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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041027025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904102702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904102702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-27
- Monat1904-10
- Jahr1904
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BezugS-PreiS t» d« »allptrxprdltton oder deren Ausgabe stelle« ab geholt: vierteljShrltch >4 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 3.7b. Durch dir Post bezogen Nir Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich .zl 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitunqspreiSliste. Diese Nummer koste! auf allen Bahnhöfen und III I bei den ZeitungS-Berkäusern Redaktion und Expedition: 153 Fernsprecher 2LL JobanniSgasse 8. Filialexpedttionen: Alfred Hahn, Buchhandlg.,UniversitätSstr.3 sFernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 2935) u. König«, platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße34(Fernjprecher Amt INr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarIDunck c r, Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg., Lützowstratze lOlFernsvrecherAmtVI Nr.4603>. Nr. 55V. Abend-Ausgabe. UeiWM TagMalt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates un- -es Rolizeiamtes der Lta-t Leipzig. Anzeigen-PretS die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redaktiousstrich («gespalten) 75 nach den Familienuach» richten (6 gespalten) bO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osferlenannahme 25 Nnnahmeschlutz für Nnzei,en: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. , Morgen-Au-gabe: nachmittag- 4 Uhr. : Extra-Beilagen gefalzt), nur mit der Morgen-A»Saabe, ohne Postbefördrrung 60.—, m' t Postbeförderung -Sl 70.—. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von trüh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Ji b. Or. B, R. Sc W. Klinkhardt). Donnerstag den 27. Oktober 1904. W. Jahrgang. Der MrMtionr-Arrer wegen erscheint am nächsten Montag EiktNL Ausgabe unserer Zeitung. Inserate, welche für diesen Tag bestimmt sind, finden daher am zweckmäßigsten in der Sonntag»- nummer Aufnahme, die im vorliegende» Falle also 2 volle Tage lang ausliegt und somit für AnMW siler AN deriiulerr miclirzai sein muß. Da wir infolge des großen Umfanges der Zonntagsniimmer mit dem Drucke sehr frühzeitig beginnen müssen, so bitten wir uns insbesondere grsfzere dtefckäft»- empfehlungen, sowie Oergnügungsanzcigen mög lichst schon am Freitag zu überweisen, da nur dann inbezug auf Satz und Plazierung besonderen wünschen kann entsprochen werden. Zrmrste für rlie Lien8tag5-Xvmmer können nur bis Sonnabend abends r Uhr in unserer ksaupt-Lrpedition angenommen werden. - Var Mebtigm vom rage. * Tie Ver sl ärknngen, die in nächster Zeil n a ch S ü d w c st a f r i k a abgehen sollen, sind auf 2000 Mann beziffert: sie sollen als Ersatz für die Truppen, die General o. Trotha gegen die aufständischen Wirdois ibgesand: l'-'t '"ouüe zur. Ergänzung rür die Gefallenen uno Kranken drenen. * Tie vom Reichsanit des Innern veranlaßten E r - Hebungen über die Verhältnisse in den Syndikaten undKartellbildun gen werden demnächst fortgeführt. * Tic „Daily Mail" bringt diebishernoch u n - bestätigte dlachricht, die russische Regierung habe die B e st r a f u n g der schuldigen Offiziere und die Gewährung von Garantien für die Zukunft verweigert. Die englische Regierung habe infolge dessen ein Ultimatum gestellt und die Bewilligung aller Forderungen bis h e n t e nachmittag begehrt. (L. den befond. Artikel.) * Tas zuversichtliche Schreiben des Zarenan Ku rv p a t k i n wird veröffentlicht. Südöstlich von Mul den wurde gestern abend gekämpft; die Japaner haben ein Torf genommen. Im Gouvernement Mobilem haben russische Refervi st e n die jüdischen Magazine geplündert. (S. russ.-jap. Krieg.) Der fall Hammerstem-Mirbach. Wir tun Buße und streuen Asche aufs Haupt — Herr v. Hammerstein hat doch Recht gehabt mit seinem Ver trauen auf das Preußische Abgeordnetenhaus. Eine so lahme und laue Anteilnahme des Hauses an Vorgängen, die das ganze Land monatelang in böse Erregung versetzten und die in ihrem wesentlichsten Teil „die heiligsten Güter" des Parlaments berühren, hatten wir doch nicht erwartet. Anders Frhr. v. Hammerstein, dieser Minister, der bisher mit einer Treffsicherheit, die selbst in der Geschichte der preußischen Bureaukratie unübertroffen ist, in jeder pretärcn Situation gerade das tat, was geeignet war, die Karre in den Sand zu fahren und das ganze Ministerium als blamiert erscheinen zu lassen, der die verhängnisvolle Gabe besitzt und weidlich benützt, aus jeder, wenn auch noch so harmlosen Sache eine „Affäre" zu machen — er bat dies mal das bei dem Cbarakter des preußischen Parlamentes allein Richtige getan, nämlich das für ihn Richtige Wir haben nicht zu untersuchen, ob es höhere Einsicht oder Zufall war, was die Operationen des Ministers lenkte — wir haben nur zu konstatieren, es war richtig, und der preußische Land tag ist so behandelt worden, wie er es verdient. Um ein möglichst klares Bild der Vorgänge zu geben, wie sie sich nach der eigenen Darstellung des Ministers abgespielt haben, drucken wir hier die Angaben des Ministers über diesen Punkt nach dem als zuverlässig bekannten Oldenberg- schen Bericht ab: „Die Schreiben an die Oberpräsidenten datieren vom 1. Mai 1902. Diese Schreiben sind, wie ich schon erwähnte, ohne jede Mit wirkung meinerseits abgegangen, sie blieben mir vollständig unbekannt. Am 17. Februar 1903, also 9'.'- Monate später, erhielt ich dann durch den Frhrn. v. Mirbach die Aufforderung, einem Komitee beizutreten, das sich zu Sammlungen zu dem ge dachten Zwecke bilde Hierdurch habe ich erst von der Ab sicht dieser Sammlung etwas erfahren. Gleich vielen anderen ließ ich auch meine Unterschrift unter den Ausruf dieses Berliner Komitees setzen Darauf erhielt ich am 17. März 1903 von Herrn v. Mirbach eine Anzahl Trnckexemplare dieses Komitees mit der schriftlichen Bitte, in meinen Kreisen für die Sammlung zu wirken. Ohne jede Kenntnis von dem weit zurückliegenden Schreiben des Freiherr» von Mirbach an die Oberpräsidenten glaubte ich dem Ersuchen am besten zu entsprechen, indem ich unter dem 21. März 1903 ein Schreiben an die Oberpräsidenten richtete, dessen Ver lesung der Abgeordnete Träger gewünscht hat. Dieses Schreiben lautet: „In Berlin hat sich ein Komitee gebildet, welches be zweckt, Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin zur silbernen Hochzeit am 27. Februar 1906 den fertigen Ausbau der Kaiser - Wilhelm - Gedächtniskirche als Gabe darzubringrn. Die hierzu erforderlichen Mittel von mehr als einer Million Mark sollen durch freiwillige Gaben aufgebracht werden. Euer Exzellenz sende ich beiliegend ein Truckexemplar des von dem Komitee unterm 27. Februar d. I. erlassenen Aufrufs mit dem ergebensten Anheimstellen, für das weitere Bekanutwerden desselben zu sorgen." Frhr. v. Hammerstein erklärte dann noch, bis Milte April dieses Jahres habe er von dem ersten Schreiben des Ober hofmeisters v. Mirbach an die Oberpräsidenten nicht- gewußt. Schön. Aber die erste Mirbach-Interpellation imAbgeordneten- Hanse fand am 30. Juni statt, und an diesem Termin wußte der Minister in der Hauptsache Alles, waS er heute weiß. Und wenn ..,m ja noch ein bedeutsam erscheinendes Detail gefehlt haben sollte, so hätte es ja Mittel genug gegeben, alles Wissenswerte in vierund zwanzig Stunden zu erfahren. Nach einem Kaiserworte leben wir ja „im Zeichen des Verkehrs", und wenn Glück wunschdepeschen „gekabelt" werden, konnten wohl auch einmal wichtige amtliche Auskünfte „gedrahtet" werden. Der Minister wußte s. Zt., daß Frhr. v. Mirbach im heftigsten Kreuzfeuer stand. Und wenn Frhr. v. Hammerstein damals das über den Oberhofmeister gesagt hätte, waS