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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041112028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904111202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904111202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-12
- Monat1904-11
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Settt Z. Rr. 478. 98. J-Hrg. mund, die, jetzt mit allen neuen HillsSmitteln der ärztlichen Wissrn- ichatt, la dir Lazarette Windduk, Lkatzandja und Karibik mit je einem Röntqenapparat auSgrslattet, den van den Feldlazaretten her eintressenden wieder tranSporljäyi» gewordenen Kranken Auf- nähme bi» zur vollstündigru Heilung gewähren. Innrdr««. In d«r Sta-t. Wie die „Boh." aus Innsbruck meldet, wird das aus wärtige Militär bis nach der Debatte im Reichsrate über die Regierungsvorlage betreffend die italienische Fakultät in Rovereto bleiben. Bürgermeister Greil erklärte in einer Unterredung, daß seiner Meinung nach daS Schicksal der italienischen Fakultät in Innsbruck, unbekümmert um die Erledigung der Borlage im ReichSratr, entschieden sei. Infolge der Aufregung der letzten Tage ist, nach anderer Meldung, der Statthalter von Schwartzrnau erkrankt. Gestern wurden die Klosets im Landgericht geräumt, da man vermutete, daß die ver hafteten italienischen Studenten Waffen dort versteckt hätten In der Tat wurden solche gefunden. Neb«rtrag«ng -er Nationalitätenftreite» nach Südtirol. Io Trient erhebt sich, wie der „Frkf. Ztg." geschrieben wird, seit einigen Jahren ein Denkmal, das die Italiener ihrem großen Dante gesetzt haben. ES ist errichtet worden, weil die Deutschen in Bozen Herrn Walther von der Bogelweide ein Denkmal setzten. Das deutet schon an, daß der Kampf zwischen den beiden Stämmen sich hauptsächlich auf kulturellem Gebiet abspielt. Beide Parteien suchen vor allem sich die Jugend zu sichern, indem sie Kindergärten und Schulen errichten. Auf deutscher Seite ist es der „Deutsche Schulverein", auf italienischer die „8oeietL vant« ^dgbieri", die den Kampf führt. Nach den jüngsten Ereignissen in Innsbruck ist der alte Streit um die Schult neu emporgeloht: Der Stadtrat von Trient verlangt in einer Resolution von der Regierung die Schließung des von etwa lOO Schülern besuchten deutschen Gymnasiums und der deutschen Schule in Trient. Der irreventistische ^äigo" droht, schwarze Listen der Eltern zu veröffentlichen, die ihre Söbne in die deutschen Schulen schicken. Dem unpolitischen Alpenverein der Deutschen haben die Italiener eine 8c>ciet» ctegti alpinisti triäsntini entgegengestellt, die offen Irredentismus treibt und gegen die Deuticheu hetzt. Ihre praktischen Leistungen sind kümmerlich, sie zählt noch nicht 1500 Mitglieder und besitzt nur 15 »um teil recht bescheidene Hütten. Auf jede Weise suchte sie den Bau einer Hütte, die die Sektion Berlin am Tucket-Paffe in der Brenta- Gruppe errichtet, zu hindern. Als sie erfuhr, daß die Sektion Bamberg das Berrabaus aus dem Fedajapaffe ankauste, er richtete sie schleunigst ein Konkurrenzunternehmen. Das Hauptorgau der irreoentistischen Südtiroler „I-ega uariormlo", der ,,^Ito Eckige" in Trient ist so geschrieben, als ob Südtirol bereits zu Italien gehörte. Es feiert zum Beispiel patriotische Feste in Italien mit Iubelartikeln und betrachtet das Haus Savoyen als herrschende Dynastie. Gegen alles, was deutsch heißt, schlägt das Blatt dagegen einen sehr rüden Ton an. Die Aussichten für die Aeichssatsseffion. DasAbge ord netenhaus soll, wie aus Wien telegraphiert wird, in der ersten Zeit täglich Sitzungen halten. Im Anschlüsse an die Rede, mit welcher der Ministerpräsident die neue Session einleiten wird, erwartet man eine große poli tische Debatte. Die Tschechen wünschen die rascheste Erledigung der von der Regierung einzubringenden Not- standSvorlage, doch müßten die deutschen Parteien vorher eine Gewähr dafür erhalten, daß die Einstellung der Obstruktion nicht nur sür die den Tschechen besonders erwünschten Vorlagen gilt, sondern als prinzipielle Aenderung der Taktik anzusehen ist. Die italienischen Abgeordneten werden einen Dringlich keitsantrag einbringen, des Inhalts, es möge die Regierungs vorlage bezüglich der Errichtung einer italienischen RechtS- fakultät in Rovereto im abgekürzten Verfahren erledigt werden. Im Vereine mit anderen, auch deutschen Gruppen wollen aber die Italiener die Errichtung dieser Fakultät in Triest durchsetzen. Die deutschen Parteien werden die Negierung wegen der Vorgänge in Innsbruck interpellieren. Der ltirrirch-Iapsnirche Weg. „Englische" Neutralität. ES gibt bei dem enormen Umfang einer „TimeS"-Nummer in dieser Zeitung stille lauschige Plätzchen, wohin das spähende Auge der fremdländischen Politiker nur selten dringt. In den Tiefen des Handelsteiles, unter den KurStabellen und Waren berichten, unter Baumwollballen und Oelfässern finden sich da manchmal Auslassungen, über deren Offenheit die poli tischen Redakteure der „Times" die Hände über dem Kopse Leipziger Tageblatt. zusammenschlagen würden. Eine solche Perle ungeschminkter Wahrheit hat der Londoner Korrespondent der „Allg. Ztg." in einer der letzten Nummern des Cityblattrs gefunden. Er schreibt: End« vorigrr Woche erhielt eine Londoner Reederflrma aus eine Anfrage an da- auswärtige Amt den Bescheid, - sei für britische Reeder nicht „zulässig" <perinü»id!e^ Schiffe zu dem Zw«ck zu chartern, daß sie der russischen Flott» mit Kohlenvorräten folgten. Dies« Austastung, die mit den späteren Aeußerungen der Regierung nicht im Einklang zu stehen scheint, ist nicht ohne Widerspruch ge blieben. So schreibt der Mitarbeiter der Times, der regelmäßig über die Seevcrordnungen berichtet: Lord Lansdownes Erklärung sei zu kurz, um ihre Meinung klar erkennen zu lassen. Bedeutet „unzu lässig" nur, daß die Regierung eine solche Verwendung englischer Schiffe mißbillige, oder daß sie Schritte ergreifen wolle, um'dieses Geschäft zu verhindern? Im ersten Falle sei jene Aeußerung nur eine Wiederholung der Neutralitätserklärung. Der Korrespondent der „Time-" fährt dann fort: „Während de- gegenwärtigen Krieges haben britische Kaufleute beide kriegführende Parteien — und Rußland be sonders — mit Kohlen versorgt, auch britische Reeder haben dir Kohlen nach Japan, Port Arthur und Wladiwostok gefahren. Auch jetzt sind sie noch dabei tätig, Kohlen zu verschissen; und manch einer kann keinen Unterschied darin entdecken, ob die Kohlen für den Gebrauch der russischen Kriegsschiffe nach Port Arthur ver schifft oder ob sie denselben Kriegsschiffen auf hoher See zugeführt wird." Nähme man die Erklärung Lord LansdowneS wörtlich, so sei ihre logische Konseauenz rin