Suche löschen...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193011047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19301104
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19301104
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1930
- Monat1930-11
- Tag1930-11-04
- Monat1930-11
- Jahr1930
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1930
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Riesaer H Tageblatt und Anzeiger sLlbeblatt mü> Ameigers. Lagtblatt Mesa. Dresden 1530. F«mruf Nr. so. Da» Riesa« Tageblatt ist da» zur Veröffentlichung d« amtlichen Bekanntmachungen der AmtShaupttnannschaft Btrokafs«: Postfach Nr, VL Lrogenhain. de» Amtsgericht« und d« Amttanwaltschaft beim Amtsgericht Riesa, de« Rate« dm Stadt Ries«, Riesa Nr. 52. de» Finanzamt» Riesa und de» Hauptzollamt« Meißen behördlicherseits bestimmte Blatt. 257. Dienstag, 4. November 1S80, abends. 83. Jahrg. La« Riesa« Lag, blatt mfchetttt jede« Tao ab«ud« >/,8 Uhr mtt Ausnahme dm Son», und Festtag,. vtt»a«pret«, gegen Vorauszahlung, für einen Monat s Mark 25 Pfennig ohne Zustell, aebiihr. Für den Fall de« Eintreten« von Produktion» oerttutrungen, Erhöhungen der Löhne und Materialienpreis« behalten wir un« da» Recht der Pr«i»«rhöhung und Nachforderung vor. Anzeige» für di« Nummer de« Ausgabetag«» sind bi« 9 Uhr vormittag« aufzugeben und im vorau« zu bezahlen; «in« Gewähr für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird nicht übernommen. Grundprei« für oi« ZS ww breit«, mm jo he Grundschrift-Zril« l« Silb«n) 25 Gold-Pfrnnig«; di« 8S mm brrit« Rtklamezril« lOO Gold-Pfennig«: z«itraub«nder und tabellarischer Satz 50°/, Ausschlag. Feste Tarife. Bewilligter Rabatt «ritsch«, wenn der Betrag verfällt, durch Klag« «ingrzoarn ««rden muß od«r d«r Auftraggeber in Konkur« gerät. Zahlung«, und Erfüllungsort: Riesa. Achttägige Unterhaltungsbeilage »Erzähler an der Elbe*. — Im Fall« höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger irgendwelcher Störungen de« Betriebe« der Druckerei, der Lieferanten oder der Beförderung«einrichtung»n — hat der Bezieher kein»» Anspruch auf Lieferung »dm Nachlieferung dm Zeitung oder auf Rückzahlung de« Bezugspreis«». Rotation«druck und Verlag: Langer t Winterlich, Riesa. Seschifttstele: Toethestraße 59. verantwortlich für Redaktton: Heinrich Ublemann. Riesa: für Anmioenteil: Wilhelm Dittrich, Riesa. rmskveiaemle SlmMen im keielwrrtt. Keledsliimrler mul Kelctzzllilaarmlolzler vettellllgea «e Irivat - krllllluagz - Vesetre. vdz. Berlin. (Funkspruch.) Di« heutig« Reich-ratS- sitzung fand im Saale des ReichshaltsauSschusses statt, der gewählt worben war, um durch den größeren Nahmen die besondere Bedeutung dieser Tagung zu unterstreichen. Da der Reichstag jetzt nicht versammelt ist, waren die Zarlamentarter sehr zahlreich anwesend. Unter ihnen be merkte man auch Reichstagspräsidenten Löbe. Reichskanzler Brüning erschien in Begleitung des Reichsfinanzministcrs Dietrich. Bald darauf kamen auch Reichsminister St-gerwald und Curtius. Später waren auch die Ministerpräsidenten Brau« und Held vertreten. Reichskanzler Dr. Brüning eröffnete die Sitzung mit Worten der Begrüßung. Die jetzige öffentliche Tagung des Reichsrates, so fuhr er fort, ist di« Fortsetzung der während der letzten 14 Tage mit der Rcichsregicrnng und den Ländern geführte« ver traulichen Verhandlungen über die große« Kragen der Wirtschafts- und Kinanzpolitik. Wir steh«« vor einem Ge» setzkomplcr, das vo« so großer Bedeutung ist, wie es seit vielen Kahren noch nicht Vorgelegen hat, in jeder Beziehung, so zu unserer Wirtschaftspolitik und vor allem z« unserer Wirtschaftspolitik u«d vor allem z« unserer Außenpolitik. Nachdem wir -i« Freiheit von der ausländischen Kontrolle durch die Annahme des Aoungplanes bekommen haben, muß es die Aufgabe jeder Reichsregierung sein, wie sie auch parteipolitisch zusammengesetzt ist, dafür zu sorgen, daß von dieser Freiheit der richtige Gebrauch gemacht wird und Sicherungen dafür getroffen werden, daß diese Freiheit un ter allen Umständen erhalten bleibt. Die Freiheit ist auch mit Opfern verbunden. Das Ziel unserer Politik ist, die Aktionsfähigkeit «userer Außenpolitik zu erweitern. Wir müssen das Vertrauen zu unserer Wirtschaft wiedergewinueu. Ausland und Inland, vor allem aber Wirtschaft, erwarten, daß das Finanz- und Wirtschasisprogramm in kürzester Frist Gesetz werde. Die deutsche Wirtschaft muß unter allen Umständen, wenn es gelingen soll, dem Problem der Arbeitslosigkeit einigermaßen Herr zu werden, wieder Vertraue« i« die deutsche Fiuanzgevahrung, für die deutsche Zukunft bekom men. Es bedarf keiner Frage» daß ein gewisser Teil der Arbeitslosigkeit in Deutschland zurückzuführen ist auf eine gewisse Resignation und eine Bertraueuskris«. Ein gewisser Zug der Resignation, der durch unsere Wirtschaft geht, muß beseitigt werden. Wir haben die feste Zuversicht, daß cs bei Anspannung aller Kräfte Deutschland gelinge« wirb, d«« Anschluß an die weltwirtschaftliche Umstellung zu finden und baß Deutsch land weniger leide« wird, alS andere Länder. Der Streik bei den kommenden Verhandlungen wird im Reichsrat gehen um die 108 Millionen-Kürzung an de» Läuderüber» Weisungen, um das Bauprogramm der Reichsregernug, um die Senkung der Reaksteueru und um den endgültigen Finanzausgleich, den wir in Form eines Rahmengesetzes Ende dieser Woche Ihnen zuleiten werden. Es wird möglich sei«, die Realstenern zu senke«. Das soll der Schluß sein z« den Preissenkungs-Maßnahme« der Regierung, denn damit soll das Argument beseitigt werden, das jetzt gegen die Preissenkung im Kleinhandel und bei den Löbens mitteln angewandt wird. Wir bedürf«» zur Durchführung der Preissenkung der Uuterftützuug der Oeffentlichkeit «no dcr Presse. Wir sind auch überzeugt, daß «S möglich sein wird, den Wohnungsmarkt in Gang zu bringen. Wir müs sen in diesem oder im nächsten Jahre zu einer Ueberleituug des Wohnnngsmarktes »o» der reichSftaatltch«» Unter, stütz»«« znr Privatwirtschaft kommen» »eil wir kauft tu zwei oder drei Jahre« vor einem jähe« Absturz steh«« und jahrelang Hunderttausend« arbeitsloser Bauarbeiter haben würden. Unbedingt notwendig ist rücksichtslose Sparsamkeit auf alle« Gebiet««» denn mit weiteren Gteuererhöhungen kön- nen wir den Finanzbedarf nicht mehr -ecken. Auch in der Tabakbestcuerung haben wir jetzt das Optimum erreicht. Die einzige Steuer, die noch erhöht werden könnte, wär« die Umsatzsteuer, aber eine solche Erhöhung wäre unvereinbar mit unserer Preissenkungsaktion. Zur Kürzung der «e. amtengehälter mußten wir greifen, weil einfach «in anderer Weg nicht vorhanden war. Wir haben da» gewiß nicht leich ten Herzens getan, aber wir meinen, daß die Beamtenschaft sich zu jedem Opfer in das Volk-ganze etnfügen wird. Nach einiger Zeit wird man erkennen, daß durch diese Notmaß. nahmen die Reichsregierung -em BerufSbeamtentum keinen Schaden, sondern einen vollen Dienst erwiesen hat. Wir müsse« an den Reichsrat -le Bitte richte«, iuuerhalb 14 Tage» die Gesamtheit dieser Gesetze Mr Verabschied»«« ,« bringe«. Das ist gewiß «ine außerordentlich schwierig« Arbeit, aber sie ist notwendig zur Wiederberuhigung der «ffentlichen Atmosphäre in Deutschland und zur Ankurbe- lung der Wirtschaft, die die Voraussetzung ist für eine Preissenkung und für eine Einschränkung der Arbeitslosig keit. Wir haben unS damit beschäftigt, wie der ArbeitS- losigkeit gesteuert werde« kann, aber die Reichsregierung lehnt es ab, in dieser Stunde Etnzelmaßnahmen vorzu- schlagen, weil Voraussetzung die Beschaffung vo« Kapital und Kredit ist. Das wird nur möglich sein, wenn eS ge lingt, vorher in kürzester Frist dieses Gesetzgebungswerk zu erledigen. Der Reichsrat befindet sich in einer große« ge schichtliche« Stunde seiner Tätigkeit. Sie wissen alle, daß schnelles Handeln notwendig ist, und baß davon ein großes Stück der Zukunft des deutschen Volkes abhängig ist. Reichskanzler Dr. Brüning führte noch auS. daß die agrarvolitische« Maßnahme« der Neichsregierung nicht irgendwie hinderlich sein können, z« einer wirklich«« Preis- senknng auch ans dem Gebiete -er Lebensmittel z» kommen. Reichsfinanzminister Dietrich erläuterte dann die vorliegenden Gesetzentwürfe im einzel nen. Es handelt sich dabei um den Etat, um das Gehalts kürzungsgesetz um das Gesetz des Personalauswandes, um kürzungsgesetz, um das Gesetz des Personalauswandes, um der bisher als Notverordnung verfügten Zuschläge zu den höheren Einkommensteuerstufen, um die Fortsetzung der Erhöhung der Tantilemesteuer, um die Senkung der Real- steuern und die Vereinfachung des Steuersystems. Die Umlage zur Erhöhung der Tabaksteuer wird in den nächsten Tagen eingehen. Der Reichshanshalt, wie «r Ihnen jetzt vorliegt, weift in Einnahmen und Ausgaben insgesamt eine Summe von 108555 000 Mark ans. Diese Summe ist gegenüber dem end gültigen Etat des Jahres 1930, wie er aus Grund der Not verordnung vom Juli aufgestellt war, um 1,14 Milliarde« gesenkt. Zunächst haben wir das Haupt- und Kernproblem ersaßt, indem zunächst die Arbeitslosenversicherung abgehängt wurde, bis auf einen Betrag von 420 000 Millionen Mark für die Krisenfürsorge. Dadurch ist gegenüber den Ansätzen 1930 auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung eine Minderausgabe vou 287 Millionen entftaude«. Dieser Ab strich ist möglich, weil sich die Arbeitslosenversicherung durch die in der Zwischenzeit erhöhten Beiträge von 6)4 Prozent, Li« hoffentlich nicht für längere Zeit notwendig sein werden, selbsterhalten muß. Im neuen Haushalt konnten infolge -er Beitrags erhöhung bei der Arbeitslosenversicherung 267 Millionen gespart werde». Die Gehaltskürzungen bedeuten für das Reich, einschl. der Post» ein« Ersparnis von 124 Millionen» für Länder und Gemeinden ein« solche »o« 270 Millionen. Davon sollen 170 Millionen den Ländern und Gemeinden verbleiben, während 100 Millionen vo« den Ueberweisnngeu gekürzt werde» solle». Diese Kürzung ist notwendig, und dadurch diesen Abstrich soll der Gedanke dokumentiert werden, daß ei« starker Druck in der Richtung der Sparsamkeit auf der ganzen Linie ausgeübt werden mnß. Durch diese Maß nahme soll auch erreicht werden, daß um jede» Preis die Etats von Reich, Ländern und Gemeinden in Ordnung ge brach» werde«. Eine Drosselung der Wirtschaft durch neue Steuern würde nicht zu Mehreinnahmen, sondern zu ver stärkten Steuerausfällen führen. Besonders schwierig ist die Frage, in welcher Form die Gehaltskürzung i« den Länder« und Gemeinde» durchge- sührt werden soll» ob sie von Reichs wegen vorgeschrieben, ob von Reichs wegen eine Ermächtigung gegeben, oder ob sie Ländern und Gemeinden überlassen werden soll. Die jetzige Regelung steht vor, daß die Länder berechtigt »ud verpflichtet stich, die Bezüge ihrer Beamten im Ausmaße beS Reiches zu kürzen und zwar auch im BerordnnugSwege. Das gleiche gilt für die Gemeinde» mit der Maßnahme, daß die Länder berechtigt sind, die Kürzung für die Beam ten der Gemeinden mit unmittelbarer Wirkung und ent- gültig im Berordnungswege anzuordneu. Wen« die G«, mein»«« di« vorgesehene Kürzung nicht bis zum 1. März 1821 vou sich aus augeordnet habe», find di« Länder ver pflichtet, diese Kürz««« mit Wirkmrg vom 1. April 1981 ab vo« sich ans wirksam auznorduen. Das Gesetz über die Ansgabenbegrenzung bezieht sich darauf, daß in Reich, Ländern und Gemeinden die Aus gabenansätze für 1932 und 1933 nicht die Lumme überschreite« würde», die für 1981 festgesetzt ist. Ein umfangreiches Gesetz macht die Vereinfachung Les Steuerwesens notwendig: Außer der Befreiung der Vermögen bis zu 20 000 Mark an der Vermögenssteuer und der Umsätze bis zu 5000 oder 6000 Mark von -er Umsatzsteuer die Vereinfachungen bei der landwirtschaftlichen und gewerblichen Steuerung. Die Schwierigkeiten der landwirtschaftliche» Besteuerung werden am einfachsten dadurch beseitigt, daß man bei denjenigen Zeufite«, die eiu Bermöge« vo« 20 000 Mark zu versteuern habe«, «ur noch eine Grundsteuer erhebt. Damit werden mehr als 95 Prozent der gesamten Landwirtschaft steuerlich erledigt sein. Bei der Neuregelung der WohaungSwirtschast handelt e» sich in erster Linie um die Angleichung der Bauwirtschaft an das tatsächliche Bedürfnis und di« Zahlungsfähigkeit der Wohnungssuchenden, zweitens um die Freimachung von Kapital für die Wirtschaft» drittens um die Pflege der Sied, lung auf de« Lande und endlich dem Abbau der WohnungS» zwangSwirtschaft. In den Jahren 192» und 1929 sind je 8 Milliarden in öffentlichen und industriellen Wohnungen verbaut worden. Einen solchen Kapitalverbranch in der Bauwirtschaft kann ein kapitalarmes Land wie Deutschland nicht aushalten. Ein besonderer Vorteil der vorgesehenen Maßnahmen ist es, daß durch die Umstellung eine Senkung der Realsteuern erfolgen wird. Es muß unter alle« Um stände» eine Entlastung der Wirtschaft erfolge». Es ist populär und sehr bequem, zu sagen, man senkt die Staats ausgaben durch Belastung der vorhandenen Projekte. Es ist aber Demagogie, zu glauben, daß eine solche Politik zu dem Ziel -er Belebung der Wirtschaft und der Verringe rung der Arbeitslosigkeit führen könne. Beim endgültigen Finanzausgleich geht der Plan dahin, die Stenerquelle« möglichst anfzuteileu, eine zu weitgehende Abdrängung der Länder von der Einkommensteuer soll nicht erfolge». Einer schleunigen Klärung bedarf die Regelung d«S Finanzausgleiches für 1980 und 1981. Der Minister bespricht bann die Kassenlage. Die schwe bende» Schulde« betrugen am 1. April 1879 Millionen. Wäre der Wirtschaftszusammenbruch nicht gekommen, dann wäre in der Zwischenzeit mehr al» die Hälfte davon getilgt worden. Durch die Kreugeranleihe ist ein Teil der schwe benden Schuld in eine dauernde umgewandelt worden. Der sog. Schachtkrebit mit 350 Millionen ist getilgt. Ferner ist die Bankschuld um 100 Millionen verringert. Aber die Defizite des Jahres erforderten neue Kreditaufnahme«. Menschlicher Voraussicht nach werden unsere schwebeude« Schulde« am Ende des Etatsjahres ungefähr wieder die gleichen sein wie z« Beginn. Es mag bedauerlich sein, daß die gewaltigen Anstrengungen diese» Jahres nur diese» negative Ergebnis hatten Immerhin ist es beruhigend, wenn in einem solchen Katastrophenjahr, in dem der Etat um rund 2 Milliarden ungestürzt wurde, das Reich nicht tiefer in die Abhängigkeit von kurzfristigen Krediten gerate« ist. Es gibt außerdeutsch« Länder, bei denen di« Krebit- wirtfchaft einen ganz anderen Umfang angenommen hat. Die deutsche Finanz- und Wirtschaftslage ist schwierig, gibt aber keine Beraulassung, den Katastropheupolitikern nachzulaufe«. Bor allem ist Wiederherstellung des ver trauens nötig. Zum Schluß behandelte der Minister das Problem der Kapitalflucht, dem man mit gesetzlichen Maßnahmen nicht beikommen könne. Durch Wiederherstellung des Vertrauen» und der Stabilität der deutschen Verhältnisse werde auch die Kapitalflucht von selbst aufhören. Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald: Die Oeffentlichkeit beschäftigt sich mit der Verselbständi gung der Arbeitslosenversicherung. Tie Abhängigmachung der Versicherung vom Etat ist an sich richtig. Strittig ist nur die Summe, die dafür eingestellt werden soll. Wir rechnen damit» daß im nächsten Jahr 900 000 Mensche» unter die Sriseufürsorge fallen und baß die Wohlsahrtsunter- ftützuug am 1. April 1981 etwa 700- bi» 800 000 Erwerbslosen zngute kommen wird. Ferner rechueu wir mit 1)4 Millio nen Hauptunterstütznngsempfänger». Wenn die Sanierungs politik der Reichsrcgierimg überhaupt einen Sinn haben soll, dann muß im nächsten Jahre mit einer Verminderung der Arbeitslosigkeit gerechnet werde». Wird der Beitragssatz mit 6)4 Prozent beibehalten, dann müßten wir im nächsten Jahr mit den Mitteln sicher ausreichen. In der Wohaungspolitik ist gleichfalls die Voraus setzung, daß die Sanierungspolitik der Regierung zum Ziele führt. Gelingt das nicht, so können wir weder mit der alten noch mit der neneu WohnungSpolitik etwas erreichen. Selbstverständlich können wir nicht so große Reichsmit tel in den Wohnungsbau stecken wie in den letzten Jahren. Im übrigen sind aber die vorgesehenen Aenderungen nicht so grundstürzend. Es kommt nur daraus an, größere Pr,vat- mittel dem WohnnugSba« znr Verfügung zu stellen. Da? mutz doch möglich sein, wenn die Wirtschaft angekurbelt wird, wenn die Kapitalflucht aushört und das Kapital aus dem Ausland wieder hereinströmt. Dieses Kapital kann doch auf dem Baumarkt angelegt werden. Ueber die Lohnpolitik besteht augenblicklich große Verwir, rung. Ganz zu Unrecht wird der Regierung vorgeworsen, daß sie Lohnsenkungspolitik treibe, dabei wird vergessen, Latz in andere« Ländern, wo der Staat sich gar nicht um die Löhne kümmert, auch eine starke Lohnseuknng eingetrcten ist im freie« Spiel der Kräfte. Wenn die Reichsregierung ihre Machtmittel zur Stabilisierung der bisherigen Löhne ein setzen wollte, so stände sie vor einer kaum lösbaren Auf- gäbe. Ueberlaffen wir die Lohnentwicklung dem freien Spiel der Kräfte, so könnten bei der deutschen Neigung zum Extremen Störungen der össentlichen Ordnung im Gefolge von Streiks und Aussperrungen Eintreten, daß das Sanie- rungkwerk dadurch ernstlich gefährdet werden könnte. Für di« deutsche Reichsregieruna bleibt daher nur der dritte Weg der Lohnpolitik offen, nämlich regulierend und beruhigend einzugreisen. Hieraus wurde gegen 12 Uhr mittags die öffentliche Reichsratssitznng geschlossen und die Beratung in vertrau licher Sitzung fortgesetzt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite