Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041025015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904102501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904102501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-25
- Monat1904-10
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS t» der Lanptrxprdstson oder deren An-gabv- stelle» ovft«holt: vtertrliLhrlich 3.—, bei zweimaliger täglicher siustetluna tnt Hou» ^l 8.7L. Durch di« Posl bezogen Mr Deutsch- land u. Oesterreich virrtrliührlich ^l 4.Ü0, silr die übrigen Länder laut geitunqävrrtälisl«. Diese Nummer testet aus all,» Bahnhdse» und I Iß I bei den tzeitungt-verkäuser» I * Neöeltten uu» Expepttto« 1L3 Fernsprecher 222 Jodanntdgasse S. Filtalerprdittour«: Alfred Hahn, Buchhandlg., UntvrrsitSt-sir.3 (Frrnspr. Nr 40461, L. Lösche, Kalharinen- stroß« l4 (Fernsprecher Nr. L93Ü) u. ttSnig»- platz 7 (Fernsprecher Nr. 730b). Hanpr-Kiltale Dresden Marlenstrahe 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale verlt« CarlDuncker, tzerzgl.Bayr.Hofbucbbandla, Lüvomstrabr lOlFernivreckerAmtVl Nr.46t)3). Morgen-Ausgabe. MMer TlyMM Anzeiger. Amtsblatt -cs königlichen Land- un- -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates «n- -cs Volizeiamtcs dcr Lta-t Leipzig. Anzeigen-PretS die 6 gespaltene Petitzeike 28 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (»gespalten) 73 nach den Familienuach- richten (6 gespalten > 30 Tabellarischer und Alffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffrrtenannahm» 23 Annahmeschlutz für Elnzeigen: Abend«Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgiu-AuSgabe: nachmittag» 4 Uhr. Extra-Veilaan» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförberung 6t).—, mit Postbrförderuiig 70.—. Anzeigen sind stet» an di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen gevssnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pak, in Leipzig (Jnd. vr. V.. R. L W. Klinkhardt). dir. 515. Dienstag den 25. Oktober 1904. 98. Jahrgang. Var üllchtigrtr vom Lage. * In Berlin wurde gestern in Anwesenheit des KcnscrpaareS ein Denkmal deS KriesiSmi- nistcrs v. Roon enthüllt. Graf Roon wurde bei dieser Gelegenheit als erbliches Mit« alied ins Herrenhaus berufen. (Siehe deutsches Reich.) * Die Möglichkeit, daß der Reichstaa zur Er- lediczung der Handelsverträge vor Ende No- ventber Zusammentritt, gilt jetzt als au s g es ch l o s s e n. (Siehe deutsches Reich.) * Der Gouverneur von Deutsch-Ostafrika. Graf v. Götzen. wird nach Ablauf seines Urlaubs nur siir kurze Zeit auf seinen Posten zurückkehren. * In R om hat gestern, wegen der Abstimmung der französischen Kammer, eine Sitzuna der Kon« gregation der außerordentlichen Kirchen angelegenheiten stattgefunden. * Wie auS Tschumbi vom 21. gemeldet wird, ist eine Abteilung der britischen Tibetexpedition im Romba. Passe vom Schneesturm überrascht worden. 69 Mann sind vollständig erblindet. * Der russische Minister des Auswärtigen, Gras Lambsdorff hat dem britischen Botschafter strengste Untersuchung der Affäre von Hüll zugesagt: Lord Lansdowne und der russische Botschafter Graf Beucken- dorf sind nach London gereist. Nach einer Meldung auS Paris dürfte der Kommandant des Ostseegeschwa- ders abgesetzt werden. (Siehe den besonderen Artikel.) Der lippirrbe siegentzcdsttrrtreit im Liebte ller fieich-verkar-ung. Don juristischer Seite wird uns geschrieben: Tie staatsrechtlichen und politisck)en Erörterungen, welche sich an das bekannte Telegramm des Kaisers und das sich mit seiner Auslegung befassende Schreiben des Reichskanzlers in der Presse aller Parteirichtungen ge knüpft haben und noch knüpfen, drängen eine Frage immer mehr in den Hintergrund, deren Beantwortung dem Juristen und Politiker weit wichtiger erscheinen muß — die