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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.09.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040922024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904092202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904092202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-22
- Monat1904-09
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BezuflS-Preis in der ü-auplexpeditio» oder deren Ausqabt- stellen abgeholt: vierteljährlich ./i 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 3.75. Durch dir Post bezogen jur Deuljch- land u. Lesterrcich vierteljährlich .//. ä.i'Xl, sur die übrigen Länder laut Zeitungsvrcisliste. Ttrsr Nnmmrr kostet aus allen Bahnhöfen nnd III I bei den Zeitnngs Berlänfern Rrviktio» und texpcottwn: 153 Zern sprech er 222 Iohanni^gasse n. Filiillrxpcdiliüiictt. ?llsredHahn, Bnchhandlg., llniversitätsstr. 3 lFernjpr. Nr. 4046^, L. Lösche, Ltatharinen- straße 14 lFernsprechrr Nr. 2035) u. .ilonigs- platz 7 <Ferniprecher Nr. 7505). Hunpt-Filmlc. Dresden. Marienslras;e34<<sernsprechkrVlnit lNr. 1713). Haupt-Filiale Berlin. CarlDuncier, Hcrzgl.Bahr Hvslmchbandlq., Lützowstrnße lOiFeriijvrecher7lmlVl Nr.4'Ä>3>. Nr. 485. Abend-Ausgabe. MpMer TlMbialt Anzeiger. Amtsblatt -es Höniglichen Land- und des Aöniglichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates nnd des Polizeiamtes der ötadt Leipzig. Donnerstag den 22. September 1904. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 75 nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zissern'av entsprechend hoher. — Gebühren snr Nachweisungen und Lssertenannahme 25 Annahmcschlutz sür Anz^en Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. ^rtra Beilagen tgejalzt', nur mit der Morgen -Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, m' t Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind sle.s an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von st. Pol< in Leipzig «Ii b. l'r. V„ R. W. Klinkbardt). 98. Jahrgang. Var Äicsttigrle vom Lage. . * Dcr K öuig i st wieder an eincm Luft - r ö h r e u k a t a r r h erkrankt und d a st e r g e - u ö t i g t, da s B e t t z u b ü t e u. (S. a. Lachsen.) * In P etersstnr § inestren sich die Stimmen, welche angesichts des englisch-tibetanischen Vertrages den A st b r u ch deSKrieges mit Japan nnd >1 riest gegen England fordern. (L. Ausland.) * Auch Estina erhebt Einspr u ch gegen den englisch-tibetanischen Vertrag. (S. letzte Nachr.) * Rußland dementiert das Gerücht vom A n - kauf a r g c u t i n i s ch c r Kriegsschiffe. (S. letzte Nachr.) ver vnmurr im hrrre. Beim sozialdemokratischen Parteitage tn Bremen statte der Rechtsanwalt Di'. Liebknecht den folgenden Antrag cingebracht: „Unter Anerkennung einer snsteinatischcn Agitation unter der proletarischen saugend ui-d ferner unter Anerkennung der Notwendigkeit, bei dieser Agitaiion den »anipf gegen d e n M i 1 i t a r i s in n s in den Vordergrund zu stellen, halt der Parteitag den Antrag 105 für erledigt." lieber diesen Antrag wurde dann debattiert. Er fand non Herrn von Vollinar eine besonders sci)arfe Zurück weisung und wurde in der Abstimmung abgclestnt. Er wurde abgelestnt. weil hervorragende Genossen auf die Schwierigkeiten stinwieseu, die den jungen „Proletariern" entstesten könnten, wenn sic die ihnen zuteil gewordene Instruktion nicht mit dem richtigen Takt anzuwendcn ver ständen. Tie Folge würde eine Verschlimmerung ihrer Lage sein nnd man würde den reaktionären Elementen die Handhabe gewähren, gegen die Sozialdemokratie noch schärfer als bisher varzngchen. Es waren mithin ledig- lich Zweckmäßigkeitsmotive, die zur Ablehnung des An- träges führten. Taß die militärische Disziplin nach olüften untergraben werden muß, darüber sind sich alle Sozialdemokraten vollständig einig. Sie meinen mit Recht, daß es einer besonderen Agitation zu diesem Zwecke gar nickt nicbr bedarf. Die gesamte Tendenz der Partei sorgt bereits dafür, daß der Jugend von Kindesbeinen a!' systematisch der Staat mit allen seinen Institutionen verekelt wird nnd naturgemäß richtet sich die Kritik der Sozialdemokratie am schärfsten gegen die Armee, in der sie das sicherte Bollwerk des jetzigen Staates erblickt. Boni Standpunkt der Sozialdemokratie ist es durchaus solacrichtig, wenn sie bestrebt ist, die militärische Disziplin zu zersetzen; denn io fest sind wohl selbst die verranntesten Dogmatiker der Partei nicht von der Unfehlbarkeit der Evolutionstheorie überzeugt, daß sie nicht gelegentlich doch die Möglichkeit eines gewaltsamen Zusammenstoßes zwischen dem Staat und den Bckennern der neuen Ord- unng erwägen sollten. Es ist doch wahrhaftig nicht sehr wahrscheinlich, daß wir aus dem heutigen Status' der Gesellschaft in das Reich des Kommunismus so sanft stinübergleiten sollten, wie ein Kahn aus einem Flüßchen in einen Binnensee hiniibcrschifft. Und taucht einmal der Gedanke an Straßcnkämpfe und Barrikaden auf, so verknüpft sich mit ihm durch eine ebenso naheliegende, wie unwiderstehliche Assoziation der Wunsch, daß die Ge wehre der Regierungstruppcn nicht losgehen möchten. Nun haben aber zahlreiche Anlässe in anderen Ländern erwiesen, daß die Truppen im allgemeinen noch iinmcr zuverlässig sind oder, wie die Sozialdemokratie es aus drückt, daß sie unter dem Einfluß der Massenpsychose auf ihre proletarischen Brüder schießen. Es gilt also, dieser Massenpsychose entgegenzuwirken, indein die Jugend gegen die Suggestion, wie sie nun einmal in der Macht des Kommandos liegt, gefeit werde und dies kann nur durch eine rechtzeitige und eingehende Belehrung darüber erreicht werden, daß diejenigen Schichten, die der mili tärische Unterricht gewohnheitsmäßig als den „inneren Feind" bezeichnet, in Wahrheit die besten Freunde der jungen Rekruten sind und daß die Pflicht gegen die völkcrbefreicnde Sozialdemokratie ihnen gebietet, den Schcrgendiensl, den der tyrannische Staat ihnen aufcr- lcgcn will, nicht zu verrichten Ter Antrag Liebknecht ist also, soviel Spott und Ent rüstung er auch in der Partei selbst ausgclöst hat, durch aus folgerichtig und im Sinne der sozialdemokratischen Orthodoxie. Er ist nur unzweckmäßig und in seiner Offenheit von fast rührender Naivetät Gänzlich irrig aber würde die Annahme sein, daß die Sozialdemokratie, weil der Parteitag den Antrag Liebknecht verworfen hat, auf die Agitation gegen die Armee nnd innerhalb der Armee überhaupt verzichten will. Die staatserstaltenden Parteien sollten sich keine Illusionen darüber machen, daß heutzutage eine beträchtliche Anzahl derer, die unter den Fahnen stehen, nur widerwillig ihren Militärdienst leisten und daß naturgemäß die Kaserne zum AgitationS- stcrd werden muß. Dagegen vermögen auch die rigo rosesten Strafen nichts auszurichten, auch hier ist die beste Politik die Selbsterkenntnis. So lange cs nicht gelingt, die Mißhandlungen auszurotten, die zum Krebsschaden unseres Heeres geworden sind, so lange wird auch die Sozialdemokratie in der Armee um sich greifen und da- mit wird natürlich der Wert des Instrumentes, das ein Heer darstellt, erheblich hcrabgemindcrt. Im Ernstfälle ist es von ungeheuerer Wichtigkeit, von welchem Geiste die Truppe beseelt ist; denn nicht jeder Krieg bildet eine Kette von Erfolgen wie der Feldzug 1870/71. Erst im Angesichte schwerer Niederlagen