er gestern zu sagen wußte, so wäre ein großer Teil der späteren Er örterungen überflüssig geworden. Aber damals war daS Eisen noch sehr heiß, das sich heute durch die teilweise Inaktivierung des Frhrn. v. Mirbach bedeutend abgekühlt hat. Also erhob sich der Minister, wußte von nichts und ließ Herrn v. Mirbach weiter beraten. Die Interpellation Traeger vom 30. Juni lautete: „Nach Mitteilungen in den öffentlichen Blättern hat der Ober hofmeister Frhr. von Mirbach die Oberpräsidenten mittels Rund schreiben- veranlaßt, durch ihnen Nachgeordnete Behörden Samm lungen zu veranstalten, deren Erträge dem Kaiserpaar demnächst am Tage seiner silbernen Hochzeit für evangelisch-kirchliche Zwecke, insbesondere für die Mosaikverzierung der Kaiser Wilhelm- Gedächtnis-Kirche zu übergeben sind. Hat die Königliche Staatsregierung den Oberhofmeister Frhrn. v. Mirbach zu solcher Inanspruchnahme von Staatsbehörden vorher autorisiert, und erachtet es die Königliche Staatsregierung für zu- lässig, die Autorität der Behörden den Eingesessenen ihrer Bezirke gegenüber zu benutzen für Sammlungen, bei denen nach ihrem An laß alles ganz besonders vermieden werden muß, was die Frei willigkeit der Geber fraglich erscheinen lassen kann?" Die Interpellation richtete also zwei klare Fragen an den Minister, und man durfte erwarten, daß sie nicht minder klar beantwortet wurden. Herr v. Hammerstein erklärte aber, er könne die Interpellation nickt beantworten, da die angeord neten Erhebungen noch nicht abgeschlossen seien, ja, er ver mochte nicht einmal den Tag zu bestimmen, an welchem er eine erschöpfende Auskunft geben könne. Gestern, am 26. Oktober, nach fast vier Monaten, beant wortete der Minister die Interpellation. Und in seiner Rede ,sagte er hinsichtlich der ersten Frage: „Weder in der in der Interpellation behaupteten Form, noch irgendwie sonst ist tatsächlich vorher eine Genehmigung erfolgt." Konnte Herr v. Hammerstein diese bündige Auskunft nicht schon am 30. Juni geben, und warum konnte er es nicht? Hinsichtlich der zweiten Frage sagte der Herr Minister: „Die königliche Staatsregierung erachtet es nicht für zu lässig, die Autorität der Behörden gegenüber den Eingesessenen ihrer Bezirke zu benutzen für Sammlungen, bei denen nach ihrem Anlaß alles ganz besonders vermieden werden muß, was die Freiwilligkeit der Geber fraglich erscheinen lassen kann." Wir fragen nochmals: Konnte Herr v. Hammerstein diese bündige Auskunft nicht schon am 30. Juni geben, und warum konnte er eS nicht? WaS er gestern sagte, konnte und mußte er schon am 30. Juni sagen. Erhebungen waren nicht erforderlich. Der Herr Minister mußte doch wissen, ob er Herrn v. Mirback irgend eine Autorisation erteilt hatte ober nicht; er mußle dock wissen, ob er das Vorgehen des Herrn v. Mirbach für- zulässig hielt oder nicht. Warum also verschob, warum ver schleppte er die Angelegenheit? Herr v. Mirbach erzählt, Herr v. Hammerstein habe ihm auf die Frage, warum er sich denn seiner garnicht ange nommen habe, erwidert, er habe doch erst die Aller höchste Willensmeinung kennen lernen müssen. Ob das wahr ist, wissen wir nicht; eS berichten aber Männer, die ihrer sozialen Stellung wie ihrer persönlichen Autorität nach nicht hinter dem Frhrn. v. Hammerstein zurückstehen. Uno wir können nicht verhehlen, daß die Sachlage daraus hinweist, baß dies in der Tat das einzige Motiv des Minister gewesen ist. Denn ein Minister, der mit zwei Sätzen di. hochgradige öffentliche Erregung beruhigen kann und dir eiternde Wunde ohne Grund statt dessen vier Monate fort schwären läßt, ein solcher Minister wäre unmöglich. Herr v. Hammerstein hat gestern mitgeteilt, am 13. April 1903 habe er Kenntnis davon erhalten, daß in einer Provinz derartige Sammlungen durch Frhrn. v. Mirbach schon in Anregung gebracht waren. Ferner habe eine kurz darnach stattfindende mündliche Unterhaltung mit anderen Oberpräsi- denten ihm die Ueberzeugung gegeben, „daß die Angelegen heit auch in anderen Provinzen selbständig schon früher ge regelt war." Und nun fährt Herr v. Hammerslein fort: „Jedenfalls, glaube ich, ergibt sich aus diesen Tatsachen, daß ich bis zur Mitte April des Jahres 1903 von der Inanspruchnahme der Oberpräsidenten, die am 1. Mai erfolgte, keinerlei Kenntnis hatte." Also von Mitte April ad wußte der Minister Bescheid. Und am 30. Juni ist er ganz und garnicht unterrichtet, muß schleunige und umfassende Er hebungen anordnen und kann nickt einmal sagen, an welchem Termin er in der Lage sein wird, erschöpfende Auskunft zu gewähren. Herr v. Hammerstein stellt „Erhebungen" darüber an, ob die Staatsregierung, d. h. ein Erlaß Herrn v. Mir bach zu seinem Vorgehen autorisiert habe; er stellt Erhebungen darüber an, ob die Staatsregierung, d. h. er selbst, dies Vorgehen für zulässig erachte. Zwei Alternativen entstehen. Entweder hatHerr v. Hammer stein in der Tat erst die Ansicht des Monarchen einholen wollen oder er hat nicht erkannt, welch ein schwerer Mißgriff eS war, die Aufklärung, die er mit zwei Sätzen geben konnte, monatelang zu verschieben. Im ersten Falle hat er, freilich auf Kosten des monarchischen Gedankens, eine bemerkenswerte taktische Begabung an den Tag gelegt. Im zweiten Falle hat er, freilich ans Kosten des monarchischen Gedankens, wahrhaft stoischen Gleichmut bewiesen. Und nun sind wir Feuilleton. Dre heilige Caecilie. Kls Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten.. Ganz elastisch, wie von einer Sprungfeder empor- geschnellt, richtete sich der junge Mann auf. Wetter noch eins! Welch' ein holdes Geschöpfchen! Wetter noch eins!! „Ich habe Ihnen die Liste unserer Familienmitglieder bereits zusammengestellt, mein Fräulein!" „Dielen Dank, gnädigste Frau! Nur, — Sie ver zeihen gütigst! — WaS soll ich damit?" „Was Sie damit .... ich bitte Sie, mein Mann wird Ihnen doch gesagt und geschrieben haben, daß unser ganzer Kreis es sind im ganzen sechs Familien — sich an Ihrer musikalischen Ausbildung beteiligen wird?" „Herr Direktor hat in ganz allgemeinen Ausdrücken gesprochen und geschrieben. Ich habe mir kein rechtes Bild machen können, inwiefern ich persönlich mit den Herrschaften" — Tas Köpfchen im Spiegel machte eine leicht schüttelnde Bewegung. „Persönlich? Nun ja, das versteht sich doch von selbst! Jeder der auf dieser Liste verzeichneten Gönner übernimmt einen Teil der zu Ihrer Ausbildung not wendigen Kosten und erwartet demgemäß Ihren baldigen Besuch. Ueberdies ist es vereinbart worden, daß Sie wechselsweise in diesen sechs Familien Ihre Mittags mahlzeit einnehmen werden!" Eine kurze Stille. Daraus wieder die junge Stimme, diesmal leicht bebend: „Ich habe mich selbstverständlich allen Ihren An ordnungen fügen. Frau Direktor!" „Lelbstverständlich. Sie können überzeugt sein, daß dieselben so zweckdienlich wie möglich getroffen sind!" „Zweckdienlich! Jawohl, — gewiß!" Oswald Mentzel hatte niemals gefunden, daß seine Mutter eine angenehme Sprechweise habe, und dazu lag auch keine Veranlassung vor. Aber noch nie war ihm ihr Organ so hart, so mißtönend vorgekommen, als eben jetzt im Vergleich zu diesem ein wenig zitternden, weichen Stimmchen. „Was Ihre zukünftige Lehrerin betrifft, so finden Sie auch deren Adresse, sowie die Zeit ihrer Sprech stunde auf diesem Zettel vermerkt. Die Dame ist natür lich von Ihrer bevorstehenden Ankunft unterrichtet, Fräulein Lombardi. und weiß, daß Sie ein gänzlich ungeschultes Material bei Ihnen vorfindet. Sie ist vor Jahren eine sehr berühmte Opernsängerin gewesen und verfügt über eine brillante Schule und Technik. Sie werden sowohl Einzel- als auch Klaffeuunterricht er halten. An Ihnen ist es nun. sich durch Fleiß und regen Eifer, durch angestrengtes Studium und unbedingte Füg samkeit das Wohlwollen, das man Ihnen allseitig ent- gegenbringt, zu verdienen, und die Opfer, welche die ver schiedenen Mitglieder meiner Familie um Ihretwillen sich auferlegcn" — „Opfer? Um meinetwillen?" Tas Köpfchen im Spiegel wuchs plötzlich empor, — das junge Mädchen war mit einem Ruck vom Stuhl auf- gestanden. «Ganz gewiß — Opfert" betonte Frau Direktor Mentzel scharf. „Wir sind nicht alle so reich, als daß es uns ohne jede Mühe gelänge, die Mittel zu einem ge diegenen Musikstudium aufzutreiben, — Sie irren, wenn Sie das annehmen. Was dachten Sie überhaupt, Fräu lein Lombardi, als Ihnen mein Gatte das Anerbieten machte. Sic im Gesang ausbilden zu lassen?" „Ich dachte, ihm selbst, sowie seinen Anverwandten würde es eine Freude sein, einem musikalischen Talent zu seinen. Reckt zu verhelfen!" Ebenso, wie die ältere Dame das Opfer betont hatte, legte die junge jetzt den Nachdruck auf die Freude I „Sie rühmen sich dieses Talentes so unbefangen" — „Gewiß, — das kann ich, da ich es mir nicht selbst gegeben habe. Ich habe es von meiner lieben Mutter geerbt" — „Ah! Ihre Mutter war eine Sängerin?" „Eine Sängerin war sie nicht, aber sie hatte eine schöne Stimme und war für die Musik beanlagt, wie selten ein Mensch!" „So? Und das denken Sie von sich selbst auch?" „Ja, gnädigste Frau, das tue ich! Und Ihr Herr Gemahl muß ähnlich gedacht haben, sonst hätte er mich doch nicht veranlaßt, meine Heimat zu verlassen und hierher nach Berlin zu kommen!" Der Lauscher im Speisezimmer lächelte malitiös. Wie er der Mama den Hieb gönnte! „Das klingt fast so, als wären Sie nicht gern hierher gekommen!" „Es ist mir natürlich schwer geworden, die Meinigen im Stich zu lassen!" „Jede Andere an Ihrer Stelle hätte wobl freudig mit beiden Händen zugegriffen, wenn sich ihr eine so seltene Gelegenheit zur Ausbildung geboten haben würde!" „Vielleicht! Ick bin dem glücklichen Zufall ja so dankbar" — „Gottes Fügung!" fiel Frau Mentzel mit scharf zu- rechtweisender Stimme ein. „Aber Ueberwindung hat es mich gekostet!" Eine unbehagliche Pause. Das Mädchen stand noch immer — die Dame saß und beäugelte den Schützling des Familientages durch eine Lorgnette, die an einem sehr langen Perlmuttcrstiel befestigt war. „Sie werden, ehe Sic Ihren Weg machen, noch sehr viel zu lernen — und zu ver lernen haben, Fräulein Lombardi in jeder Weise!" „Ich zweifle nicht daran, gnädigste Frau! Wie könnte ich mir einbildcn, mit achtzehn Jahren die not wendige Welt- und Lebenskenntnis erlangt zu haben!" „Ganz recht! Wie könnten Sie! Wollen Sie dessen immer eingedenk bleiben!" „Ich darf mich verabschieden, Frau Direktor?" „Sie werden heute noch mehrere Besuche zu machen haben, — ich will Sic nicht aufhalten! Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen, daß die Damen, denen Sie sich vorzustellen haben, zumal Frau Bankier Ringhaupt, Frau Geheimrat Wessel und Frau Oberst Brückner außerordentlich v o r n c h m e Damen sind!" „Vornehm? Dann habe ich nichts von ihnen zu fürckten." Das Gesichtchen im Spiegel lächelte, — es kani ein geistreicher Ausdruck in die feinen Züge, in den dunkelqrauen Augen wetterleuchtete es. „Auf Wiedersehen also!" Frau Direktor Mentzel hielt für angemessen, die letzte, ihr ganz unverständliche Bemerkung des Mädchens unberücksichtigt zu lassen. „Sie finden den Tag, an welchem Sie sich bei uns einzustcllen haben, auf der Liste verzeichnet. Sie haben dock die Liste an sich genommen?" „Danke. Ich habe die Liste. Meine Empfehlung au Herrn Direktor, wenn ich bitten darf!" „Adieu, Fräulein Lombardi!" „Adieu, gnädigste Frau!" Ohne einen Finger zu rühren, blieb die Dame zu- rückgelehut sitzen. Sic würde doch diese kecke kleine Person nicht etwa bis zur Tür begleiten. Unmutig warf sie den Kopf zurück, als der Gast verschwunden war. — Annemarie Lombardi hatte ihr gründlich mißfallen. Welch' ein törichter Streich ihres Mannes, ihnen allen dies Mädchen anfziibürdenll Jetzt hatte man sie auf dem Halse! Nebenan warf Oswald mit spitzen Fingern einen Kuß in die Luft. Annemarie Lombardi hatte ihm
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