Frage nach der Zuständigkeit des Bundesrats zur Erledigung des lippi« schen Regentschafts- — und des damit eng zusammenhängendenThronfolgestreits. Die Kompetenz des Bundesrats als Organ zurSchlichtung von Streitigkeiten ist so fest abgegrenzt, daß ihre Neber- schreitung nicht auf irrige Rechtsauslegung zurückführ- bar, sondern als Ausfluß politischer Er wägungen das Rechtsbewußtsein des deutschen Dol- keS in seinen Grundfesten zu erschüttern geeignet wäre. Vielfach ist namentlich in den letzten Tagen die Meinung aufgetaucht, der Bundesrat habe sich zur Erledigung der lippischen Streitigkeiten bereits für zuständig erklärt. TieS beruht — wir möchten gleich vorausschicken, glück licherweise — auf einer Verkennung des Bundesrats- beschlusseS vom 5. Januar 1899 und der Ereignisse, die ihm vorausgeqangen waren. Auf diese hier nochmals kurz einzugehen, ist schon deshalb unerläßlich, ivcil sie durch den in der letzten Sitzung des lippischen Landtags bekanntgegebenen Vertrag vom 28. März 1886 in ein ganz neues Licht gerückt worden sind. DaS Haus Lippe zerfällt bekanntlich in drei Hauptlinien — die im AuS- sterben befindliche Linie Lippe-Detmold, die sogenannte erbherrliche Linie, bestehend auS Lippe-Vicsterfeld und Lippe - Weißenfeld, und Schaumburg - Alverdissen. Zweifellos ist, daß nach dem in Lippe geltenden System der Linealerbfolge und Primogeniturordnung beim Tode des derzeitigen — geisteskranken — Fürsten Alexander zunächst Lippe-Biesterfeld, dann Lippe-Weißenfcld und zuletzt Schaumburg-Lippe zur Thronfolge berufen sein würde. Zweifellos ist ferner, daß auch in Lippe Voraus« sctzung der Thronfolgefähigkeit die Abstammung aus ebenbürtiger Eh« ist. Da jedoch der Begriff der Eben bürtigkeit weder im lippischen HauSrechte, noch im deut- schen Privatfürstenrechte eine unbestrittene Feststellung erfahren hat, so ist streitig, ob alle drei oder nur zwei oder endlich auch nur eine Linie dieses Erfordernis er füllt. Der Strert ist keineswegs neueren Datums. Der einzig richtige Weg zur Entscheidung der Streites wäre der Erlaß eines Tbronfolgegesctzes gewesen. Dies ge schah aber leider nicht. In den folgenden Jahren kam es nun zu fortwährenden Streitigkeiten, die besonders 189k» beim Tode des Fürsten Waldemar akut wurden. Endlich kam es durch die Bemühungen deS Reichskanzlers auf Grund deS SchiedSvertrag» vom S5./29. Juni, 3. Jull 1896 zu dem bekannten Dresdener Schiedsspruch vom L2 Juni 1897, durch den der jetzt verstorbene Graf regent »al» zur RegierungSnachfolg« im Fürstentum Lippe berechtigt und berufen" anerkannt wurde. Dem Gesetze von 1895 gemäß übernahm er die Regentschaft. Der Schiedsspruch schaffte formal nur zwischen den drei Prätendenten Recht. Nach den Entscheidungsgriinden konnte aber kein Zweifel sein, daß die Brüder des verstorbenen Grafregenten eben falls thronfolgefähig seien, und für seine Kinder aus der Ehe mit der Gräfin Karo- line von Wartensleben war dasselbe an- zunehmen. Schaumburg-Lippe wollte das aber nicht anerkennen, bestritt vielmehr in einem an den lippischen Landtag gerichteten Protest wenigstens das letztere. Die Antwort Ivar ein im Landtag vom Grafregenten einge brachter Gesetzentwurf, der Thronfolge und Regentschaft eingehend regelte und insbesondere die Söhne des Gras- rcgeuten als successiousberechtigte Agnaten anerkannte. Ein Protest des Fürsten von Schaumburg-Lippe an den Landtag batte nur den Erfolg, daß dieser ihm eine Frist setzte, bis zu welcher er den Weg der gerichtlichen Ent- scheidung zu betreten habe. Nunmehr suchte die schäum- burgische Regierung Schutz beim Bundesrat. WaSgingaberdieseFragedenDundeSrat an? Nichts! Tie Kompetenz des Reichs und der Bundesstaaten ist bekanntlich dahin geregelt, daß — wie Bismarck sich einmal ausgedrllckt hat — die Verfassungs