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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040923010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904092301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904092301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-23
- Monat1904-09
- Jahr1904
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Bezugs-Preis der Hauprexpedttton ober deren Ausgabe« stellen abgeholt: vlrrteliährlich ^l S.— bet -wrtmaltger täglicher Zustell »na in« Hau» ^l S.7L. Durch die Pos» bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vterteliüvntch » 4.50, für die übrigen Länder laut ZettunqSvreiSltste. Diese Nummer koftrt aus allen vahnhvsen und III ßidi bei den ZettongS-verkäufern AepaMo« und Ox-edtttam 1Ü3 Fernsprecher 222 JohauatSgafse 8. FlltalexpeHttiane«: Alfred Haha, Buchhandlg-,UntversitStSfir.8 lFernspr. Nr. 4046), L.Lösche, Katharinen-' praße 14 (Fernsprecher Nr. 293k) u. Königt- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7K0K). Hallpt-Ftltaie Dresden: Marienstratze 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: LarlDunckrr, Herzgl.Bayr.Hofbuckkandla, LüdowstraßelOlFernIdreckerAmtVlNr.4603). Nr. 486. Morgen-Ausgabe. MMer.TaMaü Anzeiger. Ämtsblatt -es HSnigkiche« Land- «nb des HSniglichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -cs Volizciamtcs -er Ltadt Leipzig. Freitag den 23. September 1904. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter dem RrdattionSftrich (4 gespalten) 7b nach den yamtliennach- richtrn (6 gespalten) bO Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend Hüber. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahmr Lb «nnatzmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. «rtra-Betlagen (gefalzt), »ur mit der Morgen.Au«aabt, obnr Postbefvrderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Polz in Leipzig Aich. t)r. V., R. L W. Klinkhardt). 88. Jahrgang. Var Aicdtsgrtr vom Lage. * Ein Teil der Steinsetzer in Plauen i. B. ist wegen Lohndifferenzen in den Ausstand getreten. (S. Sachsen.) * DaS kronprinzliche Paar wird nach seiner voraus sichtlich im Januar statlfindenden Hochzeit im Stadtschloß zu Potsdam residieren. (S. Dtsch. Reich.) * Die Herero sollen den deutschen Cordon durch brochen haben. (S. L. Dep.) * Als Zusammenkunftsort für die nächstjährige Haupt versammlung des Gustav Adolf-Vereins wurde Brom- berg bestimmt. * Die Verwaltung der Hibernia hat dem Anträge der Dresdner Bank aus Einberufung einer neuen Generalversammlung entsprochen, aber die vor- geschlagene Tagesordnung geändert. (S. Volksw. Teil.) * Die russischen Hilfskreuzer „Smolensk" und „Petersburg" sind am Dienstag nördlich der Insel Djebel Tair im Roten Meere nach Suez dampfend gesehen worden. * ES scheint sicher, daß die Japaner das Kuropatkin- Fort und andere Anhöben westlich von Jtseschan belitzen, die sie in verzweifeltem Anstürme nahmen und erfolgreich ver teidigten. (S. russ.-jap. Krieg.) * Der französisch - chinesische Zwischenfall in Peking ist erledigt. China Hal um Entschuldigung ge beten. (S. Ausld.) ki» nstlvenäigel Nachtrag. Der Fall Mirbach kann für die Ocsfcntlichkcit vorläufig als erledigt gelten, bis das preußische Parla ment ihn wohl oder übel wieder aufgreifen muß. Auch wir hätten kaum Veranlassung, jetzt noch einmal auf ihn zurückzukommen, wenn wir nicht der Ucberzcugung waren, daß bei der Erörterung des leidigen Themas so ganz nebenbei einem Manne Unrecht geschehen wäre. In der Prozeßangelegenheit des Prinzen Friedrich v o n Sayn - Wittgenstein gegen den Frhrn. v. Mir bach brachte nämlich feiner Zeit der „Berl. Lok.-Anz." eine auch von uns notgedrungen wiedergegebcne Er klärung, nach der die Pfleger dein Prinzen Sayn-Witt genstein den ihm zuftehcnden Geldbetrag deshalb vor enthalten hätten, „nm ihn vor seinen Gläubigen^, deren kzauptsächlichster — ein Brenier Lotterie-Kollekteur — den Prinzen fast vollständig in feiner Gewalt hatte, nach Möglichkeit zu sichern". Ganz abgesehen davon, daß dies ein höchst merkwürdiger Grund war, der mit andern Worten darauf hinauslicf, etwaigen Gläubigern des Prinzen das ihnen Zustehende vorzuenthalten, wird uns von informierter Seite auch initgeteilt, daß der vom „Berl. Lok.-Anz." oder seinem „hohen Gewährsmann" angegebene Grund durchaus unrichtig ist. Die Notiz zielt auf den Generalbevollmächtigten des Prinzen Friedrich von Sayn-Wittgenstein, welcher früher Teilhaber einer Hanptkollekte der Hrzgl. Braunschw. Lan- dcslotterie in Bremen war, also einen Posten innehatte, wie er in Preußen sehr viel von Offizieren a. T. ver sehen wird. Dieser Herr war schon mit dein Vater des Prinzen persönlich befreundet und seit Jahren General bevollmächtigter des Prinzen Friedrich, was er auch heute noch ist. Er hat stets in selbstloser Weise die Interessen des Prinzen vertreten, wie ihm von allen — außer viel leicht dem Herrn Pfleger a. D. v. Mirbach — bezeugt wird. Daß insbesondere der Gewährsmann des „Berl. Lok.-Anz." nicht gut auf diesen Herrn zu sprechen ist, hat seinen Grund darin, daß dieser Generalbevollmächtigte dem Prinzen die Mittel vorgestrcckt hat, um gegen die Pfleger diejenigen gerichtlichen Schritte einzuleiten, welche jetzt durchweg zu Ungunsten der Pfleger durch geführt sind. Außerdem hat dieser Generalbevollmäch tigte den Frhrn. v. Mirbach beim Landgerichte Potsdam auf Rückgabe derjenigen Beträge verklagt, über welche Frhr. v. Mirbach — wie es in den Gründen des Urteils des Kammergerichts wörtlich heißt — „rechtswidrig und auch im Widerspruch mit dem ihm bekannten Willen des Prinzen Friedrich verfügt hatte", und welche Frhr. von Mirbach daher mit Zinsen zurückzahlen muß. Wenn der Gewährsmann des Scherlschen Blattes weiter erklärt, Freiherr v. Mirbach habe berechtigte Be denken gehabt, ob diese Gelder dem Prinzen Friedrich» allein gehörten und er sie an diesen abliefern dürfe, die Berechtigung dieser Bedenken auch dadurch an erkannt sei, daß das Teilurteil dem Prinzen nur einen Teil betrag zuspreche, so ist auch diese Erklärung unzu treffend und steht in direktem Widerspruche zu den vom Kammergcricht getroffenen gerichtlichen Feststellungen. Denn das Kammergericht hat auf Grund der eidlichen Aussage des Advokaten Baillehache entgegen den Bc- bauptungen des Freiherrn v. Mirbach fcstgestellt, daß dieser sich die Geldbeträge von Baillehache lzatte schicken lassen, obwohl Herr v. Mirbach schon längst nicht mehr berechtigt war, solches zu tun, da sein Pflegsclzastsamt 'ckon seit Jahren zn Ende war und obwohl Baillehache ausdrücklich erklärt lxmc, daß dicic Gelder nur dem Prinzen Friedrich gehörten. Wenn das Teilurteil deS Kammergerichts dem Prinzen nur einen Teil (etwa 5000 .4! von 8000 zuspricht, so kommt das daher, daß Herr v. Mirbach unterdessen einzelne Schulden des Prinzen hatte be zahlen lassen und mit diesem Betrage gegen die For derung -es Prinzen aufrechnete. Die Erklärung des „Berl. Lok.-Anz." verdreht also die Sachlage vollständig und operiert mit unzutreffenden Gründen. Noch entschiedener muß man es aber miß billigen, daß auch die vollständig intakte Person des Generalbevollmächtigten des Prinzen angegriffen und gewissermaßen als „Halsabschneider" hingestellt wird, obwohl er in selbstlosester Weise nur die Interessen des Prinzen vertreten hat, allerdings energisch auch gegen die so hochstehende und damals sehr mächtige Person des Freiherr» v. Mirbach. ver ffukrtanO Orr Herero. tandungsverhältnifte und Eisenbahn in Veutfch-Sn-westafrika. Am 30. September treten annähernd too Mann Eisen- bahn truppen die Ausreise in das Schutzgebiet an. Wie die Deutsche Kvlonialgesellschaft von maßgebender Seile erfährt, ist die Zeitungsmelbung, daß diese Truppen für den Bau einer Eisenbahn von Karibib nacb Olavi Verwendung finden sollen, irrig. Ihre Bestimmung ist die Verbesserung der schlechten Landungsvcrhältnisse in Swakopmnnd. Es ist dort der Bau einer Landungsbrücke in Aussicht genommen, welche dse Löschung der Güter erleichtern soll. Der Bau einer nach Norden führenden Eisenbahn wird bclanntlich durch die Otavi - Minen- und Eiscnbahngesellschaft bewirkt. Die Arbeiten werden so nachdrücklich gefördert, daß voraussichtlich noch in diesem Jahre die Strecke von Swakopmnnd nach Omaruru betriebsfähig sein wird. Daniil dürste auch den Bedürfnissen der Verwaltung Rechnung getragen sein. Etwaige Plane, die Eisenbahn Swakovmnnd—Windhut über letzteren Ort hinaus nach Süden vis Rchoboth zu verlängern, dürste seitens der Regierung nicht ohne vorherige Einlwlung der Zustimmung des Reichstages in Angriff genommen werden. Unter den vorstehend erwähnten Truppen befinden sich auch drei Offiziere nebst einem Stabe von der topographischen Abteilung des Gcneralstabs. Der Mangel an guten Karlen hat sich gerade während der jetzigen Unruhen sehr fühlbar gemacht. Die Ausnahmen werden auch dem Straßen- und Bahnbau wirtschastlicb zugute kommen. Die Kolonialabteilnug des Auswärtigen Amtes Hal beschlossen, drei Techniker zu ent senden, da Mangel an solchen besteht. Die militärische Lage. Die neueste Meldung des Generals von Trotha hat in bezug auf die militärische Lage wieder eine (Überraschung gebracht, und zwar allein Anschein nach eine angenehme. Während man bisher auuehmen mußte, daß der Hauptteil ver Herero nach Südosten in vasEpukirotal geflohen wäre,von wo ikiu der Weg nach Britisch-Betschuaiialand offen stand, stellt sich letzt heraus, daß er noch fam Eiseb und an dessen nördlichem Nebenflüsse fitzt. Unsere Truppen aber halten vaS Epukirotal besetzt. Zwar lauten dir Aussagen der Gefangenen über den Aufenthalt drü Gegners verschieden und man muß damit rechnen, daß vielleicht die Herero sich in kleine Trupps auflösen und sich einzeln durchznsckffagen versuchen werden. General v. Trotha ist aber, wie seine Anordnungen zeige», offenbar der Ansicht, bei Otjinene und Otjusondson noch die Hauptmasse gegenüber zu haben. Während die Drlmlingschen Kolonnen am Epukiro zu bleiben scheinen, ist die unermüdliche Kolonne Estorfs wieder nördlich auf den Feind zu marschiert und war denn Abgang der Meldung mit der vordersten Abteilung (Volkmann) nur noch 10 km von ihm entfernt. Der Oberkvmmandierende scheint eine Flucht des Feindes in den wasserlosen Osten oder Norden für ziem lich ausgeschlossen zu halten, vielmehr wieder einen Rück marsch nack Westen oder Nordwesten zu vermuten. Darauf läßt wenigstens die Meldung schließen, daß die westlich vom Feinde gelegene Linie Otjimbinde—Okofonbusu gesperrt und daß Hauptmann Fiedler, der nordwestlich bei Waterberg steht, zum Eingreifen bereit ist. ES ist somit der energischen Verfolgung, die nur unter außerordentlicher Anstrengung unsrer Truppen möglich war, anscheinend gelungen, große Massen deS Feindes am Ueber- tritt auf englisches Gebiet zu hindern und zu neuem Kampfe zu stellen. Allerdings macht sich jetzt auf unserer Seite ein dringendes Bedürfnis nach Ruhe, besonders um die Verpflegung zu ergänzen und die Zufuhr zu regeln, bemerkbar. Aber es scheint nach der „T. R." auch, nachdem erst die Truppen die gemeldeten Stellungen eingenommen haben, eine kleine Pause in den Operationen ohne Schaden möglich zu sein. Denn die Herero, deren Munition — nach den ganz geringen Ver lusten unserer Truppen in der letzten Zeit zu schließen — auf die Neige geht, werden schwerlich ohne Not größere Unternehmungen beginnen. Hoffentlich winkt dann aber, wenn die Verpflegung wieder geregelt ist, noch als Lohn für so viel Mühen und Aufopferung unfern Kämpfern ein schöner, durchschlagender Erfolg. Friedcnrgerüchte. Aus Kapstadt kommen Friedensgerüchte. Ein den deutschen Truppen zuerteilter Spezialkorrespondent der „South African News" depeschiert seinem Blatte, daß die letzthin eingelieferten Gefangenen fast einstimmig anSsagen, daß ihre Landsleute zur Nieberlegung der Waffen bereit sind. Die Häuptlinge, die eine schwere Bestrafung befürchten, haben mehrfach den Ver such gemacht, in daS Ovambolanv zu entkommen, wurden jedoch daran von ihren eigens, Leuten verhindert, die die Absicht haben, die Rädelsführer nach einer ent scheidenden Schlacht den deutschen Befehlshabern auszuliefern. Salatiel (ein Sohn deS verstorbenen Häuptlings Kamba- sembe) habe bereit« Friedensverhandlungen mit Major von Estorff anzuknüpsen versucht, sei jedoch abschläglich be- jchieden worden. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß der Aufstand sich seinem Ende zuneige. ver ruttircb-Iapanircbe Krieg. Arthur. Obwohl die amtliche Bestätigung fehlt, scheint eS sicher, daß die Japaner das Kuropatkin-Fort und andere Anhöhen westlich von Jtseschan besitzen, die sie in verzweifeltem Anstürme nahmen. Allen Versuchen der Russen, die Stellungen wieder zu erobern, wurde erfolgreich Widerstand geleistet. Ein amerikanischer Kaufmann namens Davidson ist aus Port Arthur in Tsingtau eingetroffen. Er erklärt, die Japaner hätten vor einiger Zeit die Wasserleitung von Port Arthur abgeschnitten, seitdem sei die Garnison für die Wasserversorgung auf Kondensatoren ange wiesen. Wenn der Kohlenvorrat ausgehe, müsse die >stadt das Wasser der unreinen Eiligebvrenenbrunnen verwenden. vor Mukden. Aus Mnkden wird dem „L.-A." depeschiert, daß man dort de» Beginn einer Schlacht stündlich erwartet. In der Gegend von Fnschun, 48 Kilometer östlich von Mukden wird, so glaubt man, der erste Zusammenstoß stattfinden. Bis jetzt ist noch alles ruhig. Vou Paitapo und Snnja südlich von Mukden aus unter- nakmen am Mittwoch große russische Abteilungen Vorstöße, um zu rekognoszieren, ob die Bewegungen der Japaner es notwendig machen, die Konzentrierung der ruisischen Haupt macht am rechten Ufer des Hnnho in rascherem Tempo durchzusühren. Insbesondere sollten sie erforschen, ob neue japanische Angriffe gegen das wichtige Dcsilö von Talin be vorstehen, das durch die vom Südosten führende Straße, sowie die Straße nach Tieling beherrscht wird. Meldungen besagen, daß die Japaner namhafte Verstärkungen erhielten. Vic rufsifcheu Aricgsfchiffe in Schanghai. Einer Schanghaier Drahtmeldung der „Times" zufolge bewilligte die chinesische Regierung förmlich die Forderungen Japans bezüglich der Besatzungen der in Schanghai liegenden russischen Kriegsschiffe „Astold" und „Grosowoi"; dem- nach werden die Besatzungen an Bord ver Schisse unter Ueverwachung chinesischer Kriegsschiffe bleiben. Deutsches Reich. * Leipzig, 22. September. * (Siu Vorschlag zur Rcichstagsrrsatzwahl in Jerichow. Während die Sozialdemokraten es mit der Ausstellung ihre? alten Durchfallskandidaten Voigt ans Gommern im Wahlkreise Jerichow sehr eilig gehabt haben, verlautet von den Plänen der bürgerlichen Parteien im Wahlkreise noch nichts. Zur Beleuchtung der Situation möge folgende zu- sammcnfassende Aufstellung über die letzten Wahlergebnisse dienen: Fürst Herbert Bismarck hatte das Mandat in den Jahren 1303 nnd 1898 im ersten Wahlgange erobert, während er in der vorjährigen Wahl erst in der Stichwahl siegte. Wenn Fürst Bismarck da« letzte Mat auch noch mit einer sehr starken Mehrheit, nämlich mit 14565 Stimmen gegen 9742 sozialdemokratische, gesiegt hat, so haben sich doch die Stimm verhältnisse des Wahlkreises seit einem Jahrzehnt erheblich zu Iln- gnnslen der Koniervative» geändert. Tenn wahrend der Freisinn bei der Hauplwnhl des Jahres 1898 nur 4698 Stimmen ans sich ver einigte, wurden im Vorjahre 6489 sreisinnig-volksparteiliche Stimmen abgegeben. Noch stärker ist das Anwachjen der Sozialdemokratie. Sie hatte 1893 immerhin schon 4376 Anhänger, stieg 1898 auf 7,758 und im Vorjahre auf 8140. Da die Konservativen das letzte Mal 10 430 Stimmen aufbrachten, blieben sic immer noch die stärkste Partei deS Wahlkreises, der vor der Bewerbung des Fürsten Bismarck nur ein einziges Mal, nämlich bei der Septennatswahl von 1887, in ihrem Besitze gewesen war. Die Lage ist also nicht ganz unbedenklich; sie wäre cS jedoch mit einem Schlage, wenn die beiden bürgerlichen Parteien des Kreises sich auf eine Persönlichkeit einigten, die eS beide» von vornherein möglich macht, für sie zu stimmen. Stellen die Konser vativen einen der Ihren mit dem üblichen starken agrarischen Einschlag aus, so erschweren sie cs den Freisinnigen außer ordentlich, ihn in der dann höchstwahrscheinlichen Stichwahl zu wählen. Gewiß hatte auch der verstorbene Fürst Herbert eine sehr starke agrarische Ader, aber bei ihm trat diese Eigen schaft doch sehr zurück gegenüber der Tradition seines Namens und seiner großzügigen deutschnationalen Politik. Gerade dieser letztere Punkt veranlaßt unS, übrigens obne jeden Auftrag, die Parteien auf einen Mann aufmerk sam zu machen, der im Reichstage eine Lücke hinterlassen bat nnd besonders in nationaler Beziehung alle Gewähr bietet für warmes Wollen und großes Können. Wir meinen Professor I)r. Hasse. Auch persönliche Gründe empfehlen ihn als aus sichtsvollen Kandidaten für diesen Wahlkreis, so seine vielfachen und nahen Beziehungen zum Hause Bismarck. Wir glauben ferner, daß Prof. Haffe gerade durch seine Bestrebungen auf kolonialem und damit doch auch handelswirtschastlichem Gebiete den Liberalen nicht unsympathisch sein kann. Bei dem drohenden Moment, das in dem Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen liegt, ist jedenfalls eine sorgfältige Auswahl der Kandidaten sehr geboten, und eine Kandidatur Hasse würbe jedenfalls auch unter den obwaltenden Umständen den Besitz des Wahlkreises für das Bürgertum garantieren. * Tas Bremer Urteil über Schippet in s-zialvemokra- tischcr Beleuchtung. Die Erwartung, daß Schippet in Bremen „fliegen" würde, hat sich nicht erfüllt, der Parteitag hat sich darauf beschränkt, zu erklären, daß er SchippelS Verfahren gegenüber der Partei für unstatthaft hält und Schippet ein Mißtrauensvotum erteilt. Die „Sachs. Arbeiterztg." schreibt dazu: Der Abgeordnete für Chemnitz ist nun in der angenehmen Lage, ein Vertrauensvotum seines Wahlkreises und ein Mißtrauensvotum der höchsten Parteiinffanz, des Parteitages, zu haben. Unser Hin weis darauf, daß diese neueste Gepflogenheit, den Wahlkreis gegen vorauszujeheilde unbequeme Beschlüße der Gejamtparlei auSzuipiele», die Einheit der Partei gefährden könne, ist damit bestätigt. Wir hoffen allerdings, daß die Chemnitzer Genoßen nicht versuchen werden, ihren Beschluß dem de» Parteitags entgegenzusetzen sondern daß sie sich ihrer Pflicht gegen die Gesamtpartei bewußt sind. Was eingetretcn fft, mußte kommen, Schippet erleidet sein Schick jal nicht unverdient. Cr hat e» sich selbst gezimmert. Länger durste die zweideutige Situation nicht dauern, wenn die Partei nicht zum Gespött werden wollte. E» ist erfreulich, das; die Befürchtung, die KautSky über Schippel aussprach, die Parte, möchte aus einem RuhebcdürfniS heraus, daß die theoretischen Streitigkeiten der letzten Jahr erzeugte, sich nicht gegen Schivpel, sondern gegen seine Ankläger wenden, nicht eingetreten ist Das ist ein erfreuliches Zeichen der inneren Gesundheit des Partei törpers ebenso wie der würdige Verlauf der Schippeldebatle. Tie Gegner, die witve Scene» erwarteten, werden enttäuscht fein und sich schadlos zu halten versuchen, indem sie nach altbekannter Methode vom Ketzergericht reden. Mögen sie! Genosse Ledebour hat in seinem trefflichen Referat bereits vorgreisend gezeigt, daß von einer Unterdrückung der Meinungsfreiheit beim Vorgehen gegen Sckippel nicht die Spur vorhanden ist. DaS Gericht wider ihn war eine gebieterische Forderung und dringend geboten zur Wahrung der Würde der Partei! Das beißt mit anderen Worten: Schippel möge nun machen, daß er aus der Partei hinauskomme. Wir haben bereits früher gesagt, daß Sckippel tatsächlich nickt im ge ringsten sick verpflichtet zu suhlen braucht, das zu tun. Einigermaßen komisch berührt eS dabei, daß erst die „Ein heit ver Partei" als ver Gefährdung au-gesetzt bezeichnet und nachher Vie innere Gesundheit der Partei gepriesen wirt. * Tic Schriftlichkeit vcr Ticnftvcrträgc. Wer Gelegen heit hat, ven Anlaß und Verlauf von Rechtsstreitigkeiten ans vcili Dienstverträge zu beobachten, der wird wissen, wie oft in solchen der springende Punkt lediglich in der Frage liegt, was eigentlich der Inhalt diese« Vertrage- sei. Die Unklarheit der Abmachungen zwischen Dienstherr und An gestellten bringt vie meisten dieser Prozesse hervor und be stimmt das in ihnen ergehende Urteil. Zu diesem wichtigen Thema bringt die „Privatbeamten-Ztg." einen Artikel, dem wir folgende« entnehmen: Ob wobt eine Aenderung dieser Recht- fpreckung viel nützen würde? Ob etwa vie KaufmannSgerichte hierin besser urteilen werben als die Juristen? Sicherlich so lange nickt, als jene Unklarheit der Vertragsverabredungen zum eisernen Bestanke unseres wirtschaftlichen Lebens gekört. Das einfachste unv nächstliegende Mittel, um solche Streitig keiten möglichst hintanznhalten, ist die schriftliche Ab fassung ver Dienstverträge. E« ist sehr bedauerlich, daß mit dem Wcgfall des gesetzlichen Schriftzwanges auch eie freiwillige Anwendung der Schriftform mehr und mehr in Abnahme gekommen ist. Selbstverständlich schließt auch vie Schriftlichkeit Zweifel, Undeutlichkeiten, Unvollständig keilen und Mißverständnisse nicht völlig aus. Aber ste schränkt bas Vorkommen solcher Vertragsmängel doch sehr erheblich ein. Bei der Niederschrift einer Abmachung muß Farbe bekannt werden, ob und inwieweit man gebunden sein will; unv was nicht in die Urkunde ausgenommen ist, hat von vornherein die Vermutung gegen sich, daß e« eben auch nicht Vertragsbedingnng sein sollte. Deshalb liegt eS im wohl verstandenen Interesse beider Teile, dafür zu sorgen, daß man etwas sckwarz aus weiß besitzt; ganz besonders freilich im Interesse des Angestellten. Ihn al« den wirtschaftlich Schwächer» trifft jeder Streit mit seinen Folgen, vor allem auch jeder Prozeß weit härter als den Ckef; die Grundlagen seiner Stellung find eben auch die Grundlagen feiner Existenz. Man bat deshalb den Ruf nack Wiedereinführung des gesetzlichen Schrift z w a n g e s erhoben, um auf diesem Wege alle Widerstände zu brechen. Der Gedanke hat für den ersten Augenblick etwas bestechendes — aber doch nur für den ersten Augenblick. Jedes eingehendere Nachdenken zeigt, wie gefährlich dieser Vorschlag gerade für die Ange- slellten fft. Ein gesetzlicher Zwang zur Schriftlichkeit würbe mit Naturnotwendigkeit jenes Formu larunwesen nach sich ziehen, das dem wirtschaftlich schwächeren Teile am gefährlichsten ist. Es würde sich sehr bald ein Vertrags- tchema auöbilden, das mit allen Feinheiten juristischer Technik ausgearbeitet jeden gesetzlich möglichen Vor teil dem Dienstherr» Vorbehalten und den Ange stellten in ein jede Bewegung dem tuendes Para graphen netz verstricken würde. Auch ter Gedanke, daß etwa eine Organisation der Angestellten Formular gegen Formular ausstellcn und das ihrige den Prinzipalen auszwingen sollte, ist vou der Hand zu weisen. Das mag für die im Masfenkainps stehenden Arbeiter taugen, nicht aber für den Stand der Privatbeamten. Ohne zu verkennen und obne zu leugnen, daß vielfach gegen sätzliche Interessen vorbanden sind, schätzen wir doch die Interessengemeinschaft, die im übrigen besteht, noch höher — so hoch ein, das; wir hoffen, auf ihrem Boden immer mehr zu gerechtem Ausgleiche, zu verständnisvoller, praktischer Einigung zu gelangen. Zn wünschen wäre, daß alle Faktoren — Handelskammern, Arbeitgeberverbände, Angeftellren-Ver- eine und sonstige Vertretungen der in Betracht kommenden Berufsstände — es sich angelegen sein ließen, bei Arbeitgebern und Angestellten dahin zu wirken, baß die Forderung des Abschlusses eines schriftlichen Vertrages allgemein erhoben und von den Arbeitgebern nicht als ein unberechtigtes oder doch überflüssiges Anfinnen angesehen würbe. Berlin. 22. September. * Pom Kronprinzen. Die erste Wohnung des zu künftigen Kronprinzenpao rcs wird entgegen anderen Nachrichten das Stadt schloß in Potsdam fein. Der nach dem königlichen Rcitstoil zu gelegene Flügel des Stadtschlosses wird, nack der „Voss. Ztg.", schon in großer Eile in Stand gesetzt, da, wie in unterrichteten Kreisen verlautet, schon Mitte Januar die Hochzeit statt finden soll. Das junge Paar wird dieselben Rättme be wohnen, welche das jetzige Kaiferpaar in jungen Jahren als Kronprinzenpaar bewohnt hat. * Tn Arkcltsmarkt im August trug nach dem amtlichen „ReichsarbeitSblatt" im großen und ganzen dasselbe Gepräge wie derjenige deS vorangrgangenen Monat« und weist dte der Jahreszeit entsprechenden Züge auf. Störend wirkte auch im August bl« ungewöhnliche Trockenheit auf die Gestaltung der Binnenschiffahrt unv dadurch auf den Gang
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