02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041001025
- PURL
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Anzelgcu-Preis die 6gespaltene Petitzeilc 25 ^s. Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4 gespalten) 75 nach den Familiennach ¬ richten (6gespalten' 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hoher. — Gebühre» für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Annahmeschlutz für Anzeigen Abend-Ausgabe: vormittags lO Uhr. Morgen-NuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesvrderung 60.—, m' t Postbefvrdrrung 70.—. Anzeigen sind stels an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von zrüh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von K. Polz in Leipzig sJr'i. Nr. V.. R. L W. Klin khardt). Sonnabend den 1. Oktober 1904. 98. Jahrgang. vsr Wichtigste vom Lage. * lieber das Befinden des Königs Georg liegt heute ein Bulletin vor, das neben günstigem doch auch einen schlechteren Verlauf der letzten Nacht meldet. (S. AuS Sachsen.) * Ten Bundesrat wird demnächst die Abände rung einiger Verordnungen über die Sonntags- ruhe beschäftigen: dabei soll der technischen und kommerziellen Entwickelung ebenso wie den Arbeiter interessen Rechnung getragen werden. (S. Dtsch. Reich.) * Generalmusikdirektor Mottl wurde unbeschadet seiner bisherigen Stellung zum Er st en Direktor der Akademie der Tonkunst in München er nannt. (S. Letzte Dep.) * Bei einem Fabrikbrand in New - Aork erstickten infolge von Ammoniakdämpfen 50 Feuerwehrleute, mehrere andere blitzten das Augenlicht ein. (S.AlleWelt.) ' Der Ort T r i n i d a d (Colorado) soll durch den Bruch eines Wasserrohres vernichtet worden sein, wobei angeblich 5000 Personen ums Leben gekommen find. Der Streit um Lippe-velmslä. Der Kampf um den Thron von Lippe-Detmold ist bereits im vollen Gange. Daß von der Regierung von Schaum burg-Lippe unterm 26. September ein Protest gegen die von Detmold festgesetzte Thronfolge beim Bundesrate ein gereicht ist, wurde schon gemeldet; jetzt liegt auch der Wort laut dieses Protestes vor, der besagt: Durch den Tod de? durch Schiedsspruch vom 22. Juni 1897 berufenen Regenten des Fürstentums Lippe ist die Regentschaft da selbst neuerdings zur Erledigung gekommen. Die Fürstlich Schanm- burg-vippesche Regierung lstk den Tenor des Schiedsspruchs jederzeit als Recht anerkannt. Sie hat aber jede über den Tenor hinaus reichende Schlußfolgerung aus Rechtsgründen ablehnen müssen. Sie bat demgemäß die durch das Lippische Landesgesetz vom 24. März 1898, durch welches der älteste Sohn des Regenten zu dessen Nachfolger in der Regentschaft berufen wird, erfolgte Rege lung der Regentschaft nicht anerkannt. Nach dem von der Zchaumburgischen Linie anerkannten, sonnt nicht im Streite be findlichen Gesetze vom 24. April 1895 8 3 ist der Lippische Land- lag bei der durch ihn zu vollziehenden Regentenwahl auf die „volljährigen, successionsfähigen, nicht regierenden Agnaten" des Lippischen Fürstenhauses beschränkt. Abgesehen davon, daß nach der Rcchtsüberzeugung der Fürstlich Schanmburg- Lipvischen Regierung nur noch die Glieder der Schaum- burg-Lippischen Linie thronsolgeberechtigte Agnaten sind, ergibt sich aus dem 8 3 des Gesetzes vom 24. April 1895, daß nur solche Personen bei der Wahl zur Regentschaft durch den Lippischen Landtag in Fragen kommen können, deren Agnateneigenschaft zweifellos feststeht und von keiner Seite be- uritten ist. Das ist aber nur hinsichtlich der Mitglieder des Schaumburger Hanfes