18 Michael Schäfer Gründerzeiten: Die Industrialisierung in Dresden 1850 bis 1880 Die »Gründerzeit« war im wörtlichen Sinne in Dresden wie anderswo eine Zeit der Unternehmensgründungen. In mächtigen Wachstumsschüben entfaltete sich die indus trielle Wirtschaft zwischen den 1850er und 70er Jahren in der sächsischen Hauptstadt und ihren Vororten. Die Industrialisierung des Dresdner Raums legte die Grundlage für das rapide urbane Wachstum der Stadt und ihrer Umgebung in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung. Trotz der Beschleunigung industriellen Wachstums in den »Gründer jahren» lassen sich Vorläufe und Anfänge der Industrialisierung in Dresden bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen. In größeren Werkstätten - Manufakturen - stellten Lohnarbeiter Luxuswaren her: Spiegel, Fayence-Keramik, vergoldete und versilberte Tressen, Spitzen und Schnüre, Tabakspfeifen u. a. m. Oft hatte der Kurfürst bzw. der König den Manufakturunternehmern Absatz- und Produktionsprivilegien gewährt und sie von den strikten Regeln der Zunftverfassung befreit. Solche Luxuswaren wurden nicht allein an die in der Residenzstadt ansässigen wohlhabenden Bürger und Adligen verkauft, sondern auch an einen größeren, überlokalen Kundenkreis vertrieben. Manufakturwaren wurden in der Regel, wie der Name schon sagt, in Handarbeit mit Hilfe einfacher Werk zeuge hergestellt. Doch vor allem in den Textilgewerben setzte seit 1800 die Mechanisie rung von Arbeitsgängen ein. So verwendete die Dresdner Tuchmanufaktur Fischer & Zumpe schon um 1815 Tuchscher- und Raumaschinen und handelte sich damit prompt Schwie rigkeiten mit der Dresdner Tuchschererinnung ein. Die Firma Jordan & Timäus benutzte seit 1828 eine Dampfmaschine zur Herstellung von Trinkschokolade. Diese Betriebe vollzogen damit den Übergang von der Manufaktur zur Fabrik - zu einer zentralen Produktionsstätte, in der Waren mit Hilfe kraftgetriebener Maschinen gefertigt werden. 1 1828, im gleichen Jahr, in dem Jordan & Timäus in ihrer Fabrik in der Neustadt zum ersten Mal ihre »Dampfschokolade« herstellten, wurde auf dem anderen Elbufer das erste öffentliche Gaswerk Deutschlands in Betrieb genommen. Der Ingenieur Rudolf Sigismund Blochmann hatte am Zwingerwall eine Leuchtgasanlage errichtet, die zunächst 36 Straßenlaternen rund um den Schlossplatz versorgte. Die Steinkohlen, die für die Gaserzeugung nötig waren, stammten wiederum aus dem Plauener Grund im Südwes ten der Stadt, wo sich zu eben dieser Zeit erste Ansätze einer montanindustriellen Verbundwirtschaft entwickelten. Der Gutsbesitzer C.F.A. Dathe von Burgk, 1829 vom König in den Adelsstand erhoben, hatte schon 1821 auf einer seiner Kohlengruben eine