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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040923026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904092302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904092302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-23
- Monat1904-09
- Jahr1904
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vezugS-PretS t» der Lauptexpeditilm oder deren Ausgabe stellen av geholt: viertrliährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» 3.7b. Durch dir Post bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich »i 4.50, für di« übrigen Länder laut Zritunq-vreisliste. Diese Nummer kostet tN 7 auf allru Bahnhöfen und III I bei den ZeitungS-Berkäufern stiedaktion und Expedition: 153 Fernsprecher 222 JohanniSgafle 8. Atlialexpedttionen: Al frrdHahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. 3 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 2935) u. KönigS- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-FiUale Dresden: Marienstraße34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Atliale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowstraße 1O(FernsprecherAmtVl Stt.4603). Abend-Ausgabe. MWger TaMall Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Sir. 487. Freitag den 23. September 1904. An-eigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSslrich (4 gespalten) 75 /H, noch den Familiennach richten l6gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofserteuannahmr 25 «nnahmeschlutz für «nze,>en: Abcud-AuSgad«: vormittags 10 Uhr. Morgen-AllSgabe: nachmittags 4 Uhr. Extra-Vctlagen lgefalzt), nur mit der Morgen.A»Sgabe, ohne Postbrsörderuug ./» 60.—, m"t Postbesördening ./i 70.—. Anzeigen sind stets an dir Expedition zu richten. Die ExpedUion Ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Pol» iu Leipzig (Inh. vr. B., R. ör W. Kllukhardt). 98. Jahrgang. Var Mchtigrte vom Lage. * In der vergangenen Nacht ereignete sich bei Zwickau ein schwerer Automobilunfall, bei dem zwei Zwickauer Herren ums Leben kamen, einer schwer und zwei leicht verletzt wurden. (Siebe Sachsen.) * Bei der nächsten Etatsberatung im Reichstage wird aufs neue der gebotenen Fürsorge für Stärkung des Unteroffizierstandes Rechnung getragen werden. * Die Typhusepidemie in Detmold ist iin Fortschreiten begriffen- gestern kamen 34 Fälle zur Anmeldung, die Gesamtzahl beträgt bis jetzt 484, darunter 12 Todesfälle. * In Spanien bereiten radikale Arbeiterorgani- sationen einen Generalstreik für die ersten Tage des Oktober vor. (Siehe Pol. Tagesschau.) * Nach chinesischen Mitteilungen, die aber vom Petersburger „Negierungsboten" wiedergegeben werden, ist die Umgehung der linken russischen Flanke durch die Japaner im Gange. * Die Russen haben nicht allein Mukden, son dern auch Sintaitse (38 Kilometer nördlich davon) geräumt. (Siehe letzte Nachr.) 2«r pslenstage. In keiner Frage hat die preußische Verwaltung seit einem Jahrzehnte mehr Tätigkeit entwickelt als in der Polenfrage,— und trotzdem wird von nationaldeutscher Seite geklagt, daß die erhoffte Wirkung auSgeblieben sei, daß die aktive staat liche Germanisierungspolitik noch immer keine durchgreifenden Resultate erzielt habe, ja, daß das Polentum — trotz der gewährten überreichen Mittel zu seiner Bekämpfung — nicht nur in den Ostmarken, sondern auch anderwärts erstarke. Wenn wir auf diese Frage — oder richtiger auf diesen Komplex von Fragen — die Antwort suchen wollen, so müssen wir zunächst objektiv schildern, wie die nationalpolnische Expansion in Preußen vor sich geht. Ter deutsche Landarbeiter der Ostmark wandert wegen der besseren Arbeitsbedingungen im Westen ab und bleibt dort. Der polnische Landarbeiter der Ostmark geht ent weder in die Stadt der Ostmark als gewerblicher Arbeiter (oder in jüngeren Jahren als Lehrling in ein Handwerk) oder er wird „Sachscngänger"; im letzteren Falle kehrt er nach wenigen Jahren mit Ersparnissen zurück, die ausreichen, um ihn (mit Hülfe der polnischen Parzellierungsbanken) als selbständigen Bauer in Posen oder Westpreußen anzusetzen. Jetzt dringt der polnische Wanderarbeiter aus Galizien und Rußland in Posen ein, um die leeren Stellen, teils der deut schen, teils der eingesessenen polnischen Arbeiter einzunehmen. AuS dieser sich spontan vollziehenden Entwicklungstendenz der ländlichen Arbeiterbevölkerung ergibt sich die folgende Konsequenz. Die Söhne und Töchter des polnischen Landarbeiters ziehen zum Teil in die Städte. Die Polonisierung der Städte hat darum auch seit 20 Jahren mächtige Fortschritte gemacht, daS Proletariat und das Gesinde ist in den Städten bereits größtenteils polnisch, die Stände der Handwerker und der Kleingewerbetreibenden sind zum guten Teil polnisch, und daS Polentum ist unter ihnen in fortwährendem Wachstum begriffen. Die Bildung einer polnischen Mittelklasse in den Städten ist einfach daS Ergebnis einer natürlichen Auslese der fleißigen, tüchtigen und soliden Elemente aus der Masse der polnischen Bevölkerung in ihrem wirtschaftlichen Kampf nmS Dasein, — wobei noch begünstigend inS Gewicht fällt, daß in den Ostmarken der starke jüdische Mittelstand in den letzten Jahrzehnten durch Wegzug von Tausenden seiner Angehörigen immer mehr zusammengeschmolzen ist. Demnach mußte eine wirksame Bekämpfung der Polo- nisterung der Ostmarken prinzipiell darauf auSgehen, eine andere Zusammensetzung der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu erzielen. In diesem Sinne zu wirken, war in erster Linie die Aufgabe der Ansiedelungskommission. Wie ist diese Aufgabe bisher gelöst worden? ES steht fest, daß die Tätigkeit der Ansiedelungskommission unter dem Regime des im vorigen Jahre zurückgetretenen Präsidenten von Wittenburg gleichmäßig erfolgreich sowohl auf das wirtschaftliche Emporkommen der An siedler wie auf die Sicherstellung der staatlich ausgelegten Kapitalien gerichtet war. Es kann somit den kultur- und wirtschaftstechnischen Leistungen der An siedelungskommission kein Vorwurf gemacht werden. Anderer seits ist die Tatsache ebenso unbestreitbar, daß der poli tische Erfolg der Ansiedelungstätigkeit bisher recht gering gewesen ist. Einen Wall gegen die polnische Expansions tendenz hat die AnsiedelungSkommission schon wegen der Geringfügigkeit der Zahl der deutschen Ansiedler nicht auf führen können. Speziell in der Provinz Posen sind von 1886 bis zum 31. Dezember 1902 im ganzen nur 4190 Ansiedler angesetzt worden! Faktisch sind auch in der gleichen Zeit mehr neue polnische Bauern durch die polnischen Landbanken (und in den neunziger Jahren auch durch die Bromberger Generalkommission) angesetzt worden. Die AnsiedelungSkommission hatte eben den Fehler be gangen, daß sie in erster Linie größere Bauerngüter im Umfange von 10—25 Hektaren auszulegea suchte, — und zahlungskräftige Bewerber um solche Stellen sind eben selten! Die Folge davon war, daß ersten- eine solche, wenig umfangreiche und darum