der Fall, da die Agnateneigenschaft der sämt lichen Mitglieder der Linien Biesterfeld und Weißenfels sowohl von ihnen untereinander als von feiten deS fürstlich schaumburg- lippischen Hauses auch nach dem Schiedsspruch bestritten wird, überdies sämtlichen Mitgliedern der Linie Biesterfeld in den Ent scheidungsgründen des anliegenden Urteils des fürstlichen Land gerichts Detmold vom 10. Juni 1903 in Sachen des Grafen Erich zur Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld gegen den Grafcn-Regenten Ernst zur Lippe abgesprochen ist. Demnach verwahren Seine Hochfürstliche Durchlaucht der Fürst zu Schaumburg-Lippe hierdurch feierlich alle Rechte Höchstihres Hauses auf Regentschaft und Thronfolge im Fürstentum Lippe. Nachdem der Bundesrat sich durch Beschluß vom 5. Januar 1899 für zuständig zur Erledigung der Streitigkeit gemäß Artikel 76 Absatz 1 der Reichsverfassung erklärt hat, stellen wir folgende Anträge: » Hoher Bundesrat wolle 1) bis zur rechtskräftigen Er ledigung der schwebenden Streitfrage keinen von einem der im Streite befindlichen Teile ernannten Bevollmächtigten zum Bundesrate zulassen, 2) nunmehr, da die Rechtskraft des Schiedsspruchs erschöpft ist, in Ausführung des er wähnten Beschlusses vom 5. Januar 1899 die definitive Erledigung des Lippischen Thronfolgestreites in die Wege leiten, 3) eine durch die tatsächlichen Verhältnisse geforderte, außerhalb der Parteien stehende, unabhängige Ver waltung des Fürstentums Lippe einrichten, durch welche der reichsverfassungsmäßigen Erledigung des schwebenden Thronfolgestreites nicht vorgegriffen wird. Ferner hat die schaumburg-lippiscke Regierung an dem selben 26. September an das Staatsministerium und den Landtag in Lippe ein Schreiben gerichtet, in dem sie den beiden gesetzgebenden Körperschaften Lippes ihren Protest beim BundeSrate zur Kenntnis bringt. Wie den „Bert. N. Nachr." ferner aus Bückeburg mit geteilt wird, hat „der verstorbene Grafregent innerhalb der letzten Monate seines Lebens in loyaler Würdigung der Sachlage in einer unmittelbaren Kundgebung nach Bückeburg erklärt, das Recht seiner Linie Schaumburg gegenüber auf Grund des nach dem Schiedssprüche gefundenen Akten materials der Entscheidung eines unparteiischen Gerichtshofes anvertrauen zu wollen". Da das Blatt selbst seine Meldung als offiziös bezeichnet, kann nur ein ganz verhärtetes Lippe-Detmolver Gemüt an seiner Zuver lässigkeit zweifeln. Die Detmolder Garnison ist bisher aus den Namen des neuen Regenten, Grafen Leopold, noch nicht vereidigt worden. Wie nach „Köln. Ztg." verlautet, wird die Ver- eivigim^aufoen Namen deSGrä,e'n Leopold vorläufig überhaupt nickt stattfinden. Mit demSchaumburger Einspruch, der zweifellos demnächst den Bundesrat beschäftigen wird, sei die Möglich keit gegeben, daß dem Grafen Leopold das Recht zur Nach folge in der Regentschaft abgesprochen werde. In diesem Falle müßten die Truppen, die eben erst einen Treueid geleistet haben, von ihrem Eide wieder entbunden und sie müßten aufs neue vereidigt werden. Um dieses nicht wünschenswerte Verfahren zu vermeiden, wolle man vorläufig von der Vereidigung Abstand genommen haben, was um so einfacher geschehen könnte, als greifbare Nach teile mit der Nicht-Vereidigung nicht verbunden seien. Als Stimiuungsmoment ist auch diese Nichtvereidigungs-Angelegen heit der Aufzeichnung wert. In Berlin scheint man ein be kanntes Dichterwort variiren zu wollen, ungefähr so: Auch wenn du im Besitze, bist du noch nicht im Recht. Von der Entscheidung in der Thronfolgesrage hängt übrigens auch ein sehr großer vermögensrechtlicher An spruch ab. lieber diese materielle Seite der Lippischen Thronfolge wird dein „Hannoverschen Courier" aus Detmold geschrieben: „Materiell genommen", steht sich nämlich der regierende Herr in Lippe gar nicht so übel, wie es scheinen könnte, was aus den nachstehenden Darlegungen hervorgeht. Eine „Iivilliste" bezieht, was bekannt sein wird, der lippische Fürst oder Regent nicht, dafür aber fließen ihm die Einkünfte auS dem fürst lichen Fideikommiß ganz zu. Dieses Hausvermögen bildete seit Jahrzehnten ein Streit» bjekt sondergleichen, das das politische Leben in Lippe namentlich in den fünfziger und sechziger Jahren vergiftete. Erwägt man, daß eS nicht weniger als 140 000 Scheffel saat oder ungefähr 100000 Morgen Wald und fruchtbares Ackerland umfaßt, so bekommt man einen Begriff davon, daß das Einkommen des lippischen Fürsten dasjenige manche- anderen Landesherrn über steigt. Die Annahme, daß die Einkünfte an eine Million Mark heranreichen, wird nicht fehlgehen. Nun geht zwar von diesem Einkommen ein Betrag als Beitrag zu den Landeslasten her unter, aber das werden nicht viel inehr als 100000 -4L sein, so daß immerhin eine ganz anständige Summe als „Reinein nahme" verbleibt. Der so dem jeweilig in Lippe regierenden Herrn nutzbare Grundbesitz macht den fünften Teil deS ganzen lippischen Landes aus. Ebedem und zuweilen auch in jüngerer Zeit noch hat es um die Einkünfte aus dem „Tomanium" bezw. um diesen Besitz selbst heftigen Streit zwischen Negierung und Landtag gegeben. In den 60er Jahren war die Frage, ob daS Domanium — d. h. der jetzt das fürstliche Fideikommiß aus- machende Besitz — dem Lande oder dem fürstlichen Hause gehört, noch nicht entschieden, und wenn dazumal ein zielbewußter Land tag vorhanden gewesen wäre, so hätte vielleicht heute Lipve keinen Anlaß, über seine Finanznot bei jeder Gelegenheit zu jammern. WaS wir über den Streit selbst und seinen unvermeid lichen Einfluß auf die monarchische Gesinnung des Volkes denken, haben wir schon oft genug gesagt, so baß wir unS eine Wiederholung sparen können. Der imskcd iapanizcke sirieg. Der Aanrxf uni Lsrt Arthur. Fast unmittelbar auf die sehr pessimistische Nachricht über den Belagerungsstand, welche der Londoner Korrespondent der „Köln. Ztg." ausgegeben Z>atte, folgt eine demselben Blatte zugehende Meldung aus Tokio, die also lautet: Nach Ansicht der maßgebenden Kreise in Japan könne Port Arthur sich no ch vorläufig halten. Eine Festungvon der Stärke Port Arthurs könne nicht durch einen Handstreich genommen werden. Auch in der verminderten Zahl der Flotte im Hafen von Port Arthur besitze der Platz noch einen Machtsaktor, der schwer ius Gewicht falle, wenn die Flotte sich nut den baltischen Schiffen vereinigen könne. Nut dieser Gefahr werde ernst lich in Japan gerechnet. Die Meldung trägt einen denk bar subjektiven Charakter. Sie ist mit Petersburger Depeschen zusammenzuhalten, wonach die Behauptung, vom 22. bis zuni 26. Lreptember habe die Garnison von Port Arthur mehrere harte Angriffe abgeschlagen, durch Stössel bestätigt wird, und wonach ferner das russische Geschwader eine Ausfahrt gemacht haben soll, um die Brauchbarkeit und den Wert der verschiedenen Schiffe des Geschwaders fest zustellen. Der Aainpf um Mukden. Auf den 30. September ist ein zusammenfassendes Tele gramm Sascharows an den russischen Generalstab datiert, das über Teilkämpfe gegen die japanische Avantgarde mit einiger Knappheit folgendes meldet: Am 29. ging eine Vorhutabteilung der Japaner in Stärke von ungefähr einem Bataillon auf der Mandarinenstraße vor und besetzte die Höhen beim Dorfe Ulitaitze, 32 Werst südlich vonMukden, wurde aber von einer Kavallerieabteilung zurückgedrängt. Darauf vertrieben unsere Sotnie» unter Beihülse mitgeführter Geschütze aus eurer vorgeschobenen befestigten Stellung auf den Höhen bei Tumyntsze und Huandu, drei Werft südlich von Hlitaitrze eine spanische Kompagnie, während andere Sotnien den Gegner nach der Station Janlai hin zurück drängten. Die Kosaken fanden in den genommenen Ver schanzungen, Nahrungsmittel, Patronen und Ausrüstungs gegenstände. Auf unserer Seite wurven 4 Mann verwundet, einer wird vermißt. Der Feind hat ungefähr 20 Mann an Toten und Verwundeten verloren. Am 28. und 29. Sep tember wurde eine Verstärkung der Vorhutabteilungen des Gegners auf der Front bei der Station und den Kohlengruben von Iantai bemerkt. Am 28. September traf auf unserem rechten Flügel ein Leutnant mit einer Abteilung Kosaken und einer Grenzwache auf dem linken Ufer des Liauhv mit zwei japanischen Schwadronen und einer Kompagnie mit vier Geschützen sowie einer zahlreichen Cbunchusenbande zusammen. Durch bas Feuer unserer Schützen wurde die Bedienung- Mannschaft der feindlichen Artillerie getötet, so daß diese nack wenigen Schüssen das Feuer einstellte. Auf unserer Seite wurde ein Mann getötet; ein Leutnant der Grenzwache und sechs Mann wurden verwundet. Am 28. nahmen in der Umgebung von Tschanhizai, fünf Werst nordöstlich von Bianiaputsa Kosaken japanischen Kavalleristen eine Herde Vieh ab. — Dieser offizielle Bericht macht ungeduldigen Beschwerden über Nachrichtenunterdrückung ein Ende, die der Petersburger Korrespondent des „Echo de Paris" dalün erweitert hatte, daß seit zwei Tagen selbst von Kuropatkin nichts zu hören sei. Auch durch ihn wird die „große Schlacht", die nördlich von Mukden geschlagen werden soll, wieder einmal signalisiert. Ein General Romonofs, Kommandeur der 6. Division, der am Jundelinpaß durch einen Sturz vom Pferde verletzt wurde und sich jetzt auf der Reise in die Krim befindet, Hal sich an diesen journalistischen Ankündigungen soeben beteiligt. Er machte einem Moskauer Journalisten Mitteilungen über den Krieg, und zwar äußerte er, der gegenwärtige unter scheide sich infolge der Verwundung der Schnellfeucrkanonen sehr von den früheren; eine gewaltige Artillerie mit viel Munition und vorsichtiger Maskierung der Aufstellung sei jetzt die Hauptfrage. Eine andere Nachricht, von höchst unzweideutiger englischer Signatur, be trifft die „gehemmte" Eisenbahnpolitik Rußlands. Man will in London zuverlässige Informationen aus Peking besitzen, wonach der dortige russische Gesandte mit dem Minister des Auswärtigen, Prinzen Tsching, wegen Verkaufs der trän sm an tschuri scheu Eisenbahn an eine chinesische Gesellschaft in Unterhandlung getreten sei. Die Vermutung, als kriegführende Partei werde Rußland eines der Hauptobjekte des Krieges verbandeln, spricht für sich selbst. Anzufügen wäre endlich, daß, wie gemeldet wirb, in Algier neben der „Smolensk" auch die „Petersburg" liegt; danach wird die Affäre ausschließlich die Smolensk-Affäre Wohl auch in ihrer weiteren Entwicklung zu verfolgen sein. Tie Meldung über die Abberufung deS Statthalters Alexejew beruht, wie die „Russische Telegraphen- Agentuc" heute erfährt, auf „unverbürgten Gerüchten". Ein so vorsichtiges Dementi ist die Pariser Kriegsrats depesche ganz abzutun wenig geeignet. politische lagrs-cha«. Leipzig, 1. Oktober. Eine deutsche Msenbahn-Betriebsmittelgemeinschaft. Wenn gestern nach einer offiziösen Meldung auf Antrag der süddeutschen Staatsre^ierungen zwischen diesen und dem preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten Verhandlungen über einen engeren Zusammenschluß der süddeutschen Staats bahnen und der preußisch-hessischen Gemeinschaft in der Rich tung einer Betriebsniittelaemeinschaft stattfanden, so wird damit anerkannt, daß seit Jahren auf dem Gebiete viel durch partikularistische Sünden vernachlässigt worden ist. Es war ein Mitglied der natioualliberalen Partei, der württembergische Abg. Dr. Hieber, welcher im verflossenen Abschnitt der ReichS- tagssessivn die Frage der Unstimmigkeiten auf dem Gebiete des innerdeutschen Eisenbahnverkehrs anschnitt. Sein Be dauern darüber, daß im Jahre 1876 die BiSmarcksche Idee der Reichseisenbahnen gerade in Süddeutschland auf Widerstand ge stoßen sei, war ein freimütiges und offenes Wort. Man geht nicht zu weit, wenn man sagt, daß gerade der Freimut, der bei dieser Gelegenheit zu Tage trat, in hohem Grade dazu bei getragen hat, für eine Idee werbend zu wirken, die sich an Größe zwar mit der, wie sie Bismarck vorschwebte, nicht entfernt messen kann, die aber nichts destoweniger einen Teil von ihr darstellt. Es handelt sich jetzt darum, die Lehre von den Sibyllinischen Büchern soweit zu beherzigen, als es noch Zeit ist. Und es darf anerkennend bervor- gehoben werden, raß Süddeutschlant die praktische Ent- Feuilleton. Am Ende der Welt. Eine Hochwaldivyllc von Nataly von Eschstruth. Nachdruck verbalen. „Und der Aloys? Was sagt der?" forschte die Bäuerin angstvoll. „Ein Grüatz di Gott! sagt er — sonst nix!" und die Beckhaberin griff noch dein weinenden kleinen Dirndel und nahm's auf den Arm. „Ach, du arm's, arm's Hascher!I Hunger hast, gelt? Ra, da guk hier, ein Napferl mit Milch und da kommt der Toncrl angetratfcht, der wird a Freud' an seinem neuen Gespiel hab...!" Und richtig, der Toni stand wie erstarrt und schaute auf die fremden Menschen wie auf etwas furchtbar Un- gcheuerliches und wich scheu zurück in der Großmutter Rocksalten. Das Lenerl lockte ihn mit freundlicher Stimme, — da verkroch sich das Büblein noch tiefer, als aber die kleine Lreszenz mit lautem Jubel die Acrinchen nach ihm ausstreckte, all ihre Tränen vergaß und „Seppl! — Teppl!" stammelte, da kam er jählings hervor, seine Augen leuchteten wie verzückt, er faßte scheu nach der kleinen drallen Hand und blickte fragend zu der Groß mutter auf, als wolle er sagen: „Ist diss auch ein Menschenkind oder was sonst?" Das Lenerl flüsterte lachend: „Schau! Sie hält ihn für den Sepp, den Bub unserer Großmagd, mit dem's allweil gespielt hat!" — und die Beckhaberin setzte das Dirndel auf die Erde und freute sich, wie es so zärtlich die Aermchen um den einsamen Toni schlang. „Schau, das hast du 'mal gut gemacht, daß du dem armen, ver lassenen Büberl so eine Kameradin mitbracht hast! Ich mein', die sind bald vertraut zusammen und dem Toni seine Einsamkeit hat ein End'! Wird sich da der Alops freuen! — Nun komm aber, Lenerl, und greif zu, daß du mit dem Kind ißt und trinkst, und wenn du ueu zu Kräften kommen bist, dann legst a Hand an, daß wir dir ejn Stllberl Herrichten! O mei! wird das nun a Leben vier in: stillen Häuser! sein! Ich mein', der Aloys kann sich's gar nit besser wünschen für uns alle!" Die Lindbäuerin dankte der God mit herzbewegenden Worten, und aß und trank und musterte dann neugierig ihr Kämmerlein, in welchem sie hinfort Hausen sollte. Sie trug das Bündel Kleider, welches sie mitgcbracht, herbei und sprach: „Ich l>ab dem Postkutscher a Austrag geb'n, God! Wenn Ihr mir so darmherzig'n Unterschlupf gebt, dann soll er mir mit dem nächsten Mal, daß er hier vor beifährt, all mei bissel Hab, das mir verblieben ist, mit- bringen! Ich gab's der Evi in Venvahr', — die schickts." „Recht so!" lobte die Großmutter: „das ist niehr wie genug Platz hier im Häusel." Als der Aloys heimkam, riß auch er die Augen weit auf. Er bot der Bäuerin gutmütig die Hand und sagte: „Red' kein Wort, Lenerl, — hier im Haus kommandiert mein Mutterl, und wenn die dich haben mag, bin ich's schon lang zufrieden." Er sah aber dabei so ernst und traurig aus wie sttzts, und seine Augen leuchteten erst auf, als er das Ceuzerl gewahrte, welches neben dem Toni am Herd saß und abwechselnd mit ihm das brave Waldmannel auf den platten Rücken patschte. Dazu lachte und krähte es, und der Toni folgte wie verzaubert jeder Bewegung des fremden Kindes, schaute ihm atemlos vor Wonne in das Gesichtchen und tatschte es nur hie und da einmal vorsichtig an, ob es auch wirk- lich da und keine Täuschung fei! „Tas ist aber mal gut!" atmete der Wildhüter tief auf, „nun ist mein arm's Büberl nimmer allein!" Sein erster Gang galt auch stets den Kindern, wenn er heim kam, und dann nahm er jedes auf einen Arm nnd liebkoste sie abwechsend; akkurat, als ob's alle zwei sein eigen wären! — wie das Lenerl mit seltsamem Aus- druck in den Augen sagte. Das muntere Cenzerl liebte den Beckhaber sehr und zauste ibm keck und fröhlich den dunklen Bart, in welchem schon die einzelnen Silberfäden leuchteten, und weil der Toni ihn ..Vata!" rief, so tat's das Cenzerl auch und die Lindbäuerin hob schämig den Schürzenzipfel an die Wange und sprach: „Mit Pergunst, Aloys, daß mei klein .Hascheri dich zu jeiu Vata machen will, — weißt, es ver- steht's nit besser!" — „Ta verlier ka' Wort drum!" wehrte der Wildhüter in seiner wortkargen Weise ab, und sah gar nicht das Getue der jungen Frau und den forschenden Blick, mit welchen! sie ihn musterte. Und das tat das Lenerl von Tag zu Tag auffallender und mackste sich viel zu schaffen nm den stillen Mann, brachte ihm flink Speis' und Trank, wenn er heim kam, stellte ihm die trocknen Schuh an den Herd und legte ibm eine frische Pfeife zurecht. Dabei saug sie mit Heller, schmetternder Stimme und ähnle es nicht, daß der Beckhaber ein großes Unbebageu dabei empfand und dachte: „Dös ist mir närrisch, wie eine Witfrau, die so viel Herzweh erfahren, so bald schon jubilieren kann!" Er saß auch meist still beiseite, schnitzle Hausrat oder Spielzeug für die Kleinen, oder er blieb viel draußen im Wald und legte sich bald zur Ruhe, wenn er heim kam. Tas merkte die Lindbäuerin gar wohl und ward von Tag zu Tag verdrießlicher. Sie fang und schasste nur so emsig, wenn der AloyS daheim war, während der andern Zeit saß sie träg und mürrisch ani Feuer und legte die Hände in den Schoß. Tes Viehes wartete sie nur widerwillig, weil sie es nun so begonnen hatte, und war lrob, als mit der letzten Iahresvoit dec Beinhauer kam, das Schwein zn schlachten, — da war sic eine Arbeit los, und die Würste und Schinken sowie das „Geselchte" dcuchieu ihr im Rauch besser, denn zuvor als grunzende Sau im Stall. Sie hatte von der Großmutter sorglich erforscht, wo denn das
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