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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041027025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904102702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904102702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-27
- Monat1904-10
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reite 2. Rr. SS«. 98 Jatzrft. Leipziger Lagetlatt. neuzieriz, ob jemand noch bestreiten will, daß hier ein Fall Hanlmersirin voriiegt. Alle- in Allem: Herrn v. HammersteinS bewährt« Kraft wird rem preußischen Staat gewiß noch drei Monate erhalten bleiben. Prrßstimmen. Di« »Fr. Dlsch. Presse" faßt ihren Gesamtkindruck fol gendermaßen zusammen: Die politische Seite des Falles Mirbach hält Herr v. Hammer stein damit für erledigt, daß jener Herr von dem Amt als Kadinettssekretär und Lchatullenverwalter der Kaiserin eiilbunden worden sei. Politisch urteilsvolle Leute werden nicht so naiv sein, sich dieser Ansicht anzuschlteßen. Abg. Fischbeck, der in der auf Antrag der Freisinnigen BolkSpartei beschlossenen Besprechung zuerst das Wort nahm, wies mit einigen kurzen, kernigen Worten darauf hin, daß das Volk nach dieser Ministrrrede wissen werde, was es von derartigen Erklärungen zu halten habe. Die „Boff. Ztg." urteilt: Herr o. Hammerstein har zwar behauptet, daß er von Len ersten Briefen des Herrn v. Mirbach an die Oberpräsidenten nichts wußte; er hat abrr zugegeben, Laß er selbst auf Aufforderung des Ober- Hofmeister- vom 17. Februar 1903 dem Komitee für die Samm lungen beigetrrten fei »nd am 31. März 1903 Aufrufe d«s Komitee- an die Oberpräsidrnten ver schickt habe, „mit dem ergebenen Anhrimslrllen, für da- Bekanntwerdrn desselben (des Aufrufs) zu sorgen". „An sämtliche Lberprästdenten" heißt es am Schluß deS Erlasses. Es ist eine Berfügnng de» Ministers an die ihm unterstellten höchsten Ttaats- verwaltungsbeamtrn drr Provinzen. Wer hätte das ahnen sollen, als Herr v. Hammerstein am 30. Juni sprach- Damals glaubte man aus seinen Erklärungen schließen zu müssen, der Minister selbst, mißbillige dir „Inanspruchnahme der Staatsbehörden" zu Zwecken, die nicht m die amtliche Zuständigkeit der Oberpräsidenten fallen. Aber daß man es glaubte, das eben war das Mißverständnis... Nach dem „B. Tagebl." ist Herr v. Mirbach mit „einem blauen Auge davongekommen": „Da Zentrum und Konservative, zumal wenn ihnen auch die Nationalliberalen helfend unter die Arme greisen, die übergroße Mehrheit des Abgeordnetenhauses ausmacheu, so war klar, daß dem „frommen Knaben" Hammrrslrin kein Leid geschah. Natürlich wird solcher Schutz nicht umsonst gewährt. Alle Liese Redner ließen gelegentlich ein Wort fallen, das von dem Minister des Inneren als ein Nadelstich empfunden werden mußte. Selbst Herr v. Heydebrand erklärte, daß seine Freunde nicht mit allem einverstanden seien, was in der Mirbach-Sache geschehen sei. So etwas macht sich nicht bloß im Lande gut, sondern erinnert auch den Minister daran, daß er seinen Freunden von rechts zu willen sein muß, wenn ihre Gesinnung gegen ihn nicht plötzlich um schlagen soll. . . Was wollte es dagegen besagen, daß von liberaler Seite gegen diese erdrückende Mehrheit mit Gründen der Vernunft und der Staatsraison angekämpft wurde! Und doch konnte sich selbst dieses Haus den Darlegungen deS Begründers drr Interpellation, des frei sinnigen Abgeordneten Träger, nicht entziehen. Es lauschte lautlos, als der freisinnige Sprecher, der gestern einen besonder- guten Tag hatte und noch mehr durch seine gesunde Logik al« durch seinen brillanten Witz hervorwat, die siamesischen Zwillingsbrüder Mirbach-Hammerstein an den parlamentarischen Pranger stellte. Es war wirklich kein Schau- und Spektakelstück, da« er vor führte, «S war das Gewissen des Volkes, das in seiner Rede zu einem glänzenden Ausdruck kam. Als er in daS Haus hineinrief: „Es müßte zur äußersten Verwirrung, zum Ruin des ganzen Ver- fassungSlebens führen, wenn die Möglichkeit wäre, daß sich eine unkontrollierbare und unverantwortliche Nebenregierung konsti tuierte," da fühlten die Zuhörer alle, die dichtgefüllt den Saal und die Tribünen besetzt hielten, daß Vier ausgesprochen wurde, was das ganze preußische, ja das ganze deutsche Volk einmütig empfindet. Der „B. B.-C." äußert sich: Die Rechtfertigung des Ministers des Innern, Frhrn. v. Hammer stein, ging dahin, daß die Lberprästdenten nicht in amtlicher oder guuai amtlicher Weise veranlaßt worden seien, Sammlungen zu ver anstalten, sondern daß sie nur als Privatleute, die zudem fast durch weg Mitglieder des evangelischen Kirchenbauvereins sind, von diesem gebeten wurden, den Aufruf zu der Sammlung zu unterschreiben und geeignete Persönlichkeiten zur Bildung provin zieller Komitees namhaft zu machen. Er selbst, der Minister, habe Exemplare des Aufrufes an die Oberpräsidenten mit der Bitte um Writerverbreitung grsand, unter ausdrücklicher Erwähnung des Um- standeS, daß die Sammlung vom Kirchenbauverein ausgehe. Diese völlig neue (stimmt nicht! Ist von uns bereits im Leitartikel vom I6.August als Kern der Sache hervorgehoben worden. Red. d. „L.T.") seusationelleTatsache läßt die ganze Affäre noch vielbedenklicher erscheinen als bisher. Denn wenn auch Frhr. v. Hammerstein erklärt, daß er lediglich als Privatmann sich an der Förderung drr Mirbach« schen Aktion beteiligt habe, so weiß er doch selbst ganz gut, daß eS keinen Beamten gibt, der nicht in einer „Bitt," sein«- vorgesetzten Ministers, in irgendeiner Sache tätig zu sein, «ine Aufforderung, wenn auch in höflicher Form, erblicken und sich wohlweislich hüten wird, ihr nicht nachzukommen. Auch die weiter recht» strhenden Blätter kaffen durch blicken, daß Herr v. Hammerstrin nicht gerade als Triumphator hrimgrgangeii ist. So schreibt di« „B. B.-Ztg.": Es bleibt ein Rätsel, weshalb der Minister nicht schon am 29. Juni sich äußerte und durch dir Art seiner damaligen Antwort den Eindruck entstehen ließ, er wisse von der ganzen Angelegenheit überhaupt nichts und müsse sich darüber erst Auskunft bei den Ober präsidenten einhole». Dem Befremden über diese« damalige Schweigen gaben den auch gestern — neben den liberalen Rednern — selbst die konservativen bezw. sreikonservativen Mitglieder des Hauses v. Hrydebrand und v. Zedlitz Ausdruck. Sogar die gewiß regierungsfromm gewordene „Nat.-Ztg." kann dem Minister v. Hammerstein folgend«- VerSchen nicht ersparen: Was er (v. Hammerstein) gestern dem hohen Hause zu erzählen wußte, das hätte er. . . schon dazumal sagen können, auch ohne daß die eingeforderten Mirbach-Akten von sämtlichen Oberprasidenlen bereit- eingrlaufen waren. Wahrhaft konservativen Interessen hat der konservative Minister durch die dilatorische Behandlung der Frage nie und nimmer gedient. . . . Dir Erwiderung des Ministers war an manchen Stellen nicht unwirksam, für vollständig befriedigend vermögen wir sie jedoch nicht anzusehen. Der Redner gab eine ausführliche Geschichte der in Frage stehenden Mirbach-Sammlung. Wir räumen ihm dabei natürlich in vollstem Maße die don» üäe, ein. Aber merkwürdig genug bleibt es zum Beispiel doch, daß der Ressortchef fast ein ganzes Jahr später, nachdem das Schreiben Mirbachs vom 1. Mai 1902 an die Oberpräsidrnten er- gangen war, von diesen Schreiben, die doch eine, wenn auch nicht amtliche, so doch ziemlich bedeutungsvolle Angelegenheit betrafen, überhaupt erst Kenntnis erhalten hat. Eines leichten Lächelns wird man sich auch nicht erwehren können, wenn der Minister pathetisch betont, daß von einer Beifügung von „Erlassen" bet seinem eigenen Schreiben nicht die Rede sein könne, da er den Oberpräsidenten die Wetterverbreitung des Aufrufes nur „anheimgestellt" habe. Die bündlerische „D. TageSztg." meint: ES muß als festgestellt gelten, daß auch im Juni dieses JahreS bei der vorläufigen Beantwortung der Interpellation Minister von Hammerstein nichts gesagt hat, was sich in späterer Zeit und in der gestrigen Abgcordnetenhaussitzung nicht als richtig herausgestellt hätte. Eine andere Frage märe die, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn der Minister schon damals Aufklärungen gegeben hätte, soweit er es in jener Zeit zu tun vermochte. In dieser Hinsicht waren die Einwürfe, welche von mehreren Abgeordneten gestern gemacht wurden, nicht unbegründet. Durch eine wenigstens teilweise Aufklärung im Juni wäre auch der Schein vermieden worden, als ob etwas verschwiegen werden solle, und sie hätte voraussichtlich zur Beruhigung im Volke wesentlich beigetragen. Bemerkenswert ist folgendes Urteil der „Berl. N. Nachr.": Daß höchstpersönliche und Hofeinflüsse in unserem ganzen Staats- leben allzuviel Mitwirken, ist eine nicht zu leugnende und bedauer liche Tatsache, die übrigens schon zu anderen Zeiten und anderwärts mehr oder weniger sich zeigte. Byzantinismus und sanfter Druck bestehen nicht bloß bei den Ktrchensammlungen. Dieser Tage wurde z. B. mit Recht von freisinniger Sette gerügt, wie Rechter zur Unterzeichnung der Gratnlationsadresse an die Kaiserin genötigt werden sollten. Zu tadeln sind dabei nicht nur diejenigen, die den Druck ausüben, sondern auch diejenigen, die sich drücken kaffen. Letztere könnten oft selbst mehr Mannesmut beweisen. Sehr kritisch äußert sich auch die „T. Rundsch.": Sie (die Interpellation) ist äußerlich ergebnislos ausgegangen; ,wie das Hornberger Schießen". Und dennoch war sie nicht ver geblich. Es soll doch festgehalten werden, daß sich selbst in diesem Abgeordnetenhaus« kein einziger fand, der das, was man das „System Mirbach" zu nennen gewöhnt war, uneingeschränkt zu verteidigen gewagt hätte. Das ist die beste Genugtuung für die,^ die den schweren und wenig dankbaren Kampf gegen dies System geführt haben. Zum Schluß zwei Antipoden. Die „Kreuzztg." frohlockt: Wir freuen uns, daß sowohl der Minister des Innern als auch insbesondere der konservative Redner Abg. Dr. v. Heydebrand dem schwer angegriffenen Frhrn. v. Mirbach volle Gerechtigkeit haben widerfahren lassen. Mit beißender Schärfe sagt dagegen der „Vorwärts": Ter Minister halte somit zugegeben: erstens, daß die Ober- Präsidenten für die Sammlung wiederholt in Anspruch genommen worden sind und zweitens, daß er nicht nur über die Tätigkeit des Fihrn. v. Mirbach unterrichtet war, sondern sogar sie, wenn auch mit untauglichen Mitteln, ungeschickt zu fördern versucht bat. Trotzdem wiederholte Herr v. Hammerstein immer aus neue, daß er mit Fug und Recht am 30. Juni des Jahre fich nicht al- genügend unterrichtet geberden durfte. Er habe nämlich von dem ersten Schreiben d«s Mirbach vom Mat 1S02 zunächst nichts gewußt. Dies« ganz uebtnsächliche Einzelheit wieder- holte der Minister so oft, als wenn von d«r Entscheidung dieser Frage di« Beantwortung der anderen irgendwie abhingr, ob er bei der Einbringung der Interpellation noch d«r „reine Tor" in Sacken des Mosaikbeltels gewesen sei. Zu allem Ueb«rfluß gab der Minister noch zu, daß er bereits im April 1903 auch von dem früheren Schreiben de« Freiherrn v. Mirbach an die Oberpräsidenten unter richtet worden sei. Somit hat Frhr. v. Hammerstein am 30. Juni 1904 alle- gewußt und die Akten der Oberpräsidenten, die er eingefordert hatte, konnten ihm nichts Neues mehr sagen. ver lllttirch-englircbe ffonMkt. Zur Bewertung -er eugltscheu Sentiment« schreibt uns ein Freund unseres Blattes: „Eins soll man nicht vergessen I Das Unglück ist gewiß groß und tief bedauerlich! Aber eine eigenartige Fügung ist es, daß eS gerade englische Seeleute treffen mußte! Mit ungeheurer Entrüstung weist man in Eng land jetzt au^die unverantwortliche Verletzung deS inter nationalen Scerechts hin, deren die russische Flotte sich schuldig gemacht hat! Niemand aber hat auf diesem Gebiete mehr gesündigt, als englische Seefahrer! Man beklagt sich heftig, daß das bal tische Geschwader mitten durch die Fischerflottille hindurch gefahren und ohne um die Verunglückten sich zu kümmern weitergedampft fei. Wo aber je auf offener See ein Fahr- zeug überrannt oder gerammt und gefährdet worden ist, da ist cs zumeist durch Engländer gcscliehen, die sich brutal und rücksichtslos über die zur See geltenden Ge pflogenheiten hinwegsetzten und um die Bedrängten sich wenig kümmerten. Noch ist unvergessen dasgrausige Unglück, das die „Elbe" octroffen, welches ledig lich durch das wüste, gewissenlose Drauflosfahren eines englischen Kapitäns verschuldet ward und in wenigen Minuten Hunderten von blühenden Menschen leben einen furchtbaren Untergang bereitete! Was ist dagegen die Beschießung der englischen Fischerboote durch die Russen! So wenig irgend semand das traurige, für die Russen schmachvolle, für die Allgemeinheit tief deprimierende Geschehnis beschönigen oder gar ent schuldigen will, so ist doch einmal gerade den Englän - dernameigenenLeibe widerfahren, was sie kalt blütig gegen andere zur See sich gestatteten. Sie haben einmal einen Denkzettel erhalten, den freilich nicht jene unglücklichen, friedlichen Schiffer verdient haben, wohl aber die selbstherrliche, brutale Seefahrtspraxis der Eng länder im allgemeinen." weitere Versuche einer Erklärung. Nach Informationen, als deren Gewährsmänner dl« „Correspondencia de Espaüa" rufsischeOffiziere, die zur Zeit in Vigo wären, nennt, hätte sich der Vorfall in folgender Weise ereignet: Als gegen 1 Uhr morgens das Geschwader in Nebelwetter fuhr, wurde plötzlich zwischen den Schiffen das Auftauchen zweier Torpedo- boote bemerkt. Die Russen vermuteten, daß es sich um einen Angriff der Japaner handle, und eröffneten das Feuer von zwei Kreuzern aus auf die Torpedoboote. In diesem Augenblick sah man nichts von den Fischerbooten, und wenn sie da waren, so müssen sie die Lichter an ver steckter Stelle gehabt haben. So kam es, daß die Russen auf die Torpedoboote zielten und die Boote der Fischer trafen. Als sie später davon erfuhren, waren , sie sehr betrübt darüber, denn n i e würde es ihnen eingefallen sein, auf wehrlose Fischer zu schießen. — Hier wäre dem nach abermals der „große Unbekannte" im Spiel gewesen. Aus Kopenhagen erhalten die „Times" ein Telegramm, welches über die große Nervo sität der russischen Seeoffiziere während der Fahrt der baltischen Flotte durch die d ä n i s ch e n G e w ä s s e r be richtet. Die Russen fürchteten japanische Minen, aber niemand in Dänemark glaubte angesichts der V o r - sichtsmaßregeln, welche die dänische Regierung getroffen hatte, an eine solche Gefahr. Selbst in den kleinsten Provinzstädten war eine strenge Bewachung aller Reisenden und Fremden angeordnet. Am Mittwoch abend erhielt der russische Konsularagent in Nudkjöbing auf der Insel Lanqeland ein für den Admiral Roschdestwensky be stimmtes Telegramm des Zaren. Um diese De pesche zuzustellen, engagierte der Konsul zwei Fischer, die sich in einem Motorboot zur russischen Flotte begeben und das Telegramm abliefern sollten. Als das Motorboot sich dem Admiralschiff näherte, wuvde ein so intensiver Lichtstrahl auf das Boot gerichtet, daß die Bemannung außerordentlich Wohlgefallen. Welch' ein kluger Ein fall des Papas, dies süße Geschöpf hierher zu bugsieren! Jetzt hatte man doch wieder einmal Aus sicht auf etwas Erfreuliches inmitten dieses öden Einer leis! — Gleich darauf erklangen cir-zelne Klavicrakkorde, dann wieder verlorene Geigentöne aus dem Arbeits zimmer des jungen Mannes. Oswald komponierte eifrig an dem Scherzo seines Quartetts! Siebentes Kapitel. Ich war nicht mit der Absicht nach Berlin gekommen, hier ein Tagebuch zu führen; davon habe ich eigentlich nie viel gehalten; man hört und liest soviel Warnungen über Selbstbetrug, Förderung der Eitelkeit, des Egois mus das wollte ich nicht! — Aber nun, — ich möchte mich doch aussprcchcn oder auch das nicht, — denn dazu hätte ich ja Asta Kühne, sie bat mich schon zweimal besucht und ist sehr gut zu mir, wie ich es von ihr auch nicht anders erwartet habe. Erstens aber hat Asta so enorm viel zu ihrem bevor stehenden Lbcrlchrcrin-Erarnen zu arbeiten, daß sie gerade mit sich selbst genug zu tun hat, — und außer dem — ja, ich weiß nicht, — sie ist so total anders geartet, als ich, ob sic mich immer verstehen würde? Ich denke, das gibt es überhaupt ganz furchtbar selten im Leben, daß einer den andern nämlich versteht, selbst wenn zwei in derselben Umgebung, in ganz gleichen Verhält nissen leben. Nun ist Astas Umgebung von der meinen grundverschieden; sie wohnt bei einer Lehrerswitwe, die zwei halberwachsene Töchter hat und außer Asta nur noch eine junge Dame beherbergt, die die Handelslehranstalt besucht Ich dagegen bin in einem regelrechten Familien- Pensionat untergebracht, das außer mir noch fünf junge Mädchen und vier Zerren versorgt. Asta geht sehr selten aus, sie sitzt viele Stunden des Tages auf ihrem Zimmer uwd studiert, — ich dagegen nehme jede Mittagsmahlzeit in einem andern Hause ein, habe in der kurzen Zeit meines Hierseins Dutzende von Menschen kennen gelernt, — wenn man das kennen lernen nennen darf, daß man sie sicht und mit ihnen spricht, und zwar s o spricht, daß sie fragen und ich antworte! — Und bei meiner Gesang lehrerin habe ich soviel Kolleginnen, daß ich sie heute noch nicht recht zählen und auseinanderhalten kann. So viel, so viel Leute, — und nicht einen einzigen Menschen I Ich meine, nicht einen einzigen Menschen für mich! Ach Gott, ich bin so einsam und verlassen hier! Ach Gott, ich fühle mich so grenzenlos unglücklich bis jetzt! Hoffen wir, daß es nicht dabei bleibt, .... aber, auf- richtig gesagt, ich glaube nicht recht an diese Hoffnung! -- Meinem armen Vater darf ich nicht mit einer einzigen Klage kommen! Täte ich das, — er wäre imstande und borgte sich von Kühnes das Geld — vorausgesetzt, daß die es selber haben! — und käme hier angereist und holte mich zurück! Ich lüge nicht, wenn ich ihm schreibe, — lügen kann ich nicht! Aber ich lasse alle Schatten, und das sind viele, sort und male alles Sonnige, und das ist wenig, recht breit aus, und von Bangen und Sehnen schreibe ich kein Dort ... . aber wie ich mich bange und sehne! Das läßt sich nicht schildern, dazu habe ich auch das Tagebuch nicht angcsangen. Ein Rettungshafen soll es mir sein, wenn mich die grobe See gar zu wild hin- und hcrwirft, — und ein Wahrzeichen für mich und meine Seele, — und eine Erinnerung für spätere Jahre: so und so ist alles gewesen! Ach! Spätere Jahre! Wenn ich nur diese Jahre erst hinter mir hätte! O, Ihr, meine Lieben, Lieben, — Lieben zuhause! Ich habe mich nie für sentimental gehalten, aber jetzt bin ich dahinter gekommen: ich bin sentimental! Ich muß cs wohl sein, sonst könnte ich nicht so leiden, wie ich leide, könnte cs nicht so furchtbar schwer finden, zu leben ohne Liebe! — Denn die hatte ich daheim! Von morgens bis abends umgab sie mich, oft in etwas derber oder fragwürdiger Form, wenn Heinz mir zum Zeichen seiner Anerkennung in den Arm kniff oder mir die Hand wie im Schraubstock zusammenpreßte, — wenn Käthe und Grete sich wie die Kletten an mich hingen und das Karlemännchen sich mit beiden Armen um meinen Hals klammerte, daß ich fast erwürgt wurde, und sich eine halbe Stunde von mir herumschleppen ließ, der schwere, kleine Klotz, der er war! Ach, das Karlemännchen! An das darf ich schon gar nicht denken! Wenn ich hier auf der Straße Kinder treffe, die ihm ähnlich sebcn, — dann muß ich rasch, rasch auf die andere Seite zu kommen suchen, sonst stehen mir gleich die Augen voll Wasser! Berlin, ja, das ist schön, selbst das wenige, was ich bis jetzt davon sah, denn die Sehenswürdigkeiten sind natürlich nickt da für mich, dazu langt mein Taschengeld nicht, ich soll Garderobe davon bestreiten und meine Wäsche wasckcn lassen und elektrische Bahn bezahlen und die hundert Kleinigkeiten: Papier und Tinte, Repara turen, Postwertzeichen, vor allem Noten und Bücher. Ein Segen, daß ich bei Papa solch' ein fixer Noten- abschreiber geworden bin, — ich werde mir eine Menge Sachen abschrciben, — dadurch habe ich es billiger! Also Berlin ist schön, und meine Kunst ist schön, wenn ich auch noch so sehr im A B C jetzt d'rin stecke, — darauf mußte ich ja vorbereitet sein! Meine Lehrerin ist ganz große Dame, ganz so elegant und schön ausstaffiert, wie das Haus, das sie bewohnt. Sie will vor allem impo nieren, sie ist ganz kurz angebunden, verlangt sehr viel und lobt selten, was gewiß richtig ist. Wäre mir das Herz nicht so schwer vor Heimweh, — die Dame könnte mir viel Stoff für meinen Humor liefern, .... aber ich glaube, der ist zuhause geblieben bei Vater und Ge- schwistcrn. Meine Lehrerin ist wohl nie schön gewesen, sie ist auch sicher tief in den vierzigen und übermäßig stark, aber noch überniäßiger eitel, das spottet jeder Beschreibung! Tic Toiletten — und die Blicke in den Spiegel — und die großen Gesten — und da» Fragen Lowe Donnerstag, 27. Oktober 1904 p i< e I» dem Bahnho aus diesem I Narben vor Frau und ssi berg passier Grenze; sie I mit den Augen: beobachtest du mich auch? Mach' ich dir auch Eindruck? Sie ist jahrelang eine gefeierte Prima- donna gewesen, da ist sie so verwöhnt worden, und noch heute schmeicheln ihr fast alle Menschen, die sie um sich hat. Warum eigentlich? Ich werde das nie tun! — Ihre Stinime klingt gar nicht schön; ob sie eine gute Methode hat, kann ich nicht beurteilen, ich kenne ja noch keine andere Methode! Aber mir macht es Freude, zu üben, meine Stimme zu hören, bald laut, bald leise, bald mit vollem Brustton, bald mit zartem Kopfansatz. „Sehr gutes Material!" hat Frau G. von meiner Stimme gesagt. Ja, das weiß ich! — Von dem schönen Berlin und von meinen schönen Studien, da schreibe ich viel nach Hause, — ich bin nur glücklich daß es in der Häuslichkeit gut geht, daß sie alle gesund sind, daß Vater, außer seinen regelmäßigen Kopien für das Amtsgericht, noch andere Arbeiten be kommen hat. Ich fürchte nur, er wird sich schrecklich damit quälen! Wieviel hab' ich ihm dabei immer ge holfen, und mir geht das Schreiben so flink! — Die Leute, die für mich bezahlen, — meine Gönner, — wie ich daS Wort bloß hasse! ES klingt so hochnäsig, so recht, wie wenn ein Großer, körperlich Großer, einen Kleinen verächtlich über die Achsel ansieht und sich noch darauf etwas zugut hält, daß er das kann! — Gönner I! — Dann sollen sie einem wirklich etwas „gönnen", — ich glaube, das tut von meinen „Gönnern" kaum ein einziger!! Ich schreibe wenig von ihnen, ich tue sie summarisch ab, ich bringe kaum einen nackten Satz in jedem Brief über sie alle zusammen aus der Feder. M i r genügt daS, — und, Gottlob, meinem lieben Vater scheint es auch zu genügen! Dank ¬ bar sein! Bin ich eine Natur, der das Dankbarsein widerstrebt, — in der es nicht liegt? Darüber habe ich letzt oft gegrübelt! Aber ich erinnere mich, doch: wenn Tante Kühne mir etwas gab, für mich oder für die Ge schwister, — daS hat mich nie bedrückt! Unbefangen, wie es mir geboten wurde, so nahm ich e». (Forts, folgt.) des gestrige Petersbi die Berwicke Ministerium, der Bestrafu ralität, Earl Portsmc heimischen <Z Porth eingei Gestern, am servisten < einige Haus an gezünd, auS Rogatsi tat der P l etwa 200 00 Lin japa AuS Tob der „N. Fr. japanischen i ver i Die rr< Der „Pei die zwei R< der „Nussiscl wurde. Der Statthalter i der Stellui fernen Osten Tagesbefehl den zum O Iräfte auf de palkin ger die Aktion ir mir dieZui Armee die t und damit werden." Wie die gestern ade» Mukd en. vor, das sie, andauernden meldet aus gehen die Ja! um. Durch Feindes auf Fynvjapu fe siubjofa befii die durch und Wolfsgi pesche wird einq uartie schen Trup Ueb« eine durch wird der Warschau visten mit sosorl mit Säbel, visten gegen lommandiert rebellierender ibren Wassei Verletzungen, wice sollen »er H Anz< Da» Gei wie auS > Schreiben Kapkolonie hervoraeht, i bruch des A heißt eS: „Bei ur nächst den T ständischen sich alle Hoti anzuschlietzer Erfolg gege Presse, auc Blätter, beh Stand bekor jetzt mache, Eingeborenc Deutschland Afrika; sch meistens der militärisch g sichren könn in so regen! schwitzten, r Kabenlnanie Opfer Hera, nur aufreck ihrem üblick sie keine du merkwürdig, verboten, in zubirschen, d Krieg über ein Drittel, Deutschen R lischen Kreis er hat schor Waffen best deutschen Kl gefaßt Word wegzunchmc Hendrik Wi und englisck gemacht, das Der deutsö darauf aufn gibt etwas einen Orden gehandelt: Leuten alle . dieser Wilde besänftigen förmlich geblendet war. Gleichzeitig wurden einige blindeSchüsse abaefeuert. Da» Motorboot durfte nicht an da» Admiralschiff heranfahren, sondern es wurde ein Boot ausgesetzt, we cheS die Depesche übernahm. Es wäre die» ein nur zu billigendes Verfahren. Ein Nachfolge» Aofchheftweirsk?» ? Der Korrespondent deS „Echo de Pari»", Herr Hutin, recte Hirsch, berichtet seinem Blatte aus Petersburg, er sei informiert worden, daß der Bericht Roschdestwenskys dem Zaren übergeben worden sei. Ein Offizier des Generalstabs begab sich sofort nach Eintreffen des Be- richts nach Zarskoje Sselo. Ein« maßgebende Persönlich keit habe ihm erklärt, England werde vollständige Genug- tuung erhalten. UebrigenS sei Roschdestwensky nur be- auftragt, das Geschwader nachdenspanischenGe- wässern zu bringen. Vor seiner Abfahrt sei er zum M a r i n c m i n i st e r anstelle Avellanes ernannt wor- den. Der Admiral Touchine (Luschin?) werde zum Nach, folger Roschdestwenskys ernannt werden und das Ge- schwader im Suezkanal übernehmen, doch fehle die Be stätigung der Meldung. Die spanische Abwehr. Nach einer Madrider Depesche der „Agence Havas wird der Marineminister in Gemeinschaft mit dem Mi nister des Acuhern zwei von den in Vigo eingetroffenen russischen Schiffen, die Beschädigungen erlitten hätten, und denen es desl-alb nicht möglich sei, den Hafen nach der vorschriftsmäßigen Frist von 24 Stunden zu ver lassen, einer Untersuchung unterziehen lassen und dann die entsprechenden Anweisungen erteilen. Der Minister bestätigte, daß den russischen Schiffen keine Erlaubnis erteilt wurde, sich zu verproviantieren. Gleich falls nach der „Agence Havas" soll Roschdest wensky, der erklärte, er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, um das Geschwader vor der Vernich tung zu bcivahren, bedauert haben, daß er sich nicht vollständig verproviantieren könne. Er werde sich mit 400 Tonnen für jedes Schiff, die er erbeten habe, zu- frieden geben, um die Straße von Gibraltar zu erreichen, wo die ruhigere See ihm Las Uebernebmen von Proviant auf hoher See gestatte. Die englische« Vorbereitungen. Tas Bureau „Reuter" meldet aus Gibraltar, vom 26. Oktober: Das Kanalgeschwader hat Kohlen genommen und Vorräte und Munition aufgefüllt: es ist klar, jeden Augenblick in See zu gehen. Die Linien- schiffe „Jupiter" und „Hannibal" und der Kreuzer „Toris" halten unterhalb der Straße scharf Wache. Es heißt, das Mittelmeergeschwader werde hier in kurzem erwartet. Auf der Werft herrscht große Tätig- keit, es wird sogar nachts gearbeitet. Die Admiralität hat Umfrage bei den Kohlenlieferanten ge halten, wieviel Kohlen zur Zeit disponibel sind. — Tie Schlachtschiffe „Victorious", „Jllustrious", „Majestic" und die Kreuzer „Lancaster", „Theseus", „Endymion" haben Befehl erhalten, Freitag früh in See zu gehen. Wie verlautet, wollen die Schiffe die Bewegungen der Schlachtschiffe der russischen Ostseeflotte, von denen man annimmt, daß sie über das Kap der guten Hoffnung nach dem äußersten Osten gehen, verfolgen und beob achten. Von den Kreuzern und Torpedobooten wird angenommen, daß sie die Straße von Gibraltar passieren, um nach dem Suezkanal zu dampfen. Die ganze Tor- pedoflottille von Gibraltar ist mobil gemacht worden. — Eine spätere Londoner Depesche behauptet, infolge einer abends der Regierung von Petersburg aus zugegangenen Meldung sei der Be fehl zum Auslaufen der Flotte wieder zurückgezogen worden. Im Auswärtigen Amte beurteilt man die Lage nunmehr wieder ruhiger. Ultknratnni? Aus London kommt die recht beunruhigende Meldung, daß gestern zum üblichen diplomatischen Wochenempfang bei Lansdowne der französische und der deutsche Botschafter erschienen war, daß der russische aber fehlte. Verschiedene Blätter äußern ihre Unzufriedenheit, daß die russische Regierung bisher die englischen Forderungen noch nicht end- gültig erfüllt habe. Die „Daily Mail" meldet, die russische Regierung habe sich zur A n n a h m e der beiden ersten englischen Forderungen bereit er klärt, weigere sich aber bis jetzt, die beiden anderen Punkte, nämlich Bestrafung der schuldigen Offiziere und Gewährung von Garantien für die zukünftige Sicherheit der englischen Schiffahrt, zu bewilligen. Tas Blatt will wissen, die englische Re gierung habe infolgedessen ein Ultimatum gestellt und die Bewilligung aller Forderungen bis heute nachmittag verlangt. Von andererer Seite liegt eine Bestätigung dieser Behauptung nicht vor. Der „Daily Telegraph" bemerkt, daß zur späten» Abendstunde
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