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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041111026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904111102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904111102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-11
- Monat1904-11
- Jahr1904
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Bezugs-Preis t» der Hauptexpedition oder deren Ausgabe« stellen abgehoit: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in-Haus 3.75. Durch die Post bezogen für Deutich- land u. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, sür die übrigen Länder laut Zeitunq-preiSliste. Diese Nummer kostet aus allen Bahnhöfen und III ^1(1 bei den ZeitungS-Berkäufern I * Redaktion und 8r»edttton: 153 Fernsprecher 222 Johanni-gasse 8. Filialerpeditionen: Alfred Hahn, Buchhandlg^Universitätsstr.3 (Frrnspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 2935) n. Königs platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Hmtpt-Filiale Dresden: Marienstraße34(FernsprrcherAmt lNr. 1713). Haupt-Filiale Berlin. CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchdandla^ Lützowsiraße 10(FrrnjprecherAmtV1 Nr.4603). Sir. 578. Abend-Ausgabe. MpMerTlyMM Anzeiger. Amtsblatt bes Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSslrich (4gespalten) 75 /H, nach den Familienuach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zisfernsatz werden ent sprechend höher berechnet. Gebühren für Nachweisungen und Offerten- annahme 25 Annahmeschlus; sür Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig (Inh. Dr. V., R. 6. W. Klinkhard t). Freitag den 11. November 1904. 98. Jahrgang. Vas Aichtigrie vom Lage. * Die Leiche des von einem Offizier der Schutzwache in Datka erschossenen Deutschen, Gotthold Fleischer, ist gefunden und nach Peschawar gebracht worden. * Die Deutschen Innsbrucks haben zum wirtschaft lichen Boykott italienischer Kaufleute aufgefordert. (S. den bes. Artikel. » In Florenz haben italienische Studenten vordem österreichisch-ungarischen Konsulat demonstriert, wurden aber von der Polizei zerstreut. (S. den bes. Artikel.) * Der Kriegsminister Andrö bat vor dem Untersuchungs richter erklärt, er habe durch SyvetonS Attentat eine Nervenerschütterung davongetragen und halte die Klage auf- recht. (S. Ausland.) * Der Admiral RoschdjestowSky will Mitteilung er halten haben, daß ihm ein „neuer" japanischer Angriff, voraussichtlich in den egyp tischen Gewässern drohe. (S. russ.-jap. Krieg). Lum MMM-?enrisnrgeretr. Von dem demnächst zu erwartenden Militär-Pensions- gesetzentwurf sind bereits die Hauptgrundzüge der Öffentlichkeit unterbreitet worden; sie mutzten das ge rechte Befremden erregen nicht nur der in Frage kom- menden bereits pensionierten Offiziere, die möglicher- weise von den Wohltaten des neuen Gesetzes ausge schlossen werden sollen, sondern auch in allen Kreisen leb haft befremden, die in unserem Offizierkorps mit Recht den Erzieher unseres kriegsbereiten Heeres erblicken. Von offiziöser Seite wird nun versucht, die Lücken haftigkeit des Entwurfes mit der schlechten Finanzlage zu entschuldigen und darauf vorzubereiten, dah das Gesetz keine „rückwirkende Kraft" erhalten könne. Wird sonach der Entwurf den Beschlüssen des Bundesrats gemätz Gesetz, so werden von seinen Wohltaten nur die demnächst zu pensionierenden Offiziere, sowie die Kriegsteilnehmer