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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041025022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904102502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904102502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-25
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Leite 2. Nr. 546. 98. Jahrg. Leipziger Tageblatt. Dieustag, 25. Oktober 1964. durchsetzt» gegen Hindernisse natürlicher Art, deren Be seitigung im Augenblick nicht zu bewirken ist." Auch hierdurch wird nicht die auch von unS übernommene Anregung als unausführbar hingestellt, die Truppen an einem anderen Platze als in Swakopmund zu landen und dafür auf diplomatischem Wege die erforderliche Genehmigung von England zu erwirken. Der Aufruhr im Süden. Die gestern abend von uns wiedergegebrne zusammen- fassende Meldung über Borgänge ,m Süden wird offiziös folgendermaßen erläutert: Tie Nachrichten dieser Meldungen beziehen sich auf die Gegend südlich von den Stationen Kub Und Kuts, die Oberst Leutwein nach der Meldung vom 18. d. M. mit der 2. Ersatzkompagnie besetzt hat. Tie Station Pforte war eine Station der Heliographenlinie. Geitfabis (Rictfontein) liegt in einem Seitental des Leberrivier. Südöstlich davon liegt um Nunanibberg die Heliographenstation Falkenhorst. Tie Wasserstelle Dassietfontein, wohin sich die Be- satzung von Pforte znrückgezogcn hatte, liegt östlich von Falkenhorst in der Richtung gegen Gochas. Tie Bastards wanderten erst im Jahre 1871 aus der Kap- kolonie rin. Es sind Mischlinge von Buren und Hottentotten, die alS fleißig und intelligent gelten, großes Sprachtalent besitzen und geschickte Handwerker abgeben. Ihr größtes Gemeinwesen ist daS von Rehoboth, wo unter Hermanus van Wijk etwa 600 bis 800 Bastards siedeln; andere Siedlungen befinden sich in Warmbad, etwa 300 unter KlaS Swart, in Kalkfonteiu etwa 200, in Rietsontein etwa 200 und kleinere Mengen in Keetmanshoop, HoachanaS rc. Wie bei dieser Gelegenheit erwähnt sei, ist Frau von Burgs- dorff, die Gemahlin deS durch Hendrik Witboi ermordeten BezirkS- hauptmanns, nach kurzer, hier eingelaufener telegraphischer Nach richt seit dem Tode ihres Gemahls spurlos verschwun den. Auch ihr Verbleib erweckt in dein großen Bekanntenkreise der Dame lebhafte Beunruhigung, zumal über etwaige Vermutungen, die vielleicht an Ort und Stelle im Umlauf sein mögen, in Berlin uichts bekannt ist. Die Lntschä-igungtkommissisn. Die EutschädigungSkommission hatte, nach der „D.-Süd- westafr. Ztg.", bis Mute September an Schäden sestgestellt rund zwei und eine viertel Million Mark. Bon den angemeldeten Ansprüchen sind »besetzt worden rund 68 000 Gezahlt waren bis dahin an Hülfeleislungen (und zwar teils als Anteil auf festgestellte Verluste, teils als Borschuß auf nock sestzusiellende) rund 680 000 Als Darlehen gezahlt waren rund 114 000 — Die Kommission, bestehend aus den Herren Oberrichter Richter, Dr. Rohrbach, Farmern Miltelstädt und Rust und Kaufmann Nitzsche, ist am 24. Sep tember in Swakopmund eingetroffen. Der liittiZH-Iapsnircbe Weg. Die russischen Neuorganisationen. DaS Kommando deS russischen 19. Armeekorps, dessen Mobilisierung am Weitesten vorgeschritten ist, wurde, so wird aus Petersburg gemeldet, wegen Erkrankung des Gene rals Torponin dem General RjeSwy j, bisher Kommandeur der 2l. Division, übergeben. Am Sonntag verlassen Groß fürst Boris und zahlreiche andere Offiziere, die bei der Organisierung der Armee Griepenbergs mitwirken sollen, Petersburg. Gleichzeitig gehen die ersten von den 40 Krupp- lchen 45 cm Geich Ützen der Gebirgsartillerie ab. Im Industrie-Revier von Russisch-Polen wurden in den letzten Tagen 6000 Reservisten mobil gemacht. Deshalb mußten, nach einer BreSlauer Meldung der „Voss. Ztg.", mehrere Werke und Webereien den Betrieb ein stellen. Verwundung -e» Prinzen Napoleon Murat. Nach einer Meldung aus Mulden ist Prinz Napoleon Murat, Offizier im 2. Kaukasischen Reiter-Regiment (Da- ahestan), von der Brigade des Fürsten Orbeliani, in der Nacht zum 23. d. M. verwundet worden. Sein Regiment war am äußersten rechten Flügel ausgestellt und erhielt am 22. abends den Befehl, eine der Höhen zu nehmen, die den Eingang zu der Straße nach Liaojang beherrschen. Die Höhe war von japanischer Infanterie besetzt und wurde nach einstünbigem Kampfe genommen. Die Kosaken waren abgesessen und metzelten alles nieder, was nicht in der Flucht sein Heil suchte. Bei diesem Nahkampse erhielt Prinz Murat eine anscheinend nicht gefährliche Wunde. Prinz Napoleon Murat, Urenkel des unter Napoleon I. zum Könige von Neapel aujgestiegenen Reitergenerals, rst 1872 geboren als Sohu deS inzwischen verstorbenen Prinzen Lucien und seiner Gattin Salome, Prinzessin Dadian. Er slano noch vor einigen Monaten als Leutnant im 9. französischen Kürassierregiment. politische Lsgerrchau. Leipzig, 25. Oktober. Vom Frankfurter Wohnungskongreß. Der erste deutsche Wohnungskongreß, der in diesen Togen zu Frankfurt a. M. zusanrmentrat, wird in oer Presse eingehend besprochen. Die meisten der Be sprechungen sind pessimistisch gehalten und nur in wenigen Blättern wird hervorgehcben, daß die Anregungen, die von den Debatten ausgegangen seien, sich gewiß in Zn- kunft noch als fruchtbringend erweisen werden. Ob man diese Ansicht teilen will oder nicht, ist eine Tempera- mentsfrage. Wenn wir uns an die nüchternen Tatsachen halten, so müssen wir gestehen, dos; unserer Ansicht nach der Kongreß allzu wenig positive Ergebnisse gezeitigt hat, um von den Frankfurter Togen eine Stärkung der reformatorischen Bewegung erhoffen zu können. Daß der allgemeine Anteil an dieser Bewegung schon heute sehr stark ist, beweist ja allerdings die Tatsache, daß wohl über tausend Personen aus den verschiedensten Gruppen und Vereinigungen an dem Kongreß teilgcnommen haben. In den Debatten aber kamen dann dement- sprechend die allerverschiedenstcn Tendenzen zum Aus- druck. Ta waren Solche, die die sikotwendigkeit einer WohnungZrcsorm überhaupt leugneten und in allzu wohlfeilem Optimismus nachzuwcisen versuchten, daß die Wohnungsverhältnisse ohnehin schon in der Besserung begriffen seien. Ta waren Andere, die zwar die Tatsache der Wohnungsnot anerkannten, aber in ihren For derungen so himmelweit auseinandcrgingen, daß eine Einigung schlechterdings unmöglich schien. Die Einen wollen sich mit den bei den Agrariern sc verhaßten „kleinen Mitteln" begnügen, die Anderen raten kurzweg zu einer Eisenbartkur und wollen das private Monopol an Grund und Boden mit einem Federstrich aufhcben. Tie Einen rufen die Gemeinde, die Änderen den Einzel- itaat, die Dritten das Reich zur Hülfe. Tie Einen suchen das Geil in einer Abänderung des Gemeindewahlrechts, die Anderen in einem weitgehenden Enteignungsrecht und Enteignungsverfahren und die Ausführungen der einzelnen Redner werden mit jenem stürmischen Beifall und jenem stürmischen Widerspruch unterbrochen, der nun einmal in solchen Massenversammlungen unerläß lich ist. Für den Augenblick scheint dos Chaos nur noch wirrer geworden zu sein. Indessen wird sich ja vor allem durch die Erörterung in der Presse die Situation allmählich klären und im Laufe der Zeit werden sich ge wisse Richtungslinien schärfer als bisher hervorheben. Für die praktische Behandlung freilich ist im Augen- blick wenig gewonnen, da der Kongreß nicht einmal zu dem preußischen WohnungSgesetzentwurf eine definitive Stellunq einnahm. Da- wesentlichste Resultat muß also dann gesucht werden, daß weite Kreise auf- neue für diese überaus wichtige Frage interessiert wurden. Die Verbrüderung zwischen bayerischem Zentrum und Sozialdemokratie. Der Abgeordnete Dr. Heim, der sich bekanntlich zum „geistigen" Führer deS bayerischen Zentrums aufgeschwungen bat, hat dieser Tage in Nürnberg das Bündnis zwischen Zentrum und Sozialdemokraten, das bei den vorigen bayerischen Landtagswahle» so erfolgreich — d. h. für das Zentrum, nicht für die Sozialdemokratie — funktioniert batte, auch für die bevorstehenden Landtagswahlen proklamiert. Er hat auch bereits einen feinen Vorwand für dieses Wahl bündnis gefunden, nämlich den Gegensatz zwischen Zentrum und Sozialdemokraten einerseits und de» liberalen Parteien andererseits in der Wahlrechtsfrage. Dr. Heim sagte in seiner Rede u. a. folgendes: Und da gibt es Leute, welche sich entrüsten darüber, wenn das 2 slk, welches sich nicht bevormunden lassen will, sondern eine freie Wahl ver langt alS daS erste und größte Recht des Volkes, für die nächsten Wahlen das Feldgeschrei auSgibt: Hinaus mit den Wahlrechtsräubern! Tie Parole für die Wahl 1905 heißt „freie Wahl". Alle jene, welche die freie Wahl verhindert haben, dürfen nicht mehr in den Landtag zurückkrhren. Es braucht kein Kompromiß, es bedarf keines Wahlbündnisses, es ist ganz selbstverständlich, daß die Parteien, welche für das direkte Wahlrecht eingetreten sind, diesmal gemeinsam, wo es am Platze ist, gegen die Wahl- rechtsräuber vorgehen." Wenn die Berechtigung zu einem Bündnisse mit der Sozialdemokratie aus der Uebereinstimmnng in einer be stimmten Frage sollte hergeleitet werden können, so hätten die Linksliberalen ein viel größeres Recht, bei Reichstags wahlen mit der Sozialdemokratie zusammenzugehen, als daS Zentrum bei den bayrischen LandtagSwahlen. Auch bei Landtagswahlen in den Einzelstaaten, beispielsweise in Preußen, dürften sich dann die Freisinnigen mit der Sozial demokratie verbünden. Gerade in Preußen und gerade auch hinsichlich der Wahlrcchtssrage zum Landtage stimmen die Freisinnigen viel mehr mit den Sozialdemokraten überein, als mit den anderen Parteien. Die preußischen Freisinnigen aber haben bei den vorjährigen Abgeordnetenwahlen nicht daran gedacht, die Sozialdemokraten zu unterstützen, und sie haben jede Verbindung mit dieser Partei selbst in solchen Fällen abgelehnt, wo sie durch eine Bundesgenossenschafl einige Mandate hätten retten oder erobern lönnen, beispielsweise in BreSlau und Charlottenburg. Sie haben dies Verfahren darum eingeschlagen, weil ihnen der Zusammenschluß des Bürgertums gegen die Sozialdemokratie wichtiger erschien als der Gewinn einiger Mandate. Sie haben damit bewiesen, daß sie mehr monarchischen Sinn besitzen, als daS ehrenwerte bayerische Zentrum, das sich immer als den sichersten Hort des ThroncS der WilletSbacher ausspielt. Um das Bündnis mik der Sozialdemokratie noch besser zu beschönigen, wies Dr. Heim darauf hin, daß das Volk nur auf den einen der drei Faktoren der Gesetzgebung (Regierung, Reichsrat und Landlag) Einfluß besitze, deshalb also gerade bei den Landtagswahlen zusammenstehen müsse. Auch dies ist eine Unwahrheil, denn das bayerische Zentrum — und für Herrn Dr. Heim ist doch das Volk nur Volk, soweit eS zum Zentrum und allenfalls noch zur Sozialdemokratie gehört — hat entscheidenden Einfluß nicht nur in der Volksvertretung, wo eS Dank der Dumm heit der Sozialdemokratie die Majorität besitzt, sondern auch auf die Regierung; sonst hätte ja daS Zentrum nicht den Grafen Crailsheim von seinem Ministersessel hernnterfeaen können, indem eS die Volksseele kochen ließ. Diesen Einfluß will das Zentrum behalten und deswegen verbündet es sich mit der Sozialdemokratie, obwohl die Presse dieser Partei das Kreuz, das vorm Zentrum vorangetragen wird, tag täglich verhöhnt. Nach Luegers Geburtstag. Zu Bielitz, einer Stadt im österreichischen Schlesien, haben Gewerbegerichtswahlen stattgesunden; Christlich soziale und Sozialisten prügelten sich im Schießhause, mit blanker Waffe drang die Polizei ein, viele Personen wurden verwundet oder verhaftet. Die provinziale Aus schreitung wäre zweifellos verhütet worden, wenn nicht in der Kaiserstadt selbst seit der Schlacht zwischen dem Fackelzuge und dem Zuge der „Lumpen" der Geist des Randals so ungeniert sein Wesen triebe, wie es dem Volke von Wien seit der Badeni-Hetz nicht mehr erlaubt war. Gestern fuhren etwa 1200 Wagen zur Gratu- laticnskur beim Rathausherrscher an. In -er Votiv kirche wurde ein Festgottesdienst abgehalten, und man berichtet von zwei Glückwunschtrabanten, die neben einander zu ordnen ganz lustig ist. Der Oberhofmeister der Erzherzogin Maria Annunciata und der in Florenz weilende Herr Wilhelm Singer, Präsident der inter nationalen Preßassoziation, Leiter des unübertrefflichen Preßkon(iresses, gegen den -er Oberbürgermeister seine von Rastentheorien beirrten Augen zudrückte, gaben sich Rendezvous. Traußen jedoch schmähten abends die Be sucher der sieben sozialdemokratischen Protestversamm- lnngen, die nicht bloß dem Dr. Lueger, sondern auch dem neuen, im niederösterrcichischen Landtag vorliegenden Schulgescbentwursc Fehde angesagt hatten. Ein Trupp von 2000 Teilnehmern schob sich durch den Stadtteil Margarethen nach der Siebenbrunnengasse, wo der neue Luegerbrunnen sich erhebt. Steine flogen gegen die Polizisten, die dann nicht mehr mit sich spaßen ließen und Verhaftungen vornahmen. Es ist zu erwarten, daß diese Abcndscene -en Schwall -er Ehrungen, die -cm 60jährigen Manne bereitet wurden, endet. Die zweite Periode in seiner öffentlichen Laufbahn, die Periode, in der vom Straßenruhme allgemach ein Beträchtliches ab bröckelt, der Haß verflackert und Jüngere mit ihren Ell bogen sich einen Teil an der bisher monovolisierten Macht erzwinge», st, nahe. Denn an einen raschen Absturz des kommunalen Tyrannen und des Hansmcistersohnes, der sich mit dem klerikalen Prinzen Liechtenstein nur verbrüderte, weil ihm der Aufstieg bei den Liberalen nicht gelang, ist kaum zu denken. Gestern hat er, als ihm die 341 WO Kronen der Dr. Karl Lueger- Stisnng eingehändigt wurden, erklärt, er werde die Zinsen den Kleingewerbetreibenden und den bei ihnen tätigen Arbeitern zuwenden, und falls einmal eine Alters- und Invaliditätsversicherung für Gewerbetreibende in Oesterreich eingeführt werden sollte, dieser das Kapital übergeben. Tis „kleinen Leute" stützen ihn, die Greisler und Pfaidler, die Schuster und Schneider, denen seine antiliberalcn Taten im Abgcordnetenhause, im Landtage und im Gemeinderate, der vorher „verschlampt" und den Klüngeln ausgeliefcrt war, ihr Klassenbewußtsein ver lieben. Ter „schöne Karl" hat ferner gesagt, er sei und bleibe ein treuer Diener seines Vaterlandes und des Hauses Habsburg; das sind die altösterreichischen Klänge, die das Kleinbürgertum der „Kaiserstadt" bei seinen Volkssängern und in -en politischen Spelunken bciauchzt, so lang „a Wien" und der „ölte Steffel" noch existieren. Lueger ist vulgär er redet Plattheiten, aber er höhnt, er macht in Gemüt, er ist „falsch" wie seine Nachbarn vom Grund, er ist einer der stärksten und unwissendsten Psychologen eines Volkstums, dessen Banausenart und dessen Urwüchsigkeit er teilt. Ein gläubiger Kathclik ist er, der im fürstbischöflichen Palast aufwuchs, nach der Ansicht auch loyaler Gegner immer gewesen. Er hatte unter sich festen Boden, war kein Zerspalteter, und sein Wille half ihm, seitdem er erreicht hatte, daß ihn gegen die kaiserliche Ungunst eine Bewegung zum Volkskandi daten machte. ES wird beteuert, daß er sich persönlich keinen Genuß gönnte; während daS Rathaus Prunkhast, monumental auf einen Grandseigneur harrte, hat er schlechte, billige Cigarren geraucht und sich billig ge kleidet. Er hat dafür die robuste Gesundheit des glück lichen Autokraten. Er hat die Feinde aufgesucht, anstatt sie zu umschleichen, und wenn ihm die Arbeitgeber, diktatur vorgeworfen wird, die er gegen Straßenbahner, Gas- und Elektrizitätsarbeiter, Gewerbetreibende und Lehrer ausllbt, so hat er doch, wie ein freisinniger Journalist und im Nebenamtc feiner Dichter, Dr. I. I. David, soeben einräumte, die Straßenbahnen aus Iobberhänden befreit. Die Trinkwasserversorgung, die Armenpflege, die Irrenversorgung im heutigen Wien sind nur durch seine Majorität geschaffen worden; er hat in der Kommunalgeschichte seinen festen Platz, den ihm auch sein geschmackloses, unkluges Wort und die Geburts- tagsstörung, die es hervorrief, nicht nehmen wird. veulsOes Kritt). Leipzig, 25. Oktober. * Rosa Luxemburg ist, wie uns aus Zwickau tele graphiert wird, dort gestern aus dem Gefängnis entlassen worben. Infolge der vom König Friedrich August erlassenen Amnestie hat sie von der Ende August angetretenen drei monatigen Gefängnisstrafe, die iyr wegen Majestäts beleidigung auferlegt war, nur etwa zwei Monate zu ver büßen brauchen. z» Berlin, 25. Oktober. * lieber die parlamentarische Berbandlung der neuen HandrlSvcrträgc verlautet offiziös: Die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn wegen Abschlusses eines neuen Handelsvertrages läßt die Frage erstehen, wie voraussichtlich sich die parlamentarische Behandlung der neuen Handelsverträge gestalten wird. Die neuen Tarifverträge mit Rußland, Italien, Belgien und Rumänien sind bekannt lich zum Abschluß gebracht. Sie könnten demgemäß schon gleich nach der Wiederaufnahme der Sitzungen dem Reichstage unter breitet werden. Daß sie Ende November voraussichtlich noch nicht werben vorgelegt werden, liegt mit daran, daß in Ne gierungskreisen die Absicht besteht, möglichst viele der neuen Vertrage gleichzeitig zur Beratung zu stellen und immer noch die Hoffnung gehegt wird, daß es möglich fein werde, außer den vier genannten Verträgen noch andere zu einem und dem selben Termine an den Reichvtag zu bringen. Selbstverständ lich wird aber dieser Plan nicht für immer aufrecht erhalten werden können. Man nimmt allgemein an, daß die neuen Tarifverträge mit dem Beginn des Jahres 1906 in Kraft treten sollen. Es könnte demgemäß auch ihre parlamentarische Beratung noch hinauSgeschoben werden. Da man aber der Ge schäftswelt eine längere Frist gewähren will, in der sie sich auf die neuen Verhältnisse einrichten kann, so wäre eS danach zu nächst als feststehend anzusehen, daß im laufenden TagungS- abschnitte die fertiggestellten Handelsverträge auch zur par- lamentarischen Behandlung gelangen werden. Sodann wird man aus dem gleichen Grunde die Vorlegung der Verträge an den Reichstag innerhalb des TagungSabschnitteS auch nicht mehr allzu lange hinzögern dürfen. ES ist dem gemäß wahrscheinlich, daß die Verträge spätestens im ersten Viertel des nächsten Kalenderjahres zur Veröffent lichung gelangen werden. Diejenigen Verträge, die außer den vier genannten bis dahin fertiggestellt sein würden, würden natürlich mit diesen dann gleichzeitig eingebracht werden, andere, die etwa später noch zum Abschluß gelangen