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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040920013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904092001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904092001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-20
- Monat1904-09
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 75 -L, nach den Famtlteuuach- richten 'S gespalten) 50 Tabellarischer und Zifsernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenaunahm« 25 -4- «nnahmeschluk für Anzeigen. Abend-Au-gabe: vormittag- lO Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmittag- 4 Uhr. Extra-Beilageu (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesbrderung ^ll 60.—, mit Postbefvrdrrung 70.—. Anzeigen sind stet- an die Expedition zn richten. Die Erpedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pols in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kltnkhardt). 98. Jahrgang. Var Aicbtigrte vom Lage. * Graf Metternich, der deutsche Botschafter in London, ist gestern zum Besuche des Reichskanzlers Grafen Bülow in Homburg v. d. H. eingetroffen. * Die76. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte wurde im Stadttheater zu Breslau er öffnet. (S. Letzte Nachr.) * Die Schweiz kündigte gestern den Handelsver trag mit Oesterreich. (S. Ausld.) * Die Krönungsfeierlichkeiten in Belgrad wurden gestern durch eine feierliche Audienz der Gesandten »eim Könige eröffnet. (S. Ausld.) Vie SoriaiOemolrratie am Zcheiclewegr. „Die Demokratie darf um keinen Preis Revolution machen, weil sie bei jedem Versuche verlieren muff", so schreibt Friedrich Naumann in seinem Buche „Demo kratie und Kaisertum", das bei viel Schwarmgeistern so manchen gesunden politischen Gedanken enthält. Naumann sagt auch, warum heute eine Revolution im „Heugabelsinne der Gewalt" unmöglich ist: weil näm lich nur eine Revolution größten Stils im Staate etwas ändern kann, und weil eine solche in Grund und Boden geschossen wird, ehe sie wirklich aufsteigt. Denn der Staat ist bei uns nicht schwach geworden: das ganze letzte halbe Jahrhundert bedeutet ein beständiges Stärkerwerden der Staatscnergie. „Tie Zusammen ballung der staatserhaltenden Kräfte würde ungeheuer sein, die Niederlage unsagbar blutig, die Folge ein aristokratisch-despotisches Zwangsregiment von tyran nischer Macht." Gegen diese Deduktion läßt sich nichts einwcnden: auch der Parteitag in Dresden hat sie indirekt anerkannt, indem er erklärte, nur noch „revolutionär im besten Sinne des Wortes" sein zu wollen, was Naumann zu treffend übersetzt: in der Theorie und auf dem Papier. Das wird natürlich das sozialdemokratische Maulhelden tum nicht abhalten, auch in Bremen mit blutrünstigen Reden und Resolutionen auszuwarten. Möglich, daff man sich in Bremen etwas mehr zusammennimmt, als man es in Dresden tat: denn die Nachwirkungen des vorjährigen Parteitages waren doch gar zu evident: drei verlorene Mandate und ein Rückgang der sozial demokratischen Stimmen überall wo Nachwahlen statt fanden, das schmerzt. Deshalb wird man dem persön lichen Gezänk diesmal einen wemger brojten Raum gönnen. Aber wenn es auch etwas besser werden mag, anders wird es nicht. Noch ist die revolutionäre Rich tung in der Sozialdemokratie oben auf, und sie wird alles tun, sich in der Macht zu behaupten: sie wird besonders durch eine straffere Organisation jeden Wider stand schon im Keime zu ersticken versuchen. Daff da mit der Revisionismus völlig tot gemacht werden kann, ist zwar nicht anzunehmen, denn es liegt in der Natur der Dinge, daß auch bei den Parteien so gut wie beim Einzelmenschen nach einer Zeit revolutionären Neber- schwangs die Vernunft wieder anfängt zu sprechen: und wenn man einsieht, daß es auf revolutionärem Wege nicht geht, dann wird man sich auch einmal die Frage vorlegen, ob sich nicht wenigstens ein Teil der gestellten Forderungen auf verfassungsmäßigem Wege erreichen läßt. Ob man deshalb die Bernstein, Heine und Genossen absägt oder nicht, das macht nicht viel aus. Die revisionistische Tendenz läßt sich nicht tot schlagen. Nur zur Macht kommt sic noch nicht. Bebel triumpÜLlls, das wird das Resultat von Bremen sein, wie es das von Dresden war. Was soll das deutsche Bürgertum dabei tun? Nieder schlagen! sagen die Scharfmacher. Das ginge schon, wenn man die Machtverhältnisse der Sozialdemokratie gegen die des Staates abschätzt: aber es gebt nicht. Es geht deshalb nicht, weil der deutsche Industriearbeiter für unsere wirtschaftliche Höherentwickelung unentbehr lich ist. Unsere ganze Kultur hängt daran, daß wir auf industriellem Gebiet leistungsfähig bleiben und immer leistungsfähiger werden. So etwas ist mit einem Geer von Sklaven nicht zu machen, dazu brauchen wir freie Männer, die Verantwortlichkeitsgefühl und Bildungs hunger haben. Das wäre beim Säbclregiment auf die Dauer unmöglich. Deshalb muff die Theorie des Nie derschlagens als die ultima ratia aufgespart bleiben. Sonst aber muß das Motto, das Schiller seinen „Räubern" vorsetzt, umgekehrt werden. Ehe das Feuer kommt, probiert man das Messer, und ehe das Messer kommt, probiert man cs mit Medikamenten. Gilt es doch einen integrierenden Bestandteil unseres! Volkes zu erhalten, dessen Aussckieidung den ganzen nationalen Organismus aufs schwerste schädigen würde. Die Heiltätigkeit der Gesellschaft gegen die sozial demokratische Krankheit hat zögernd und nicht ohne Fehl schläge eingesetzt. Jede neu aufstrebende Klaffe stößt zu nächst auf Widerstand. Als im Staatsleben längst der Absolutismus überwunden und durch ein konstitutionelles Regiment ersetzt war, hielten die Arbeitgeber vielfach noch starr an den absolutistischen Formen fest. Sie wollten, wie es so schön heißt: Herr im Hause sein. Auch heute ist diese absolutistische Tendenz noch nicht ganz ausge storben, aber sie ist doch zur Bedeutungslosigkeit herab gedrückt. Tie Gewerbeordnung hat in Verbindung mit der Unfallversicherung die Freiheit und Sicherheit des Arbeiters gewährleistet, wenigstens zu dem Grade, daß er einem Willkürregiment entrückt ist. Und was noch fehlt, das wird gleichfalls noch getan werden. Wie die Errichtung von paritätischen Arbeitskammern nur noch eine Frage der Zeit ist, so wird auch das Streben der Arbeiter auf eine Erweiterung der Koalitionsfreiheit schließlich nicht erfolglos bleiben. So sind die Grund lagen teils schon gegeben, teils werden sie in absehbarer Zeit geschaffen werden, auf denen sich ein freier Arbeiter stand, der sein Geschick selbst bestimmt, aufbaueu kann. Und es ist nicht bloß die Freiheit, zu verhungern. Ter Staat hat, vom Bürgertum unterstützt, auch für die mate rielle Hebung des arbeitenden Standes gesorgt. Tie Ver- sicherungsgesetze gegen Krankheit, Alter, Unfall und In valität sind in ihrer Gesamtheit eine große von keinem anderen Kulturstaat erreichte Tat. Auf die Almosen der Gemeinde und auf die Mildtätigkeit der Besitzenden ist heute unter normalen Verhältnissen die Arbeiterschaft nicht mehr angewiesen. Doch liegt der Gesellschaft nichts so fern, als auf diesen Lorbeern ausruhen zu wollen. Schon sind die Vorbereitungen für die Versicherung der Witwen und Waisen geschaffen worden, und wenn eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit bisher noch keine greifbaren Ergebnisse batte, so liegt es nicht an dem mangelnden guten Willen, sondern an der Schwierigkeit des Problems, das hier gelöst werden soll. Wir führen diese Tatsachen nicht an, uin die bürger liche Gesellschaft herauszustreichen, sondern einzig und allein, um das sozialdemokratisclie Geschrei über die fort schreitende Verelendung der arbeitenden Bevölkerung ans seinen nxihren Wert znrückznführen. Und man darf nicht vergessen, daß fast alle diese Wohltaten den Arbeitern gegen die Sozialdemokratie zuteil geworden sind. Es hat lange gedauert, ehe sich die Sozialdemokratie über haupt dazu bequemte, diese Wohltaten entgegenznnehmcn, und noch jetzt steht sie der staatlichen Sozialpolitik prin zipiell feindlich gegenüber. Ta liegt cs für das Bürger- tum nahe, zu sagen: Wir wollen nicht mehr. Und dock) wäre das grundfalsch. Wir müssen! Wir müssen in dieser sozialen Heiltätigkeit fortfahrcn, auch wenn die Sozialdemokratie nicht will: nicht aus Rücksicht auf sie, sondern aus Rücksicht auf uns selbst, aus unsere Kultur und auf unsere Vorrangsstellung in der Welt. Kommt es dann zur Auseinandersetzung, nun wohl, dann haben Staat und Bürgertum ein gutes Gewissen. Aber vielleicht geht cs auch so. Noch sind die Arbeiter im Banne der blutroten Ideale. Soll es immer so bleiben? Soll ein dauernder Riß durch das deutsche Volk gehen? Wer das Schwert nimmt, der wird durch das Schwert umkommen, das mögen sich die in Bremen versammelten „Genossen" gesagt sein lassen. Ableben äer fürsten Herbert Sirniarckr. Des Fürsten Herbert Bismarck gedenken die Blätter aller Parteien in ehrenden Nachrufen, deren Quintessenz mit un serer Auffassung von dem Wirken des Verstorbenen insofern vielfach übereinstimmt, als hervorgehoben wird, daß die mächtige Gestalt des Altreichskanzlers die nicht unbedeutenden Gaben seines Sohnes nicht habe so zur Geltung kommen lassen, wie es bei anderen Persönlichkeiten der Fall gewesen wäre, daß ferner Herbert seine Aufgabe wesentlich in der Pflege und Vertretung der väterlichen Traditionen erblickt habe und daß mit ihm die „Dynastie Bismarck" erloschen ist. Von den einzelnen Blättern geben wir zunächst den beiden amtlichen Organen das Wort. Der „Reichsanzeiger" schreibt: „Was der Staatssekretär und Staatsminister Graf Bismarck an der Seite des ersten Reichskanzlers als dessen Vertrauter und Be- rater für unsere auswärtige Politik geleistet hat, das wissen bis jetzt nur wenige eingeweihte Mitarbeiter. Sein Verdienst wird voll erst gewürdigt werden, wenn dereinst die urkundlichen Zeugnisse der diplomatischen Geschichte jener Jahre dem Historiker vorliegen. Mit berechtigter Genugtuung dürfte der Sohn sich sagen, daß er, wie kanm ein anderer, dem Gedankenfluge deS Genius zu folgen und die Ausgestaltung der großen Entwürfe zu fördern ver stand. Ganz ging der Sohn in dem Vater, der Jünger im Meister auf, und der Rücktritt des großen Kanzler- wurde nach des Grafen Herbert eigener Wahl auch der Abschluß seiner eigenen ministeriellen Wirksamkeit. Fürst Herbert Bismarck nahm nach deS großen Kanzlers Rücktritt seine Stellung im öffentlichen Leben mit Folge richtigkeit und Würde. Die Lebensaufgabe, die ihm blieb, dünkte ihm groß und schön genug, dankbar für den Patrioten nnd tröstlich für den Sohn, die Aufgabt, eine heilige Flamme zu hüten, und immer wieder auf die nationalen Ideale und auf den Schah staats männischer Wei-Heit seines großen Vater« hinzuweisen. Die Liebe nnd Bewunderung, die jeder deutschgesinnte Deutsche dem Andenken des nationalen Helden im Herzen bewahrt, potenzierte sich im Herzen deS Sohne». Zwei treffliche Söhne sind dem unsterblichen Vater schnell nach einander in vorzeitigem Tode gefolgt und alle treuen Deutschen, die heute an der Bahre von Friedrichsruh trauern, vereinigen sich in den wärmsten Segenswünschen für die unmün digen Enkel des ersten Fürsten Bismarck. Wenn ein Patriot, der sich als Träger einer großen nationalen Ucberlieserung fühlte, aus unserer Mitte scheidet, so ist ein solcher Verlust für die Ueber- lebenden eine neue Mahnung, das unsterbliche Verdienst des un ersetzlichen Mannes, dessen Namen jener trug und dessen Schild er allzeit in Ehren hochhielt, niemals zu vergessen. Zu einer solchen wohltuenden, echten Wärme schwingt man sich in der Wilhelmstraße zu Berlin nur selten auf. Auch die „Nordd. Allg. Ztg." hat sich mehr als gewöhnlich angestrengt, sie läßt sich wie folgt vernehmen: Mit dem Fürsten Bismarck ist abermals einer der Staatsmänner aus dem Leben geschieden, die dem großen ersten Kanzler Les Reiches als Vertraute nahestanden. Ausgewachsen in der Schule des ruhm reiche» Vaters wirkte Fürst Herbert mit ernstem Fleiß und um fassender Geschüftskenntnis an der Spitze des Auswärtigen Amts und diente als Sohn wie als Beamter den Intentionen des größten deutschen Staatsmannes in hingebender Pflichttreue. Nach dem Hinscheidcn des unvergeßlichen Ersten Fürsten Bismarck betrachtete Fürst Herbert es als seine Aufgabe, das Andenken des Vater pietätvoll zu hüten und wenn eS die Tageserörterungen ihm zu erfordern schienen, dessen Anschauung zu vertreten. Ein tragisches Schicksal fügte cs, daß wenige Jahre nach dem Ableben Ottos von Bismarck ihm im reifsten Mannesalter beide Söhne in den Tod folgten. Tie Hoffnungen der trauernden Familie ruhen nun auf den Enkeln des Mannes, der den Namen Bismarck mit unaus löschlichen Schriftzeichen in die Geschichte Preußens, Deutschlands und Europas eingrub. Die „Kreuz-Ztg." schreibt: In dem Gedächtnisse des deutschen Volkes, dessen Blick während der letzten Tage teilnahmsvoll auf das Schmerzenslager in Friedrichs ruh gerichtet war, wird auch das Bild des in der vollen Kraft so frühzeitig Dahingerafften einen würdigen Platz finden. Die „Deutsche Tageszeitung" meint: , Schmerzlich wird man den Fürsten Herbert Bismarck auch in der Rcichsvertretung vermissen, woselbst er, ohne während der letzten Legislaturperiode einer bestimmten Partei anzugehören, dennoch einen großen Einfluß besaß. Die Erinnerung an den Vater ver- lieh naturgemäß auch hier seiner Wirksamkeit höhere Weihe. Die „Nat.-Ztg." betrachtet den Verstorbenen kritischer, wenn sie sagt: Ein herbes Geschick war es für den Verstorbenen, seine so glänzend begonnene diplomatische Laufbahn so jäh abzureißen. Er stand im Schatten seines überragenden Vaters. Das war sein Glück und sein Unglück. Die „Germania" muß natürlich auch in diesem Falle ihr Urteil in eine möglichst wenig verbindliche Form kleiden: Mit dem Vater aus dem Amte geschieden, vermochte Fürst Herbert eine irgendwie bemerkenswerte Rolle nicht mehr zu spielen, als Reichstagsabgeordneter so wenig, wie früher ihm als Unter- staats- und Staatssekretär des Auswärtigen gelungen war. Da lag vielleicht daran, daß er zu jung und zu unerfahren, lediglich als Sobn seines Vaters zu Stellung gekommen war. Dagegen läßt die „Voss. Ztg." ehrlich und offen dem politischen Gegner volle Gerechtigkeit widerfahren, wenn sie sagt: „In seinem Amte und seinem Gesamtwirkcn hat Fürst Herbert Bismarck, wie schon als Jüngling im Felde, stets gewissenhaft seine Pflicht zu erfüllen gesucht. Das wird auch jeder seiner politischen Gegner bereitwillig anerkennen können. Aber das Wirken deS Staatssekretärs und später des Abgeordneten war nicht von so tiefgreifender Bedeutung, daß es dauernd ein für die Geschichte erhebliches Ergebnis zurückließ. Mit seinem Tode scheidet die Fürstenfamilie für geraume Zeit aus dem öffent lichen Leben Deutschlands." Aehnlich äußert sich die „Frkft. Ztg": Im Reichstag, dem Fürst Herbert als Vertreter deS Kreises Jerichow angehörte, ist er nicht besonders hcrvorgctreten. Da er eine eigene Politik nicht zu vertreten wußte, so sprach er in den seltenen Fällen» in denen er das Wort ergriff, als Künder der An- schauungen seines verstorbenen Vaters. Es ist nicht obne Interesse, daß er dabei unter dem neuen Reichskanzler aus Kunkurrenz stieß, die er gewiß geneigt war, als unlauteren Wettbewerb aufzufassen. Auch Graf Bülow, der bei der Enthüllung des Berliner Bismarck-Denk« mals noch eine ziemlich selbständige Rede über den Alten vom Sachscnwalde gehalten hatte, liebt es jetzt, sich in den Reitermantcl des ersten Kanzlers zu hüllen und sich als Anempfinder und Fort- setzer seiner Politik vor dem Reichstag zu geberden. Dagegen hat Herbert Bismarck trotz aller Zurückhaltung in der Form, lauten Protest eingelegt. Es war, soviel wir uns erinnern, sein letztes öffent- liches Hervortrctcn, eine Szene von historischem Reiz, wie hier der Sohn mit dem Nachfolger um das politische Erbe des ersten Kanzler rang. Herbert Bismarck war im Reichstag „wild" geblieben, aber er lehnte sich an den Bund der Landwirte an, dessen diktatorisches Ge- bahren dem „Aitkanzler", wäre er noch am Leben und in der Macht, gewiß längst veranlaßt hätte, die Bündler „an die Wand zu drücken, daß sie quietschen". Denn der „Alte" selbst liebäugelte nnr mit dem Bunde, weil er dem so ingrimmig gehaßten Nachfolger Oppo sition machte. Herbert BiSmarck ist durch den Vater zu der Stellung emporgehoben worden, die er einnahm: mit ihm ist trotz der in der dritten Generation vorhandenen Erben, die „Dynastie Bismarck" erloschen! Damit ist wieder eine Periode der deutschen Entwicklung entgültig erledigt. Wie stille Resignation klingt eS, wenn der „L.-A." sagt: Ter alte Reichskanzler hat gerade auf den nun Verewigten besondere Erwartungen gebaut. Er hatte ihn zur rechten Hand während seiner lebten Amts- und Lebrnsjabre erkoren, in ihm den künftigen vertrauten Berater de» Kaiser» Wilhelm II. z« erziehen gehofft. Ein unerbittliche» Schicksal hatte eS ander» bestimmt, da hat der alte Fürst vor dem Grabe noch erfahren. Von ausländischen Preßstimmen liegen bis jetzt nur solche au« Paris vor. Gern konstatiert man den achtungS-1 vollen Ton auch dieser Nachrufe, die sämtlich in der Be merkung ausklingen, daß die Ereignisse und die rühmliche Treue gegen seinen großen Vater ihn verhindert haben, voll zu zeigen, wozu er unter günstigen Umständen fähig gewesen wäre. „Matin", „L'Eclair" und „Journal de Debats" bringen auch das Bildnis de« allzufrüh Verstorbenen, das in einigen freilich mehr Zerrbild ist. Einigermaßen befremdlich wirkt eS übrigens, daß der Wortlaut des kaiserlichen Beileidstelegramms noch nicht veröffentlicht ist. ver ruZ5i§cb-iapani§che Krieg. ver japanische Vormarsch von Mukden. Die vierte japanische Armee in einer Stärke von drei Divisionen hat den Vormarsch über den Wanfulien- paß und Jnpan, 60 Kilometer westlich von Mukden, auf Tieling zu, um Kuropatkin zu umgehen, bereit« begonnen. Die neuen Truppen und die Artillerie, die in Nünschwang gelandet sind, suchen durch das Liaohotal Tielmg zu erreichen. Wie der „Daily Expreß" aus Tokio unterm 18. ds. Mts. meldet, loll ein scharfes Treffen mit der ganzen russischen Armee in der Nähe von Mulden im Gange sein. Die russischen Stellungen waren bereits heftig beschossen, als Marschall Oyama am Freitag vorläufig mit einem Vorstoß der japanischen Infanterie ansiiyp die Anweisungen des Generalstabes in Tokio aus zuführen. Er hat den Befehl erhalten, Mukden zu er stürmen und dann wiederum zu versuchen, durch eine weite ge schickte Umgehungsbewegung der Armee Kuropatkins den Rückzug abzuschneiden. Die japanischen Vorposten griffen den General Mitschenko an, der sich nach Mukden zurückzog, nachdem etwa 100 seiner Leute verwunde: waren. Die Front der Japaner ist ungefähr 25 Meilen lang und beschreibt einen riesigen Halbkreis mit Kuroki am äußersten rechten Flügel. Okus Armee bildet wieder das Zentrum, Nodzu den linken Flügel. Kuroki hat deu Feind noch nicht angegriffen, weil er mit der schweren Ausgabe betraut ist, die russische Flanke zu umgehen. Nach einer Depesche des „L.-A." aus Mukden hat General Nodzu der chinesischen Regierung Versicherungen gegeben, daß im Falle der Eroberung Mukdens durch die Japaner chinesisches Eigentum und namentlich die kaiserlichen Gräber geschont werden sollen. Ein chinesischer Kaufmann, der in Mukden eingetroffen ist, erzählt, daß in Liaujang selbst nur eine Kompagnie stehe, auf den Höhen nördlich davon 2000 Mann. Noch immer werden Leichen und Kadaver aufgefunden, die die Luft ver pesten. Marschall Oyama befindet sich nördlich von Liaujang, bei ihm ist auch ein Prinz des japanischen Kaiserhauses. Wie jetzt feststeht, ist der Munitionsverbrauch ein enormer gewesen. Die russische Artillerie feuerte am 31. August über 100 000 Geschosse ab. Untergang eine» russischen Aanonenbe-t». Der „Standard" meldet aus Schanghai unterm 18. d. M., daß das russische Kanonenboot „GremiaStschy", das Port Art hur verließ, um mit einem französischen Schiffe zusammenzutrcffen, bei dem Versuch, die Blockade zu durch brechen, auf eine Mine geriet und sofort sank. Di« Be satzung soll gerettet sein. Die russische Gsiseesistte. In Petersburg geht das Gerücht, daß Roschdest wenskis Geschwader in Libau liegt und wegen böser Unfertiakeiten und Mängel nicht sobald reisefertig sein werde. Den, wladiwestsk-Geschwa-er und andere». Fürst Uchtomski befindet sich auf Ehrenwort bis zur Aburteilung durch ein Kriegsgericht auf freiem Fuße. Die Flotte soll bereits repariert und weiter seefertig sein. Admiral W ire n bar den Oberbefehl erhalten. Während deS vergangenen Monats sind 4 russische Torpedoboote durch Minen zu Grunde gegangen General Stössel sagt in einer Erklärung, daß die Stim- mung der Mannschaften vorzüglich sei. Die Japaner er richten jetzt schwere Werke und unterminieren die Haupt portale der Forts. Eine große Ladung Munition ist von Europa nach Port Arthur unterwegs. Deutsches Keich. Leipzig, 19. September. * Neber die Mirbach-Broschüre, auf die wir bereits aufmerksam machten, geht uns aus Berlin folgende Information zu: „Tic Broschüre hat hier bereits vor acht Tagen in einem mit dem Vermerk „Vertraulich" ver sehenen Exemplar Vorgelegen. Sie ist sehr pathetisch ge- schrieben und wimmelt von Anklagen gegen die „böse Presse", gibt aber keinerlei Aufklärung: zumal der Ver bleib der 325 000 <ckk mutz auch jetzt noch mit einem Fragezeichen versehen werden. Herr von Mirbach er wähnt diesen Fall mit wenigen Sätzen. Er glaubt, daß die Herren Schultz und Nomcick das Geld zu Privatzivecken veiwendet l)aben Nach den Ausführungen Mirbachs sind jüdische Wohltäter nur in geringem Maße an den Sammlungen beteiligt gewesen. Interessant aber ist, welche enormen Summen Herrn von Mirbach zur Der- fügung gestellt wurden. So gewährte ein Herr Spicker- mann 160 OUO Kommerzienrat Conrad 200 000 Die OeffentMkett verliert nichts, wenn die Broschüre vertraulich bleibt. Ihr Inhalt ist nicht dazu angetan, das gefällte Urteil irgendwie zu modifizieren." * M-rt-ntscke «ounrcgattsnen «ntz Jesuttensr»en. Daß die Marianischen Kongregationen weiter nichts als Depen dancen des Jesuitenorden- sind, ist von ultramontaner Seite bei jever Gelegenheit und vor allem im Preußischen Landtage bestritten worden, also al* sicher anzunebmen. Immerhin ist es gut, aus der Praxi* zu erfahren, daß di« intime Berbia-
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