betroffen. Die pensionierten Offiziere von mehr als 30 Friedensjahren würden, abgesehen von wenigen in ak tiven Dienststellen wieder angestcllten Offizieren, aus- geschlossen bleiben. Gegen diese Maßnahme wendet sich eine höchst beach tenswerte Zuschrift der „Königsb. Allg. Ztg.", die zu nächst den Begriff der „rückwirkenden Kraft" in diesem Entwurf einer näheren Kritik unterzieht. Tie Zuschrift wirft die Frage auf, ob eine rückwirkende Kraft tatsächlich vorhanden ist, wenn das neue Pensionsgesetz in seiner Haupttendenz etrva bestimmen sollte, daß mit dein Beginn eines neuen Etatsjahres, beispielsweise mit dem 1. April 1905, allen pensionierten oder zu pensionierenden Ossi- zieren eine Pension zuzusprechen sei, deren Höhe sich nach der zuletzt bekleideten Dienststellung und der Anzahl der Tienstjahre richtet. Nach der durchaus gerechtfertigten Ansicht der „Königsb. Allg. Ztg." würde dann mit dem 1. April 1905 ein neues Recht ins Leben treten; aber eine rückwirkende Kraft ist nicht zu erkennen. Diese würde nur vorhanden sein in zeitlichem Sinne, wenn das Gesetz einen zurückliegenden Zeitraum, etwa bis 1. Januar 1905, mit umfassen sollte, wenn demzufolge den schon pensionierten Offizieren Nachzahlungen zu leisten wären. Davon ist aber nicht die Rede. Diesen Offizieren, denen bisher nach alten Normen Pensionen gezahlt wurden, würden vom 1. April 1905 Pensionen nach veränderten neuen Normen zugewiesen werden. Keineswegs aber kann deshalb das Gesetz als mit rückwirkender Kraft aus gestattet angesehen werden; und mit dem alle pensionier ten Offiziere berücksichtigenden Gesetz wird daher auch nicht ein Ausnahmefall geschaffen, der Berufungen recht- fertigen könnte. Es ist nicht unwichtig, Lies hervorzu- heben, weil eine sachlich richtig verstandene rückwirkende Kraft, wenn sic wirklich vorhanden wäre, manchen ab- halten könnte, einem die Zukunft regelnden, aber mit scheinbarer Abnormität die Vergangenheit einschließen- den Gesetzentwurf seine Zustimmung zu geben. Nachdem eindringlich darauf hingewiesen ist, welche aufopfernde Dienste die alten, in langen Friedensjahren ergrauten und jetzt pensionierten Offiziere dem Vater lande geleistet haben, wird die Frage aufgeworfen: Und diese Mitarbeiter an einem stets kriegsbereiten Heere sollen von den Wohltaten des neuen Gesetzes ausge schlossen sein? Die Zuschrift beantwortet sie mit Aus- führungen, die sich völlig mit denen von national liberaler Seite im Reichstage wiederholt gestellten Forderungen an das neue Militär-Pensionsgesetz decken und die für alle pensionierten Offiziere die Wohltaten des neuen Gesetzes verlangt. Die „Königsb. Allg. Ztg." hebt noch hervor, daß in einem künftigen Kriege das Vaterland diese alten Offi ziere gar nicht entbehren kann. „Die finanziell ungünstige Lage des Reiches kann die Einbringung eines unvollkommenen und daher geringere Mittel erfordernden Gesetzes nicht begründen. Abgesehen davon, daß Versorgungsgcsetze lediglich nach finanziellen Gesichtspunkten überhaupt nicht beurteilt werden dürfen, mutz im Auge behalten werden, daß Gesetze mit finan- zieller Tragweite, so auch Versorgungsgesctzc, finanziell günstige und ungünstige Zeiten überdauern und daher auch in ungünstigen Zeiten eingebracht werden müssen, sofern natürlich ihre Notwendigkeit eo ipso zu erweisen ist. Man kann einen Neubau hinausschieben, eine be stimmte Forderung zurückhalten, nicht