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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041006014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904100601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904100601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-06
- Monat1904-10
- Jahr1904
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Bevölkerung entschieden werden kann, ähnlich wie man den Streit über eine Viehherde entscheidet. Die „Berliner Zeitung" findet das Tele gramm, trotz seiner staatsrechtlichen Unwirksamkeit, sehr bedenklich. Es sei bedauerlich, daß in einer An gelegenheit, in welcher der Schwager des Kaisers be teiligt ist, der Kaiser eine so prononzierte Stellung ein nimmt. Bedauerlich sei es vor allem, daß der Kaiser als berufener Hüter der Verfassung einen Standpunkt ein- nehme, der sich weder mit der Reichs- noch mit der Lan desverfassung in Einklang bringen lasse. Gewiß — so schließt das Blatt — Lippe ist klein und der Kaiser ist groß, aber Recht muß doch Recht bleiben. Die „Vossische Zeitung" spricht den Wunsch aus, daß derartige Kundgebungen des Kaisers von den verant wortlichen Ministern gegengezeichnet werden möchten. Schließlich seien die Ausführungen des „ B e r l i n e r Börsen - Courier" wiedergegebcn, die folgenden Wortlaut haben: Was das Telegramm des Kaisers an den Grafen Leopold betrifft, so liegt die Auffassung nahe, als ob der Monarch damit einen staatsrechtlichen Akt voll zogen hätte, der der Gegenzeichnung eines verantwort- lichen Funktionärs bedürfte. Dem wird indes am hiesigen amtlichen Stellen mit dem Hinweis entgegengetreten, der Wortlaut des Teleyramms lasse klar erkennen, daß es sich lediglich mn eine Willensäußerung des Kaisers in seiner Eigenschaft als oberster Kriegsherr handle, indem er die Vereidigung der Truppen angesichts der ungeklärten Rechtslage verweigere. Wenn der Kaiser dabei auch seine Meinung zum Ausdruck bringe, daß die Uebernahme der Regentschaft nicht zu Recht stattgcfunden habe, so sei das eine private Ansicht, die er auf Grund des Vrivat-Fürstenrechts getan habe. Selbstverständlich fei es dem Kaiser nicht eingefallen, die Kompetenz des lippischen Landtages cmzuzweifeln. Graf Leopold bleibe Regent entsprechend dem Beschlüsse des lippischen Land- tages, so lange als die Succcssionsfrage nicht entschieden ist. — An unterrichteter Stelle wird weiter nicht daran gezweifelt, daß der Bundesrat den von der livvischen Regierung porgeschlagencn Modus, sobald er die Zu» stimmung des lippischen Landtages gefunden hat. akzep tieren, und auf dem gerichtlichen Wege eine Entscheidung der Frage herbeifübren wird. ver ru5rirch-sapanirche Weg. Lin neuer russischer Bericht über den Vurchbruchrversuch vorn io. August. Der russische Kreuzer „Askol ü" mit Konteradmiral von Reitzenstein an Bord, traf am 12. August d. I. in Wusung ein. Am nächsten Morgen begaben sich der Kommandant und drei Seeoffiziere des deutschen Kreu zers „Sperber" auf den „Askold", um sich das Schiff anzusehen. Sie erhielten von den russischen Offi zieren über den Durchbruchsversuch der Flotte vom 10. August Schilderungen, welche im neuesten Heft der „Marine-Rundschau" veröffentlicht werben. Die eigenen Erlebnisse des „Askold" sind natürlich die Hauptsache dabei. Als nach Sonnenuntergang — die Russen hatten im Laufe des Tages zwei Mal angegriffen — das Signal „Durchbrechen nach Wladiwostok" gegeben war, sah „Askold" die japanische „Asama" senkrecht zu seinem Kurse kreuzen. „Askold" lief mit hoher Fahrt auf sie zu, um einen Torpedoschuß abzugeben. Aber „Asama" wich aus, und drei japanische Kreuzer eilten herbei, „Askold" mit Granaten über schüttend. Da durchbrach „Askold" mit höchster Ma. schinenleistung (23 Seemeilen), von der „Asama" 14 Kabellängen entfernt, die Blockade. Er hatte 12 größere Treffer erhalten, so daß er über 20 Seemeilen nicht mehr laufen konnte, die japanischen Kreuzer vermochten nicht zu folgen, „Asama" brannte. Darauf setzten vier japanische Torpedoboote zum Angriff an. „Askold" hielt mitten in sie hinein, vernichtete eins durch eine 15 cm-Granate und schlug so die anderen in die Flucht. Um 11 Uhr nachts war „Askold", von 1 Preller, 14 größeren, zahlreichen kleinen Geschaffen durchlöchert, vornehmlich am Achterdeck, losgelöst vom Feinde. „Askold" hatte während des ganzen Tages 200 15 cm. und etwa 300 7,5 cm-Granaten verschossen, alle seine Geschütze blieben intakt, kein Schutzschild wurde durchgeschlagen oder merklich eingcbeult. Gefallen sind 1 Offizier und 11 Mann, verwundet 40 Mannschaften und Offiziere, leichte Verletzun gen nicht gerechnet. An den Schüssen ist die absolut lo kale Wirkung der Artillerietreffer auffällig: nach dem Durchschlagen der Bordwand genügte im allgemeinen eine dünne Stahlwand, die Sprengwirkung zu isolieren. Am Geschützmatcrial bemängelten die russischen Offiziere die Kon struktion der Richtzahnbogen als zu schwach, die Schutzschilde als zu klein. Allgemein lobte man das vorzügliche Material des Schiffes und die absolute Zuverlässigkeit der Maschinen, anlage: der Germaniawerft wurde von Offizieren und Ingenieuren das beste Zeugnis ausgestellt. Ob sich in den Torpedonetzen dcS „Askold" Torpedos gefangen haben oder nicht, darüber gingen die Ansichten auseinander. Aus dem ersten Gefecht des „Askold" erzählten die russischen Offiziere folgende Anekdote: Eine Granate explodierte in der Messe und verwüstete den ganzen Raum. Durch Granatsplitter wurde daS Bild Kaiser Wilhelms seines Rahmens beraubt: das Bild aber blieb völlig unversehrt an der Wand hängen. General Grixenberg, der neue Kommandierende der zweiten russischen Armee im fernen Osten, ist, wie Personalberichte melden, Finnländer und stammt aus einem alten schwe dischen Geschlecht. Sein Stammvater, Johann Witt- mann, wurde 1640 in Vesterbotten (Schweden) geboren, im Jahre 1678 geadelt und erhielt das Prädikat Gripen-! berg. Eine Linie der Familie blüht in Schweden und eine in Finnland. General Oskar Ferdinand Gripenberg ist im Jahre 1838 geboren und begann 1854 seine mili tärische Laufbahn bei dem finnländischen Grenadier- Scharfschützenkorps. Er hat seinerzeit sehr energisch gegen Finnlands Russifizierung pro- testiert und wurde deshalb, trotz seiner hohen Stellung, seiner Tapferkeit und glänzenden militärischen Eigen- schäften, außer Dienst gestellt und erst kürzlich reaktiviert. Darnach wäre Gripenberg der erste „neue Mann", der durch die Krisis in entscheidende Stellung berufen wurde. Aandidat Aarrlbar». Aus Petersburg, 4. Oktober, wird un- geschrieben: In hiesigen militärischen Kreisen wird mit aller Bestimmt heit erklärt, daß schließlich der vielgenannte General Kaulbars doch noch ein führendes Kommando in der Mantschurei bekommen werde und zwar als Leiter der 1. Mantschurei- Armee. KaulbarS sei ein guter Freund Kuropatkins und habe deshalb Kuropatkin die führende Rolle nicht nebmen wollen. Nun aber Kuropatkin wahrscheinlich oberster Führer über beide Armeen werden würde, habe Kaulbars keine Ver anlassung mehr, den Zurückhaltenden zu spielen. Es ist nur merkwürdig, daß vorher alle Freunde Kuropatkin» sein wollen und daß gerade diese e« sind, die dem Obersührer dann später die größten Schwierigkeiten in den Weg legen. Vsr fport Arthnr. Der Tschifuer Berichterstatter des „Daily Telegraph" übermittelt ausführlichere, von der „Boss. Ztg." wieder gegebene, abermals phantastische Berichte über die Kämpfe um Port Arthur vom 19. bis 23. September. Er sagt, die Kämpfe gehören zu den wütendsten der neueren Geschichte. Auf beiden Seiten wurde mit einer Roheit gefochten, die als Tapferkeit zu bezeichnen unrichtig wäre. Kein Pardon wurde gegeben oder gefordert. Man watete geradezu in einem Blutsee. Die Truppen waren durch die anhaltende Kampfwul fast geistesgestört. Die Angriffe der Japaner waren hauptsächlich gegen den hohen Hügel und zwei Rebouten in seiner Nachbarschaft gerichtet, wovon eine die Wasserzufuhr beherrscht. Beide Redouten wurden durch Melinitbomben zerstört und die Russen wurden zum Rückzug gezwungen. Am 23. September macht der russische Leutnant Podgorski einen Angriff mit Hand bomben, die mit Schießbaumwolle gesüllt waren, wodurch viele Japaner buchstäblich in Stücke gerissen wurden. Die Ueberlebenden flüchteten, schlugen dabei die Richtung gegen die verborgenen Landminen ein und gelangten unversehrt über die Gefahrzone. Nur wenige Sekunden Verzug und sie wären aufgericben worden. Erneuerte japanische Angriffe wurden immer wieder zurückgeschlagen. Ein japanisches Bataillon war 20 Minuten lang einem beständigen Feuer einer der russischen Batterien ausgesetzt. Die russischen Ver luste sollen sich auf 2000 Tote und Verwundete belaufen. Wenn der Gewährsmann auch der Berichterstatter des „Daily Telegraph" ist, so kann er sich daS doch nicht aus den Fingern gesogen haben. Deutsches Keich. Leipzig, 5. Oktober. * Zu Pen neuesten Anschuldigungen der Krau Lilly Braun gegen deutsche Soldaten wird uns geschrieben: „Obgleich nun gerichtlich sestgestellt worden ist, daß die Be hauptung des damaligen Majors Kretzschmann, hessische Soldaten hätten im November 1870 in SenS an der Bonne geplündert, auf Unwahrheit beruht, sucht Frau Lilly Braun, die Tochter des nachmaligen Generals v. Kretzschmann, andere deutsche Truppenteile, die diesen Ort nach den hessischen Truppen pausiert haben, der Plünderung zu be schuldigen. Es ist nun wirklich einmal an der Zeit, auch daS Verhalten der Bewohner von Sens und Umgegend während der angegebenen Zeit zu beleuchten. Da finden wir in dem Werke „Die Norddeutsche Feldpost während des Krieges mit Frankreich in den Jahren 1870—71" folgendes: 11) Feindliche Angriffe auf die Feldpost re. Eine andere, am 14. November von Villeneuve-llArchevsque nach Sens abgelassene Feldpoftkolonne, welche außer einer zahl reichen Korrespondenz Geldsendungen ün Betrage von 6231 Talern mit sich führte und für daS H. Armeekorps bestimmt war, wurde unweit SenS überfallen und genommen. Die gesamte Bedeckung»- Mannschaft, mit Au-oahme eine» Kavalleristen, der sich rettete und von dem Vorfälle Anzeige erstattete, wurde teil» nieder gehauen, teil- gefangen genommen. Der mit in Gefangenschaft geraten» Postbegleiter und der Postillon wurden erst nach dem Friedensschlüsse wieder au-geliefert. Dem letzterwähnten Trans porte war bereit» et», ebenfalls für da» H Armeekorps bestimmter aus drei Wagen bestehender PLckereitran-port vorauSgegangen, welcher am 14. November abend» in die durch deutsche Truppen noch nicht besetzte Stadt Gen» einfuhr nnd dort von wütenden Volksmassen umringt und angegriffen wurde. Der Postkondukteur Bodensohu verteidigte, unterstützt von der au» drei Kavalleristen bestehenden BedeckungSmaunschaft, die ihm anvertraute Ladung auf da- Aenßerste, ward aber schwer verwundet und nebst feinen Begleitern gefangen genommen. Mit Hülfe der am Tage darauf in SenS einrückenden Truppen deS IX. Armeekorps wurde» die Gefangenen demnächst befreit und zwei der gerankten Wagen zurückerlangt; der dritte Wagen nebst Ladung ließ sich nicht wieder auffinden. Dem gen. Bodensobn ist für sein tapfere» Verhalten daS eiserne Kreuz zweiter Klasse am schwarzen, weißgeründerten Bande Allerhöchst verliehen worden." In dem Werke: „Wie wir unser eisernes Kreuz erwarben" ist übrigens der Vorgang in SenS von Bodensohn selbst geschildert. Kretzschmar hat anscheinend von diesen Angriffen auf deutsche FelvposttranSporte, deren Begleiter unv Be- deckungSmannschaften von nicht uniformierten Banden oder wütenden Volksmafsen teils medergebauen, teils verwundet, teils gefangen genommen worben sind, sowie von den geraubten Postsendungen nichts geschrieben. Es berührt eigentümlich, daß ein Generalstabsoffizier eines Armee- OberkommandoS von solchen wichtigen Vorkommnissen, wie d»eS die Ueberfälle auf Feldposten und die Wegnahme von Feldposttransporten mit wichtigen Dienst- und zahlreichen Privat - Korrespondenzen doch wohl sind, nichts in den Briefen an seine Gattin erwähnt, dagegen von einer Plünderung hessischer Solvatcu in Sens, also von demselben Orte, wo die Ueberfälle stattgefunden haben, be richtet, und zwar, wie jetzt die Gerichtsverhandlungen er geben, in völlig unrichtiger Weise. Jedenfalls bat Kretzsch mann über die Vorgänge in SenS, die sich nach den Ueber- fällen beim Nachforschen nach dem geraubten Postwagen und der sonstigen Postsendungen, bei der Befreiung der Ge fangenen unv bei der Eintreibung der Kontribution abgespielt haben, aufgebauschte und unwahre Mitteilungen von dritten Personen gehört, und dies dann an seine Gattin ohne nähere Prüfung des Sachverhalts geschrieben. Es wäre im Interesse der Ehre der deutschen Kampier aus großer Zeit wirklich der Mühe wert, wenn unter ven noch lebenden alten Sol daten eine Umfrage gehalten würde, um die Vorgänge in Sens in jeder Hinsicht erschöpfend aufzuklären. * Tie Lan-esvcrratSsache Barkemeyer. Die Verhaftung des Vorstehers ves Geheimbureaus an der Germania-Werst in Kiel muß doch auf einen Landesverrat zurückgeführt werden, denn die Akten in dieser Sache sind nunmehr dem Ober reichsanwalt überliefert worden. Wre man in Er gänzung der telegraphischen Meldungen deS weiteren aus Kiel unter dem 4. ds. schreibt, fehlen auf der Germania-Werft nicht nur Konstruktionszeichnungen für Unterseeboote, sondern man vermißt auch Pläne für die Linienschiffe „Braunschweig" und „A". Diese beiden Schiffe stellen bekanntlich einen völlig neuen Typ dar. Linienschiff „Braun schweig" ist bereits von der Marine adgenommen und hat vor kurrem seine Probefahrt erfolgreich bestanden. DaS Linienschiff „k" befindet sich noch im Bau. Es wird voraus sichtlich Anfang oder Mitte November vom Stapel gelassen werden können. Barkemeyer stand seit reichlich 14 Tagen unter Beobachtung der Polizei unv seit dieser Zeit wurde auch feine Korrespondenz polizeilich geöffnet. Auf Grund der hierbei erfolgten Feststellungen erfolgte dann seine Verhaftung. Der Angeschuldigle bestreitet nach wie vor jegliches Ver schulden, und behauptet, daß ein anderer der Täter sein müsse, wobei er daraus hinweist, daß Anfang August, als er sich auf Urlaub befand, auch eine Zeichnung ver schwunden ist. * Wechselt« Gouvernement Kiautschau? Während offiziös gemeldet wurde, daß der Kapitän z. S. v. Semmern nur ver tretungsweise die Geschäfte des beurlaubten Gouverneurs von Kiautschau, Truppel, führen und nach Ablauf des Urlaubs an Truppel zurückgeben werbe, behauptet eine Korrespondenz, man nehme an, daß v. Semmern endgültig Nachfolger des Herrn Truppel werde. Wir glauben dies nicht. Auf Grund direkter Beziehungen können wir versichern, daß Kapt. Truppel sich in die Verwaltungsgeschäfte von Kiautschau so gründlich hineingearbeitet hat und sich derartiger Beliebt heit dort erfreut, daß man an maßgebender Stelle sein Scheiden von dort nur höchst ungern sehen würde. S Berlin, L. Oktober. * Ter RetchShauShaltSetat 1905. Die Vorarbeiten für die Ausstellung der einzelnen Teile deS ReichshaushaltSetatS auf 1905 sind an der zuständigen behördlichen Stelle soweit gefördert worden, daß mit eiuer Einbringung der EinzeketatS an den BundeSrat spätestens zu Anfang des nächsten Monats gerechnet werden darf. Bis zum Schluß de- November- hat daun der BundeSrat Zeit, sich mit dem Etat zu beschäftigen, so daß al» sicher anzuaehmeu ist, der Reichstag werde bei seiuem Wiederzusammentritt den Etat für 1905 vorfinden. Hoffentlich erfahrt der Etat im Reichstage selbst eine Be- Handlung, die seine rechtzeitige Fertigstellung ermöglicht. Der Etat für 1903 wurde dem Reichstage erst gegen Mitte Januar vorgelegt. Trotzdem kam er vor dem 1. April zu Staad«. Der Etat für l904 wurde iu erster Lesung noch vor Weihnachten erledigt, die zweite uud dritte Lesung nahmen jedoch, obschon inzwischen nur wenige andere Ent würfe beraten wurden, einen so langwierigen Verlauf, daß der Etat erst lange nach dem 1. April erledigt wurde. Der Hoffnung, daß mit dem Etat für 1905 nicht AehnlicheS verkommen wird, darf wohl umso eher Ausdruck gegeben werden, als im nächsten Jahre die Osterfeiertage in die zweite Hälfte April fallen, durch die Osterferien im Reichs tage allo die für den Etat anzuwendeude Beratungszeit nicht gekürzt werden wird. * Tte deutsche Akademie in Pose«, die in der Danziger technischen Hochschule eine Partnerin iu ihrem Kampfe gegen den Polonismus erhalten hat, war im letzten Sommersemester von 825 Personen besucht. Darunter waren 496 Männer, 148 verheiratete und 181 unverheiratete Frauen. Der Kon fession nach scheiden sich die Besucher der Akademie in 403 Protestanten, 154 Katholiken, 206 Juden und 62 Personen ohne Angabe der Konfession. Vertreten waren fast alle Be rufe, auf deren Mitglieder die i» den Satzungen der Akademie ausgesprochene Voraussetzung zutrifft, daß sie die Vorlesungen mit Nutzen hören können. So waren unter den Hörern 49 Offiziere, 49 höhere und mittlere Beamte, 37 Aerzte, Chemiker, Ingenieure usw., 203 Lehrer, 44 pro testantische und katholische Theologen, 120 Industrielle und Kaufleute usw. Offiziös wird dazu geschrieben: Daß die Beteiligung von polnischer Seite gegenwärtig noch gering ist, kann nicht Wunder nehmen, wenn man sich der herabsetzenden Angriffe erinnert, die fortgesetzt gegen die Dozenten und Einrichtungen der Anstalt gerichtet wurden und noch gerichtet werden. Wenn aber die polnische Presse auf die geringe Zahl polnisch sprechender Hörer hinweist, um zu zeigen, daß die Anstalt ihren Zweck verfehlt habe, so ist dagegen zu sagen, daß die Akademie keineswegs den Anspruch macht, der lebenden Generation der Polen deutschen Geist einzuimpfen und ihnen eine höhere Wertschätzung deutscher Kultur und Bildung beizubringen, sondern, wie es in den Satzungen heißt, ausersehen ist zur Förderung des geistigen Lebens unter den Deutschen in den Ostmarken an ihrem Teile und nack Maßgabe ihrer Kräfte beizutragen. In Anbetracht dieser Ziele, die die Akademie verfolgt, ist im Gegenteil darin, daß Angehörige aller Berufsklassen sich an den Vorlesungen be teiligen, ein wertvoller Erfolg zu erblicken. Entwickelt sich die Akademie in derselben erfreulichen Weise weiter, so dürste eine sichere Garantie gegeben sein, daß die Akademie ihren Hauptzweck, die Deutjchen aller gebildeten Stände zu sam meln und zum Kamps gegen den Polonismus zu vereinigen, vollauf erfüllen wird. * Tte Ernennung -es Herrn v. Loebell zum Chef der Reichskanzlei veranlaßt die „Kons. Korr.", dem scheidenden bisherigen Parleimitgliede folgendes glänzende Abgangs zeugnis auSzustellen: Wir können uns nicht versagen, unser großes Bedauern darüber auszusprechen, daß die konservative Partei infolge der Berufung des Herrn v. Loebell zum Chef der Reichskanzlei ein Vorstands mitglied verliert, das mit großer Umsicht und Tatkraft, sowie mit unermüdlichem Fleiße erfolgreich bestrebt gewesen ist, die Sache des Konservativismus zu fördern und die Organisation der Partei aus- zubauen. Die konservative Partei wird Herrn v. Loebell für sein opferwilliges Wirken jederzeit dankbar fein und ihm immerdar ikr volles Vertrauen erkalten. * Ter Ostmarkcnverein und Prof. Telbrück. Der seit dem September 1902 schwebende Beleidigungsprozeß des Deutschen Ostmarken-VereinS gegen den Professor Delbrück ist durch Vergleich erledigt. Professor Del brück erklärte: „Unter Bezugnahme ans meinen Artikel im 109. Band der „Preußischen Jahrbücher" wiederhole ich hiermit die bereits von Anfang an vor Gericht abgegebene Erklärung, daß ich nicht habe behaupten wollen, daß der Deutsche Ostinarken-Verein selbst ein Spionage, oder Denunziersystem eingerichtet oder veranlaßt hat. Wenn eine andere Auffassung meiner Ausführungen Platz gegriffen und die Mitglieder deS Deutschen Ostmarken-VereinS sich dadurch beleidigt gefühlt haben, so stehe ich nicht an, darüber mein Be- dauern auszudrücken." Diese Erklärung soll in den „Preußischen Jahrbüchern" zum Abdruck gelangen. * Bom Heeres- un- Marine-Etat. Es darf als sicher angesehen werden, daß bei der Aufstellung des ReichShauS- haltSetatS für 1905 die Mariueforderungen keine Schwierigkeiten machen. Dagegen verursachte die Krage der Deckung neuer Ausgabeforderungen für da« Heerwesen Er wägungen, die noch nicht zum Abschluß gekommen sind. Der Feuilleton. kiik kniien heißt die neue Beilage, welche das Leipziger Tageblatt" einem Leserkreise beut« zum ersten Make bietet. Vas „Leipziger Tageblatt" ist die einzige Zeitung Leipzig» welcbe die Interessen der Frauen unter der re daktionellen Leitung einer in der Frauenbewegung siebenden Persönlichkeit nachdrücklich vertreten wird. I»de gebildete Frau lese die neue Beilage des ^Lripyger Tageblattes", welcke von beute ab jsiieii llmnierttsg Theater. * Bo« KündigunsiSrecht des Schauspieler«. Eine für Theatcrverträge wichtige Emscheidung hat kürzlich das Per- liner Landgericht gefällt. Die Direktion einer Ber liner Bühne hatte mit dem Charakterdarsteller M. einen Ver trag auf Grund der allgemein üblichen gedruckten Formulare geschlossen, die der Direktion eine tägliche vierwöchige Kündigung, sowie ein weitere» Prolongationsrccht Vor behalten, während für das engagierte Mitglied ein Kündi - gungSrechtso aut wie ausgeschlossen ist. Unter Nichtachtung dieser Vertragsbestimmungen hatte M. ein Engage ment in Nürnberg angenommen was die Direktion der Ber liner Bühne veranlaßte, gegen M. eine einstweilige Verfügung zu beantragen, die ihm das Auftreten in Nürnberg bei Ver meidung einer Geldstrafe von 1200 für jedesmaliges Zu widerhandeln untersagen sollte. Ter Vertreter der kläqerischen Direktion machte geltend, daß an dem klaren Wortlaut de» Vertrages nicht zu rütteln ser. Der Vertreter des Beklagten dagegen führte au», daß der zwischen den beiden Parteien ge schloffene Vertrag gegen die allgemein geltenden Grundsätze der Moral verstoße. Es sei einfach unsittlich, wenn der wirt schaftlich Stärkere die Ueberniacht seine» Kapitals dazu miß brauche, mit dem arbeitnehmenden Schwächeren einen Vertrag zu schließen, der in seinen Bedingungen für beide Teile so überaus ungleich sei. Ter Niederschlag dieser allgemeinen Sittlichkeitsauffassung finde sich bereits in ven neueren Bestim- mungen des Handelsgesetzbuches, sowie der Gewerbeordnung, die vvrschreiben, daß die Kündigungsfrist für beide Vertrag schließenden gleich sein müsse. Diesen Ausführungen schloß sich das Landgericht an, indem e» bei her Urteilsverkündung au», drücklich hervorhob, daß der Vertrag, der das Kün- digungSrccht in so ungleicher Weise regle, als ungültig und nichtig anzusehen sei. Ter Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde zu- rückgewiesen und die klägertsche Direktion in die Kosten de» Verfahrens verurteilt. — Recht so! Oscar Blumenthal bat seinem neuen vieraktigen Drama „Der tote Löwe", da- Mitte diese» Monat» durch den Verlag von F. Fontane und La. der Orffentlichkeit übergeben wird, die folgende Vorrede vorauSgeschickt, welche manche bisher in di« Orffentlichkeit gedrungenen Mitteilungen über den Stoff de» Werks ergänzt und richtigstellt: „Da» vorliegende Drama spielh wie da» Personenverzeichnt» behauptet, im vierzehnte» Jahrhundert. Mer schon in den ersten Scenen wird man erkennen, daß das Werk mit den großen Fragen und Sorgen der Gegenwart in un- erhillltem Zusammenhang steht und daß der Konflikt des König» .Rarco von Kastilien mit seinem ergreisten Ratgeber, dem Herzog von Oliveto, an unverjährbare Ereignisse mahnt. Je freimütiger ich diese Tatsache aber hervorhebe, um so nachdrücklicher müßte ich mich dagegen wehren, wenn man in diesem Werk etwa ein Schlüssel- drama erblicken wollte, in welchem die Personen nicht sich selbst bedeuten, sondern nur die Pseudonymen Vertreter von zeitgeschicht- lichen Gestalten sind. Nicht Identitäten wollte ich bieten, sondern nur Analogien aufzeigen; nicht wiederholen, sondern nur an- ktingen; und zwar mit dem verbrieften Recht des geschichtlichen Dramas, das in freier Fügung aus Wirklichkeit und Erfindung seine Zellen baut. Ich wollte die Tragödie des ruhmvollen Alters schreiben, das an der tatenfrohen Jugend zerbricht; das Geschick eines Starken zeichnen, der an der Loslösung aus seinem Lebens werk zu Gruiide geht . . . Und wenn meine Hörer die Frage ent scheiden werden, wie weit mir die Bewältigung de» Problems gealückt ist, so werden sie ihr Urteil au» dem Eigenleben meine» Werkes schöpfen müssen, aber sie dürfen e» nicht an Urbildern und Vor gängen messen, welche in den Schicksalskreis diese» Dramas nur aus der Ferne ihre großen Schatten werfen. Oscar Blumenthal." L Eine Shakespeare-Woche tu Lon-on. Man schreibt uns au» London: Infolge der Bemühungen de» bekannten Londoner Schauspielers Beerbohm Troo ist e» endlich gelungen, für das nächste Jahr eine Shakespeare-Woche und zwar in der Woche de» 23. April zustande zu bringen. Es werden in zwei Vorstel lungen täglich die Werke de» größten englischen Dramatiker» mit einem ganz gewaltigen Aufwand an Dekorationen zur Aufführung gelangen und die hervorragendste» englischen Künstler werden sich beteiligen. v. Sarah Vtruhardt trifft demnächst au» Paris mit ihrem Schauspielensemble zu einem mehrtägigen Gastspiel in Halle a/S. ein. ' «eraaretr Ur«<er, «m Lewztger Mud, hat am Ltabnheater tn Zwickau tchöne -rtola» zu verzeichnen »le „Zwickauer Neu ft. Nachr." srdretben üder die Darftelluna de« Äretchen« durch die tuns« ftünftlertn: .Yrüulrtn vraoer« »reichen «ar «tn« ausgeglichene, tn sich abgerundete Stiftung. Di» Künstlerin versteht e«, da« ganz« iftegtster leidenschaftlicher und inniger Düne >u ziehen." Krrrrst. Ta» «eue Kaiser Friedrich-Museum i» Pose« wurde, wie un» telegraphisch mitgrteilt wird, am Mittwoch Mittag in Anwesenheit der Behörden uud zahlreicher Festtetlnehmer eröffnet. Musik leitete die Feier ei». Alsdann richtete Oberpräsident Waldow eine Ansprache an di« Versammlung und verlas da» Glückwunschtelegramm des Kultusministers Dr. Studt. Nach ihm wars Landeshauptmann DziembowSki i» längerer Rede einen Rückblick auf di« Begründung uud Entstehung da» Museum» »ud wie» darauf hin, wie da» Streben der Hohenzollern stets darauf gerichtet gewesen sei, Kunst nnd Wissenschaft zu fördern. So ver danke auch die Provinz Posen der Initiative des Kaisers die Be- gründuna der Bibliothek, der Akademie und schließlich des Museums. Redner schloß mit einem begeisterten Hoch auf den Kaiser, dem die Provinz so viele Wohltaten verdanke. Nunmehr hielt der Direktor des Museums, Dr. Kämmerer, die Weihrede, die den Beschluß der Feierlichkeit bildete. 8 Von den Kirchen Nürnbergs. Man schreibt uns: Die St. Lorenzkirche zu Nürnberg, die nebst vielen anderen Kunstschätzen das wunderbar schöne steinerne Sakra mentshäuschen von Adam Kraft und die herrlichen Holz schnitzereien von Veit Stoß beschirmt, wird einer umfas senden Erneuerung unterzogen. Eine Anzahl von äußeren Strebepfeilern wird aus^edeffert, die durch das Weiter von Jahrhunderren zerstörten Stcinmasien herausgenommcn und durch neues Gestein ersetzt. Nachdem der nördliche Turm —- der 1865 infolge eines Blitzschlages abbrannte — bereits früher neu hergestellt worden war, wird nun auch der südliche umgebaut und zum Teil mit vergoldeten Ziegeln gedeckt wer den. — Die St. SebalduSkirche, mit dem weltbe rühmten Meisterwerke von Perer Vischer, dem Sebaldus-Grabe, wird im Innern nach der alten Weise wieder hergestellt. Auch der historische große RathauSsaal mit dem von Albrecht Dürer nach PirkheimerS Angaben gemalten Triumph zuge des Kaisers Maxmilian I. wird in umfassender Weise er neuert. Alle diese Arbeiten an den berühmten Bauwerken Nürnberg werden im Hinblick auf die N ü r n b e rg e r Jubi läums-Ausstellung 1906 gefördert, so daß sie bei Be ginn der großen Ausstellung des bayerischen Jubeljahres voll endet sein werden. * Ein Eo«S»ie Frantzatse-Museum ist da» Neueste, was Pariser Geist ersinnt. Schon lange empfindet man es schmerz lich, daß die zahllosen Kunstschätze der Comedie nicht besser zur Geltung kommen, obwohl in ihnen ein historischer Kunstschav ruht, der, gut geordnet und geschmackvoll vereint und gruppiert, ein Museum füllen könnte, das den Vergleich mit dein Londoner Museum des Garrick-KlubS nicht zu scheuen brauchte. Seit dem Bestehen der klastischen Bühne Frankreichs sind die besten Dichter unv Schauspieler dcS Hause» stets von den ersten Künst lern Frankreich» porträtiert und in Stein gemeißelt worden, von Corneille, dem Dramatiker de» 17. Jahrhundert», bi» zu Mounet-Sully. dem Schauspieler von heute. All diese Kunst werke aber sind jetzt verstreut auf die Foyers, die Gänge und Winkel de» House», auf die Probesale und die Zimmer de» Direktor», wie der Künstler, und vieles, viele» würde noch aus Privatbesitz hinzukommen, wenn man das Ganze in einem großen Raume vereinen könnte zu ernem Moliäre-Museum.
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