würden, müßten dem Reichstage entweder im Sommer, gegebenenfalls in einer besonderen Tagung, oder erst im Herbst für sich vorgelegt werden. Ueber die Aussichten, die die Versuche einer Erneuerung der vier noch ausstehenden alten Tarifverträge bieten, läßt sich gegenwärtig nichts sagen. Die Verhandlungen mit der Schweiz haben sich, wie schon der äußere Verlauf zeigt, schwierig gestaltet, mit Oesterreich- Ungarn wird man erst demnächst zur Wiederaufnahme der Unterhandlungs-Konferenzen gelangen. Der Verkehr mit den beiden übrigen Tarifvertragsstaaten ist nicht von wesentlicher Bedeutung für Deutschland. Jedenfalls würde für alle durch Tarifverträge verbundenen Staaten die beste Lösung der Frage darin bestrben, daß die gesamten zur Erneuerung be stimmten Tarisverträge auf einmal zur parlamentarischen Verhandlung gestellt und damit der Geschäftswelt bekannt würden. Im übrigen darf nicht vergessen werden, daß bei der weiteren Bekandlung der zum Abschluß gelangten Ver träge Deutschland auch Rücksicht auf die anderen Staaten nehmen muß, die ja auch zum allergrößten Teil in ihren Parlamenten die neuen Verträge zur Erledigung zu stellen haben. * Aus der Kanalkommission. Die ersten Sitzungen der Kanalkommission haben nach der „Nat.-Ztg." einen im ganze» günstigen Eindruck hinterlassen. Bei dem erweiterten Deich - aesetz trug die Diskussion einen durchaus sächlichen Charakter. Man bemühte sich allerseits sowohl der Forderung der Regierung gerecht zu werden, als auch das Ueber- schwemmungsgebiet gegen schädliche Anläßen zu sichern und sorgte auf der anderen Seite auch dafür, daß die Rechte der Privatbesitzer nicht weiter eingeschränkt wurden, als es die Zwecke des Gesetzes unbedingt erforderten. Die Vorlage wird in der Form, die ihr von der Kommission gegeben wurde, auf Zustimmung rechnen können. — Die Verhand lung über den Großschisfahrtsweg Berlin —Stettin hat zu einem positiven Ergebnis bis jetzt nicht geführt. Man will die Abstimmung vertagen bis nach Erledigung der Over- kanalisierung. Die Schlesier wünschen zuerst zu wissen, wie sich die Regierung zu ihren KompensationSansprüchen stellt. Die Debatte darüber, die bei dem Berlin—Stettin-Kanal die Hauptrolle spielte, wird sich in der nächsten Woche beim Oderkanal wiederholen. Es wird sich darum handeln, ob der Antrag des Grafen Strachwitz, der die jetzigen Frachtdifferenzen zugunsten der schlesischen Industrie aufrecht erhalten will, zur Annahme gelangt. Im übrigen kann man nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen dem GroßschiffahrtSweg Berlin — Stettin ein günstiges Proanostilon stellen. — Sehr charakter istisch ist der Beschluß, den die Kommission über den Modus der Abstimmungen gefaßt hat. Danach soll nis- jeder einzelne Kanal für sich erledigt werden, sondern eS sollen die ersten Lesungen über sämtliche Kanäle den Anfang machen und daran sich die zweiten Lesungen in derselben Reihenfolge anschließen. Die Abstimmungen nach den ersten Lesungen sollen unverbindlich und nicht maßgebend für die zweite Lesung sein. Offenbar will man sich die Entscheidung über die einzelnen Teile der Vorlage kalten, bis man weiß, welche Gestaltung das Ganze voraussichtlich nehmen wird. Die „Dtsch. Tagesztg." bemerkt zum Stande der Sache, die Aussichten auf Annahme des Ryein-Hannover-KanalS seien noch schwächer als vor der Vertagung, dagegen scheine eS ihr vorläufig nicht ganz sicher, daß die Regierung an der Ver koppelung der einzelnen Kanalpläne unbedingt festhalteo werde. Tas Bündttrblatt schließt: Sollte eS aber der Fall sein, so würden gewiß manche An- Hänger de« Großschifffahrtswege« Berlin—Stettin da« Scheitern diese» Projekt» für ein kleinere» Uebkl halte» al» da» Zu standekommen der ganzen Vorlage einschließlich de» Rhein—Leine-Kanal». Andere» ist auch von der nationalökonomischen „Einsicht" der Agrarier nicht zu erwarten. * Strafrechtsreform. Im Reichsjustizamt tagte am Sonn- abend unter dem Vorsitz de» Staatssekretärs Nieberding die neben der Sachverständigenkommission für Reform des Strafprozesses bestehende freie Kommission wegen Reform des materiellen Strafrechts. Ihr gehören vorwiegend hervorragende Strafrechtslehrer an, darunter die Professoren Kahl, Liszt und Wach. * Zur Kieler LandcsverratSaffäre. In der Antlagesache wider den Bureauvorsteher Barkemeyer von der Germania werst nimmt die Untersuchung ihren Fortgang. Den in Haft befindlichen Barkemeyer hat der Kieler LandgerichtSrat Döt- schlag, der vom Oberreichsanwalt zum Untersuchungs kommissar ernannt wurde, wiederholt eingehend zur Sache vernommen. Der Angeklagte bestreitet nach wie vor jede Schuld. Er will weder mit dem Verkauf der Pläne der Unterseeboote, noch mit dem Verschwinden der Linienschiffspläne etwas zu schaffen gehabt haben. Die Untersuchungskommission hat nun, begleitet von einem Proto kollführer, an Ort und Stelle aus der Germaniawerft weitere Erhebungen angestellt. Es handelt sich hauptsächlich darum, den Geschäftsgang der einzelnen Bureaus der Werft und die Möglichkeit festzustellen, unter der die Pläne entwendet worden sein können. Daher wird die Voruntersuchung gegen Barke meyer vorläufig noch nicht zum Abschluß kommen. * Man-atSntcderlegung. Der Chef der Reichskanzlei, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat von Loeb ell, wird, wie die „Kreuzztg." hört, alsbald nach Wiederzusammentritt des Landtages sein Mandat zum Abgeordnetenhaus« (Wahlkreis Brandenburg-Westhavelland-Zauch-Belzig) niederlegen. * Französische Jagdpächter t» Baden. Den wiederholt lautgewordenen Behauptungen von einer Ueberschwemmung Badens durch französische Jagdpächter wird jetzt an der Hand statistischer Daten entgegengehalten, daß im Jahre 1903 in Baden im ganzen nur 24 Jagdpässe an Franzosen als Jagdpächter ausgestellt worden seien, und die Zahl der französischen Gast schützen 174 betrage. Die 198 an französische Jagdpaßnehmer erteilten Jagdpässe stellten nur 3 Prozent sämtlicher im Großberzogtum 1903 ausgestellten 6559 Jagdpässe dar. Aus schließlich französische Jagdpächter hätten nur sechs Jagden. — Immerhin bleibt der Umstand zu beachten, daß in Frank reich deutsche Jagvpächter überhaupt nicht zugelassen werden. * Undank ist der Welt Lohn. Ueber die Erkrankung eines sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten in Württemberg berichtet der Stuttgarter „Beobachter": Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete für Heilbronn-Amt, Schäffler, kann zurzeit den Sitzungen der Abgeordnetenkammer nicht beiwohnen. Er ist krank. Als auswärtige und Heilbronner Genüssen in Schäfflers Gasthaus aneinander gerieten und hand gemein werden wollten, legte sich Herr Schäffler ins Mittel, um Frieden zu stiften. Dabei holte er sich aber zwei Rippen brüche. Doch gibt sein Befinden zu ernstlichen Besorgnissen keinen Anlaß. Ja, ja, das Friedenstisten ist ein schlechtes Geschäft, das hat Zar Nikolaus auch erfahren. — Eine „Abrechnung" mit Franz Mehring hält der Rcichstagsabgeordnete Eduard Bernstein in seinem „Neuen Mon- tagsblalt". Bernstein wirst dem Leiter der „Leipziger Volkszeitung" Franz Mehring Spiegelfechterei, perfide Verdrehung, Illoyalität vor. Bernstein erzählt, daß er bald nach seiner Rückkehr nach Deutschland von KautSky in der „Neuen Zeit" Ende Mai 1901 gehässig angegriffen worden sei. Da habe ihn ein sehr freund schaftlicher Brief Mehrings überrascht, worin dieser Bernsteins Ausscheiden aus der „Neuen Zeit" als großen Verlust beklagte. Mehring habe sich auch über das Mißtrauensvotum des Lübecker Parteitages gegen Bernstein diesem gegenüber mißfällig geäußert und im Dezember 1901 geschrieben: „Ich scheine jetzt auch reif »n sein, Ihre Erfahrungen über die „Freiheit der Selbstkritik" zu repetieren. Na immerzu I" Bernstein philosophiert dann noch über „Revolverjournalisten . — Die Arbeiter sämtlicher Wasserwerke der Stadt Berlin, sowie die Werkstattarbeiter hoben Lohnforde- rungen aufgestellt und diese in einer Bittschrift den städtischen Behörden unterbreitet. Sie verlangen in der Hauptsache die Ein führung von Wochenlöhnen statt der bisher üblichen Stundenlödne, ferner im Krankheitsfall Auszahlung des Unterschiedes zwischen Lohn und Krankengeld nach den Beschlüssen der Gemeindebehörden vom 25. Oktober 1901 usio. — Wie die „Köln. VolkSztg." mitteilt, hat der Abgeordnete Dr. Bachem allerdings dem Wahlkomitee gegenüber mehrfach den Wunsch geäußert, von seinem Landtag-mandate entbunden zu werden, wird es aber einstweilen noch beibehalten. — Der Abqeordnete Graf Hompesch, der Vorsitzende der Zentrumsfraktion des Reichstags, feierte gestern den Tag, an dem er 30 volle Jahre ununterbrochen den Wahlkreis Düren- Jülich im Reichstage vertreten hat. * * Lldenbnrg, 24. Oktober. Der in Hast befindliche Re dakteur Schweynert deS Oldenburger „Residenz-Boten" hat gegen den Minister Nuhstrat Strafantrag wegen Belei digung gestellt, wegen der von Ruhstrat im Landtage gemachten Bemerkung „24jähriger Bengel". * Darmstadt, 25. Oktober. Prinz und Prinzessin Hein rich von Preußen sind mit dem Großherzog gestern im Jagdschloß WolfSgarten eingetroffen. * Ans dem iÄrofzhcrzoatum Baden. Am Sonntag sprach eine Karlsruher aus ganz Baden gut besuchte Vcrtrauenö- männer-Versammlung der deutschen Volkspartei ihre grundsätzliche Geneigtheit für ein Zusammengehen der liberalen Parteien unter Wahrung des gegenseitigen Besitzstandes bei den nächsten Landtagswahlen aus. Damit ist Aussicht vorhanden, daß unter dem neuen Wahlgesetze ein Sieg des Zentrums verhindert wird. * Karlsruhe, 24. Oktober. Die Großherzogin ist beute vormittag von Berlin hier wieder eingetroffen. Am Nachmittage begaben sich der Großherzog und die Groß herzogin wieder nach Schloß Baden. fistle. * TchiffSbewegungen. S. M. S. „Moltke" ist am 23. Ok tober in Prince Ruperts Bay auf Dominica etngetroffen und gebt am 10. November von dort nach St. Thomas (Kleine Antillen) in See. S. M. S. „Panther" ist am 22. Oktober in Willemstad auf Lurayao etngetroffen. S. M. S. „Falke" ist am 22. Oktober in Rosario am Parana eingetroffen und geht am 25. Oktober von dort nach Bahia Bianca (Argentinien) in See. Der Transport der von den Schiffen deS Kreuzergeschwaders abkommandierten Offiziere und Mannschaften ist mit Reichsposldampfer „Sachsen" am 22. Oktober in Colombo auf Ceylon eingetroffen und hat am 23. Oktober die Reise nach Aden fortgesetzt. S. M. S. „Zielen" ist am 22. Oktober in Umuiden eingetroffen und am 24. Oktober wieder in See gegangen. S. M. S. „Aegir" ist am 21. Oktober in Danzig eingetroffen und geht am 25. Oktober nach Neu fahrwasser. (Wdht.) Ausland. Oesterreich - Ungarn. * Ter Tod de- Ritter- von Jaworski. Mit dem greisen Ritter Apollinar von Jaworski ist eine der Hauptpersonen unter denen, die Oesterreichs innere Politik gemacht haben, dahinaeaangen. Nahezu 16 Jahre hat er an der Spitze des PolenklubS gestanden, -er unter ihm eine geschlossene Partei blieb. Dazu kam ein Zufall, auf den die „N. Fr. Pr." aufinerksam macht. Don den mächtigen Führern des eisernen Ringe- unter
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