aber kann man auch in den allerschlechtesten Zeiten gewisse Anforde rungen dieserhalb unbeachtet lassen. Es wird niemandem einfallen, aus solchem Grunde etwa ein Einschreiten gegen die Herero hinauszuschieben. Die darbenden Offiziersfamilien entziehen sich den Blicken der Allgemeinheit, ihr großes Elend ist aber vor handen, wenn es auch nicht mit plötzlicher Gewalt vor unsere Augen tritt. Mögen unsere Vertreter im Reichs lage in letzter Stunde dessen eingedenk sein, daß auch in dem neuen Pensionsgesetze, aber nur in seinen erweiterten Grenzen, schweren sozialen Mißständen abgeholfen werden kann. Es wird den alten pensionierten Offi zieren zum Segen und dem Vaterlandc nur zum Nutzen gereichen.'' ver stuktanä in Ziiamstattilra. Verstärkung»tran»pHrte. In Bestätigung der bereits gestern von uns ge brachten Mitteilung gibt die „Nordd. Allg. Ztg." folgende Liste der zunächst abgehenden Verstärkungs transporte: 1) Transport N, ab Hamburg, den 12. November, auf den Dampfern „Eduard Woermann" und „E rich Woerman n". Ausschiffung inLüderitz- Bucht: 4. Bataillon Feldregiments Nr. 2, Stab des Etappenkcmmandos Süd. 2) Transport O, ab Hamburg, den 22. November, auf Dampfer „Professor Woerman n". 23 Offiziere und Sanitätsoffiziere, 860 Mann aller Waffengattungen als Ergänzung für entstandenen Ausfall: Ausschiffungspunkt: Swakopmund. 3) Transport ?, ab Hamburg, den 6. Dezember, auf Dampfer „Palatia" der Hamburg-Amerika- Linie: a. 11 Offiziere, Sanitätsoffiziere und Beamte, 300 Mann aller Waffengattungen und 800 Pferde als Ergänzung für Ausfall; Ausschiffung in Swakop- mund, b. eine berittene Etappenkompagnie zum Schutze der südlichen Etappenstraße Lüderitz-Bucht— Kubub—Keetmanshocp; Ausschiffung in Lüderitz- Bucht. 4) Transport <Z. ab Hamburg, den 17. Dezember, auf den Dampfern „Louisiana" und „Eleonore Woermann": eine zweite Feldtelegraphen-Ab- teilung und eine zweite Funkentelegraphen-Ab- teilung zu drei Stationen; Ausschifsungsort Lüderitz-Bucht. Die Gesamtstärke aller vier Transporte beträgt: 76 Offiziere und Sanitätsoffiziere, 25 Militär- beamte, 2290 Mannschaften i'.">d 2214 Pferde. Der Stab des Etappenkommandos Süd, in der Stärke von 20 Offizieren usw. und 34 Mannschaften, fährt am 11. November mit dem fahrplanmäß'gen Zuge 11 Uhr 58 Min. abends vom Lehrter Bahnhcfe von Berlin nach Hamburg ab. Drei Verräter kriegsgerichtlich erschossen. Wie den „B. N. N." unter dem 7. Oktober aus Warm bad gemeldet wird, sind zwei Söhne und der Schwiegersohn deS Farmers Freyer, eines mit einer Buschmann-Frau ver heirateten Engländers, kriegsgerichtlich erschossen worden. Sie wurden nach dem unglücklichen Gefecht der Abteilung des Leutnants Baron v. Stempel als des Verrats verdächtig verhaftet. Der Verdacht, daß sie überhaupt mit Morenga unter einer Decke steckten, schein sich bestätigt zu haben. Auslieferung flüchtiger Herero. Die „Morning Post" bespricht die Frage der Auslieferung der auf britisches Gebiet geflüchteten Herero und kommt, wenn sie sich bei dieser Gelegenheit auch einige heftige Aus fälle gegen die Art der deutschen Kolonialverwaltiing leistet, doch zu dem Schlüsse, daß die auf englisches Gebiet ge flüchteten Herero jedenfalls durch die englischen Behörden zu entwaffnen sind und auch Fürsorge dafür zu treffen ist, daß englisches Gebiet nicht zur Angriffsbasis gegen „unsere deutschen Nachbarn" gemaä't wird. In ihren weiteren Ausführungen