urkunde diejenigen Konzessionen aufzählt, welche die Sonderexistenzen auf deutschem Gebiete der Allgemein heit machen. Alle dem Reiche nicht übertragenen Be fugnisse sind somit den Einzelstaaten verblieben. Das Recht über Thronfolge- und Negentscl-aftsstreitigkeiten zu entscheiden, ist dem Reiche nirgends eingeräumt, noch viel weniger die Befugnis, sich in die Landesgesetzgebung, dis eine derartige Streitigkeit regeln will, einzumischen. Die deutsche Bundcsakte mit ihren Ergänzungen sah für diesen Fall ein Austrägalverfahren vor; die Neichsver- sassung von 1849 wies in 8 126 unter <1 Streitigkeiten über Thronfolge und Regentschaft in den Einzelstaatcn deni vorgesehenen Reichsgerichte zu. Don der Aufnahme einer ähnlichen Bestimmung in die Reichsverfassung wurde aber ausdrücklich abgesehen. Bei der Beratung des Entwurfs der Verfassung des Norddeutschen Bundes beantragte nämlich der Abg. Zachariae statt Artikel 70 folgende Bestimmung zu setzen: „ES wird ein ständiges Bundesgericht eingesetzt, zu Lessen Zuständigkeiten ge hören: ... 4) Streitigkeiten über Thronfolge, RegierungS- fähigkeit und Regentschaft in den Einzelstaaten." Aber der Bundeskommissar bekämpfte Len Antrag mir politischen Gründen, der Abgeordnete Braun schloß sich ihm an. Ter Antrag wurde abgelehnt und der mit dem Artikel 76 der Neichsverfassung übereinstimmende Artikel 70 angenommen. Gleichwohl glaubte der Bundes- rat seine Zuständigkeit einer längeren Prüfung unter- ziehen zu müssen. Denn er richtete zunächst an Lippe das Ersuchen, die Beratung über den Gesetzentwurf auszu- setzen. Und in der Tat ließ man sich einschüchtern. Das Gesetz gelaugte nicht zur Verabschiedung, es wurde nur eine Novelle zum Regentschaftsgcsetz vom 24. April 1895 angenommen, durch die als Nachfolger des Graf-Regenten iu der Regentschaft des Grasen Ernst sein jeweilig ältester Sohn bestimmt wurde. Ties geschah am 18. März 1898. Taraufhin erneuter Protest der schaumburgischen Ne gierung beim Bundesrat mit dem Anträge, dieses Landesgesetz dem Hause Schaumburg gegenüber für un verbindlich zu erklären. Mit rapider Schnelligkeit — nach knapper Jahresfrist, faßt« der Bundesrat am 5. Januar 1899 den Beschluß sich zur Erledigung der Streitigkeit nach Artikel 76 Abs. 1 der Neichsverfassung für zuständig zu erklären. DaS war keine Entscheidung, das war — wie der be« kannte Staatsrechtslehrer an unserer Universität Binding sich damals ausdrückte, „ein politisch, taktisches Manöver." Fassen wir eS aber vom Nechtsstandpunkt ins Auge. Artikel 76 Abs. der Reichs- Verfassung lautet: „Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundes staaten, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen de- einen Teils von dem Bundesrate erledigt." Daß eine Thronfolgestreitigkeit nicht privatrechtlichec Natur ist, liegt auf der Hand. Ausdrücklich erklärte der Reichskanzler in dcr Sitzung deS Reichstage» vom 17. Ja- nuar 1899, der Bundesrat habe in seiner großen Mehr heit den Umstand als entscheidend erachtet, daß tatsächlich in seiner äußeren Erscheinung der Streit den Charakter einer von den Regierungen geführten Staatsangelegenheit angenommen habe und die Bundes instanz in dieser Streitlag« angerufen sei. Wünschen»« wert wäre e» freilich gewesen, wenn der Bundesrat inner halb deS Jahres, in dem er sich mit der Frage beschäftigte, seine Prüfung etwa» weiter ausgedehnt hätte. Denn setzt nach beinahe sechs Jahren ist doch der mit den An« sprachen Schaumburg-Lippes unvereinbare Fall der Regentschaft in Lippe eingetreten. Schaumburg hat den ruhenden Rechtsstreit wieder ausgenommen. AlleS Zögern ist fruchtlos gewesen. Gelingt es dem Reichs kanzler nicht nochmals, die Beteiligten zu einem Schieds vertrag zu benagen, so muß die Entscheidung fallen. Sie darf aber nur lauten: der Bundesrat ist nicht zuständig, weil seinem inneren Wesen nach ein Streit zwischen zwei Bundesstaaten gar nicht oorliegt. Wenn der Fürst von Schaumburg Ansprüche auf den lippischen Thron hat, so hat er sie als Agnat des lippischen Gesantthauses, nicht als souveräner Fürst von Schaum burg. Es ist nicht einzusehen, warum er eine andere Stellung haben sollte als der Chef der Weißenfelder Linie, der dieselben Ansprüche erhebt und natürlich den Bundesrat auf Grund von Art. 76 Abs. 1 nicht an- rufen kann. Nun hat zwar der Staat Sclxaumburg den Anspruch seines Souveräns zu dem seinigen gemacht, wie es natürlich jedem Staate unbenommen ist, jeden Anspruch eines jeden zu dem seinigen zu machen. Es leuchtet aber ein, daß dadurch ein Anspruch nicht zu einem staatlichen im technischen Sinne wird. Mit was für Sachen könnte dann schließlich der Bundesrat aus Grund von Art. 76 Abs. 1 behelligt werden. Auf diesem Stand, punkt steht auch die deutsche Staatsrechtswissenschaft. Nur zwei Juristen haben, soweit wir es übersehen können, einen abweichenden Standpunkt eingenommen. Zorn hat ausgeführt, die Thronfolge sei nach der heutigen Ent wicklung des Staatsrechts keine persönliche Angelegen heit der Fürsten mehr, sondern Staatsangelegenheit, und er versiehe nicht, wie Seydel im „Verwaltungsrecht" den Standpunkt einnehmen könne, der lippische Thron folgestreit sei eine private Angelegenheit des Fürsten von Schaumburg, die seinen Staat nichts angehe. Und sicherlich bat Seydel recht. Staatsangelegenheit ist der Anspruch des Fürsten von Schaumburg zweifellos, aber Angelegenheit deS lippischen Staats, nicht Staats angelegenheit zwischen Lippe und Säxmmburg. Weiter führt Zorn aus. dcr Fürst von SckMrmburg sei souverän: seine Agnateneigenichaft bilde nur die juristische Der Mittelung seines Anspruches. Es sei ein unvollzichbarer Gedanke, etwa behaupten zu wollen, als Agnat sei der souveräne Fürst von Schaumburg der Landesgcsetz- gebung von Lippe unterworfen. Die souveräne Stellung des Fürsten sei allein maßgebend. Einen souveränen Fürsten könne man nicht zerreißen in Souverän hier und Untertan dort. Gewiß ist dcr Fürst von Schaumburg nicht lippischer Untertan. Aber warum soll man ihn nicht zerreißen in Souverän hier und Agnat dort. Ter Agnat braucht nicht Untertan zu sein. Einen andern Weg hat Kckul6 von Stradonitz eingeschlagen. Er weist an der Hand von Beispielen auf die zutreffende Tatsache hin, daß die Reichsverfassung das Wort Bundesglied an einigen Stellen für Bundesstaat braucht. Er hält sich infolgedessen dazu befugt, in 8 76 Abs. statt Bundesstaat Bundesglied einzusetzcn. Auch dagegen würde sich nichts einwenden lassen Damit sei, so fährt Kekulä aber fort, der angeblich unabweisbaren strengen Interpretation des Wortes „Bundesstaat" der Boden entzogen. Ta nun nach den Eingangsworten dcr Neichsverfassung die Bundes- fürsten, nicht die Bundesstaaten den Bund geschlossen hätten, so seien die Bundesfürsten die eigentlichen Bundesgliedcr. Hieraus ergäbe sich, daß man in Art. 76 Abs. 1 statt Bundesstaat auch Bundcsfllrst lesen dürfe. Und der Fall, daß ein Bundes-fürst mit einem Bundes staate streite, liege ja vor. Also sei der Bundesrat zur Erledigung des Streites zuständig. Ob der Bundesrat diese wunderbare Deduktion sich zu eigen machen wird? Wir haben besseres Zutrauen zu dem juristischen Scharfsinn seiner Mit glieder. Sollten sie aber auch die geist voll st en Argumente finden, begründen werdensiedieZuständigkeitdesBundeS« rats für diesen Fall nie können. Man kann eben das offenbar Unmögliche nicht möglich machen. Wie verlautet, soll die Entschließung des Duuüesratcs in kurzer Frist erfolgen. Hoffen wir in« Interesse der Erhaltung des Rechts, daß sie in die richtige Bahn einlenkt l Der turrircb-englircbe ffonklitzt. Gestern ^ist, die» ist da» bedeutsamste Zeichen der diplo matischen Siluation, der Lord Lansdowne von seinem Landanfentbalie nach London Ziirückgekebrt. Es wird ferner gemeldet, daß kur, nachdem Hüller Rechtsanwälte dem Aus wärtigen Amte, der Admiralität und dem Ministerium de- Innern Mitteilung gemacht batten, sie eine Aufforde rung dieser Ressort» erbirlten, die Hauptanaenzeugen zu einer persönlichen Dernebmuna nach London zu senden. Die Kapi- täne zweier Fischerboote, sowie einige andere Personen, darunter rin Fischer vom „Trane" sind bereit- eingrtroffen. Gestern bot da» Auswärtige Amt ein ganz ungewöhnliche« Bild. Die Korridore, wo sonst feierliche Stille herrscht, waren von Matrosen und anderen mit der Schiffahrt in Verbindung stehenden Personen anaefüklt. Die Regierung läßt ein strenge» Verhör mit allen Zengen vornehmen, um den genauen Sachverhalt re» Ueberfall« m der Nordsee festrustellen. WaS an Tatsächlichem nunmehr verbürgt scheint, m geeignet, den Zorn über die von dem russischen Geichwadcrkommando zu- gelaffene Unbill noch mehr zu mehren. Lin Vertreter d«S „Reuterschen Bureau»' interviewte den Kapitän vom Fischer boot „Magpie". Dieser erklärte, die russischeFlotte sei m itten durch dieFischerflottillehindurch gegangen, die aus 160 Booten bestand, wovon 6 noch vermißt werden. Er bestätigte vollkommen die früheren Mitteilungen über die Vorkommnisse in der Nacht zum Sonntag und sagte, es habe nicht der geringste Grund vorgelegen, der die Annahme der Russen rechtfertigen konnte, daß sie etwas anderes als Fischerboote vor sich hatten. Die Scheinwerfer hätten alles auf 6 Meilen erhellt. Nach Blättermeldungen ist der Dampfer „Wren" durch das Feuer der ruisischen Schiffe mit der ganzen Besatzung zu in Sinken gebracht worden. Als besonders ernst wird eS betrachtet, daß die russischen Schiffe nach dem Vorkommnis mit Volldampf weiter fuhren. Die Fischer erklären, daß sie den russischen Schiffen nahe genug waren und die Ge sichter der Mannschaft hätten erlennen können; die Russen hätten sehen müssen, daß sich Fischer an Bord deS Dampfers befanden. Außerdem habe der Dampfer auch die durch internationales Gesetz vorgeschriebenen Lichter geführt Einige Fischdampser fehlen noch. Die Zahl der bisher aus dem Lazarettschiff geborgenen Verwundeten beläuft sich aus 29. Naturgemäß hat sich die russische Diplomatie beeilt, mit den gewöhnlichen Verlegenheitsfloskeln die hastigen An fragen, die auf sie «»stürmen, ^u parieren. Der Sekretär der russischen Botschaft erklärte einem Vertreter der „Daily News", Rußland sei schon vor Wochen vor einem japanischen Anschläge in der Nord see gewarnt worden. Die russischen Offiziere möchlen deshalb geglaubt haben, daß die Fischdampser mit Torpedorohren ausgestattet seien. Der „Matin" meldet aus London, der russische Botschafter in London habe erklärt, bas Vorkommnis sei zweifellos irgend einem Mißverständnis zuzujchrciben. Die Russen dürsten wohl geglaubt haben, daß die Boote im Dienste der Japaner stünden und feindselige Absichten halten. Es würde für die Boote in vielem Falle in der Tat leicht ge wesen sein, an die russischen Schiffe heranzukommen und Torpedos abzuseuern. Wenn bewiesen wurde, daß tat sächlich nur harmlose Fischer gelötet und ver wundet worden seien, so werde dieser Vorfall in Nus; land das größte Bevauern Hervorrufen. In Washington lprach der russische Botschafter Cassini seii. lebhaites Bedauern über das unglückselige Vorkommnis in der Nordsee aus und schrieb es einem Mißverständnis zu. Er gibt wörtlich an, Rußland habe die Nachricht er halten, daß die Japaner planten, die russische Flotte, bevor sie weit gekommen sei, zu zerstören. Admiral Rosch- destwenSly erhielt deshalb den Befehl, keinem fremden Schiffe zu gestatten, seiner Flotte sv nabe zu kommen, daß eo ein Torpedo abfenern lönne. Er solle besonders in der Nacht und gegen den Angriff von Torpedobooten auf der Hut lein, die äußerlich als Kauffahrteischiffe auf treten. Die Mehrzahl der Londoner Blätter ist offenbar bemüht, sich in den Aeußerungen über den Vorfall zu mäßigen; sie tagen, daß die russische Regierung kaum für die wahn sinnige Tat und die dadurch hervorgerufene Panik ver- aniwortlich gemacht werben könne, sie verlangen aber ein energitches Vorgehen der Regierung, die aus s o s o r t i g er Ab bitte, Zahlung einer Entschädigung und Bestrafung der Schuldigen und auf dem Versprechen bestehen müsse, daß derartiges sich nicht wiederholen tolle. Um da« Maß voll zu machen, meldet d,e „Preß-Association" von der Insel Wight, daß die russische Flotte dort vorgestern nach mittag gesehen worden sei und einen englischen Dampfer angehalten habe. Hier hilft sich die englische Regierung mit Pallialivinitkeln nicht mehr durch. Nach den bisher letzten Telegrammen aus London sind die Hauptzeugen deS Vorfalles, die in London eingetroffen sind, noä^ bleich vor Erregung und Schrecken, namentlich ter zunge Aohn des Kapitäns Lmitb von dem Boot „Crane", der zugegen war, als ein Geschoß seinem Vater den Kopf abriß. Aua Hüll selbst wirb dem „Berl. Lok.-An;." noch telegraphiert: Die Aufregung und die herzzerreißenden Sccnen, als ein Fischerboot beladen mit Verwundeten in Hüll ein- tras, waren unbeschreiblich. Ungeheure Menschenmengen waren am Kai versammelt. Vielen Schwerverwundetcn sind von den russsichen Granaten Glied maßen ganz weg gerissen worden. Lord Lansdowne eilte von seinem Landsitz Bowood-Parks sofort nach Eintreffen der Nachrichten von Hüll nach London. Der russische Boischafter Gras Benckend orfs ist von Berlin nach London abgereist. Inzwischen bat der britische Botschajter in Petersburg telegraphische An weisung erhalten, bei der russischen Regierung vorstellig zu werden. — Dazu wird aus Petersburg gemeldet: Sofort nach Erhalt der Meldung von den beklagenswerten Ereig nissen mit den englischen Fischerbooten bat Graf Lambs dorff dem hiesigen englischen Botschafter sein tiefstes Be dauern auSgevrückt und den russischen Botschafter in London angewiesen, der englischen Regierung strengste Untersuchung des Vorfalles, reichliche Entschädigung den betroffenen Fischer (!) und Bestrafung der Schuldigen zuzusichern. Eine Nachricht au- Paris besagt, «« herrscht im dortigen Auswärtigen Amt die Ansicht, eS werde der Diplomatie gelingen, die unangenehme Angelegen heit aus der Welt zu schaffen. Man glaubt, daß der Kom mandant de« ruisischen Ostsetgeschwader« aufgeforrert werde, den Oberbefehl niederrnlegen und zu seiner Recht fertigung nach Petersburg zurückzurehren. An rnglischeZwangS- maßregeln glaubk man nicht, trotzdem z. B. die „Mail" schreibt: „Da- ist nur der kulminierende Akt einer Reihe von Angriffen auf britisch« Schiffe durch die russische Flotte und es muß der letzte sein, lieber da» wa» ge schehen muß, kann kein Zweifel bestehen. Wenn die russische Flott« aus Versehen feuerte, kann man ihr auch nicht mehr auf hoher See trauen; handelt e« sich aber nicht um ein Versehen, dann liegt rin kriegerischer Akt vor, der durch da« Urteil der zivilisierten Welt al« rin in der Geschichte de« Kriege« noch nie bagewesener Eingriff gerichtet werden wird." — Die Sprache de» „Standard" ist ungleich heftiger: „Wenn Vie russischen Schiffe die Signale der Fischer al« feindliche Zeichen ausfaßtcn, dann müssen ihre Offiziere und Führer Trnn ken holde oder Verrückte sein, und solche Leute sollte man nicht auf die offene See schicken." Da« Blatt verlangt dann allen Ernste» di« Zurückberufung der ganzen russischen Ostseeflotte, nicht bloß di« de» Kommandanten.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite