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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040930022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904093002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904093002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-30
- Monat1904-09
- Jahr1904
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Annahmeschlutz für -lnjetgen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen-Prets die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSslrich (4gespalten) 7b -H, nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zifferniay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ojserlenannahme 25 Ertra-Vcilagrn (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, m - t Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind ste.S an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Ink. I>r. B., R. <L W. Klinkhardt). Sir. 5VV. Freitag den 30. September 1904. 98. Jahrgang. Var Llicdtigrte vom Lage. * Bei der gestrigen ärztlichen Beratung in Pillnitz, zu der ailch (siel). Rat C ursch mann von hier er schienen »vor, wurde eine erfreuliche Besserung imBefinden des Königs festgestellt. (S. Sachs.) * Tas englische Flotten bau Programm soll wegen der Ereignisse in Ostasien eine d u r ch a r e i s e n d e Aenderung erfahren. (S. Ausland.) * Die Bauarbeiter-Aussperrung in P c st wurde durch Vergleich beendet. * Tas portugiesische Königspaar und auch der K o n i a von Spanien werden im No vember in London erwartet. Sächsische llanallragen. Tas gegenwärtige Tarnicderliegen der Elbschiff- iahit und die Aktion zu Gunsten von Eiscnbahn-Not- ilandstarifen haben gezeigt, ein wie großes Interesse die sächsische Industrie, und zwar keineswegs nur die un mittelbar in der Nähe der Elbe angesicdclte, an dem Vorhandensein und den: zuverlässigen Funktionieren arokcr Wasscrstraken bat. Tie sächsische Regie- r u n a hat sich auch dieser Tatsache niemals verschlossen, und als am 28. März vorigen Jahres die Oestcrrcichische Nordwcsl - Tampfschifsahrts - Gcscllsckxift ihren neuen Dampfer „Kaiser Wilhelm II." feierlich einweihte, hat der Staatsministcr v. Metzsch in einer proarammatischen Ansprache ausdrücklich betont, dak die säch'ische Regierung die Schaffung und Förderung einer leistungsfähigen Lchiffahrt als eine ihrer bauptsächlichsren Vcrkchrsauf- gaben betrachte. Für die Korrektion und die Instand- haltung des Elbbcttes ist denn auch in den letzten Jahr zehnten so viel geschehen, daß kaum etwas zu wünschen übria bleibt, und auch die entschieden ablehnende Stellung, welche die Negierung der verkehrsfeiudlichen Anregung, Elbzöllc einzuführeu, gegenüber ein nahm, hat in den beteiligten Kreisen durchaus befriedigt. Bei den Erörterungen über die gewünschten Notstands- lariie dagegen ist das rein fiskalische Interesse in kaum zu billigender Weise in den Vordergrund getreten, obschon doch durch deu Stillstand der Schiffahrt den Staatsbaliuen nachweislich an sich schon erhebliche Mehr- einnahmen erivachsen sind. (In der amtlich e n Be st r ü n düng der Abweisung der Anträge auf Not- siandstarise im „TreSduer Journal" war zlvar zu lesen, dak die Staatsbalmeu aus dem Gütertrans port im Juli 1901 weniger eingenommen bätten als im gleichen Monat des Vorjahres. Dabei war aber nicht erwähnt, dak der Juli 1901 f ü nf So n n - tage hatte (gegen -1 im Vorjahre.) Turch den einen Ruhetag mehr inukte natürlich ein Ausfall entstehen, der nach dem Tagesdurchschnitt ca. 200 000 .//. beträgt. Bei genauerem Zusehen ergibt sich also auch für den Juli 1904 ein tatsächlicher F r a ch t z u w a ch s.) Ein rein fiskalisches Interesse sprach auch aus der Begrün dung, mit der das Finanzministerium sich vor kurzem gegen den C h e m u i tz E l b c k a n a l aussprach. Wurde doch darin seyr charakteristisch ausgeführt: dem geplanten Vorhaben siebt im übrigen auch noch entgegen, dak in den bercgtcn Flußtälern zur Zeit schon Eisenbahnen ent lang fahren, so daß es fast als Ueberfluß erscheinen will, zur Güterbeförderung daneben auch noch eine Wasser straße anzulegen, um so mehr, da ein Einnahmeausfall für die Staatsbahnverwaltung dadurch unausbleiblich ist. Gegen die Tendenz, die in diesem Satze unverhüllt zu Tage tritt, gilt es mit aller Entschiedenheit Einspruch zu erheben, denn es widerspricht allen Grundsätzen der modernen Volkswirtschaftslehre, wenn die Verkehrswege lediglich oder auch nur vorwiegend von dem Gesichts- punkte der „melkenden Kuh" aus betrachtet werden. Für Sachsens Industrie könnte eine solche Auffassung gerade zu verderblich werden. Unsere Industrie ist darauf angewiesen, Kohlen und Rohprodukte größeren Volumens auf dem billigsten Wege heranzubckommen. Dies kann aber wegen der hohen Selbstkosten der Eisenbahnen nicht ausschließlich der Schienenweg sein. Und auch für den A bs atz sächsi - scher Produkte sind die Wasserstraßen vielfach un- entbehrlich. Dxempla. ckaeent": Berlin bezog früher einen großen Teil seiner Pflastersteine aus den Wurzen er Brüchen. Das hat längst aufgehört. Denn jetzt gehen die schwedischen Pflastersteine mit Hülfe der Wasserfracht viel billiger bis Berlin, als die aus viel größerer Nähe zu beziehenden Wurzencr. Das ist e i n Fall. Es würde sich heute schon noch eine große Anzahl ähnlicher Fälle anführen lassen, sicher aber wird'der sächsischen Industrie ein verstärkter Wettbewerb erwachsen durch die Industrien, die sich in der Nähe der in Preußen geplanten großen ost- und westdeutschen Wasserstraßen zweifellos neu entwickeln und ansicdeln wird. Tas „navi^ura naeekiw ost" ist auf dem euro päischen Kontinent auch in Bezug auf die Binnenschiffahrt zum Wahlspruch geworden. Frankreich hat 250 Millionen Franken für Wasserstraßen bereit gestellt, Oesterreich sogar fast eine Milliarde Kronen, In Deutschland schweben allerorten große Kanalprojekte; der Tonau-Mainkanal und die Kanalisierung der Mosel stehen nahe bevor. Interessant ist folgende Zusammen- stellung, welche der Syndikus der Dresdner Handels- kammer, L o n d t a g s a b g c o r d n c r Schulze in einem in Leipzig gehaltenen Vortrage gab: das kleine Lübeck mit seinen noch nicht 100 000 Einwohnern hat fin den Bau des Elbc-Travekanals (der sich übrigens wäh- rcnd der diesjährigen Trockenheitsperiode ausgezeichnet bewährt hat) 30 Millionen Mark ausgcgcben, ebenso wie ein einziger preußischer Kreis großenteils aus eigenen Kreismitteln zum Bau des Tcltowkanals südlich Berlin, der nur eine vorhandene Wasserstraße abkürzt und ver bessert, etwa 20 Millionen Mark bewilligt hat. Tie Weser und Fulda ist bis Kassel, die Oder bis Kosel für große Schisse fahrbar gemacht worden, die Kanalisierung der Mosel, Lahn und Lippe ist geplant. Auf dem neuen Dortmund-EniSkanal haben sich in wenigen Jahren die Frachten vervielfacht, ebenso wie in Frankfurt auf dem Main, Stettin soll einen Großschiffahrtswcg nach Berlin erhalten, Kiel plant einen Kanal nach der Elbe. Der Obecrhein wird mit großen Kosten bis Straßburg schiff bar gemacht und es wird ein Großschiffahrtswcg bis Basel ernstlich geplant. Baden hat mit bedeutenden Kosten Karlsruhe durch einen Kanal an den Rhein angcschlossen. Auch in Württemberg arbeitet man ernstlich an der Kanalisierung des Neckars bis Eannstatt, kurz überall, wohin man blickt, lmt man den großen Nutzen der Kanäle erkannt und es steht zu hoffen, daß diese Frage von so weittragender wirtschaftlicher Bedeutung auch in Sachsen zum Besten des Landes gelöst werden wird. Tie Wochenschrift „Das Schiff" bringt in ihrer jüngsten Nummer einen sehr instruktiven Artikel von „Navigus" über Wasscrstraßenprojekte in Deutschland, welcher sich auch eingehend mit den sächsischen K a n a l p r o j e k t e n befaßt. Obschon bereits seit fast einem halben Jahrhundert die Notwendigkeit des Baues von Wasserstraßen in Sachsen erkannt ist und genaue Pläne z. B. für den Kanal zur Verbindung von Leipzig mit der Elbe ausgearbcitet sind, kommt die Angelegenheit doch nicht weiter. „Navigus" führt dies wohl nicht ohne Berechtigung darauf zurück, daß diese Kanäle, mit Ausnahme des Leipzig-Riesaer Kanals, nur mit Zustimmung und Veihülfe Preußens und zum Teil auch Anhalts möglich sind, daß aber Preußen kein Interesse an diesen Kanälen habe, von denen es für- preußische Bezirke und für seine Eisenbahneinnahmen so gar Schaden befürchte. Aus diesen Gründen ist allerdings der Kanal Leipzig-Torgau, der wohl technisch und wirt schaftlich für Leipzig, der beste gewesen wäre, abgclehnt. Gegenwärtig schwebt zwar noch der Plan eines Kanals Leipzig-Luppe-Halle, dem Preußen vielleicht eher zu- stimmen könnte, weil er die Klagen der preußischen Elsterauc-Bewohncr über die Hochwässer beseitigen würde. Aber auch dieses Projekt kommt sehr langsam vorwärts Der Luppekanal hätte auch für Leipzig nur dann Wert, wenn Preußen auch gleichzeitig die 'Saale bis Halle zu einem Großschiffahrtswege umgestalten wollte, was immerhin sehr fraglich ist. „Navigus" plädiert lebhaft für denGroßschiffahrtswegLeipzig-Riesa weil dieser später eine Fortsetzung durch die nördliche sächsische Lausitz nach der Oder, etwa bei Maltzsch, erhalten könne, wosütz auch schon längst Pläne von schlesischer Seite vorhanden seien, weil nur dieser Kanal für den Bezug von schlesischer Steinkohle, böhmischer Braunkohle, von Elbsandstein und von Holz aus dem Osten in Frage kommen könne, weil es weiterhin möglich sei, von diesem Kanal aus einen Stichkanalin das mittlere industrie reiche Sachsen und nach Chemnitz aüzuzweigen, vor allem aber, weil diese Linie die einzige sei, bei deren Bau und Betrieb Sachsen unabhängig von Preußen vorgehen könne. Dieser letzte Grund ist, wie man aus den letzten Eisenbahntarif-Vcrhandlungen hat ersehen können, für die Interessen der sächsischen Industrie durchaus nicht un beachtlich. Den Leipziger Interessenten ist, das wird niemand wunder nehmen, der Sperling in der Hand lieber als die Taube auf dem Dache. Man strebt danach, zunächst ein mal den Luppekanal zu erreichen, dessen Erbauung — sagen wir — am wenigsten unwahrscheinlich ist. Des wegen darf aber das Projekt Leipzig-NiesaSchlesien- Oder, das durch einen Saalekanal über Leipzig hinaus nur in der erwünschtesten Weise fortgesetzt werden würde, nicht aus dem Auge gelassen werden. So lange sich frei lich das Interesse der beteiligten Kreise, der Industrie und des Handels, an den Kanakbauprojekteu nicht leb- lmfter und aktiver dokumentiert, als dies bisher ge schehen ist, wird wohl alles beim Alten bleiben. 2. Der llutttanä Oer lserrrs. Zur inttitiirischen tage. Langsam — viel zu langsam für die Ungeduld des Kolonialfreundes, der sehnsüchtig greifbare, durch schlagende Erfolge erhofft, nehmen die Ereignisse in Süd- westafnka ihren Gang. Und docli sind — dem Laien weniger bemerkbar, für den mit den sclmüerigen Verhält- nisseu jüdwestafritanischer Kriegführung Vertrauten aber- rückhaltlos erkennbar—von dcnKolonnenTrothas bereits große und nachhaltige Erfolge erstritten morden. Vielleicht — oder besser: Allerdings stehen sie nicht im Verhältnis zu deu ungeheuren Mühen, Entbehrungen und Strapazen, unter denen sie von den Truppen errungen worden sind. Aber hierbei müssen wir die namenlosen Schwierigkeiten des Geländes in Rechnung ziehen, eines Geländes, dessen unheilvollen Einfluß auch die größte Hingabe der Lol- daten nicht wettmachcn kann. Tie Größe der zurück- zulegenden Entfernungen, die Unwegsamkeit und Unüber sichtlichkeit des Geländes, seine Unerforschthcit, der Mangel an auch nur einigermaßen brauchbaren Karten im Omahekc-Gebiet, endlich aber die Wasserlosigkeit dieser Landschaften und die Schwierigkeit des Proviant- und Munitionsersatzcs — das alles sind schwerwiegende Faktoren, die „auf dem Kriegspfade" nicht von heute auf morgen bewältigt werden können. Um wie viel leichter ist es ferner für die Herero, denen landeskundige Stammesbrüder für alle Teile des Land feldes zu Gebote stehen, sich hier durchzuschlagen, als für die Truppen, die sich in einem Gebiete zurcchtfindcn müssen, das vor ihnen kaum ein Weißer, aber auch kein Bastard oder Witbooi jemals betreten hat. Wenn man ost sagen hört, daß es für den Verfolger doch verhältnis mäßig leicht sein müsse, den Spuren des Flüchtenden zu folgen, so trifft das fiir den Krieg in Südwcstafrira keinesfalls zn. Nicht eine Spur habe» die Verfolgen den hier vor sich liegen, sondern eine Menge regelloser, oft nach allen Himmelsrichtungen auseinandcrlaufcndcr Fährten, aus denen die richtige, die Hauptspur berauSzufinden ihre unsagbar mühevolle Aufgabe ist. General von Trothas.Kolonnen sind aber bisher — trotz der oben geschilderten Schwierigkeiten des Geländes und der gegnerischen verschlagenen Kriegführung! — stets am Feinde geblieben. Tas ist ein unbestreitbarer und großer Erfolg, dessen Ergebnis fiir den Verlauf des Feldzuges man aus seiner Einwirkung auf den Gegner erkennt: Wenn wir bedenken, daß die am 11. und 12. v. Mts. am Waterbcrg geschlagenen und zersprengten Herero sich durch eine eilige Flucht nach Osten und dann nach Süd- osten der ihnen durch die Truppen drohenden Ein schließung entziehen zu können glaubten, daß ihnen dies aber trotz der jetzt wochenlangcn Winkelzüge der Flucht und trotz des fiir den Verfolger so schwierigen Geländes nicht gelang, so können wir mit Sicherheit annehmcn, daß der moralische Eindruck dieser Mißerfolge auf die Herero ein sehr großer ist. Hierzu kommt noch, daß ihre Verluste an Menschen und Vieh während dieser Wochen der Flucht bedeutende gewesen sind-, wahrscheinlich übrigens noch weit bedeutender, als man es zur Zeit auf deutscher Seite übersehen kann. In Erwägung all dieser Umstände und Vorgänge vermögen wir daher nicht nns denen anzu- schließen, die den Stand der Tinge in Siidwestasrika für ungünstig halten. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß das Abbrechcn der bisher nach Südostcn gerichteten Flucht uud das Ausbiegen nach Norden — Otjinene, Otjosond- jou — ein v o l l e s M i ß l i n g e n der u r s P r sing- lichen Pläne derHcrero erkennen läßt. Für sie heißt cs jetzt einen neuen Ausweg zu ersinnen, der sic aus ihrer höchst heiklen Lage — zwischen der wasserlosen Omaheke im Norden und den deutschen Truppen im süd lichen Halbkreis — zu führen vermag. Tb sie diesen Ausweg finden werden, ob ein solcher überhaupt möglich ist, wird die Zukunft lebren. — Jedenfalls aber haben unsere braven Truppen alles erreicht, lvas sie mit Aufbietung ihrer vollen Kraft und Hingabe erreichen Feuilleton. Am Ende der Wett. Eine Hochwaldidylle von Nataly von Eschstruth. Nachdruck verboten. „Kathi, — wann's ein Bub ist — nachcn soll er Toni heißen, nach dem heiligen Antonius, zu dem i alle Tag bet' hab!" „Und wann's ein Madel ist, nennen wir's Mirl, denn weißt, i l>ab der heiligen Gottesmutter alle Tag die schön- stcn Blümerln bracht, da hat's mi erhört!" Als an den Kiefern die gelben Blütenkolben ihren duf tigen Staub streuten und tausende von Bienen sic um schwärmten, da hielt die gelbe Postchaise vor dem Wild- wärtcrhaus still, lind eine alte Frau, die Mutter des Aloys, kletterte andächtig heraus, drückte ihrem glück strahlenden Lohn die Hände und fragte ernsthaft: „Ist'S jo weit?" „Grad recht, daß Ihr kommt, Mntterl!" nickte der mit bebender Stimme, faßte glückselig die beiden Bündel, welche die Alte mitbrachte, und trug sie ins Haus. — Tann kam das Glück noch einmal, so hell, so groß und sonnig, daß cs die Augen blendete. In der Wiege lag ein dicker, strammer Prachtbub, so groß und stark wie kein anderer, und die Kathi und der Aloys schluchzten vor Glückseligkeit. — Tann versiegten die Tränen der jungen Mutter, uud die, welche der Beckhabcr allein noch weiter weinte, waren Tränen bittern, unsäglichen Herzeleids. Tic Kathi war tot, die alte Großmutter wiegte den Toncrl, und der Aloys irrte wie ein Verzweifelter durch die dunklen Wälder, und als er heim kam, Ivar er ein stiller, ernster Mann geworden. Tie Großmutter blieb bei dem Toner! und führte dem Sohn die Wirtschaft. Sic sah wohl schon alt und runzlig aus, aber das kam nur von der harten Arbeit, von Not und Sorge um's täg liche Brot, welche ihr das ganze Leben hindurch ein trau riges Geleit gegeben. So hoch bei Jahren war die Beckhaberin noch nicht, dabei eisern und hart geschmiedet in dem Feuer des Lebens, und so konnte sie die Arbeit im Häuschen und in dem kleinen Garten noch gut bewältigen, auch das Büb- lcin sorgsam pflegen, damit das mutterlose dennoch zu seinem Rechte kam. . Ja, die Großmutter fühlte sich gar bald wohl uud be haglich in dem stillen Heim, welches ihr so üppig und schön deuchte, daß sie vermeinte, auf ihre alten Tage noch ein gar reputierlicheS Leut geworden zu sein. Sie sang zwar noch mit leiser, kurzatmiger Stimme das kleine Hascher! in den Schlaf, aber sonst war es so ruhig im Hause geworden, wie ein Grab. Der Aloys schaffte den ganzen Tag im Walde draußen, und die Großmutter schloß die Fensterläden und die Tür nach der Straße zu ab und sprach: „Die Zeiten sind un sicher, ich bin ein altes Weiblein und kann nicht gegen Ge sindel aufkommcn: der Aloys mag durch das Gartenpfört chcn Heimkommen, das liegt hinten am Fels und kennt keiner." So saß sie Tag für Tag in der.KUche amHerdfeucr und spann, und das Toncrl wuchs zu ihren Füßen heran, sein lustig krähendes Stimmlein war der einzig frohe Laut, welcher den hcimkehrenden Wildhütcr begrüßte. So gingen drei Jahre hin, und die Großmutter sprach zu ihrem Sohu: „Schaff Holz herzu, mein Bub, uud zimmere eine sichere und hohe Wand uni den kleinen Hof, damit der Toner! allein sein kann, ohne Schaden zu nehmen. Lcl)au, ich hab' mein' Arbeit, und die Füß sind nimmer flink, — ich kann nicht arg viel auf das Hascher! passen, und wenn cs auf und davon läuft in den Forst, ist's aus mit ihm. Ta find sich's nimmer z'rück, und stürzt ab in die Klamm und geht zu Grunde." Ter Aloys Ivar aschfahl im Gesicht bei solchen Worten, nahm Art und Säge und schaffte mit nervigen Armen. Ta stand bald eine gewaltig hohe Lattenüxuid rings um den kleinen Hof uud das Wurzgärtchen, über die kann- ten höchstens die Vögel, aber nie nit das Toner! hinaus, und der Bccklmbcr wischte sich aufatmend den Schweiß von der Stirn uud sprach: „Nun setz das Bübli in aller Heiligen Namen ins Gras, nun kann es nicht zu Sckmden kommen und du hast's allweil unter Augen." So gcschah's, und das Toncrl spielte einsam und allein in seinem einsamen, weltvergessenen Winkel. Ter Herbst war gekommen. Von dem Hochgebirge herab sauste der eisige Sturm und warf den Felszackcn und schliichtigcn Wänden den ersten weißen Mantel um. Die Tannen rauschten und ächzten und schütteten über den Latten laun herüber ihre langen Zapfen auf den Hof, damit sie das Toncrl gar geschäftig Zusammentragen und neben dem Herd auf schütten konnte, dieweil die (Großmutter lachte und sagte: „Nun hab' ich'S fein komod, das Feuerzünden!" Tie Fahrstraße herauf keuchten die vier Rosse und schleppten mit sturmgezausteii Mähnen die Post über den Paß, aber por dem. WildbüterhäuSchen knallte plötzlich des Schwagers Peitsche. „Brr!" schrie er. „Beckhabcr, bist daheim?" und dann wandte er sich zurück und scliaute auf eine junge Frau, welche mit einem kleinen Kind auf dem Arm aus dec gelben Postkutsche herausklettcrte und mit betroffenem Blick aus das totenstille Häuschen starrte, das mit seinen geschlossenen Fensterläden dajtand wie tot und ausgcstorben. „Macht nix, Frau, daß eS so still ist! Schlag a Lärm und klopf! Nachen tut schon eins auf!" Und die junge Bäuerin mit dem schwarzen Kopftuch seufzte uud sagte kopfschüttelnd: „IesiaS! ist dös a Ein samkeit! Wer hier a paar Iahrdeln haust, wird ver rückt!" — Aber sie schritt zur Haustüre, griff ein Stück Holz auf und hämmerte gegen die Tür. „Heda! Fran God! seid nöt daheim?" „Allweil koinmts!" nickte der Postillon. Ein Fensterladen ward ein klein wenig aufgetan.
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