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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040926018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904092601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904092601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-26
- Monat1904-09
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BezugS-VretS i» d« L»upteLpedittim oder deren AitSgabe- stelle» avgeholt: vte^rljährlich L.—, bei zweimaliger täglicher Austeilaaa in« Hau« Durch die Post bezogen für Deutich- land ». Oesterreich vierteliShrltch 4.LV, für di« ädrige« Länder laut strstunqSpretSllste. Diese ««»»er »ostet ä äd M 7 «ff all«» Bahnhöfen und IllVtzl bet de» tzettuug«.Berkäuferu " ^1* Ard«ktiou u«tz Gr»e»tttom 1-tz ssernsprrcher 2LL JohavntSgaffe 8» AUteUertzedtttoNenr Alfred Hahn, Buchhandla-UuiverMtSstr.» (j8«»spr. «r. 4046). L. Lssch«, Katharine«- straß, 14 (Fernsprecher dir. 2SSK) u. Känigä- platz 7 tyermprech« Nr. 7L0KX H«»stt«Nli«l« Dresden: Marirnstraße 34 (Fernsprecher Amt l Nr. 1713). Haupt-Ftliale Berlin: karlL « nck «r, Herzal-DayrHofbuLdandla^ Lützowstraße lOlFernspreLerAmtvI Nr.4603^ Nr. 491. Morgen-Ausgabe. DipMer TagclilaU Anzeiger. Ämtsölatt -es LSmgkichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates un- des Nolizeiamtes -er Lta-1 Leipzig. Montag den 26. September 1904. 98. Jahrgang. »nnohmeschlust sär Anzeige«. Abend-Ausgabe: oormittag« kO Uhr. Morgen-AuSgab«: nachmittag« 4 Uhr. i^rtru-Veilagen lgrfatzt), nur mit der Morgen-Au-gabe. ohne PostbefSrverung SO.—, mit Postdrsörderung 70.—. Anzeigen sind stet« an di, Azpedition zu richten. Die Srpedstion ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 6 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Berlag von O. Polz in Leipzig Hnh. l>r. U., R. N. W. KtinkhardtX «nzei«en-Vrris die 6 gespaltene Petitzeile 2S ^f. Reklamen unter dem Redaktionsftrich l4 gespalten) 75 nach dm Familiennach- richten m gespalten) SO rabellarischer und Ziffern)», entsprechend Hotter. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahm, Sä Var Aicdligrte vom läge. * Dem preußischen Landtage wird wiederum eine Vor lage zur Wohnungsbeschaffung für Arbeiter und gering besoldete Beamte zugeben. Hingegen wird da« im Entwürfe bereit« veröffentlichte Wohnungsgesetz dem Landtage kaum schon in nächster Tagung zngeben. * Eine Besprechung der zuständigen preußischen Regierungs organe hatte da« Ergebnis, daß jetzt genaue Anweisung zur Ausführung de« Paragraphen 13 k der Ansiedelungs gesetznovelle (Genehmigung der Regierungspräsidenten zu neuen Ansiedelungen) »»«gearbeitet wird. * Den Großen Preis von Leipzig gewann gestern Herrn W. v. Tiele-WinklerS „Sliter" unter Jone». (S. Sport.) * Da« tOO-Kilometerfabren in Breslau gewann gestern Günther-Köln vor Dickentmann und Tommy Hall. S. Sport.) * Bei dem Eisenbahnunglück in der Näh« von Newmarket ^Tenefsy) wurden 45 Personen getötet und 125 verletzt. (S. letzte Depeschen.) Ungelrränkelt. Der Tod Herbert Bismarcks Kat so manche Erinne rung an die große Zeit der deutschen Politik geweckt, so manchen Vergleich zwischen Einst und Jetzt hervorgerufen. Wir waren damals an äußeren Machtmitteln zweifellos schwächer als wir heute sind: die Flotte, die heute sich doch wohl sehen lassen kann, war damals erst in ihren An fängen; der Gedanke, mit ihr auch nur defensiv einer großen Seemacht entgegenzutreten, mußte als absurd gelten. Gewiß sind unterdessen auch die übrigen Staaten nicht müßig gewesen, sondern haben ihre Kriegsflotte ver stärkt. Aber daß wir heute zur See ganz anders auf treten können, als zu Bismarcks Zeiten, das kann auch der grimmigste Pessimist nicht bestreiten. Und die Armee? Wir haben sie unermüdlich ausgebaut, die Zahl der Ver bände wie die Präsenzziffer erhöht, jeden technischen Fort schritt in Bewaffnung und Leitung uns angeeignet; alles, was menschenmöglich war, ist geschehen, das deutsche Schwert nicht rosten zu lassen. Auch auf diesem Gebiete hat ja das Ausland, Kat besonders Frankreich mit uns gleichen Schritt zu halten gesucht. Den äußerlichen Zahlen nach ist es ihm gelungen. Aber eins konnte uns Frank- reich nicht nachmachen: die Bevölkerungsvermehrung. Wir haben seit Bismarcks Rücktritt mindestens 10 Millio nen Menschen mehr gewonnen, während die französische Bevölkerungsziffer fast stationär geblieben ist. Dieser Vorsprung läßt sich nicht mehr ausgleichen, die Differenz zu unseren Gunsten wächst mit jedem Jahre. Damit steigt natürlich auch unsere militärische Schlagfertigkeit, auch wenn sich daS Uebergewicht nicht in mathematischen Formeln ausdrücken läßt. Es ist alles da; und doch! Was hat Fürst Bismarck — nicht der Sohn, sondern der Vater — mit den verhält nismäßig und absolut geringeren Mitteln geleistet! Wir wissen uns frei von einer kritiklosen Verhimmelung jener Zeit, wir wissen auch, daß cs besonders auf dem Gebiet der Kolonialpolitik nicht ohne Nackenschläge abgegangen ist. Aber das, was man Prestige zu nennen pflegt, der Einfluß, den ein Staat im internationalen Aräopag auS- übt, die Achtung, die er genießt, die Rücket, die man seinen Wünschen und Bedürfnissen entgegenbringt, das besaß doch daS Deutsche Reich unter dem Fürsten Bismarck in ganz anderem Maße, als eS heute der Fall ist. S» geht zweifellos zu weit, wenn man heute in politischen Kreisen immer häufiger das Wort hören mutz: Wir sind doch keine Großmacht mehr. Das ist Uebertreibung. A. D. sind wir noch nicht: wohl aber will eS manchmal scheinen, als wären wir eine Großmacht z. D. Noch ist die Erregung über das Abkommen zwischen Frankreich und England iiber Marokko und Aegypten nicht zur Ruhe gekommen. Noch kann es ein Deutscher, der stolz auf das Reich ist, nicht verwinden, daß England in der Rolle deS die Welt verteilenden Zeus gleichmütig an Deutschland vorübergeht, als wäre es Luft. Und schon wieder hat England die Hand auf ein großes Stück Erde gelegt, auf Tibet. Wir haben nie daran gezweifelt, daß die englische Expedition von vornherein den Zweck hatte, die englische Herrschaft auf Tibet auSzudehnen. Der Augenblick war ja auch so günstig wie möglich ge wählt, da Rußland in dem Kriege gegen Japan die Hände gebunden waren. Immerhin war der völlige Zu sammenbruch der Scheinmacht des Dalai Lama über raschend; daß ein paar Tausend Mann genügen würden, um die Lore de» geheimnisvollen Lhassa aufzuschließen, konnte niemand ahnen. Auch in England selbst ba man eS wohl nicht zu hoffen gewagt. Aber al» man im Londoner Auswärtigen Amt -en überraschenden Erfolg sah, da zeigte man sich keinen Augenblick verblüfft. Im Gegenteil, man griff mit beiden Händen zu. Wollte man zunächst nur ein Glacis Indien» nach Norden gewinnen, so errichtet« man jetzt keck uud bieder ein Protektors lber Tibet und man stellte zudem in dem sogenannten Vertrage, der besser al» Friedensbedingungen bezeichnet würde, so ungeheuerliche Forderungen, daß sie von Tibet und erst recht von China überhaupt nicht innegehalten wenden könsten. Auch daS ist natürlich beabsichtigt; renn man will gelegentlich einen Bruch des „Vertrage»" konstatieren können, um Tibet völlig in die Reihe der englischen Vasallenstaaten einzugliedern. Im Hand umdrehen fast hat England seine asiatische Machtsphäre um ein Riesengebiet erweitert, da» zwar rauh ist un nur eine spärliche Bevölkerung aufweist, daS aber über reiche Bodenschätze verfügt, die nun bald von englischen Gesellschaften aufgeschlossen werden dürften. „Seine Handelsflotten streckt der Brite gierig wie Polypen arme aus", sang de».' Dichter vor hundert Jahren. >deute reichen diese Polypenarme schon weit übers Land, bi» in die Mitte des größten Kontinents. Die deutsche Regierung hat, soviel wir sehen, zu dieser Machierweiterung England» kein Wort gesagt. Wir sind a so rücksichtsvoll, so schonend. WaS geht uns Tibet an? Natürlich geht eS un» direkt nicht» an; wohl aber ist es ür uns nicht gleichgültig, ob England sein Gebiet bc- tändig vergrößert und seine Macht auf immer weitere Teile der bewohnten Erde erstreckt. Es geht uns auch insofern sehr wohl etwas an, als Tibet ein Vasallenstaat Chinas ist und die Integrität des himmlischen Reiches a gerade von England und Deutschland garantiert wurde. Bricht England diesen Vertrag, so haben wir, sollte mau meinen, auch die Hände frei. Mer wir sind nun ein mal z. D. Doch Tibet könnte auf sich beruhen bleiben, wenn sich eine Okkupation nicht unter sehr charakteristischen Be gleitumständen vollzogen hätte. Al» beim Beginn der Tibetexpedition in der deutschen Presse darauf hin- gewiesen wurde, daß e» sich um eine wohlgeplante Macht- erweiterung Englands handelt«, da hat sich die englische Presse damit begnügt, diese deutschen Proteste mit einem Achselzucken abzutun; die englische Regierung nahm über- Haupt keine Notiz davon. Man dachte wohl jenseits des Kanals: Laßt die Hunde kläffen. Jetzt aber, wo Eng- land gerade Tibet einsackt, erfinden die „Times" nach der Taktik des Diebes, der „Haltet den Dieb" schreit, das Märchen eines deutsch-russischen Geheimvertrages. Und ofort gerät die deutsche Regierung mitsamt der offiziösen Presse außer sich. Nein, wie kann man aber uns tugend haften Deutschen so etwa» nachsagen! Wie kann man uns nur zutrauen, daß wir auch einmal unsere Interessen zu vertreten wagen, ohne England um Erlaubnis zu fragen. Und mit sittlichster Entrüstung weist man solche Schlechtigkeit weit von sich. In England aber reibt man sich die Hände. Das an moralischer Uederernährung krankende Deutsche Reich ist den geschickten Politikern wieder einmal auf den Leim gekrochen; und während der Deutsche noch dagegen protestiert, daß er auch einmal etwas für sein Prestige getan habe, speist England behag lich den annektierten Trbetpudding. Wir wagen es nicht, zu wollen, was wir doch in un serem Interesse sein müssen. Tie angeborene Farbe der Entschließung wird von des Gedankens Blässe an- gekränkelt. Daran scheint heute das Deutsche Reich un heilbar zu leiden. ve» MttlaaS ärr Herero. Vie tag« im Süd«« -«» SchGtz-ebiet«. Die aus englischer Quelle stammende Nachricht, wo nach di« Hottentotten im Süden und überhaupt alle Stämme der Kolonie sich neuerdings erhoben hätten, findet, wie schon erwähnt, in gutunterrichteten Kolonial- kreisen Berlins keinen Glauben. Speziell die Bondel- zwarts haben, wie vom Gouverneur Leutweln gemeldet wurde, ihre Gewehre fast sämtlich abgegeben, und wenn auch einzelne Waffen in Verstecken noch vorhanden sein sollten, was jetzt schwer kontrollierbar ist, so glaubt man -och nicht, -aß ein allgemeiner Aufruhr angesichts der Stationierung unserer Detachement» im Süden um sich gegriffen hat. Für diese Annahme spricht auch daS Ver halten de» Obersten Leutwein. Wäre im Süden ernst liche Gefahr im Verzüge, so hätte sich der Gouverneur sicher persönlich zur Beschwichtigung der Eingeborenen, auf die er entschieden Einfluß bffitzt, dahin begeben. Er verweilt aber noch in Windhuk. Die bisher gemeldeten Kämpfe im Namalande haben nur erwiesen, daß man es mit einer etwa 100 Mann starken Räuberbande des Bastards Morenga zu tun Kat, der e» hauptsächlich auf Plündereien abgesehen hat. Der vor kurzem statt gefundene Angriff auf die Abteilung Stempel erfolgte, nach der „BreSl. Ztg.", nur, weil diese ihren Absichten hinderlich war, und nicht etwa, um mit den Weißen Krieg führen. Di« Vernichtung der Bande wird nicht wegen ihrer Kopfzahl, sondern wegen ihrer Beweglichkeit Schwierigkeiten bereiten. vrr kerrireb-ispsnirede Weg. Vor Mrrkden Tie Japaner baden am 22. September -en Talingpaß, 75 Kilometer südöstlich von Mulden, nach leichtem Gefechte b e s e tz t. Lie Ansichten, ob ein ernsthafter Angriff bevorsteht, sind, nach dem „B. T.", sehr geteilt. Port Arthur. Der Hauptzweck des in den letzten Tagen von den Japanern veranstalteten Bombardements von Port Ar thur war die Bewältigung des Ostabschnitt» der Ver- teiüigungSwerke. Bis Freitag mittag war e» den Ja panern nicht gelungen, von ihren zwischen Takuschan und den Drachenhügeln gelegenen Angriffswerken aus die starken Erlungsorts auf den Trachenhügeln so schwer zu beschädigen, daß ein Bajonettsturm mit Aussicht auf Erfolg unternommen werden konnte. ES verlautet aber, nach dem „L.-A.", daß während des Sonnabends die Situation sich erheblich zu Ungunsten der gesamten äst- lichen Verteidigung verändert hätte. Geringere Gefahr bestand noch gestern mittag für den Westabschnitt der Verteidigungswerke. Tie FortS Vanpar und Jtseschan waren noch von den Verteidigern okkupiert, Stössel traf aber für den Fall ihrer Erstürmung durch die Japaner umfassende Vorbereitungen, damit die innerste Schußlinie des Lunho-Tale» Schritt für Schritt verteidigt werden könne. „LaffanS Bureau" meldet aus Petersburg, es ver- laute, daß die japanischen Truppen eine Batterie außer- halb Port Arthurs und dieKuropatkkn-Fortsin die Luft gesprengt und sich dann auf ihre früheren Stellungen zurückgezogen haben. General Stössel soll Befehl gegeben haben, die Forts wieder her zustellen und die Zugänge zu ihnen zu unterminieren. Die Eroberung des Forts Erlungschan sei nur dadurch möglich gewesen, daß japanische Spione die elektrischen Drähte durchschnitten, welche zu den Minen führten. Die Russen fingen vier Spione und richteten sie hin. veulscdes Keich. Berlin, 25. September. * Hosnuchrichtcn. Al« Gäste de« Kaiser« weilen zurzeit in Rominten: Der Fürst zu Dobna-Scklobitten, Admiral Hollman» und der bekannte Tiermaler Professor Friese. Da« Gefolge besteht nur au- den Herren: Oberhof- marschall Grasen zu Eulenburg, Flügeladjutanten v. Plüskow und Grafen Schmettow, sowie dem Leibarzt vr. Jlberg. Die Kaiserin ist von der Hofdame Gräfin Rantzau und dem Kammerherrn Grafen Hohentbal-Dölkau begleitet. Der Besuch de« Kaiser« in Königsberg Pr. zur Besichtigung seine- dortigen Regiment« ist nun mehr auf Mittwoch, 5. Oktober, festgesetzt. Zu der Besichtigung des dritten Regiment« auf dem Kasernen hofe wird auch da« in BraunSberg garnisonierende Bataillon herangezogen werden. Der Kronprinz, welcher gegenwärtig noch bei seiner Braut in Gelbensande weilt, wird, wie nunmehr feststeht, am Montag früh 8 Uhr im Forsthause Olberg bei Aken eiutreffen. Der Kronprinz wird kurz vor 7 Uhr früh mit kleinem Gefolge auf der Station Patzetz ankommen und sofort zu Wagen nach Olberg weiter fahren. Dort wird er bi« zum 29. d. Mt«. Jagdaufenthalt nehmen. * Einen neuen Unsinn nennt di« hochoffiziöse „Südd. ReichSkorr." die Hetzereien der „Time«" und weist sie sodann wie folgt zurück: Nachdem die „Times" mit dem por nein« Hervorgerufenrn Eindruck, al« seien in Norderney zwischen dem deutschen Reichs kanzler und dem russischen Minister von Witte außer dem Handel«- vertrag auch politische Fragen geregelt worden, im AuSlonde nirgends Glauben und in urteilsfähigen Kreisen Englands selbst Liderspruch gefunden hatte, nahm sie ihre Zuflucht zu der Au-rede, Herr von Witte habe handelspolitische Zugeständnisse an Deutsch land nur auf Befehl aus Gt. Petersburg al- Folge eine« poli tischen Geheimabkommens gemacht, daS auf unmittelbaren Unter handlungen zwischen den Kaisern Wilhelm und Nikolaus beruhe. Auch auf diese neue Finte kann die deutsch« Antwort nur lauten: L« ist nicht wahr! Ls find zwischen den Monarchen keinerlei Unterhandlungen geführt worden, wüter politisch«, noch handels politisch«, auch nicht in privater Korrespondenz. Gesprochen aber haben sich beide Herrscher zuletzt im vorigen Herbst während der Tage von Wiesbaden und Wolfsgarten. Dabei ist zwischen ihnen allerdings auch die damalige Lage in Ostasien gestreift worden, aber auch nur gestreift in zwanglosen Bemerkungen b«i einer Partie Villard. Umstände, unter denen für Rußland deutscht Hilfe von Kaiser Nikolaus erbeten oder von Kaiser Wilhelm angeboten werden könnte, waren weder damals noch sind sie jetzt gegeben worden. Die freundlich ruhig« Haltung Deutschlands gegenüber seinem östlichen Nachbar entspricht den Interessen unserer Politik, sie dient zugleich dem Weltfrieden. Ile ist mit der peinlich genauen Erfüllung unstrer NeutralitätSpflichten gegenüber Japan al« einer ebenfalls befreundeten Macht durchaus vereinbar, — besser vereinbar, als in gewissen Londoner Preßkreisen daS eifrige Werben um Russlands Gunst fstt politische Geschäfte in Asien. Allerdings wird durch diese Haltung Deutschlands eine Legend« zerstört, die Jahrzehnte hindurch au« so vielen Quellen genährte Legend«, daß die Berliner Politik nur auf eine Schwächung Ruß lands gewartet habe, um zu unbequemen, unfreundlichen oder aggressiven Schritten gegen da« Zarenreich überzugrhen. Daß die« nicht geschehen ist uud nicht geschehen wird, erkennen jetzt selbst die verbohrtesten Hetzer, mögen sie in England oder sonstwo fitzen. Ob a«d«r« Mächte in gleichem Maße der Versuchung widerstanden hab«», Rußland» Schwierigkeiten zu ihren Gunsten auSzubruten, ist «ine Frage, die un« nicht angeht, vielleicht ist e« auch keine Frag«. Wir können da» Urteil darüber in aller Ruh« unseren Freunden, ja sogar unseren alten panslawistischen Gegnern über- lassen. * Für den deutsch-schwrizerischrn HnndrlSvertrag müssen Vie Aussichten sebr schlecht sein, venn der offiziöse „Lok.-Anz." muß beschwichtigend und zugleich vorbereitend folgende« verkünden: Die Hoffnuna auf eine handrl-volitische Bers«ändigung mit der -Schweiz ist zwar gesunken, aber immer noch nicht aufgegeben, zu mal die schweizerischen Unterhändler inzwischen offenbar mildere Anweisungen für die weiteren Verhandlungen in Luzern erhalten haben; jedoch faßt man auch hier den Fall ins Auge, daß cs rat sam sein tünnte, den bestehenden Handelsvertrag mit der Schweiz zu kündigen. * Betrat für Arbeitcrstaltftik. Kürzlich find die Proto kolle über die Berhandlungen de« Beiräte« für Arbeiter statistik (Drucksachen Nr. 5) erschienen, welche die Vernehmung von AuSlunslSpersonen über die Arbeitszeit im Fleischergewerbe zum Gegenstand hatten. Es waren die« die ersten Verhandlungen, welche unter dem Vorsitze de« neuen Präsidenten de« Kaiserlichen Statisti schen Amtes, Professor van der Borght, gepflogen wurden. E« ist leider nicht möglich, an dieser Stelle aus die Einzelheiten der äußerst interessanten Berneb mungen, die sich naturgemäß auf Arbeiter und Arbeit geber erstreckten, einzugeden. Nur so viel sei gesagt, daß die Untersuchung ein grelle« Licht auf starke Mißstände wirft, welche namentlich in Norddeutschland in Bezug auf die Ueber- bürdung der im Fleischergewerbe tätigen Personen herrschen. E« wäre eine sehr dankenswerte Aufgabe, au« dem weit- schichliaen und schwer übersichtlichen Material eine genaue Darstellung, die für weitere Kreise verständlich wäre, zu ge winnen. Jedenfalls ist da« so verdienstvoll wirkende „Reich«- arbeitSblatt" ver geeignete Boden für eine derartige Arbeit, die unserer Ansicht nach, so wie sich uns da« Ergebnis der Verhandlung darstellt, eine sozialpolitische Notwendigkeit ist. — Einen Verlust erlitt die nationalliberale Partei, ins besondere aber Westfalen durch den Tod de» LandgrrichtSrats Barumer in Dortmund. Ter Tahingeschiedene, der frühere Bor sitzende der Parrri in Westfalen, hat sich durch sein Wirken in Tort- mund und weit darüber hinaus ein seinen Tod überdauerndes Andenken gesichert. — AuS Lnlaß de« Ableben« deS Fürsten Herbert BtSmarck hat das Zearralkomii« der nationalliberalen Partei für Westfalen ein Beileidstelegramm an die verwitwete Fürstin ge richtet; dasselbe geschah von den Nationalliberalen deS Dalukrestes Bochum und von festen des Jugendvereins zu Hannover. * * Bremen, 25. September. An Stelle de« auSscheidenken Rheder« Gilvemcister wurde Prof. Or. Hermann Kasten, der Direktor de« hiesigen RealgvmnasiumS, zum Senator gewählt. Uuslanck. Italien. * Ueber sozialistisch-anarchistische Gewalttaten in Neapel, wo -re Behörden nicht -en geringsten Versuch machten, Sie Freiheit -er Arbeit zu schützen, wird, der „Neuen Züricher Ztg." berichtet: „Nachdem die Gene^ ralstreikversammlung ihr Ende gefunden, ergoß sich ein Strom von 5000 Kanaillen, darunter natürlich auch die in solchen Fällen zu Hyänen werdenden Weiber, in die Straßen. Wo es den Kaufleuten nicht gelang, schnell genug ihre Läden zu schließen, da sausten alsbalo Pflastersteine gegen die Scheiben. Durch die Dia Tri bunali gingS nach Porta Capuana, lawinenartig schwillt der Zug unterwegs an, der bald den Trambahnhof Aversa-Caivano erreicht, wo der Betrieb trotz Streit befehl andauert. Wie Spreu flüchtet das entsetzte Publi kum aus den Wagen, die einen Augenblick später unter dem Anprall der Lawine zusammenbrechen. Schon will man die Gleise ausreißen, da erscheinen Truppen. Aber nicht wegen der Truppen, sondern weit man keine Zeit verlieren will, stürzt man weiter. Unterwegs begegnen dem Mob noch ein paar Straßenbahnwagen, die bald in ihre einzelnen Teile zerlegt werden. An der Ecke der Nola-Bagano-Eisenbabn stellt sich der Bande eine Schwadron Kavallerie entgegen, die aber sofort mit Plastersteinen und Stangen angegriffen wird und bald überwältigt zurückweicht. Unter wildem Triumpbgebeul und -em Gekreisch der rasenden Weiber braust der Strom weiter, alles unterwegs zerstörend, was irgend den Steinen und Balken weichen will. Bei der Via del Tuomo hat ein starkes Aufgebot Polizei und Karabinier: Aufstellung genommen, da aber von der Waffe kein Ge brauch gemacht werden darf, wird es dem Gesindel leicht, auch diese zurückzuürängen. Ebenso erging es einer zweiten Kavalleriescfiwadron, von der viele Soldaten vom Pferde gerissen und mißhandelt wurden, sowie einer Kompagnie Infanterie mit aufgepflanztem Sei tengewehr., Ein Hagel von Steinen schmettert die Truppen nieder. Voran die Straßenkehrer, gings darauf zum Nord-Trambahnhof. wo eine Kompagnie In- santerie, eine Schwadron Kavallerie, sowie zahlreiche Karabinieri und Schutzleute die Woge aufzufangen ge- dachten, aber gleichfalls wie eine Nußschale beiseite ge- schleudert wurden. In dem furchtbaren Tumult gaben fünf oder sechs Soldaten, denen das Messer an der Kehle faß Schüsse in die Lust at>. Da« gab daS Zeichen zu noch wilderem Angriff. Wie reißende Bestien stürzten sich die Sozialisten auf die unglücklichen Soldaten, die entwaffnet, aber deren Leben noch knapp von den Ka meraden gerettet wurde, welche ebenfalls auf da» Schuß- fianal bin von Piazza Dante in Stärke einer weiteren Schwadron Kavallerie und ein paar Hundert Karabi- niert herbeieilten. Zahlreich werden verwundete Solda- ten und Schutzleute den Hospitälern eingeliesert. Es gelingt aber allen Truppen trotz unerhörter Ansttengun- gen nicht, zu verhindern, daß dtzr auf Zehntausende von Köpfen angeschwollene Mod in die Hauptverkehrsader Neapels, die Via Roma und die Golleria Umberto, ein dringt, woraus er erst vertrieben werden konnte als eine Abteilung Seesoldaten vom Panzer „Ben Detto Brin" eingriff. Inzwischen baden bresbundtzU Eisen, bahnangesiellte, ausschließlich Sozialisten und Lnar-
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