aber wehrt sie sich gegen die Anslirserung deutscher Rebellen. Bei dieser Gelegenheit kommt sie, jedenfalls sehr mit Unrecht, auf das Verhalten der deutschen Regierung zu dem Sultans prätendenten Said Chalid in Sansibar zu sprechen. Dieser Mann war kein gewöhnlicher Rebell. Er war als einziger Erbberechtigter auf das Sultanat Sansibar von den Arabern anerkannt. Er suchte in Sansibar bei der Beschießung des Ortes durch die englischen Kriegsschiffe Schutz bei dem deutschen Konsul und wurde daun ans dem „Seeadler" nach Deutsch-Ostafrika übeigeführt, wo er seitdem friedlich und ruhig gelebt hat, ohne daß die englische Regierung, soweit wir wissen, überhaupt seine Auslieferung verlangt hat. Diesen Mann, den der gewaltsame englische Eingriff, ohne daß er sich das Geringste hätte zu Schulden kommen lassen, des ThroneS seiner Väter beraubte, mit den von dem Blute unschuldiger Opfer triefenden Herero-Kapitänen zu vergleichen, ist jedenfalls rin starkes Stück. DaS Zweckentsprechendste wird nach der „K. Ztg." jeden falls sein, wenn die sämtlichen an der kulturellen Erschließung Afrikas beteiligten europäischen Nationen ein internationales Abkommen darüber träfen, unter welchen Umständen Farbige auszuliefern sind, und in welchen Fällen und mit welchen Voraussetzungen bei der Verfolgung farbiger Verbrecher eine zeitweilige Grenzüberschreitung der verfolgenden Macht zu gestatten ist. Bei ver augenblicklichen Rechtslage und anderen in Afrika vorauögegangenen Ereignissen würden wir es aller dings als ein befonderes Entgegenkommen der englischen Regierung aufzusassen haben, wenn diese die schuldigsten der auf englisches Gebiet geflohenen Kapitäne der Herero uns zur Bestrafung auslieferte. Au»-ehnung de» Nachrichtendienste». Zu den Kameruner Vorgängen erfährt die „Nat.-Ztg." von wohlunterrichteter Seite, daß die jüngsten Erfahrungen Anlaß gegeben haben, alsbald dahin zu wirken, „daß in Zukunst die amtliche Berichterstattung aus der Kolonie auch auf solche Vorgänge ausgedehnt wird, denen man an Ort und Stelle keine größere Bedeutung beimessen zu sollen glaubt, die aber, wenn sie lediglich aus privatem Wege in Deutsch land bekannt werden, infolge unzuverlässiger Berichterstattung Bennrubigung Hervorrufen können." Seor schön! Nur wird hoffentlich dafür gesorgt, daß die Berichterstattung nicht allein ausführlicher, sondern auch prompter wird und daß die Neuerung nicht auf Kamerun beschränkt bleibt! Iimrdnickr. Deutsche Ausfor-eruug zum Boykott. Wie heute aus Innsbruck gemeldet wird, veröffent lichen die dortigen „Nachrichten" einen Aufruf, worin zum wirtschaftlichen Boykott der italienischen Kaufleute aufgefordert wird. Die Stavtoertretung entließ alle italienischen Arbeiter, etwa 200 Maurer, Steinmetzen und Pflasterer. Hierbei ist zu bemerken, daß bisher 16 Deutsche wegen De molierung italienischen Eigentums verhaftet wurden. Gegenwehr -er italienischen Ktu-enten. Nach einer Wiener Depesche beschlossen die italienischen Studenten die Entsendung von Abordnungen an den Feuilleton. Die heilige Caeeilie. 23s Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten. Daß ihr die Serenade nicht aus dem Sinn will! Immer hört sie die werbende, schmeichelnde Melodie — nichts, als die Melodie! Hat sie die ganze Nacht hindurch gehört, die sie, vom ungewohnten Genuß des Weines erregt, in einem seltenen Zustand hingebracht hat, — halb Wachen und halb Traum. Wie eine Begleitung zu dem Brief, den sie in der Hand bält und immer wieder liest, tönt die Melodie,.... und doch ist der Brief so nüchtern und die Serenade so hinreißend schön, so voll von Poesie! — Aufmerksam blickt sie in das Briefblatt hinein: steht denn da nichts — nichts für sie zwischen den Zeilen? „Vergiß 'mich nicht ganz" — und „ich werde oft Deiner gedenken?" Das sind die paar Worte, die ein wenig Gefühl verraten, -- lieber Gott, wie wenig aber! Was denn — Tränen? Worüber? Nm wen? Das mutz die Nachwirkung von gestern sein, — es war doch ein aufregender Abend — und die 'Nacht ohne rechten Schlaf! Annemaries Nerven, — sie hätte noch gestern den Menschen, der ihr Nerven zugetraut haben würde, aus- gelacht, aber heute hat sie ganz entschieden welche! — also, ihre Nerven sind ohne Zweifel angegriffen! Wie war es auch seltsam gewesen, daß Oswald Mentzel immer nur nach i h r geblickt hatte, während er die Serenade . . . . Ta war sie schon wieder, die schmeichelnde Weise, und griff ihr an's Herz! Sie müßte jetzt singen — üben! Oder ausgehen, in die frische, klare Winterlnft! Weder zum einen, noch zum andern verspürte sie Lust, — sie saß und sann, ver- suchte, an daheim zu denken, sich die liebe, kleine Häus- lichkeit vorzustellcn, — den Vater, — die Geschwister, — das Karlemänuchen, .... bisher ein unfehlbares Mittel! Heute wollte auch das nichts helfen! Vor kaum acht Tagen waren sie hier noch so lustig gewesen, .... sie selbst, ihre Jugcndgespielen und dieser fidele Amerikaner! Einer von ihnen ging nach Paris, der zweite vielleicht gar über's Meer, — sie saß hier ein sam unter fremden Leuten, .... so ist das Leben! Ihre Zimmertür knarrt, — Agnes, die kleine Berliner Zofe, steckt vorsichtig den Kopf herein. „Ob Se ooch man janz alleene sind, Fräulein Lom- bardi, — kein Menschenkind um de Wege, — na, denn is et jut! Denn wat ick hier habe, — ob Ihnen des lieb wär', wenn de Oogen von det janze Pensionat nach kieken würden, — ick jlob' et nich! Nee, so wat Schönes! Mitten in'n Winter, — det sag' ick man!" Sie stand dicht vor Annemarie, die geheimnisvolle Rednerin, und holte nun hervor, was sie bisher in ihrer Linken auf dem Rücken gehalten hatte, — ein süßduftendes Bouquet zarter Rosen und einen kleinen Brief. „Wie — von wem " stammelte Annemarie. Agnes hob mit vielsagender Geberde die Schultern. „Ja, — wenn Sie et nich wissen .... vor meine Oogen is der freundliche Jeber verborjen, — denn 'ne Jede rin is det nich! So 'ne Rosen stiftet keene Dame! Sitzen Se man nich so uf'n Stuhl, wie 'ne Salz- säule, Fräulein Lombardi, — Verdacht müssen Sc doch haben!" „Verdacht?" „Uf denjcnigten, der Ihnen diese Zuwendung macht, meene ick! Na, ick an Ihre Stelle wollt' da nich lange so verloren mit'n Kopp schütteln, ick würde schon wissen, wo Luchs Bier holt! Nu werd' ick man nack 'ne Vase aus det Küchenspinde jreifen und Herdringen; 'n schcenen Weihnachten haben Se jekriegt, mutz ick sagen, — all' die juten Sachen, die Se hier zu liejen haben" — Es dauerte eine Weile, ehe Annemarie allein war und lesen konnte. „Meine weiße Rose, meine kleine Göttin, meine Mignon! Ich habe heute und morgen musikalische Konfe renzen, — möglicherweise entscheiden dieselben über meine Zukunft. Hast Tu es verstanden, was meine Geige Dir gestern gesungen hat, was meine Augen Dir verrieten? Ich mutz und ich will es Dir bald einmal sagen, sobald es irgend angeht. All' mein Denken und Sehnen ruht einzig in Dir! Mögen, bis wir uns Wiedersehen, diese Rosen für mich sprechen!" Der Brief trug keine Unterschrift. Was — was war denn das? Klang das nicht wie ein geheimes Einverständnis, wie eine Verabredung — wie Annemarie fing an zu zittern. Ihr war's, als stiege aus dem weißen Rosenstrauß, der ihr so nahe stand und so stark duftete, ein feiner, süßer Gifthauch auf, und als habe dasselbe Gift gestern in der Serenade gelegen, so schön und berückend sie auch geklungen! War es das — das gewesen, was Asta Kühne neu lich gemeint, als sie von „Verlockungen der Großstadt" gesprochen und hinzugefllgt hatte: „An m ich treten sie wohl nicht heran, ich bin eine kühle Blonde, um meinet- halben wird sich keiner mit Lug und Trug abgeben. Aber du, kleine Annemi, mußt dich in acht nehmen! Um dich herum wird es bald von süßen Redensarten schwirren, wie von Immen um's Bienenhaus! Laß' du dich nicht beschwindeln, — wer dir nicht mit redlichen Absichten kommt, den laß du sausen, daß er das Wiederkommen vergißt! Deine gesunden fünf Sinne und deine kleine flinke Zunge hast du ja nicht umsonst bekommen!" Redliche Absichten! Damit konnte Asta doch nur Verlobung und Heirat gemeint haben! Mitten in ihrer Beklommenheit mußte Annemarie lachen. Heiraten! Dazu war sie ja gar nicht nach Berlin gekommen! Sie wollte ja Musik studieren, eine i große Künstlerin werden! Aber dies hier, — dies —I einen scheuen Blick warf sie auf das weiße Rosenbouquet, I einen zweiten scheuen Blick in den kleinen Brief: „Meines weiße Rose, — meine kleine Göttin, — meine Mignon" — Don neuem das feine, süße Gift, das an sie heran schleichen wollte Drei-, viermal riß sie energisch zu, .... da war der Brief in Fetzen. Fünf Minuten später stand sie — in Jacke und Hütchen — bei Agnes in deren kleiner Mädchen kammer. „Wenn Sie doch so gut sein wollten, Agnes, die Rosen hier bei sich zu behalten — oder sie in den Haus- flur zu stellen — oder, wohin Sie sonst wollen! Ich . . . mir ist .... ich kann den Duft nicht vertragen — nein, nein, behalten Sic sie ganz, ich will sie nicht wieder haben! Ich will in die frische Luft, — da wird mein Kopf bester — Kopfschmerzen? Nein, — die sind es eigentlich nicht! Aber in die Luft will ich, so schnell wie möglich!" „Na, denn man los!" bemerkte Agnes philo sophisch, indem sie die Vase auf ein niedriges Schränkchen stellte und wohlgefällig beäugelte. „Ick bin nu fein 'raus mit det schccne Bouquet, — so wat blicht mir jewiß nich ofte in meinen Leben! Bloß komisch scheint et mir, dat sich Ihnen justement deNosen uf de Kopfnerven schmeißen, Fräul'n Lombardi, .... de Maiblumen taten et nich!" „Nein!" sagte Annemarie mit einem leichten Lächeln und besonderer Betonung. „Die Maiblumen taten es nicht!" Zwei Tage später bekam das junge Mädchen die beiden großen Neuigkeiten zu hören, die den ganzen Familientag und alles, was dazu zählte, in gewaltige Aufregung versetzten. Oswald Mentzel hatte sich die Protektion zweier Musik-Kapazitäten gesichert und hatte von einer der selben eine sehr günstige Stellung in R angeboten bekommen, — provisorisch allerdings. Der dortige Kapellmeister und Theaterdirigent, seit lange schon leidend, war schwer erkrankt, er batte einen Blut sturz gehabt und war von seinem »Arzt schleunigst nach Madeira geschickt worden, um die Lunge auszuheilen, —
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