Einleitung, Die Quellen, aus denen die Geschichte die Kenntnis ver gangener Geschehnisse und Zustände schöpft, scheiden sich in die beiden grofsen Gebiete der unmittelbaren Zeugnisse vergangener Zeiten und der zum Zwecke der Überlieferung geschaffenen Quellen, in Überreste und Tradition. 1 ) Beide Arten unterscheiden sich durch die Stellung, die der Urheber selbst zu dem dargestellten Objekt einnimmt. Mit der Ab sicht, späteren Zeiten die Kenntnis einer Begebenheit oder eines Zustandes zu vermitteln, verbindet sich in höherem Grade ein starker Einschlag subjektiver Auffassung; der Forscher, der überliefernde Quellen verwertet, mufs darum mehr mit der Individualität des Verfassers rechnen, als sich dies bei Überresten nötig macht. Dieser Gegensatz trennt nun freilich nicht das gesamte Quellenmaterial in zwei scharf geschiedene Teile, vielmehr sind zahllos die Übergangs-Erscheinungen von einem Typ zum andern; die Absicht zu überliefern tritt bald stärker, bald weniger stark hervor. Oft genug wird man bei einer Quelle in Zweifel sein, ob sie ein Ausdruck unmittelbaren Lebens oder erst der Ausflufs überliefernder Reflexion ist, ob aus einem Denkmal dank einem glücklichen Zufall vergangenes Leben noch heute unmittelbar zu uns spricht, oder ob seinen Schöpfer die weitblickende Absicht beseelt hat, späteren Ge schlechtern ein Bild seiner Zeit, wie er sie sah, treu zu bewahren. Aber doch gibt es gewisse Extreme, in denen uns dieser bedeutungsvolle Wesensunterschied klar entgegen tritt, wenn man etwa auf der einen Seite an ein zeitge- b Vgl. Jakob, Quellenkunde der deutschen Geschichte I. (Göschen) S. 5 ff. Bibi. d. sächs. Gesch. IV, 1. Hohlfeld. 1