Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041006014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904100601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904100601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-06
- Monat1904-10
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS dl der tzaoptexveLltüm oder bereu Au-gabo- strlle» abgeholt: vierteljährlich 8.—. bei zweimaliger täglicher ZufteIlona in» Hau» 8.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch, laud u. Oesterreich vierteljährlich ^ll 4.S0. für die übrigen Länder laut ZeituugSpreiSlipe. Diese Nn»«er r-ftet 4^ ML auf allen Bahuhbfen uud III^I bei den IeitungS-Berkäufern lliedaitton au» ErPedttiam 123 Fernsprecher 223 JohanniSgafl» S. FiltalerpeDttioueu: Alfred Haha, Buchhaudlg.,UntversttSt»str.8 lFernspr. Nr. 4046), L. Lösch«, Katharinen» straße 14 (Fernsprecher Nr. 293b) u. König»» platz 7 (Fernsprecher Nr. 7bOb). Haupt-Filiale Dresden. Marienstraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1718). Haupt-Filiale verltu: CarlDuncker, Herzg i.Bayr.Hofbuchbandlg^ Lübowstrake lOiFernsvrrckerAmtVl Nr.4603l Nr. 51«. Morgen-Ausgabe. MpMerIaMM Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -es Nolizeiamtes -er Stadt Leipzig. Donnerstag den 6. Oktober 1904. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Rrdaktionsflrich (4gespalten) 7L nach den ffamiliennach- richtrn (6 gespalten) bO Tabellarischer und Kissernlatz entsprechend höher. — Bebühren für Nachweisungen und Ossertenannahmr 2L Anuahmeschlutz für Anzeigen. Abe ad-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: nachmittag» 4 Uhr. Extra-Vetlageu (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, oha« Postbeförderung ^ll 60.—, mit Postbefvrderuag ^l 70.—. Anzeigen sind stet» aa die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abeud» 7 Uhr. Druck and Berlag von G. Val» in Leipzig (Ind. vr. R. L W. Kltukhardt). 98. Jahrgang. Var WHtigrlr vom Lage. * Da» Telegramm de» Kaiser» an den Grafregenten von Lippe-Detmold erreat großes Aufsehen und wird in der ge samten Presse lebhaft lommentieri. (S. Sonderartikel.) * Im Vilajet Monastir sind erbitterte Kämpfe zwischen bulgarischen und griechischen Banden im Gange; ebenso sind nordöstlich von Kruschewo Bulgaren und Serben zusammengeraten. (S. Ausland.) * Herr Roosevelt, Präsident der Bereinigten Staaten, zieht es vor, seine Friedenskonferenz bis zur Beendigung res russisch-japanischen Krieges zu verschieben; dann soll sie „wegen der Kosten" nicht im Haag, sondern aus ameri kanischem Territorium abgehaltrn werden. (S. Ausl.) Vie fsecbttvettolgung im Rurlancke unä Oie hanaelrvemäge. DoneinemPraktiker. Die Handelskammer zu Leipzig hat unterm 15. Juni d. I. an das Königl. Ministerium des Innern in Dres- den und an den Deutschen Handelstag in Berlin eine Eingabe gerichtet, in der u. a. angeführt wird, daß die ausländischen Bestimmungen über die Erstattung und Verteilung der Prozeßkosten init unserem Rechtsempfin den in erheblichem Widerspruch stehen, und dem deutschen Kaufmann, der gezwungen ist, im Auslande Prozeß zu führen, Verpflichtungen auferlegen, die der Ausländer in Deutschland bei einer Prozeßführung nicht in gleicher Weise zu tragen hat. Während die deutsche Civilprozeß. ordnung in ihren 88 91 ff. den durchaus gerechte«: Grund satz verfolgt, daß der obsiegende Kläger nicht nur frei von Gerichtskosten bleibt, sondern auch die Erstattung der auf- gewendeten Auslagen usw. verlangen kann, enthalten die ausländischen Prozeßordnungen vielfach Bestimmungen, -je dem Kläger trotz seines Obsiegens eine beträchtliche Kostenpflicht auferlegen und damit sein im Prozcßwcgc zur Geltung gebrachtes Recht ganz oder teilweise illu- sorisch machen. Um diesem Uebelstande zu begegnen, er- sucht die genannte Kammer, beim Neichsjustizamt den Antrag stellen zu wollen, daß in Rechtsstrcitigkeiten vor deutschen Gerichten an den obsiegenden Gegner eine Kostenerstattung nur dann stattfindet, wenn der Staat, dem der betreffende Ausländer angebört, eine Kostenerstattungspflicht in gleichem Umfange wie die deutsche Civilprozeßordnung anerkennt. Wer in die unangenehme Lage kommt, im Auslande Prozesse führen zu müssen, kann die von der Handels kammer zu Leipzig mitgeteilten Wahrnehmungen nur be- stätigen. Es ist zweifellos, daß der im Deutschen Reichs prozessierende Ausländer bei weitem günstiger gestellt ist, als ein Deutscher, der die Verfolgung seiner Rechte im Auslande vornimmt. Es kommt nicht nur darauf an, im Auslande Abnehmer für die Waren zu finden, son dern es ist vor allen Dingen nötig, daß es dem deutschen Exporteur ohne wesentliche Schwierigkeiten ermöglicht wird, in Diffsrenzfällen schikanösen oder betrügerischen Kunden gegenüber sein Recht gerichtlich geltend zu machen. Ties ist aber, wie weiteren Kreisen schon zur Genüge bekannt ist, sehr häufig geradezu unmöglich oder aber dermaßen erschwert, daß manche Geschäftsleute ein- lach davon absehen, ihre berechtigten Forderungen im Auslande gerichtlich geltend zu machen. Das sächsische Ministerium des Innern hat im Ein- Verständnis mit dem Justizministerium der Handels- kammer zu Leipzig inzwischen geantwortet, daß es sich von dem in der Eingabe der Handelskammer angeregten Vorgehen keinen Erfolg versprechen könne. Denn die nach dieser Eingabe in anderen Staaten hinsichtlich der Ver- vslichtung zur Erstattung von Prozeßkosten bestehenden Vorschriften seien nicht gegen Ausländer, insbesondere nicht gegen Deutsche gerichtet, sondern hätten allgemeine Gültigkeit, gleichviel, ob Inländer oder Ausländer bei dem Prozeß beteiligt seien. Zu einer Gegenmaßregel in: Sinne der Retorsion fehle daher jeder Anlaß. Wolle man gleichwohl eine Bestimmung des beantragten In haltes in die Civilprozeßordnung aufnehmen, so würde hierin voraussichtlich von den beteiligten Staaten eine Unfreundlichkeit gefunden werden. Jeder Versuch, in der in der Eingabe beantragten Rickftung eine Abänderung der deutschen Civilprozeßordnung herbeizuführen, würde daher der Ablehnung im Bundesrate sicher sein. — Aus dem gleichen Grunde müßte aber auch die Reichsverwal- !ung Anstand nehmen, im Wege der Verhandlungen mir den auswärtigen Staaten darauf hinzuwirken, daß die in diesen Staaten prozessierenden Deutschen hinsichtlich des Rechtes auf Kostenerstattung günstiger als die Ein heimischen behandelt oder daß die Gesetze dieser Staaten entsprechend den 88 91 ff. der deutschen Ci-vilprozeßord- »ung geändert werden. Es sei daher ausgeschlossen, be: den Handelsvertragsverhandlungen die Abstellung des in Rede stehenden Nachteils zu erreichen oder überhaupt zum Gegenstände deutscher Forderungen zu machen. Wir sind ebenfalls der Meinung, daß sich auf dem von der Handelskammer zu Leipzig vorgeschlagenen Wege das erstrebte Ziel nicht erreichen läßt. Dennoch möchten wir mit größtem Nachdruck betonen, daß diese Frage bei den Handelsvertragsverhandlungen mit den in Betracht kommenden Staaten, wie wir noch näher ausführen wer den, zum Gegenstände ernster Erörterungen gemacht wer den muß. Die Gerichts kosten frage ist indessen keineswegs der einzige Punkt bei der Rechtsverfolgung im Auslande, der den deutschen Reichsangehörigcn zu lebhaften Wünschen Anlaß gibt. Es sind vielmehr die Rechtsverhält nisse im allgemeinen, die sich in zahlreichen außerdeutschen Ländern, mit denen wir in lebhaften: Güteraustausch stehen, mit den gleichen