politisch wenig nützende Koloni sation von der polnischen Gegenkolonisation kontrekarriert wurde, und daß zweitens auf den Ansiedclungskolonien selber Hülfskräfte polnischer Nationalität — als die billigsten Arbeitskräfte — herangezogen wurden! Demnach müßte die Aufgabe der Ansiedelungskommission, wenn sie wirklich erfolgreich im Sinne des Deutschtums arbeiten will, von nun an darin bestehen: entsprechend der Tendenz der wirtschaftlichen Entwicklung, die bei vollem freien Verkehr die Betriebe von 5—10 Hektaren begünstigt, solche Stellen — neben den anderen größeren — in weit aus überwiegender Zahl auszulegen. Da gerade diese Stellen in ganz Deutschland bei der landwirtschaftlichen Bevölkerung besonders stark nachgefragt werben, so wird es bei geeigneter Werbetätigkeit der AnsiedelungSkommission leicht möglich sein, geeignete Bewerber mit etwas Vermögen zu finden. Um den Kreis der Bewerber zu erweitern, was zum Zweck einer genügenden Auswahl unbedingt nötig ist, und um schlechter Wirtschaft vorzubeugen, könnte in viel mehr Fällen als bisher die Verpachtung der Parzellen von 5—10 Hektaren an die Ansiedler einzeführt werden. Es wäre übrigens unrecht, verschweigen zu wollen, daß sich die AnsiedelungSkommission seit zwei Jahren immer mehr bestrebt,, in der Richtung dieses Prinzips der Ansetzung kleiner Bauern tätig zu sein. Wenn der nunmehr ein geschlagene Weg mit Energie weiter verfolgt wird, so werden die erhofften Früchte für die Germanisierungspolitik nicht ausbleiben. Die Aufgabe des preußischen Landtages wird eS sein, mit aller Entschiedenheit darüber zu wachen, daß Jahr um Jahr die Ansiedelung Tausender von kleinen Bauern und Pächtern erfolgt, die ihr Gütchen ohne Anstellung fremder Hülfskräfte bestellen können. Da die polnische Gegenkolonisation seit diesem Jahre auf gesetzliche Hindernisse stößt, so scheint damit der Er folg der staatlichen AnsiedelungStätigkeit um so mehr gesichert zu sein. Aber noch eine andere Ouelle der Polonisierung mutz verstopft werden. Die Einwanderung polnischer Land arbeiter aus Rußland und Galizien in die Ostmarken trägt nämlich auf die Dauer zu ihrer Polonisierung bei, obwohl die Einwanderer dazu angehalten werden, sich eia paar Monate im Jahre außerhalb der Landesgrenzen aufzu halten. Wenn nach der Richtung Maßregeln durchgeführt werden, so ist das geschehen, waS in einem Kulturstaate möglich ist, um das Land zu germanisieren. Hoffentlich werden die Mittel ausreichen, um die Expansionstendenzen des Polen tunis einzudämmen. Aber natürlich werden diese Mittel Jahrzehnte lang in Anwendung bleiben müssen, ehe durch greifende Resultate erzielt werden können. Vorläufig ist freilich die neue, auf Parzellierung der Güter gerichtete Tendenz hauptsächlich den Polen zu gute gekommen, weil der anspruchslose Pole auf einer Scholle auskommt, die für die Bedürfnisse der höher kultivierten Deutschen viel zu klein ist. Die Folge davon ist gewesen, daß von 1871—95 die Deut schen in den posenschen Gutsbezirken um 10 Prozent ab-, die Polen um 14'/, Prozent zu-) in den Landgemeinden die Deutschen um 3 Prozent ab-, die Polen um 14 Prozent zu genommen haben. ver Humana Oer sserero. Lrotha« nerrester Verletzt. Der Bericht des Generals v. Trotha über den gegen- wärtigen Stand der Verfolgung der Herero durch die deutschen Truppen wird von der „Nordd. Allg. Ztg." folgendermaßen erläutert: In der Zeit vom 10. L. M., cm welchem Tage General v. Trotha die vorhergehende Meldung abgesandt hatte, hat Oberst Deimling seinen Marsch von Okowindombo über Opara- kane südöstlich gegen den Epukiro fortgesetzt, dieses Flußbett erreicht und stand bereits am 14. L. M. mit der Abteilung des Majors v. Wahlen-Jürgaß zwischen dem Ort Epukiro und dem weiter ostwärts gelegenen Kalkfontein. Westlich (strom aufwärts) schloß sich am 14. d. M. bei Kanduwe Major Meister an ihn an, so daß die Epukiro-Linie abgesperrt er scheint. Major v. Estorfs, der am S. d. M. in dichtem Dusch bei Owinaua-Naua auf die abziehende Werft Samuel Mahareros gestoßen war und sie nach einem für die Herero sehr verlust reichen Gefecht genommen hatte, hat dort, wie eS den Anschein hat, Oberleutnant Volkmann zurückgclassen und ist flüchtenden Feinden südwärts nachgczogen. Er ist über Okarupoko bis an den nördlichen Nebenfluß des Epukiro bei der Wasserstelle Sturmfcld gekommen, ersichtlich, ohne wieder auf den Feind zu stoßen, und war am 14. d. M. im Begriff, sich wieder nord- wärts gegen Okarupoko zu wenden, wohl durch die Aussagen gefangener Herero, daß Samuel Maharero und Michael sich bei Otjinene am Eiseb (nördlich von Owinaua-Naua) be fänden, dazu veranlaßt. Samuel scheint also, falls die An gabe der Herero zutrifft, nachdem seine Werft genommen war, nicht südwärts geflüchtet zu sein, sondern sich an die Wasser stellen des Eiseb zurückgezogen zu haben. Das nach früheren Telegrammen durch wasserlose Gebiete vom Westen abge- schlossene Otjosondjou, wo noch Tetjo und Salatiel stehen sollen, liegt nordöstlich von Otjinene am nördlichsten Nebenfluß des Eiseb. Eine Rückkehr der Herero an den Omuramba u-Omatako macht Hauptmann v. Reihenstein durch seine Stellung bei OtjiMbinde-Okosondusu unmöglich. Gegenwärtig ist unsere Truppenleitung bestrebt, Nacv- richten zu erhalten aus der Gegend östlich von den Orten, an denen sich die Hererohäuptlinge befinden sollen. Die Auf klärungsabteilungen gehen den Epukiro abwärrs und gegen Klein-Okahandja am nördlichen Nebenfluß des Epukiro vor und suchen Kunde aus der Umgebung von Epata (unterhall' Otjinene am Eiseb) und Otjosondjou einzuziehen Mt welcbcn Entbehrungen unsere wackeren Soldaten bei der Lösung dieser Aufgaben zu kämpfen haben, ergibt der Hinweis auf die Schwierigkeiten, welche die Nachführung der Verpflegung l>ei dem raschen Vordringen der Truppen bereitet, zumal oft Durststrecken überwunden werden müssen. Daß die vom 14. d. M. datierte Meldung erst am 21., also nach vollen sieben Tagen, hier eintraf, wird ausreichend durch die Schlußsätze des Telegramms selbst crtlärt, wonach die Signalverbindung durch das flache Gelände fast unmöglich ist, die Meldungen nach rückwärts erschwert und nur durch Offizierpatrouillen zu bewerk stelligen sind. Die Meldung von dem Durchbruche der Herero nach der Kapkolonie ist noch unbestätigt, ebenso bedarf eine weitere Nachricht, wonach die Bondelzwarts im Süden des Deutschen Schutzgebietes sich wieder er hoben haben sollten, der Bestätigung. Heimkehr. Major v. Glasenapp, der Führer des Ma- rine-Jnfanterie-Bataillons in Südwestafrika, der durch seinen schneidigen Gewaltmarsch in den Osten des Schutzgebiets, durch die Gefechte bei Owikokorcro, Otji- kuoko und Okaharui und durch den Abmarsch in das Lyphuslager bei Otjihaönena bekannt geworden ist, hat. wie die „T. R." erfährt, am 16. September von Swa- kopmund die Heimreise angetreten. kolitirchr ragttscdau. * Leipzig, 23. September. Deutsches Weltbürgertum. Auf der landwirtschaftlichen Ausstellung in Dar cs Salam, die nach amtlichen Berichten großen Erfolg ge habt hat, wurde als Ehrenpreis eine Bronzeplakette ver teilt. Wie wir aus der „Dtsch. Kol. Ztg." ersehen, ist diese Plakette von einem Wiener Bildhauer modelliert worden. Sollte sich denn wirklich dazu kein reichs- deutscher Künstler gefunden haben? Es ist doch etwas Schönes um das leider so vereinzelte Weltbürgertum der Deutschen im 20. Jahrhundert. In Amerika hätte man die Ausstellungsleiter höchstwahrscheinlich geteert und gefedert. Ein Reinsall. Das Polen blatt am Rhein ist, durch seinen Haß gegen die „Hakatisten" arg in die Tinte geraten. Die „Köln. Volksztg." hatte nämlich -er Ortsgruppe Posen des deutschen Ostmarkenvereins „einen Boykott reinsten Wassers" vorgeworfen, weil jene Ortsgruppe in einer Liste polnische Geschäfte, die deutsche Firmenbezeichnungen führen, namhaft machte. Die „Gazeta Bachemska" mutz sich jetzt vom Posener Ostmarkenverein' darüber belehren lassen, -atz jene Liste ein wortgetreu übersetzter Auszug aus der Liste polnischer Geschäfte ist, die der „Dzien- nik Poznan ski" vor Weihnachten mit der Bitte um möglichst weite Verbreitung veröffentlicht hatte. Der Pfeil gegen die Hakatisten ist also gründlich abgeprallt! Oertliche soziale Versicherungsstellen. Bei -er zukünftigen Regelung der Hinterbliebenen- Versicherung gewinnt die Frage der Errichtung örtlicher Nentenstellen eine erhöhte Bedeutung. Diejenigen Ver sicherten, für welche wegen der beschränkten Versicherungs zeit nur mit erheblichen Unterbrechungen Beiträge gc- Feuilleton. „Durchgerungen." Roman von JosephineSiebe. NaLdruit verboten. Wolfgang schüttelte sich vor dieser Art Kunst, vor dieser Leistung. Er litt unsäglich in dieser Stunde, jedes neue Lied, das sein Weib sang, bereitete ihm seelische Qual. Er sah um sich, er sah das zynische Lächeln der alten und jungen Lebemänner, er sah das prickelnde Behagen und lüsterne Lauschen der mit blitzenden Steinen geschmückten Damen der Halbwelt, ach und er schämte sich. Er durchlebte in dieser Zeit noch einmal sein Leben an der Seite dieser Frau. War sic denn schon immer so gewesen, schon damals, als er in blinder Leidenschaft für sie sein Wort gebrochen? War es denn möglich, daß dieses Weib da oben, da? so schamlos seine Reize preisgab, dasselbe Mädchen war, das er bei seinem ersten Besuche in ihrem kleinen Zimmer im wallenden weißen Gewand, wie in Verzückung, vor ihrem kleinen Altar kniend sand? Damals hatte ihn das Bild ergriffen, und heute wurde es ihm klar, es war nur Pose gewesen, wie alles, rvas sie tat. Spiel und Lüge war alles an ibr, selbst ihre Ruhm- sucht war nicht echt, es war nicht das Ringen einer Kunst- lerseele, sich über den Alltag zu erheben, ein Sehnen nach Licht, es war maßlose Eitelkeit, die Sucht zu gefallen, um — jeden Preis. Heitz quoll in dem Mann die Bitterkeit auf, dieses Weib hatte sein Leben zerstört, sie war hindernd in seinen Weg getreten, sie hatte seinen Höhenflug gehemmt. Er konnte den Gesang nicht mehr hören, er erstickte fast vor Zorn, und noch lange ehe die Vorstellung ihr Ende erreicht, verließ er den Saal. Draußen schlug ihm der eisige Wind entgegen, er fühlte nicht die Kälte, empfand die schneidende Luft wie eine Wohltat, und mit offenem Pelz schritt er die Straße entlang. Er wollte überlegen, in Ruhe nachsinnen. — Er hatte Irene versprochen, auf sie zu warten, und da fiel ihm ein, wie hingeben-, wie zärtlich sie heute ge wesen, und nun überkam ihn ein weicheres Gefühl, viel leicht hatte er doch zu schroff geurteilt, er war so nervös, so müde, und — traf ihn denn keine Schuld? Er grübelte nach. Wie viele Bewunderer hatte Irene immer gehabt, und er hatte eS nie allzu schwer genom men, ja er hatte sich kleine Abschweifungen nicht weiter angerechnet. Wolfgang seufzte schwer, war es schon zu spät? Aber vielleicht würde sie doch einsehen, auf welch schiefer Bahn sie sich befand, heute noch wollte er mit ihr sprechen, wollte gut und zärtlich zu ihr sein und wollte sie an die einstigen hohen Ziele mahnen. Wartend und frierend schritt der Mann auf und ab, unablässig, die eisige Nachtluft drang ihm durch die Kleider hindurch und die Fuße wurden ihm bleischwer. Längst schon hatte sich das Theater geleert und noch immer kam Irene nicht. Er wollte endlich hineingehen und nach ihr fragen, da kam sie, von Minette begleitet, er half ihr in einen Wagen und schweigend fuhren alle drei ihrer Be- Hausung zu. „Ich bin müde", sagte Irene, -en schlanken Körper dehnend, als sie in dem warmen, hell erleuchteten Zimmer stand, „wie hat es dir übrigens gefallen? Du hast noch kein Wort der Bewunderung gesagt, du ungalanter Mann du." Sie gähnte und warf sich in einen Lehnstuhl und prüfend ruhten ihre Augen auf ihres Mannes Gesicht. Wolfgang wartete, bis Minette gegangen war, und dann begann er zu sprechen, mit beklommener Stimme sagte er alles, was er während ihre? Gesanges empfunden batte. Frau Irene saß ganz still, sie unterbrach ihn mit keinem Wort, aber eS war dem Manne, als zucke ein Lächeln um ihren Mund. Als sr davon sprach, wie hoch einst ihr Ziel gewesen, bekamen ihre Augen etwas Träumerisches, als sähen sie in weiter Ferne ein unend lich schönes Bild. Er hatte so ruhig wie möglich, trotz seiner heftigen Aufregung, gesprochen. „Sieh Irene", sagte er endlich, „ich will dich doch gar nicht am Auftreten hindern, ich bin ja durchaus kein engherziger Moralist, die Kunst mutz frei sein, ihr sind weitere Grenzen gezogen, sie steht über -em Philistertum, aber sie darf niemals — gemein werden!" Eine Totenstille trat ein. Der Mann wartete auf ein Wort seines Weibes, er hatte geglaubt, sie würde empört sein, würde heftig wer den, nichts von alledem, sie saß regungslos, immer vor sich auf den Teppich niedersehend, und keine Miene ihres Gesichtes verzog sich. Minute auf Minute verrann. Plötzlich lachte Irem kurz und hart auf und brach dann in ein leidenschaftliches Weinen aus, ihr Körper erbebte unter diesem wilden Schluchzen. „Oh Irene", erschüttert kniete der Mann neben ihr nieder und faßte nach ihrer Hand. Dieser Schmerzens- ausbruch rührte ihn und er vergaß in der Minute alles, was ihre Ehe bisher getrübt. „Irene", bat er, „wir wollen ein neues Leben beginnen, wollen einer den andc- ren stützen, wollen zusammen streben und unserer Kunst leben, ja Irene willst du, wollen wir heute den Bund unserer Ehe von neuem schließen, ernster, heiliger wie damals im Rausch der Leidenschaft?" Das Weinen der jungen Frau ging in ein hysterisches Schluchzen über, dann wurde es leiser, immer leiser, zu letzt verstummte sie, sie duldete es, daß er sie küßte, und so saßen sie lange, ohne zu sprechen; endlich richtete sich Irene auf, „ick» bin müde", sagte sie, ohne ihren Mann anzuseben, „morgen können wir weiter reden — letze Wohl!" 1 „Lebe wobl", sagte er mit mehr Herzlichkeit denn sonst, „auf morgen." Wolfgang Stritt suchte sein Lager auf, er fühlt« jetzt
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