudr in der Ecke, dem behaglichen Schnurren be rücken Kater- Ve'rr und dem leisen, ach, so unendlich traulichen Surren von Großmutters Spinnrädchen. ES war wirklich nur ein Spinnrädchen; denn Grotzmütterchen war auch nur ein kleines, zierliches Frauchen mit einem unendlich gütigem Runzel gesichtchen; aber sie war, Wie schon gesagt, eine ganze Frau. Denn ich da- Talent dazu besäße, könnte ich sie Zug für Zug malen, wie ste, die schwarze Blendenhaub» über dem schneeigen Stbeitel, hinter dem köstlichen hellvolierten Spinnrädchen saß und unermüdlich den Faden vom Docken zur Spule laufen ließ und mir dabei Geschichten oder au« ihrer Jugend erzählte: wenn ich ihr nicht au- meinen Märchenbüchern vorla- ob« meine Aufaabeu machte. Großmutter spann einen wunder» f ttimer d« Waage vom stäfestand, kam tzervetgeumten, mag I Irma unter viel,« Entschuldigungen: da» Standgeld sei so steuer, und st» entfernt« sich mtt dem erhebenden Bewußtsein, d« -Rack« Staat" set unter ihrer Mithilfe wieder et« wenig besttüvtndelt worden. So legi« sie steh'» mindesten» »«recht. Sin Kilo leichter »ar ste übrigen» in letzt« Zett geworden. Run, wa» gib« manch« nicht um du schlanke Linie« Aum Juli bekam Walt« vlelleud» Gehalttaufbesserung, dann tonnt« sie sich auch mehr pflege» Ach da war ja nun noch der Obst- stand I St» hatte ans de« Ruckweg« »n kauft« versprochen^ und ft war sie nicht, daß ste dte Leute mit leeren Reden«arten betrog. Der Man« lobte Ke denn auch: „Auf di« gnädig« Frau kann man sich verlassen. Wa» die sag«, da» t» 'n vor? — und selbst d« Krüppel lacht« st, halb reuig am Da gab st, ihm fein kleine» Geldstück und em Paa, Bonbon» obendrein. „Bon sonne schöne Dame schmeckt mich da» doppelt fein*, sagt« er galant, sich «M Stück m oen Mund steckend So «ar Irma aus Schritt und Tritt gleichsam garniert mtt Liebenswürdigkeiten und alle blieben an ihr hasten, machten sie hübsch und froh. Zu Hause empfing ste vollend» ein LtebeS- und Freudengeschre» Hansi und HanSpeter, die auf den kleinen Gerd aufpassen sollten, hatten ihn auf» beste unterhalten, in dem ste ihr friedliche» Spiel wie ihre Balgereien neben die Decke verlegten, auf der er am Bode» saß. Er habe immer wieder laut gelacht und gejauchzt. Dabet hingen dt« Blicke, wie Irma vorausgelehen, fleißig nach dem Marktnetz. Zwei Bon bon» wurden mit Befriedigung entgegengenommen, und Irma gewahrte mit Entzücken wie der kleine Gerd auch schon die Augen aus ihr« spendende -and richtete. Da- klug, Kindl Sie riß eS hoch und küßte e» ab. „Eßt schnell auf, ftnft will Brüderchen auch Bonbon-, und «S könnte daran ersticken * — HanSperer brauchte man fo etwa» nicht erst zu befehlen, aber Hansi liebte «S, langsam an solcher Süßigkeit zu saugen, sie ab und zu au» dem Munde zu nehmen und zwischen zwei Fingern gegen da- Licht zu halten. Wie da» funkelte — wie ein Edelstein ein Topa- oder Diamant! Dte Mutter fand schließlich Klein-Gerd mtt einem Apfel ab, an dem er zwar nicht» hinweg- noch hinzu tun, aber sicher auch nicht ersticken konnte — obgleich sein Vater von diesem kleinen Manne zu sagen pflegte: „Wa- nicht größer ist als er, das steckt er in den Mund* Aber nun gatt e», flink da- Mittagessen herzurichten, damit Walter an feinem Fleischstück auch die rechte Freude hatte. Er kam heut« etwa- später, weil er zu dem Gelehrten hinauf mutzte, der wieder einen Nebenverdienst in Aussicht gestellt hatte. — Daß ste und die Kinder etwa» anderes atzen, würde er hoffentlich nicht merken, wenn ste ihn flott unterhielt. Wie ste sich schon «mmer auf dte Mittagsstunde freut«! Aber sie tat auch da» Ihre, keine Verstimmung aufkommen zu lassen. Der Tisch war gedeckt, da» Kotelett auf dem Gipfel der Appettt- lichkeit, als Walter klingelte. Drei freudige Gesichter tauchten auf, dem Eintretenden entgegenzuleuchten. Aber er sah zu- nächst nur ein- und hielt ihm ein duftende» Sträußchen vor. „Du bringst mir Veilchen? Walter! — Gerade heute dachte ich daran * Und ihre Augen wurden feucht. Aber dann fiel ihr da» Kotelett ein und ste rannte in dte Küche. Walter, der noch etwa» hatte sagen wollen, gab sich darein. Man konnte sich ia auch erst stärken. Die Kinder, denen eingeprägt war. Suppen machen die Wangen rot und seien außerordentlich gesund, wußten schon: VatiS essen immer erst daS Fleisch. ES war trotzdem ehrfurcht- gebietend, daß ste bleiche Wangen hatten. Hansi und HanS- peter löffelten eifrig, um rasch an die Hauptsache, dte in Fett geschmorten Aepsel zu gelangen. „Was habt ihr denn da?* fragte zu JrmaS Schreck Walter plötzlich „Gebratene Leber! Mein Leibgericht!* rief sie begeistert. Er hatte kein Arg. Lehnte sich im Stuhl zurück, zog seine Brieftasche und — ja, sah Irma denn recht? „Der ist doch noch hübscher als Veilchen, nicht?* sprach er, und legte einen Hundertmarkschein auf daS Tischtuch. „Walter! Mir bleibt der Atem aus. Doch nicht vom Pro fessor?* „Doch vom Professor. Er hat eine« Preis für seine letzte Arbeit bekommen. ,Da ist eS recht und billig, datz mein getreuer Mitarbeiter auch etwas davon abbekomntt', sagte er. Und — e» mag töricht von mir sein, aber ich bin wirklich stolz darauf, an einem solchen Werk mitgetan zu haben, wenn auch nur al» Abschreiber.* Irma hatte den Liebsten umschlungen und geküßt. — „Der Herr Professor kann aber auch zufrieden sein, datz er solchen Abschreiber gefunden hat!* rief ste. „Wer würde sonst seine vielen Fremdwörter richtig bringen — und dte Abkürzungen — von der unglaublichen Handschrift gar nicht zu reden?' „Ja, mein bißchen Latein ist doch noch zu etwa» gut!* sprach Walter froh. „Und dann braucht man sich doch nicht bloß al» Bureaumensch zu fühlen, man wandelt auf geistigem Gebiet, atme» Höhenluft. Der Professor ist mir viel, viel nötiger al» ich ihm Heute hat er sich sogar über einige Punkte, über dte ich Aufklärung erbat, sehr nett mit mir unterhalten * „Der gute, gute Mann * Irma saß auf Walters Schoß. Dte Kinder, vieses Anblicks sehr gewohnt, begaben sich an ihr Spiel, bis an sie die Reihe kam. „Ja, eS gib« viele gute Menschen!* sprach Walter bewegt. „Und noch die»: der Herr Professor will von jetzt ab mehr zahlen, und er meint, er wird viel Arbeit für mich haben in der nächsten Zett.* „O wie schön! — Sind wir nicht die reinen Glückspilze, Walter?' „Ja. daS mutz man wirklich sagen!' stimmte er zu. — Aber daß sie, einer am andern, ihr größtes Glück im Arm hielten, das sprachen ste nicht aus — das wußten sie ohnehin. alle ließen mich hier und da mittuni Hei, wie daS Schiffchen schönen Faden, und lehrte mich, al- ich heranwuchS. auch, den unter ihrer persönlichen Mitwirkung gebrochenen und ge schwungenen Flachs zum Fädchen drehen; aber ich habe e» in dieser Kunst nicht sehr weit gebracht, denn mein Gespinst war immer voller Knoten und Knötchen. Wenn ich darob verzagen wollte, tröstete mich Großmutter, und meinte: „Latz nur, wa» du gesponnen hast, kommt doch aus die .Gezau', wenn dte Küchenhandtücher gewebt werden, und dann darfst du selbst das Schiffchen werfen? Rach solchem Trost gab ich mir immer wieder neue Mühe, und meine Seligkeit kannte keine Grenzen, wenn meine Lehrmeisterin mt« lustigem Augenzwtnkern «inen Fortschritt feststellte. Mit glühendem Eifer wickelt« ich den Flachs um die feingrdrechselte Wockenstange, schlang «in bunte» Band oder einen der prächtigen brokatenen Manschetten darum, wenn mich Grotzmütterchen damit beauftrag« Stundenlang konnte ich ihren gleichmäßig, da» Schwungbrett tretenden Futz beobachten und dem Surren de» Rädchen» lauschen. Oft war e» nur da» einzig« Geräusch in Großmutter» Stube. Dann batten sogar der dich« an mich geschmiegte Kater Pe«r da» Schnurren und dte alte Schwarzwälder Uhr mit dem rosen geschmückten Zifferblatt ihr Ticken eingestellt, um dem Rädchen zuzuhören Ta» dauerte allerding» nicht lange; denn Groß- mutter mach« e» sich zum Borwurf, wenn dte alte Freundin im braunen Wandgehäuse zum Stillstand gekommen war. und der Peter holte da» ausgesetzte Schnurren doppelt nach. Oh. ihr köstlichen, unvergrtzltchen, mt» Großmutter» Spinn rädchen verbundene» Wintrrtage meiner Kindheit! Aber e» war fast nicht minder schön, wenn der Vorlenzsturm fein wilde» Lied sang, und damit dte Zeit kam, in der dte „Gezau' im Großelternhause vom Boden geholt und aufaeschlagen wurde. Ach, diese herrlichen Vorbereitungen all«, bt» sich, alter Ge pflogenheit entsprechend, Großmutter am Webst,-bl ntederlteß und ihn in Bewegung setzte. Dann erst kamen iz- Mägde und einer der Knech«, der vorzüglich web» an a» Reitz«. Uns, Klkilk SlläßtT Von Mi. Günther. lRachdruck verboten.) Da» noch leere Marktnetz am Arm«, stand Frau Irma a« Sitter eine» Vorgärtchen» und betrach«« fehnsüchtta di« Veilchen, d« un sammeln«« violett da» Grün der Blätter fast bedeckte«. Frau Irma besatz kein« Veilchen und keinen Vorgarten. Aber dte holden Frühlingsboten brachten ihr jedeSmal, wenn ste ste zuerst erblickte, einen Gruß au» dem Len, ihre» Leben», al» Walter» Liebe ihr noch wie «tn seliger Traum gewesen war. fast zu köstlich, um an seine Erfüllung zu glauben. Wie er ihr da da« erste vetlchensträutzchen gebrach» kitte! Me ste «S zu Hause zärtlich ,nS Wasser gestellt und ihren Bruder roh gefunden hatte, weil er behaupte«, Veilchen sähe« au» wie tote Fliegen. Er hatte e» natürlich im Scherz gesagt, denn er mochte Walter ja auch gern. Solange die Veilchen blühten, hatte ste täglich ihr Sträußchen gehabt. Walter» Ge halt war nur knapp, aber dazu mußte e» langen. Und so war «» eigentlich immer geblieben: knappe» Gehalt, aber viel Liebe. Wenn » auch mit den Blumen aufgehört hatte — ste »md Walter und di« drei kleinen Blondköpfe zu Hauke, «ar da» nicht Glück genug? Sicherlich. Irma tat ordentlich einen strahlenden Blick gen Himmel, ehe sie sich vom Gitter löst«, al» wolle ste der unbekannten Macht da oben versichern, datz sie nicht undankbar se», gewiß nicht I Der Markt sandte seine Ausläufer Vorau». An der nächsten Straßenecke hatte ein Obsthändler seinen Tisch. Der Rus: schöne Ananasäpfel, Pfund nur fündundzwanzig Pfennige!' klana ihr schon lange entgegen. Richt weit davon lehnte wie gewöhnlich ein Krüppel an der Hauswand; er hatte keine Flitze, aber ein fröhliches Gesicht; die Markttage waren seine Erntezeit. Eben sagte er zu dem Obsthändler: „Du schreist dir ja ganz heiser, Mensch, laß mir mall* Und sofort begann er mit weit glänzenderem Stimmaufwand, al- ihn der Händler m»r Verfügung hatte: „Feinste Ananasäpfel. meine schöne Dame, kaufen Sie, nur fünfundzwanzig Fennige da» Fund!' — und lachte dabei jeder Vorübergehenden kn die Augen. Auch Irma hielt unentschlossen einen Augenblick an: „Ich kaufe auf dem Rückwege*, sagte st« dann, worauf der Händler ergebung-voll, der Krüppel frech lächelte. Dasür bekam er keinen von den halben Groschen, die ste schon immer für seines gleichen in der Jackentasche trug. Der Markt war ein Schaugepräng« für ihr empfängliche- Herz. Die Blumen, die Fülle von Stossen, Stickereien, Wäsche! Und ach, die Wild-, Wurst-, Fleisch-Stände! Irma dachte schon daran, daß Walter immer, wenn er ihr da- Wirt- schaftsgeld gab, liebevoll sagte: „Aber sparen müssen wir, Liebling!* — Indessen, ste beschloß doch, für ihn ein appetit- KcheS Kotelett zu erstehen. Er fah so blaß und müde au» in letzter Zeit, hatte sich so anstrengen müssen, die Abschrift für den Professor in den Abendstunden fertigzustellen, damit sie den Extraverdienst hätten.- Für sich und die Kinder nahm sie dafür Gefrierleber, dte war billig. Den Rest konnte ste doch durch dte Fleischmaschine gehen lassen und einen pikanten Aufstrich davon Herstellen. Der würde Walter schmecken! Ab wechslung im Speisezettel ist die Hauptsache, wenn die Mahl zeiten eine Freude sein sollen. Spinat — nein, wirklich schon Spinat! Der gab mir einem Spiegelei morgen ein herrliche- Mittagessen. Gleich war vie etwas größere Ausgabe für das Kotelett wieder eingebracht. Irma hätte zwitschern mögen wie ein Bögelchen, so vergnügt war sie. Da mußte sie den Kindern auch eine Freude machen die sahen dock immer so begehrlich auf da- Netz, wenn ste vom Markt kam. Da die Honig bonbons — die verteilten sich sparsam und waren allgemein nützlich gegen Husten. Gottlob litt zurzeit ketns der Kinder an Husten. Und als Irma an dem blinden, jungen Mäd chen vorüberkam, das still und bescheiden auf seinem ge wohnten Platz am Zaune saß, ließ sie außer einem Fünf pfennigstück einige Bonbons in die gefalteten Hände gleiten und hörte im Weitergehen die Blinde laut auslachen, wie man bei einer frohen Entdeckung lacht. Soll man da die Welt nicht strahlend-heiter finden? Aber augenblicklich regnete es etwas. DaS kam gewitz den »«»bestellten Gärten zugute. Jedoch sehr billige Frühjahrshüte und oft gebügelte Ueberkleider vertragen die Rässe nicht recht, und Irma trat unter die Bahnüberführung, um den Regen vorübergehen zu lassen. Alsbald trat ein Mann aus sie zu, der etwas unter dem Arm trug. Ob die gnädige Frau sich nicht wiegen lassen wolle. Nur zehn Pfennige. Und waS er unter dem Arm hatte erwies sich als eine zusammenlegbare Waage. Irma war bereit. Doch plötzlich war der Mann ver schwunden, nur die schon aufgestellte Waage war noch da. Zu Irma aber trat ein Polizeibeamter und fragte streng: „Ist daS Ihre Waage?' — „Meine — wieso?' — „Was stehen Sie denn dabei?' Irma begann etwas zu ahnen, wandte ihre Augen von dem Mann ab der in einiger Entfernung so harmlos unter den Kunden eines Käsestandes verhandelte, und sagte: »Ich stehe hier wegen des Regens unter.' Darauf wandte sich der Polizetbeamte mit seiner Frage an einen anderen Mann, der eben noch eine ganze Garnitur von Schlüsselringen um den HalS gehabt hatte, jetzt aber völlig schmucklos dastand. „Meine Waage? Wie käme ick denn dazu?* — „Wenn ste keinen gehört, nehme ich ste mit!' drohte der Beamte und suchte fürchterlich dreinzuschauen. „Von mir aus nehmen Sie sie jern mit', war die gleichmütige Antwort. Der Polizeibeamte warf noch einen nach seiner Meinung scharfen Blick auf Frau Irma- Gesicht chen, daS ihm bieder entgegenschaute, und ging davon — vielleicht dte Wahrheit ahnend, aber eS auf sich beruhen lassend. Er blickte auch nicht mehr zurück. Also löste sich der Eigen-
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