zeigt sich der militärische Wert eines Heeres deutlich, und da wir nicht wissen, ob uns in Zukunft wieder Feldhcrrengcnies erstehen werden, wie die große Zeit DeutschlandsOe an der Arbeit säst, so müssen wir alles tun, um unserem Heere die unentbestr- lichc innere Konsistenz zu geben. Wirkt die Sozialdemo, kratre mit allen Mitteln auf die Jugend ein, so müssen die staatserhaltenden Kreise eben diesem Beispiel folgen und versuchen, den verderblichen Einflüssen vorzubeugen. Gerade dies ist bisher vernachlässigt worden' obwohl schon vor Jahren der Geheime DberregierungSrat von Mastow in seiner Broschüre „Reform oder Revolution?" daraus hinwies, wie notwendig cs sei, die Lücke, die zwi schen Sckule und Militärdienst entsteht, im Sinne einer patriotischen Pädagogik auszufüllen. Neuerdings widmet sich Graf Häseler diesen Fragen mit besonderem Ernst und Eifer. Im wesentlichen gilt es also für die bürger lichen Parteien, die Angcn offen zn halten und der Maul- wurfsarbeit der Sozialdemokratie nut festigender er zieherischer Tätigkeit zu begegnen. Mehr zu tun ist un- möglich. In diesem Sinne aber sollte uns der Antrag des Abgeordneten Liebknecht zur Anregung dienen. ver rurzizch-iapanizcdr Ifrirg. Alerejew» Schuld an der Niederlage von lttaujang. Die stellenweise in Petersburg laut geworbenen abfälligen Kritiken über die Schlachtenleitung KuropatkinS bei Liaujang werben auf ben Kriegsminister Sacharow zuriickgeführt, ber schon vor dem Ausbruch des Krieges, als er ^noch Generalstabschef war, wiederholt gegen Kuropatkin Stel lung nahm und sich mit diesem wenig gut stand. Der eine Borwurf, den man gegen Kuropatkin er bebt, baß er die ganze Front viel zu dicht besetzte und auf dem nördlichen Taitszeho-Ufer viel zu schwache Reserven zurückhielt, scheint nach dem „B. T " nicht ganz unbegründet. An dem Mißgeschick der Division Orlow < 54.) ist Kuropatkin gänzlich unschuldig. Orlow traf, von Alexejew bis zum letzten Moment aus nichtssagenden Gründen in Mükden zurückgehalten, erst am Mittag des l. September auf den Höhen bei den Kohlengruben von Ientai ein, ohne von Alexejew oder Kuropatkin irgend eine Aufklärung über die iiage oder eine Anweisung erfahren zu haben. Er tras dort bereits die sibirische Kosakendivision, bestehend aus den sehr zusammengeschmolzenen sibirischen .Kosakenregimentern Nummer 4, 5, 7 und 8^ mit einer einzigen Batterie, deren Befehl provisorisch an Stelle des abgesetzten Simonow soeben der in allen früheren Kämpfen bereits rühmlichst hervorgetretene General Sam sonow übernommen hatte. Dieser hatte von Kuro patkin persönlich den ausdrücklichen Befehl erhalten, um jeden Preis die Koblengrubenhöben von Ientai zu halten, deren Besitz die Rückzngsstraße der Armee wie auch die direkte Straße nach Mukden deckte. Samsonow teilte diesen Befehl Orlow nut. Nachdem dieser dann einige Zeit auf den Höben mit Samsonow zusammen gewartet batte nnd der Kanonendonner in südlicher Richtung auf Sykwantun zu immer mehr zunahm, glaubte Orlow auf diesen losmarschieren zu müssen, zumal er die Kohlen- grubenhöhen auch durch «amsonow allein sür genügend gedeckt erachtete. Kaum marschierte er aber eine halbe Stunde in südlicher Richtung, als ihn der Angriff Kurokis von Osten her in die linke Flanke traf. Die durchweg aus Reserveinfanterie bestehende Division hatte keinen ein zigen Kavalleristen bei sich und wurde völlig überrascht. Orlow wurde durch eines der ersten Geschosse verwundet, seinem Generalstabschef ging daS Pferd durch, und führerlos wich die Truppe, die zum größten Teil aus den ältesten Jahrgängen bestand und eine wenig feste Haltung zeigte, anstatt auf die Kohlengrubenhöhen, direkt nach der «tadt Ientai zurück. Nur durch das von Kuropatkin persönlich herangeführte erste sibirische Armeekorps gelang eS, dem in zwischen von Kuroki schwer bedrängten Samsonow noch recht zeitig Hülfe zu bringen. Vsr Mukden. lieber die Situation im weiteren Umkreise von Mukden am Dienstag abend wird dem „L.-A." über Paris gemeldet: Die Kosaken-Division Rennenkampf war nach ihrem Aus gangspunkt Kiadzialing, die Division Samsonow nach Tyn- diapu zurückgekehrt. Beide Divi^onen waren auf starke Ab teilungen gepoßen, die der von Südosten anrückenden Haupt macht Kurokis angehörten. Die Entsernung des Kurokischeu Hauptquartiers von Mukden wurde um dieselbe Zeit aus 35 Kilometer geschätzt, eine Distanz, welche durch den von Kuroki nach dem Rückzug der russischen Kavallerie an geordneten Nachlmarsch noch weiter verringert wurde. Nord westlich von Mukden besanden sich gestern abend nach russischen Erkundigungen nur unerhebliche japanische Abtei lungen, doch glaubt man, daß Hsinminting und Umgebung bald von stärkeren japanischen Streitkräften besetzt werden wird. Die gegenwärtigen Wasserverhältnisse des Hunflusses sind normal. Man schätzt die Breite, die Kurokis Armee in dem Flußtal zu nehmen beabsichtigt, auf l5 km und glaubt, die Hauptangriffspunkte Kurokis zu kennen. Port Arthur. Nach einer Depesche aus Tokio ist Admiral Togo vor Port Arthur nach wie vor äußerst wachsam. Die Blockade ist schärfer denn je. Er ordnet fast täglich Rekognoszierungen in großer Stärke an. Der Zustand des russischen Geschwaders in Port Arthur ist trotz aller Reparaturen als hoffnungslos anzmeheii Es ist zu ernstem Kamps unfähig, seine AuSsabrt nach japanischer Ansicht nicht mehr zu erwarten. Dagegen erfährt das „Rentcrsche Bureau" aus durchaus zuverlässiger Ouelle unter dem gestrigen Datum aus Schanghai, die russische Flotte von Port Artkur sei entschlossen, wegen des un unterbrochenen Bombardements des Halens in dieser Woche einen Ausfall zu machen, um nach einem neutralen Hafen zn entkommen. weitere» Aufgebot von Reserve-Mffizieren. An die russischen Reserve-Fäbnrichc ist die Ausforke- rung ergangen, freiwillig in die aitive Armee einzutreten. Nach kurzer Uebung im Frontdienst von stbirilchen Truppen teilen sollen sie auf dem Kriegsichauvlatz an die Stelle ge- fallener oder verwundeter Offiziere treten. Neins ^piedenrueriuittlung! In der jüngsten Zeit sind neuerdings in verschiedenen Formen Gerüchte ausgetaucht, welchen zufolge eS im Bereiche der Wahrscheinlichkeit liegen würde, taß in einem naben Zeitpunkte von der einen oder anderen Macht der Versuch einer Friedensvermittlung zwischen Rußland und Japan unternommen werden wird. Dem gegenüber ist der Wiener „Pol. Korr." aus unterrichteten Kreilen die Aufklärung zuteil geworden, daß diele Kombinationen schlechterdings jedes praktischen Wertes entbehren, da etwaige Mcdiationsanerbie- tungcn nicht die geringste Aussicht haben würden, an den maßgebenden russischen Stellen irgendwie in Erwägung ge zogen zu werden. Streik -er russischen Kriegsberichterstatter. Der russischen Presse droht die Gesahr, ganz ohne eigene Kriegsiiachrichten zu bleiben. Infolge der Mißbelligkeiten mit Kuropatkin beschlossen die russischen Kriegsberichterstatter nach Rußland zurückzukehren. Dem Vernehmen nach bürste Demtschluski von der „Birjchewija Wjebowofti" bei der aktiven Armee bleiben. »» polMrche cagerrcda«. * Leipzig, 22. September. Ter ewige Kompromißler. Sonderbar: cs gibt Leute, die das Feilschen nicht lassen können. Es ist ihnen angeboren. Tas Stigma findet sich auch bei Trägern deutscher Adels- nameu. So kann der Frhr. von Zedlitz und Neukirch nicht ohne das ckc» ut ckc-s existieren. Ter Tag, an dem er kein Komproiniß ersann, däucht ihm verloren zu sein. Und er ist unerschöpflich in solchen Einfällen. Schade nur, daß er sie für Gedanken hält. Er lebt und webt in politischem Tauschhandel, und sollte er je mit seinem alten Wappenspruch unzufrieden sein, so wird er gewiß die De vise wählen: Eine .Hand wäscht die andere. Tie letzte Neuheit, die er ergrübelt stat, ist der Vorschlag, die Re- gierung solle Tiäten gewähren und dafür ein „Gegen gewicht gegen die Schattenseiten des Reichswahl rechts" fordern. Man weiß nicht, was schöner ist, der Ge- danke selbst oder seine Formulierung. Herr von Zedlitz schreibt im „Tag", der sich mehr und mehr der Gunst unserer unbedenklichen Parlamentarier erfreut: Tie ganz überwiegende Mehrheit des Reichstages ist sehr entschieden sür die Aushebung des Tiätcnvcrbots. Am drin gendsten verlangt cs das Zentrum. Turch ein Entgegen kommen auf diesem Gebiete würde die Rcichsregicrung daher die Verständigung über ihre Heeres- und Flotrenforderungcn sehr erleichtern. Aber sic kann sicher, wenn sie rechtzeitig die Initiative ergreift und sich das Zugeständnis nicht «bringen läßt, noch mehr erreichen Und zwar aus dem Gebiete des Wahlrechts Selbstverständlich ist dabei eine Acnderung der Verfassung», mäßigen Grundlagen des Reichswahlrecius nicht in Frage. Ta» allgemeine glcickie Ttininircchr mit geheimer Skinimavgavc kann Feuilleton. ,9 „Durchyerungen." Roman von Josephine Siebe. NaLdrock verboten. Aber noch etwas anderes hetzte ihn vorwärts wie mit Peitschenhieben, die bäßlickie, nackte, graue Sorge war es, der kostspielige Haushalt in München, wohin sie nach ihrer Verheiratung gezogen umren, hatte bald genug sein kleines Erbe verschlungen, und er mußte Stunden geben, so viel er nur konnte. Nach der Geburt des Kindes begann Irene öffentlich auszntretcu, aber bald lernte sie cinseben, daß ihre Stimme sich für den Konzertsaal als ungeeignet erwies, der Erfolg blieb aus. Ihre wilde Verzweiflung, ihre Klagen, verbunden mit den wachsenden Sorgen, ver bitterten Wolfgang Stritt daS Leben mehr und mehr, diese innere Unzufriedenheit, diese nervöse Gereiztheit zeigte sich in seinem Spiel, und immer seltener wurde er aufgcfordcrt, öffentlich zu spielen. Da, nachdem sic ihre» Manu monatelang mit ihrer verbitterten Stimmung gequält, erklärte Irene, sie wolle auf dem Brettl ihr Heil versuchen, ihr Gatte Ivar außer sich über den Plan, er nannte es eine Entwür digung ihrer selbst, er wurde so zornig, wie sic ihn noch nie gesehen, und Irene lachte dazu. Sic lachte, schmeichelte, trotzte, sic war zärtlich, weinte, schmollte, und eines Tages stand sic da. wo sie stehen wollte, und mit verbissenem Groll fügte ihr Mann sich in das Unab- widerliche. Während Wolfgangs künstlerische Zukunft sich mehr und mehr verdüsterte, stieg Irenes Stern immer Heller empor. Seit einem halben Jahre waren die Ehegatten getrennt, Irene war in Petersburg engagiert und Wolf gang hatte mit einer Kapelle eine Amerikatournce unter nommen; vor zwei Jahren noch hätte er dem ins Gesicht gelacht, der ihm davon gesprochen, er solle als zweiter Geiger in einem Orchester spielen, er, der ein ganz Großer hatte werden wollen. Er hatte angenommen, froh, daß man ihm übsrhoupt dieses Angebot gemacht hatte, nicht aus künstlerischem Ehrgeiz, nur um Geld zu verdienen war er nach Amerika gegangen, denn seit der Zeit, da Irene über glänzende Einnahme verfügte, ließ sie es nicht an gelegentlickicu beißenden Anerkennungen fehlen, daß sic diejenige sei, die den .Hausl,alt erhielt, und dieses trieb den Mann hinaus und ließ ihn gierig er greifen, was man ihm bot. nur Geld verdienen, unab hängig sein von seinem Weibe. Seine letzten Briefe aus Amerika hatten von seiner Rückkehr gesprochen, aber Irene empfand durchaus nickst die Freude der liebenden Gattin darüber, im Gegenteil, der Gedanke war ihr unbequem, und ziemlich gereizt hatte sic vor ein paar Tagen seinen Brief ungelesen in den Kasten geworfen. Madame hatte auf ihrer Fahrt schnell genug Gesell schass gefunden, sic war ausgestiegen und schlenderte an der Seite ihres Begleiters, eines schon ziemlich ange «ährten Lebemannes die breite» elegante Bolscham Morskaja entlang und warf neugierige Blicke auf die Auslagen der großen, vornehmen Geschäfte. Ihr Ge fährte war einer der unzähligen russischen Fürsten, er rühmte sich, tartarischcn Ursprunges zu sein, von den wilden Gewohnheiten seiner Ahnen hatte er allerdings keine mehr bcibebalten, er aß weder halbrohcs Hammel fleisch, noch wohnte er in Lehmhütten, er ging korrekt vom Scheitel bis zur Sohle, Fasson Prince of Wales ge kleidet, und mau konnte sich diesen hageren Manu, mit dem verlebten, grau-gelbcu Gesicht, nicht auf einem milden Pferde, sattellos durch die Steppe jagend, vor stellen. Einzig erinnerte vielleicht die Leidensckxist, immer das Weib eines anderen als Eourdamc zu haben, an den tartarischcn Urahnen, der diese Passion jedoch mit etwas mehr Rücksichtslosigkeit ins Werk gesetzt hatte, in dem er die Erkorene einfach mit Gewalt geraubt, sein edler Enkel zog mit anderen Waffen und Mitteln zu Felde. Bei Boliu, einem der größten Juweliere, blieb Madame stehen und bewunderte mit bcgebrlickieii Augen die ausgestellten Kostbarkeiten, die sprühenden Brillanten, die mattschimmerndcn Perlen fesselten sic ungemein, nnd sic lächelte ein wenig, als der Fürst sicb sein beflissen nach ihren, Geschmack erkundigte, er bekam einen strahlenden Blick aus den schönen Augen, und Frau Irene nannte sehr harmlos einige Gegenstände, die ihr besonders ge sielen, cs waren dies nicht gerade die bescheidensten Lachen. Als sie mit ihrem Begleiter weiterging. dachte sie an Wolfgang und seine einfältige Pedanterie, er batte cs nie gern gesehen, daß sic Kostbarkeiten empfing, ja, er hatte sogar eigenmächtig verschiedene wertvolle Geschenke zurückgesaudt, nun, in der Zeit seiner Abwesenheit, hatte sich ihre Schmuckkassettc ziemlich gefüllt, sie lachte leise, boshaft und schadenfroh, und der Fürst wollte wissen, nms das Lachen der schönen Frau zu bedeuten habe. Frau Ircye gab ihm bereitwillig Antwort und erzählte ihm. an seine besondere Liebhaberei denkend, viel von ihrem lieben, ach, so schrecklich lieben, eifersüchtigen Gatten der nun bald kommen würde und nach dem sie eine grenzenlose Sehnsucht empfinde. Ihr entging es nicht, daß, während sie sprach, das ohnehin fahle Gestckn des Fürsten noch einen Schatten grauer wurde, und daß in seine sonst so mattblickcndcn Augen ein unruhiges Flackern kam, wieder lächelte Frau Irene wie gut sie doch die Männer und ihre Schwächen ausznnützcn ver- stand. Fünfzehntes Kapitel. Um dieselbe Zeit, da Madame Irene sich das lang wellige Leben nack, Kräften zu verschönern suchte, fuhr ihr Gatte der russischen Hauptstadt zu. In eine Ecke des Eonpös geschmiegt, in dem er Tank der Bequemlichkeit der russischen Bahnen, allein war, sah er gleichgültig aus das winterlichc' Land, Schnee. Schnee, Schnee, alles weiß, öde und still. Acb. nnd er war sa müde, grenzenlos müde von allein, von, Leben, von der Kunst, die Tournee durch Amerika batte seine Kräfte erschöpft, seine Nerven ver langten gebieterisch Ruhe, und ihm graute es fast, wenn er an Irenes lebliafles, unruhiges Wesen dachte, an diesen Gar^onhaushalt in einer fremden Stadt. Er
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