Ausfuhrverbot für Kohle; so lange die jetzige Krise dauere, wäre das zu empfehlen, sonst aber würde eine solche Maßregel der gesamten früheren Politik Englands widersprechen. „Für diesmal," heißt es weiter, „rede ich nur von der Kohle, aber die Leser der „Times" misten, daß englische Fabrikanten tatsächlich alle Art von KriegSausrüstung — Geschütze und Munition — sowohl nach Japan al-nach Ruß land während dieses Krieges geliefert haben. Es ist ein sehr umfangreiches und profitables Geschäft gewesen, und es müßte schon eine kühne Regierung sein, die es stören wollte." DaS steht also in den „Times", demselben Blatt, das sich beinahe tagtäglich an anderer Stelle über angebliche Ver letzungen der deutschen Neutralität sittlich entrüstet. Japanische Vorschläge. Mit der Pariser Depesche über Neutralitätsbesprechungen zwischen dem japanischen Gesandten und DelcassS trifft ein anscheinend inspiriertes New Yorker Telegramm aus Petersburg zusammen, die japanische Regierung habe der russischen einen Vermittelungsvorschlag gemacht, der aber von Rußland ab gelehnt worben sei. Diese Meldung weiß zu viel, um etwas zu wissen. Vor Delcasse hat, wie heute berichtet wird, der japanische Gesandte ver- sckiedene Vorgänge zur Sprache gebracht, die nach der Meinung der japanischen Regierung nicht mit der Be obachtung strikter Neutralität übereinstimmten. Dem „TempS" zufolge sind auch die japanischen Gesandten bei zwei anderen Mächten, offenbar Deutschland und Spa nien, Erklärungen zu erbitten angewiesen worden. Die gestrige Unterredung führte noch nicht zu einem Resultat, sie wird „in freundschaftlicher Weise" fortgesetzt. Die Führer. Wie vom Freitag aus Petersburg gemeldet wird, ist der glorreiche Statthalter Alexejew vom Großfürst Alexis Alexandrowitsch empfangen worden. Der Ches des Stabes des V. Armeekorps, Generalmajor Ewert, wurde zum Generalquartiermeister des Feldstabes Kuropalkins ernannt. Der Admiral Skryvlofs ist nach einer langen Konferenz mit Kuropalkin nach Wladiwostok zurückgelehrt. Einberufungen. Der Einberufung in den aktiven Dienst aus l9 Krxisen des Königreichs Polen, welche zu dem Militärbezirk Warschau und teilweise zum Bezirk Wilna gehören, unterliegen nach der „Kölnischen Zeitung" 110 000 Reservisten, wovon etwa 40 000 eingestellt sind, 13 000 wurden den fertigen Schützenregimenrern und für den fernen Osten bestimmten Artillerie eingereiht, 3400 zur Auffüllung der 48. Infanterie division benutzt, welche die nach dem Kxiezsschau- platz abgebenden Schützenbrigaden ersetzen soll. Die übrigen 24 000 sind teils nach Brestbjalistok befördert zur Ergänzung des Personals der mobilisierten Feld-Hospitäler teils für den Militärbezirk Kasan bestimmt zur Auffüllung der dortigen Garnisonen. Für die aus der 48. Reserve brigade aufgestellte 48. Infanteriedivision trafen in Warschau viele Offiziere auS den inuern Gouvernement- ein, zwei Regimenter bleiben in Warschau und Iablonna, je eins in Kutno und Gostynin, in jedem Regiment sind 850 Reservisten. Von b«r Frs«»t. Nach einer Reutermeldung au- Mukden ist zwischen den beiden Armeen ein noch zeitweilig aussetzender Artilleriekampf im Gange. DaS Geschützfeuer war am stärksten aus dem linken Flügel; von diesem aus beschossen die Russen den ganzen Mittwoch und die Nacht zum Donnerstag hindurch die japanischen Stellungen mit schweren Geschützen. Bis jetzt hat kein« Partei einen Vorteil errungen. DqS Bureau Reuter meldet ferner aus Mukden vom 10. Nov.: Die Russen beschossen m der Nacht des v. November da« japanische Lager gegenüber dem Mamalon - Hügel mit Melinitgranaten. Die- war die dritte Nachtbeschießung im Lause einer Woche. Die Japaner erwiderten da« Feuer nicht. Es findet fast jede Nacht ein Austausch von Artilleriefeuer statt, wobei die Geschütze mehrfach die Stellungen wechseln. Die Japaner werden immer sparsamer mit der Munition, als wenn eine große Schlacht zu er warten wäre; sie brachten schwere Geschütze ber der Station Sckaho in Stellung. Die Japaner haben auch die Station Schiatun, die nächste nördliche, in ihren Geschützberrich gebracht. Es wird gemeldet, daß die Russen den Waffcrturm der Station Schabo, welcher den Japanern al- Beobachtungsturm diente, durch ihr Feuer zerstört habe». Die Verteilung der Leben-mittel und Kleidungsstücke, die ein Geschenk der Kaiserin waren, wurde von der russischen Armee festlich begangen. Die Armee ist überhaupt in besserer Stimmung und macht einen guten einheitlichen Eindruck. Die Truppen jpeichern die von den Chinesen im Stich gelassene Ernte nicht auf. In der vordersten Feuerlinie werden aus strategischen Gründen die Häuser zerstört. Das Wetter ist milde. Au- Tscbiiu erfuhr man von der Lage Port Arthurs, auf-dessen Kapitulation man vorbereitet war. Die Japaner sind im Osten offenbar nicht über die Stellung nördlich von Laimatsi vergegangen; sie konzentrieren sich im Zentrum. Man hält die zapanischen Verstärkungen für be trächtlich und wartet den japanischen Angriff ab. Der russischen Armee stehen drei Rote Kreuzzüge zur Verfügung. Aufgespeicherte» Geld. Der „Daily Telegraph" meldet au- Tientsin von gestern: Die Nachricht, die Russen hätten ungemÜnzteS Geld in Liuminting aufgespeichert, ruft unter den Japanern große Aufregung hervor. Es heißt, die Japaner träfen Vor bereitungen, sich des Geldes zu bemächtigen. pMstrbe Lagezrcbau. Leipzig, 12. November. Die Kanal-Komödie. Bitter verhöhnt wird der Schleppmonopolantrag am Zehnhosf in einem Artikel, den der freikonservative Abg. Dr. Arendt im „Tag" erscheinen läßt: Darin heißt es u. a.: Die „Zentrum spartci" hat einen Antrag ausgearbeitet, der allen Bedürfnissen gerecht wird, alle Besorgnisse bannt, nur Vorteile mit sich bringt und vor allen Dingen den doppelten Vorteil hat, dem Landtag unangenehme Konflikte zu ersparen und das „gebaut wird er doch" des verflossenen Ministers v. Thielen zur Wahrheit zu machen. Nur ein kleiner Mtßklang war es in der allgemeinen Freude ob solcher rühmlichen Taten, als am Schluß der entscheidenden Sitzung der Kanal kommission der Vertreter Altonas, der Abgeordnete Menck, ein prak tischer Fachmann, mit dürren Worten und guten Gründen das Schleppmonopol für unausführbar erklärte. Als ob es bei der Kanalvorlage auf die praktische Ausführbarkeit ankäme, die Emschertallinie wird ja auch von manchen Fachleuten für unaus- führbar gehalten, was doch die Mehrheit des Abgeordneten. Hause- nicht abhalten wird, „unentwegt" dafür zu stimmen. Die Techniker werden nachher schon zurechtkommen. Nichts scheint einfacher zu sein als das Schleppmonopol .... Der Staat kann durch angemessene Tarifsätze zu Einnahmen gelangen, welche die Kosten der Kanäle aufwiegen, und vor allem, er kann die Tarife so gestalten, daß die Kanäle weder den Eisenbahnen Konkurrenz machen, noch zu wirtschaftlichen Verschiebungen, insbesondere bei der Einfuhr au- dem Auslande, führen. Durch das Schleppmonopol ist es also möglich, fiskalische und schuyzöllnerische Kanalpolitik zu treiben... Das Schleppmonopol kann nur dann wirksam sein, wenn kein Fahrzeug mit eigener Kraft den Kanal passieren darf, also kein Dampfer oder Dampfkahn, kein Segelschiff oder Ruderkahn wird zugelassen, der nicht durch die staatliche Monopolkraft — sei es nun Dampf oder Elektrizität — befördert wird. Mag man das dann Schleppmonopol nennen, tatsächlich ist eS ein Betriebs monopol. Ich will eS dahingestellt jein lassen, ob dann eine Schiffahrt auf dem Kanal sich überhaupt noch entwickeln kann, jedenfalls hören die Vorteile auf — und da ist ja auch der beabsichtigte Zweck de- Monopols — die bisher die Begeisterung für den Kanal hervorrtefen . . . Nebligen» ist mit dem Schleppmonopol zwar der parlamentarische Weg für den Kanal geebnet, aber die praktische Ausführung noch keineswegs gesichert. Die Garantien der Provinzen sind hinfällig und müssen erneuert werden, und es ist keineswegs sicher, ob für den monopolisierten Sonnabend, 12. November 1W4. und überdies zunächst wenigsten- all Torso gedachten Kanal überall die frühere Opsersreudigkit bestehen wird." Dir bündlerische „D. Tage-ztg." scheint übrigen- gar nicht zu merken, welch blutiger Hohn in diese» Ausführungen liegt, denn sie beschäftigt sich in einem Leitartikel ganz ernst haft mit den Arenvtschen Au-führungen und sagt zum Schlüsse: PSir wiederholen nochmal-, daß unser« wesentliche, Bedenken keineswegs beseitigt sind, und daß vir aus, unserm ablehnenden Standpunkt vorläufig ver harren müssen, fall- durch die weiteren Verhandlungen in der Kommission unsere Bedenken nicht gehoben werden. Das ist dock wohl deutlich genug. Wir könnten ja noch um eine Abtönung deutlicher sein und rundweg sage», daß der Kanal unter allen Umständen abgelehnt werden müsse. Wenn wir das jetzt nicht sagen, so beweisen wir damit wiederum, daß wir „bessere Menschen" sind als die früheren Kanal freunde. Wir sind durchaus geneigt, unS überzeugen zu lässen. Aber wir müssen im wahren Sinne des Wortes überzeugt werden, daß der Rhein—Leine-Kanal mindestens unschädlich sei. Bisher ist da- nicht geschehen, de«- halb müssen wir unfern alten wohlbegründetrn Standpunkt bis auf weiteres sesthalten. Soll aber eine solche andere Ueberzeugung herbeigeführt werden, so ist eine sorgfältige Prüfung aller ein- schlägigcn Fragen notwendig, ja selbstverständlich. Wir stimmen deshalb dem Abgeordneten Dr. Arendt durchaus bei, wenn er in einem Artikel des „Tags" ausführt, daß vielleicht noch einige Zeit des Erwägens bei einem so gewattigrn Unternehmen recht am Platze wäre. Wer sich solchen gebotenen, ja selbstverständlichen Er- Wägungen verschließt, der gefährdet die Kanalvorlage, nicht wir. Die „Post" schließt übrigens aus den in der gestrigen Sitzung der Kanalkommission gegebenen Erklärungen, daß bei der am Montag bevorstehenden Abstimmung erster Lesung der Rhein-Herne-Kanal mit großer Mehrheit unv nach Ab lehnung sowohl der Verkürzung bis Minden, alsderÄuSvehnung bis Peine und Hildesheim auch die Strecke Bervergern-Hannover angenommen werden wird. „Wie groß die Mehrheit für dieze Linie sein wird, läßt sich noch nicht übersehen, weil noch nicht seststeht, wie die Anhänger der Verkürzung bis Minden stlmmen werben, nachdem ber bezügliche Antrag abgelehnt ist." Die erste Lesung in ber Kommission geht vielleicht schneller zu Ende, als man erwartet hatte; aber eine Förderung er führen dadurch die Dinge doch nicht; denn die zweite Lesung soll erst wieder ausgenommen werden, wenn das Parlament zusammentritt, also nach dem 21. Inzwischen ist man, wie oben gezeigt, auf konservativer Seite wieder eifrig am Werte, zu „erwägen" und zu versichern, daß man sich nach keinerlei Richtung binden wolle. Auf die Mithülse der Konservativen kann also nach wie vor nicht gerechnet werden. Wozu also eigentlich die ganze Komödie? Ter „Wasserkopf" Berlin. Wie die „Neue politische Korrespondenz" hört, werden sich die Informationen und Einblicke, die der preußische Herr Minister des Innern auf seiner Studien reise nach London und Paris gewonnen hat, zu einer Gesetzesvorlage verdichten, welche in tendiert, die ärmeren Vororte Berlins mit der Hauptstadt zu Zweckverbänden zu verbinden, die diesen Vororten das Tragen ihrer Schul-, Armen- und Wegebaulasten erleichtern sollen. — „Wär der Gedank' nicht so verflucht gescheit . . ." Man hat es Berlin unmöglich gemacht, ssch auSzudehnen und die Zentrale Deutschlands zu organisieren. DaS will man ikm auch beute noch nicht gönnen. Aber man hat einen Er satz dafür, ein Pflaster aus die Wunde: Berlin soll den Vororten die Lasten tragen helfen! Fein auSgedacht, Pater Lamormain. Berlin wirb diesem Minister d. I. uoch einmal ein Denkmal aus Kommunalmitteln setzen, d. h. wenn er abgeht. .1» ' . ! . . Ter neue Lorts-Mclikow Michael Tarielowilsch Tainow Graf Loris-Melikow ist im August l880 zum russischen Minister des Innern ernannt worden. Er beeinflußte deu Zaren Alexander II. in liberalem Sinne und schickte sich bereits an, seinen Plan einer Volksvertretung zu verwirklichen, als der Zar-Befreier im März 1881 da« Opfer eines wahnwitzigen nihilistischen Anschlags wurde. Zwei Monate darauf, im Mai, war LoriS- -Melikow von Alexander III. entlassen. Ob der Fürst Swja- topolk-MirSki intellektuell an den Liberalen von l880 gemahnt, ist nicht zu erkennen; nach den legislativen Versuche», die er macht, muß er ihm beigeordnet werden. Denn jeder Tag bringt neue liberalistischeDekrete,und man zankt sich umPlehweS Nachfolger, als ob er ein ganzes System verkörpere. Die „MoskowSkija Wjevomosti" warne vor ber Regierung, das beißt vor ihm, weil das Vertrauen zur Gesellschaft, die Einstellung der Verfolgungen, von den Revolutionären miß braucht würden. DaS Blatt fordert wörtlich einen zweiten Admiral RoschdjestwenSky zur Bekämpfung des inneren Feindes. Auf der anderen Seite find die hohe Bureaukratie und die „Sie kennen das Original nicht?" „Leider nein! Ich würde es mir zur Ehre schätzen, aber ich bedaure, — ich muß wiederholen: nein!" „Wohl ein sehr hübsches Gesicht?" „O!" Die Augenbrauen des Hausmeisters gingen empor, so hoch cs ihnen irgend möglich war. „Wir haben einen feinen Geschmack, — ich bitte Siel Nichts alltäg liches! Ganz apart! Exquisit!" „Und die Auffassung?" «Darf nichts weiter sagen, — nur das eine: modern, — modern! Nicht die alten Meister nochgeahmt — nein, nein! Selbständiger Stil, — sehr eigenartig!" „Aber wenn das Bild nicht in den Kunsthandel soll, für wen" — „Mir selbst vorläufig ein Rätsel! Vielleicht will es der Künstler als Privateigentum behalten, — ich weiß nicht! Kann es sich ja leisten! Wäre aber schade! ,Das Mädchen mit den Früchten' wird er ausstellen, auch den «Kleinen Schuhputzer', .... aber die.Heilige Cäcilia — nein! Keinesfalls! — Wollen die Herrschaften schon gehen? Bedaure nochmals, das Atelier nicht haben zeigen zu können, .... bitte ergebenst um Diskretion! Habe die Ehre! Meinen verbindlichsten Dank!" Die letzten drei Worte galten einem Händedruck, den der ältliche Herr dem eifrigen Förderer der Kunst zuteil werden ließ. — Indessen stand Frank Holbein der Jüngere, ohne zu ahnen, in welcher Weise sein Hausmeister soeben seinen Ruhm verkündet hatte, in seinem Atelier und malte. ,Das Mädchen mit den Früchten', lebensgroß, der Vollendung nahe, war beiseite gerückt, — eS war nach dem Modell gemalt, — eine tüchtige Leistung. Nicht eine malerisch drapierte südliche Schönheit, — ein Kind des Nordens, lachend, frisch, blond, ein wenig herbe, ohne eine Spur von Dreistigkeit oder Gefallsucht. Sie machte keine Pose, einfach stand sie da mit ihren Früchten, die scheinbar ungeordnet in einer blauen Delfter Schale lagen. Der Hintergrund ein Helles Grün, als habe das Mädchen vor einer jungen Birke Posto gefaßt. — im An zug nur grau und wenig rot verwendet, die sonneverbrann ten Hände mit der Schale leicht erhoben, dem Beschauer gleichsam anbietend entgegengehalten. Die unbefangen blickenden Augen, die halb offenen Lippen schienen zu fragen: „Willst du?" Die „Heilige Cäcilia", ein lebensgroßes Kniebild, noch lange nicht fertig, fast alles Beiwerk erst angedeutet, nur der Kopf bedeutend sorgsamer ausgeführt. Auf den ersten Blick überhaupt gar keine Heilige, — ein junges Mädchen in reicher Jdealtracht — an die Renaissancezeit anklingend! — an einem altertümlichen Spinett sitzend. Das Spinett hatte Frank Holbein sich für Geld und gute Worte ohne große Mühe verschaffen können, das Original seiner Heiligen war weder für die besten Worte noch für die größeste Mühe auch nur zu einer einzigen photographischen Sitzung zu haben gewesen! — Annemarie Lombardi, durch ihr Erlebnis mit Oswald Mentzel vollkommen kopfscheu gemacht, hatte eS Asta Kühne rundweg abgeschlagen, als diese kam und sie, als Abgesandte Frank Holbeins, an ihr dem jungen Ameri kaner gegebenes Versprechen mahnte. Ganz umsonst, daß Asta, erstaunt über des Mädchens Sinnesänderung, von „wunderlicher Prüderie" sprach, — daß sie immer wieder betonte, cs handle sich um eine einzige Zusammen kunft in ihrem — Astas — Stübchen, bei welcher sie selbstverständlich zugegen sein würde! Frank Holbein sei ihres Bruders Freund, ein ehrenhafter Mensch, der ledig lich künstlerische Zwecke in dieser Angelegenheit verfolge, — und Annemarie sei ja damals, zur Weihnachtszeit, so erfreut gewesen bei dem Gedanken, gemalt zu werden, und hätte sofort zugesagt? — Es half alles nichts! Das bloße Wort „Zusammen kunft", einerlei, wo, — einerlei, wer noch dabei war, ver schüchterte daS Mädchen bis zur Fassungslosigkeit. ES war ihr jetzt einerlei, ob sie gemalt wurde oder nicht, — konnte der Maler kein Bild von ihr ohne ihr Beisein an- fertigen, so sollte er es eben bleiben lassen, — sie wollte nicht, — und sie wollte nicht!! — Asta tat es leid um den liebenswürdigen Menschen, der sich auf seine neue Arbeit freute, dem sie, um ihres Bruders willen, soviel Dank schuldete. Wie gern hätte sie ihm einen Gefallen erwiesen! Annemaries Benehmen erschien.ihr ganz unbegreiflich, denn, natürlich, von Os wald Mentzel hatte sie kein Wort verlauten lassen! Asta mußte sich am Ende damit begnügen, die einzige in ihrem Besitz befindliche Photographie ihrer Freundin herzugeben, vor Jahr und Tag in der westpreußischen Kleinstadt angefertigt, verhältnismäßig gut genug ge raten, aber schließlich für einen Maler, der danach ein großes Porträt machen will, doch nur ein äußerst schwacher Notbehelf. Er war denn auch sehr ärgerlich gewesen, der gute Frank Holbein, hatte auf englisch — Asta redete, zu ihrer Uebung, stets englisch mit ihm — gehörig auf die dummen kleinen deutschen Mädchen und auf die ganze deutsche weibliche Erziehung geschimpft, und hatte erklärt, er verzichte überhaupt auf die „Heilige Cäcilia", die ganze Idee sei ihm verleidet! Er malte einstweilen „DaS Mädchen mit den Früchten", er malte aus dem Gedächt- nis seinen Freund Hans Kühne in Pastellfarben und begann ein Selbstporträt, durch den Spiegel gesehen, — sehr vielversprechend! Aber die „Heilige Cäcilia" ließ ihn doch nicht los, er hatte sich zu sehr in den Gedanken an diese Arbeit hineingelcbt, — in Gottes Namen griff er nach der kleinen Photographie und begann zu malen! Und er hatte Glück, der strebsame Holbein der Jüngere! Als er eines Tages so ziemlich mit seinem Latein zu Ende war und, wenig christlich, seine junge Heilige zu allen Teufeln wünschte, da ging er abends in ein Philharmonisches Konzert, um mal gute Musik auf sich wirken zu lassen, — es wurde Beethovens „Eroika" gespielt. Und siehe, — mitten unter den zahlreiche« Musikjünglingen und -Jungfrauen, die die verschiedenen Institute besuchten, und die hier die ihnen angestammten Plätze einnahmen, tauchte ein Köpfchen auf, blumenhaft, frisch und lieblich, mit großen, weltentrückten, schwärme risch aufwärts gerichteten Angen, .... die Kopfhaltung und den Ausdruck konnte er gerade gut brauchen! Er zog sich also in eine nahegelegene Ecke zurück und studierte — und „fixierte" sogar ein wenig in aller Eile und Heim lichkeit, auf der linken Seite seines Programmes und mit fliegenden Bleistiftstrichen,.... aber nur die Haltung des Kopfes und die Art, wie dies Köpfchen frei und leicht auf dem feinen Nacken getragen wurde! — Vergnügt kam er mit seiner Ausbeute heim, — es war doch wenigstens etwas I Und etwas mehr war es, als er kaum acht Tage später an einem lauen Februartage — es wehte schon wie Frühling in der Luft, was natürlich nichts als Lug und Trug war! — seiner „Heiligen Cäcilia" an der Ecke der Bellevuestraße begegnete, — sie stand in der Nähe einer Blumenverkäuferin und sah auf deren mit Veilchensträuben und Krokus und Tazetten gefüllten Korb, — zauderte einen Augenblick und schritt dann weiter. Dies sehen, — mit einem raschen Griff so viel von den Blumen packen, wie es sich in der Eile tun ließ, dem verblüfften Weibe ein Geldstück hin werfen und der „Heiligen" in die Königgrätzer Straße nachstürzen, so schnell seine langen Beine ihn tragen wollten, .... dies war für Frank Holbein daS Werk eines Augenblickes gewesen! — (Fortsetzung folgt.)
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