Einrichtungen im Deutschen Reiche nicht messen können. Wir wollen hier beispielsweise die durch die amtlichen Berichte der Vertreter des Deutschen Reiches im Aus lande bewiesene Tatsache anführen, daß es gerade im Auslande eine so große Zähl von Schwindelfir- men gibt, die gewissermaßen unter den Augen der Be hörden ihr dunkles Handwerk betreiben und besonders die deutsche Geschäftswelt immer von neuem brandschatzen können. Zweifellos bietet in diesen Ländern das Straf- gesetz oder das Prozeßverfahren im allgemeine:: Lücken die sich jene unsauberen Elemente zu Nutze maä-en und dadurch den ausländischen Gläubiger erheblich schädigen Von großer Bedeutung für den in: Ausland prozes sierenden Geschäftsmann ist auch die Rechts- anwalts frage, denn von der Art und Weise, wie der Rechtsanwalt die Interessen seines Auftraggebers wahr- nimmt, hängt in der Regel, besonders im Auslande, der Erfolg des Vorgehens ab. Die Tätigkeit der Rechts anwälte im Auslande gibt jedoch, wie sich wiederum aus den Berichten der deutschen amtlichen Vertreter im Aus lande ergibt, leider oft zu berechtigten Klagen Anlaß. Von vielen Beispielen, die sich anführen ließen, er wähnen wir nur die folgende im Jahre 1902 tm „Reichs, anzeiger" veröffentlichte Warnung: „Im Laufe der letzten Jahre sind wiederholt von deutscher Seite Klagen darüber laut geworden, daß sich rumänische Rechtsanwälte der ihnen anver trauten Interessen nicht mit den: gehörigen Nachdruck angenommen haben, vielmehr häufig nach Einziehung eines erheblichen Kostenvorschusses völlig untätig ge- blieben sind, und daß Schritte, um die Säumigen zur Verantwortung zu ziehen, einen Erfolg nicht ver sprechen. Usw." Zur Illustration dieser Warnung möge folgender der „Vossischen Zeitung" seiner Zeit aus Bukarest zuge gangene Bericht dienen: „Der hiesigen deutschen Gesandtschaft waren innerhalb kurzer Zeit aus Deutschland mehrere Klagen über das ungehörige Gebaren des hiesigen Advokaten Popovici-Costi zugegangen. So hatte, um den bezeichnendsten Fall zu erwähnen, eine Klientin deutscher Staatsangehörigkeit den Advokaten Popovici- Cost: beauftragt, ihre Eigentumsrechte auf eine größere Anzahl ihr in Verlust geratener Renten kupons dem Staate gegenüber zur Geltung zu bringen; für die Austragung dieser nach bekannter Schablone zu erledigenden Angelegenheiten hatte sie den verlangten Spesenbetrag von 150 in: vorn herein eingesendet. Als Herr Popovici nichts mehr von sich hören ließ, seine Klientin aber Auskunft über den Stand der Dinge verlangte, antwortete der Herr Advokat mit der Forderung aus Einsendung emer zweiten größeren Geldsumme. Als ihm diese ver weigert wurde und die Partei von ihm die Zurück sendung der Papiere verlangte, machte Popovic: Aus reden und Ausflüchte, so daß schließlich der Partei nichts anderes übrig blieb, als die Vermittelung der hiesigen deutschen Gesandtschaft zur Wahrung ihrer Rechte in Anspruch zu nehmen. Der deutsche Ge sandte v. Kiderlen-Wächter übermittelte die Be schwerde seiner Landsmännin und andere gegen den selben Popovici-Costi eingelaufenen Klagen dem hiesigen Ministerium des Aeußern, und Minister präsident Sturdza verständigte hiervon die Bukarester Advokatenkammer mit dein Ansuchen, gegen Popovici auf disziplinärem Wege vorzugehen. Die Advokaten- kammer antwortete, daß sie nach den ihr vom genannten Advokaten gemachten Erklärungen keinen Grund habe, die Korrektheit seines Vorgehens in Zweifel zu ziehen, und als der Minister unter Hin weis auf die vom deutschen Gesandten erbrachten Be weise des geraden Gegenteils nochmals die Einleitung des Disziplinarverfahrens verlangte, wurden die Herren vom Bureau der Advokatenkammer grob, be schuldigten den Minister einer unziemlichen Ein mischung in die Angelegenheit -es Advokatenstandes und erklärten, -aß sie sich mit ihm in der Sache Popovici in keine weitere Erörterung einlassen könnten. Der Ministerpräsident mag nun darüber nachdenken, wie er das Ansehen der Regierung der widerhaarigen Bukarester Advokatenkammer gegen über wahren kann usw." Es ist schon erwähnt worden, baß -ie Kosten fast immer von dem Kläger, auch dann, wenn er obsiegt, ge tragen werden müssen. Dazu kommt noch, daß diese Rechtsanwaltskosten meistens sehr hoch sind und zu dem dafür Geleisteten in keinem richtigen Verhältnis stehen. Es würde für den internationalen Geschäftsverkehr ein außerordentlicher Gewinn sein, wenn es gelänge, im internationalen Verkehr gültige feste Normen zu vereinbaren. Es dürfte weiter angezeigt sein, auf die unhalt baren Rechtszu stände hinzuweisen, die in ver- schiedenen Teilen der österreichisch-ungarischen Mon archie, nämlich in Galizien, Bukowina und dem Küsten lands, herrschen. Diese Zustände sind geschildert worden in einer anfangs des Jahres 1902 im Auftrage ver schiedener österreichischer industrieller Vereinigungen von den Rechtsanwälten Dr. Chiary, Licht und Ettinger dem österreichischen Justizministerium überreichten Denkschrift. Es wird dort darauf hingewiesen, daß daS Strohmännertum in den sogenannten Scheinkonkursen dazu dient, dem Schuldner mit Hülfe einer ausgeglichenen Gläubigergruppe und einer Anzahl von fiktiven For derungen die Masse in die Hände zu spielen und die übrigen Gläubiger vollständig leer ausgehen zu lassen. Der nur zum Schein eingesetzte Massenverwalter — in Wahrheit wird die Masse vom Schuldner weiter ver waltet führe weder Anfechtung?- noch Vertuschungs prozesse, erstatte auch keine Strafanzeige. Die städtischen Geschworenen in diesen Ländern sprächen von Anklagen wegen betrügerischer Krida regelmäßig frei, so daß eine solche Anklage überhaupt nicht erhoben würde usw. Ganz in demselben Sinne berichtet auch die „Zeitschrift für Handel und Gewerbe" (Wien) in Nummer 14 vom Jahre 1900. Zweifellos bilden die in Vorstehendem geschilderten Zustände eine erhebliche Erschwerung des internationalen Güteraustausches. Wer nach diesen Ländern exportieren will, ist von vornherein genötigt, solchen Rcchtszuständen Rechnung zu tragen. Er muß mit großen Spesen und Verlusten rechnen, die natürlich seinen Gewinn erheblich schmälern und sich als eine indirekte Belastung der eingeführten Waren -arstellen. Eine Beseitigung dieses Mißstandes wäre im Interesse des deutschen Außenhandels dringend erwünscht, doch dürste wohl in absehbarer Zeit dieses Ziel nicht erreicht werden, weil der Verwirklichung in der Natur der Ver hältnisse begründete, zurZeituoch unüberwindbareSchwie- rigkeiten entgegenstehen, deren Beseitigung nur allmäh lich erfolgen kann. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die günstige Lage des Rechtswesens im Deutschen Reiche geeignet ist, die Einfuhr ausländischer Waren zu fördern. Es wäre deshalb kein unbilliges Ver langen, wenn auch im Interesse der deutschen Geschäfts welt von den außerdeutschen Staaten, sofern tn ihnen die oben geschilderten Verhältnisse bestehen und sie den deut schen Außenhandel durch Zoll- und andere Vorschriften in ungebührlicher Weise erschweren, entsprechende Gegenleistungen gefordert würden. So weit auf dem Gebiete des Rechtswesens vorderhand keine Besserung zu erwarten steht, könnten auch Vergünsti gungen oder Verbesserungen aus ande ren Gebieten ausbedungen werden. Es käme bei spielsweise in Frage die Behandlung der deut schen Reisenden und deren Muster, die für den Export außerordentlich lästige Forderung der Be glaubigung von Fakturen, sowie der Bei- bringung von Ursprungszeugnissen, die Zollrückerstattung für Retourwaren, die Art der Verzollung im allgemeinen usw. Auch eine Förderung des Auskunfts- wesens im Auslands würde für den deutschen Handel nicht ohne Bedeutung sein. Wir haben hierbei allerdings ausschließlich Rußland im Auge. Dort wäre im Interesse der Geschäftswelt die gesetzliche Zulassung kaufmännischer Auskunftsbureaus zu fordern. Zwar gibt es auch jetzt schon in Rußland Personen, die sich mit der Auskunftserteikung Liber Kredit- und Geschäftsverhält nisse befassen. Diese sind jedoch zur Zeit gezwungen, ihre Auskunftstätigkeit geheim zu halten, oder unter Dor schiebung einer anderen Tätigkeit auszuüben. Die führenden deutschen Auskunftsinstitute haben bis jetzt vergebens den Versuch gemacht, ihre Zulassung in Ruß- land bei der russischen Regierung zu erwirken. Daß auf diese Weise das kaufmännische Auskunftswesen, dessen segensreiche Wirkungen in allen Kulturstaaten anerkannt und geschätzt werden, sich in Rußland nicht in der wün- schenswerten Weise entfalten kann, und daß alle mit Ruß land im Güteraustausch stehenden Länder, zu denen ins besondere das Deutsche Reich gehört, dadurch stark be nachteiligt werden, unterliegt keinem Zweifel. Eine Aenderung des gegenwärtigen Zustandes wäre also dringend erwünscht. Man sollte die sich bei den Handelsvertragsverhand lungen bietende günstige Gelegenheit, die vorstehend er- wähnten Wünsche geltend zu mackren, nicht unbenutzt vorübergehen lassen. Wird es uns auch nicht gelingen, über Nacht eine uns wünschenswert erscheinende Besse rung der Rechtsverhältnisse und Rechtsverfolgung im Auslande herbeizuführen, so wird der nachdrückliche Hin weis auf die bei uns auf diesem Gebiete bestehenden Ver hältnisse doch vielleicht anregend auf daS Ausland wirken und es zur allmählichen Nachahmung veranlassen. Wie dem auch sei, es kann der erfolgreichen Geltend- machung der durchaus berechtigten deutschen Wünsche, einerlei, auf welchem Gebiete sie liegen, nur förderlich sein, wenn wir dem Auslande auch vor Augen führen, daß wir nicht nur geben wollen, sondern auch nehmen, und zwar unter anderem auch auf einem so wichtigen Gebiete, wie es die Rechtspflege ist. S. Var Lelegramm Oer Kaiser; a» <ten 6ralllege»ten. Tas Telegramm des Kaisers an den Graf-Regenten von Lippe-Detmold findet in der gesamten Presse die gebührende Beachtung. Wir geben :m folgenden eine Uebersicht der markantesten Stimmen: Der „Reichsbote" druckt das Telegramm deS Kaisers ab, ohne einen Kommentar daran zu knüpfen. Es ist im höchsten Grade verwunderlich, so schreibt die „P o st", daß das Wolffsche Bureau die neuesten Dor. gänge im Lippischen Thronfolgestreit übergangen hat. Glaubt man denn, dadurch das Äekanntweroen und die Erörterung desselben zu verhindern? Nur über einen halben Tag läßt sich durch solche Unzufriedenheit er regenden Mittel die Erörterung verschieben, aber nicht verhindern. Man würde geteilter Meinung darüber sein können, ob es nicht aus Rücksicht auf das monarchische Interesse wünschenswerter gewesen wäre, eine weniger scharfe Tonart für das Telegramm zu wählen, was durch die lippische Landtagsvorlage bekannt geworden ist. Es wäre sicher wünschenswert gewesen, e:ne derartige Kundgebung nicht ohne ministerielle Gegen zeichnung ergehen zu lassen, denn durch diese wäre dem Telegramm der Charakter einer rein persönlichen Aeußerung genommen, welcher dem Dokument um so mehr anhaftet, als mit der Kundgebung von staatsrecht licher Bedeutung eine persönliche Beilerdserklärung ver bunden ist Es muß doppelt peinlich sein, wenn nachher der Schiedsspruch, in Uebereinstimmung mit der Volks- stimmung, zu Gunsten der Linie Lrppe-Biesterfeld lautet. Die „Kreuz - Zeitung" sagt: Die Vorlage des lippischen Staats Ministeriums macht in mehrfacher Hin- sicht einen günstigen Eindruck. Zunächst verdient die lcurale Interpretation des Regentschaftsgesetzes und dessen Abänderung von 1898 Anerkennung. Nicht min der korrekt ist die Erklärung, daß der Graf-Regent den sein Lhronfolgerecht bestreitenden Mitgliedern des Ge samthauses die Geltendmachung ihrer Ansprüche in keiner Weise verkürzen wolle. Mit besonderer Befriedigung wird mau aber vernommen haben, daß der Graf-Regent selbst noch einmal sich dem Urteil eines von der Reichsgesetz gebung einzusetzenden Gerichtes unterwirft. Wir hoffen und wünschen, daß auf diese Weise endlich dem Fürsten- tum geordnete Verhältnisse entstehen; denn unter den heutigen dynastischen Streitigkeiten muß der monarchische Gedanke schwer geschädigt werden. In der liberalen Presse wird bemängelt, daß das Telegramm nicht von: Reichs- kanzler gegen gezeichnet ist. Die Frage ist aber streitig, ob solche Telegramme, als privatschriftliche Kund gebungen des Kaisers, der Gegenzeichnung bedürfen Jedenfalls ist nicht zu bezweifeln, daß der Reichskanzler für den staatsrechtlichen Inhalt der Depesche die politische Verantwortung zu übernehinen bereit ist. Die „Berliner Neuesten Nachrichten" schreiben: „Von beiden Seiten ist also deutlich erklärt worden, daß man die Entscheidung über die Thronfolge- Ansprüche einen: unparteiischen Gerichtshöfe überlassen wolle; Sache des Bundesrates ist es, für einen solchen zu sorgen. Man kann wohl nunmehr erwarten, das; die Streitsache zweifellos ordnungsmäßig und am richtigen Orte ausgetragen wird, daß nach guten: Brauch die öffentliche Meinung möglichst wenig erregt und zu kav- tivieren versucht werde. Sei doch die Lösung der Frage nicht nur nach Gefühlen und Politischen Parteistandpunk- ten, sondern nach Rechtsgrundsätzen hcrbeizuführen. Die „Deutsche Tageszeitung" bemerkt: lieber das Telegramm des Kaisers enthalten wir uns aus verständlichen Gründen der Kritik. Im übrigen ist die kaiserliche Kundgebung kein staatsrechtlicher Akt. sondern lediglich eine Aeußerung Sr. Majestät des Kaisers, aus der man weitere tatsächliche Konsequenzen nicht ziehen kann. Die „Deutsche Press e" schreibt: Zunächst fällt es auf, daß der Kaiser hier eine staatsrechtliche Erklärung abgibt ohne Gcgcnzeichuung des verantwortlichen Reicks kanzlers. Aber freilich: der Himmel ist groß, uud der Kauzlcr ist weit. Das Telegramm ist aus Romimeu datiert, also aus dem äußersten Osten, während der Kanzler in Homburg v. d. H. weilte. Unseres Erachtens würde der Kanzler, wenn ihm der Entwurf des Tele gramms unterbreitet worden wäre, den Kaiser darauf aufmerksam gemacht haben, daß ihm als Kaiser über haupt kein Ausspruch, auch nicht vorläufiger Art, in Be zug aus die Rechtslage und die Rechtsgültigkeit der Uebernabme einer Regentschaft zustcbe. Tie äußerste Zurückhaltung der Reichsregierung war in diesen: Falle um so mehr geboten, als dieselbe durch Der» Weigerung der Anerkennung des Grasen Leopold als Regenten sich in direkten Widerspruch setzt mit der lippischen Landesgesctzgebuug, welche am 24. März 1898 den Grafen Leopold als Regenten einsetzte. In weiten Kreisen des Volkes bat man kein Verständnis dafür, daß in solchen Tbronfotgesragen der Wille des Volkes, wie er im Gesetz zum Ausdruck kommt, nichts gelten soll und auf Grund der Ähnenprobe nach Privat- fürstenrecht eine Entscheidung getroffen wird. Dieser Streit über die lippische Thronfolge trägt dazu bei, die Monarchie in Deutschland zu erschüttern. Unsere Zeit hat absolut kein Verständnis dafür, daß über das Recht, ein Land zu regieren, unabhängig von dem Willen der
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite