I. Die Stadtrechnung als literarische Quelle. Die Stadtrechnung, insofern sie eine Summe schriftlicher Notizen über Einnahmen und Ausgaben im Einzelnen und ein zu einem bestimmten Zwecke verfafstes schriftliches Erzeugnis als Ganzes darstellt, ist eine literarische Quelle. Diesen Charakter hat sie mit jeder schriftlichen Überlieferung gemein. Bestimmte Eigenschaften aber geben ihr den Charakter einer besonderen Art von Quellen. Es bestand zwar ein gewisser Zwang, Einnahmen und Ausgaben aufzuzeichnen; der Stadt schreiber war verpflichtet, das anzuschreiben, was die Käm merer ausgaben und einnahmen. Dieser Zwang war aber auch der einzige; es bestand nicht die Notwendigkeit, alles in einer bestimmten Art aufzuschreiben, um dem Leser die Mög lichkeit der Nachprüfung zu geben: Denn der Schreiber selbst war der einzige Leser seiner Schrift; er las bei der öffent lichen Kassenprüfung vor, was er geschrieben hatte, und der Rat hiefs es gut. Nichts zwang also den Notar, etwa gemachte Ausgaben in einem günstigeren Lichte erscheinen zu lassen, und besonders konnte nicht die Absicht, Geschehnisse späteren Zeiten in parteiischer Auffassung zu überliefern, zu Entstel lungen oder gar Fälschungen Anlafs geben. Denn sobald die Rechnungsabhörung vorüber war, und der neue Rat dem alten versichert hatte, dafs er der Stadt Geschäfte ge führt habe, wie es ehrlichen Leuten gebühre, waren Kämmerer und Schreiber durch formellen Rechtsakt entlastet, — und die Stadtrechnung war erledigt 1 ). Was uns also im literarischen Sinne vorliegt, sind kurze Angaben über Geschehnisse, ohne irgendwelche andere Ab sicht geschrieben, als einfach die nackte Tatsache zu notieren. ’) Vgl. hierzu: Bech, Drei Eingaben an den Schiedsrichter 1455/56. Progr. 218 Zeitz 1879: „wir daneben uch gütlichen! ihr habt der stad vorgestanden alszo vromme lute!“