Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041010014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904101001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904101001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-10
- Monat1904-10
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
stattete dem Minister des Aeußeren, Grafen Go- luchowski, einen tangeren Besuch ab. — Die „Neue Freie Presse" setzt aus diesem Anlaß ihre Dreibund-- serie fort. Sie wiederholt feierlich, daß die auswärtige Politik Otsterreich-UngarnS weit davon entfernt sei, eine expansive zu sein und am Balkan auf Laaderwerb aus zugeben. Sie sei rechtschaffen auf die Erkaltung deS Llatm» cxno bedacht, und nicht bloS in der seinerzeit ge troffenen Abmachung mit Viscontl-Venosta habe sie die- dokumrntiert. Später, als Oesterreich-Ungarn gemeinsam mit Rußland sich dem Reformwerke in den drei euro päischen BilajetS der Türkei unterzog, sei in Wien und Mürzsteg die Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit der beiden Reformmachte feierlich versichert worden. Den antiöster reichischen Demonstrationen und Agitationen in Italien sei dadurch nicht gesteuert worden, vielmehr habe man durch die Zusammenziehung von Truppen an der österreichischen Grenze ermutigt und genährt. All diese „Trübungen" und „Miß- verstänvniffe" hofft die „N. Fr. Pr." verschwinden zu sehen; sie erblickt auch in der militärischen Einberusungsordre nur eine ru billigende Maßregel GiolitliS, der sich eine verläß liche Majorität auch für seine innere Politik erhalten wolle. * Der AntialkodoltSmuS vor dem Forum Rieveröstcr- reichs. Im niederösterreichischen Landtag stellte am Frei tag der große Bielohlawek als Referent deS Finanzausschusses den Antrag, dem Ersuchen des katholischen Mäßigkeits verein- für Oesterreich und des Priester-AbstinentenbundeS um Subventionierung werde keine Folge gegeben. Der Tribun äußerle hierzu folgende«: „Wenn die Wissenschaft mir ihrem Latein zu Ende ist, kommt sie mit Spuckrrücherl und Antialkoholbewegung. (Heiterkeit.) Die Bewegung gegen den ÜltoholiSmuS in toto erlläre ich für eine Eselei. In Mengen muß man ja Bier und Wein nicht saufen, aber in mäßigen Quantitäten genoffen, schabet die Geschichte nicht. Man darf eben nichts übertreiben. Unmäßigleit schadet überall. Wenn einer „20 Liter Milch oder Wasser sauft, wird er auch hin". Diese ciceronische Leistung blieb nicht unbelohnt. Bei der Abstimmung wurde die Subvention verweigert; irgend ein klerikaler Verein wird sie erhalten. * Fehlschlag der deutsch tschechischen Verhandlungen. Was zu erwarten war, tritt ein. In der „N. Fr. Pr." erklärt ein deutscher Abgeordneter, daß die am Dienstag abends fortzu setzende Konferenz ganz resultatlos verlaufen werbe, ba Dr. Pacak die strikte Erklärung abgegeben habe, baß sich die tschechischen Abgeordneten für ihr Verhalten im Reichsrate vollständig freie Hand Vorbehalten müßten. Den deutschen Abgeordneten, sagte der Gewährsmann, bleibe nichts anderes übrig, als bei ihrer bisherigen Taktik zu beharren und die Obstruktion im Landtage sortzufetzen. Dieser Stanbpunlt wirb in einer gemeinsamen Erklärung sämtlicher deutschen Parteien zum Ausdruck gebracht werben. Die Tschechen haben das wohl vorausgesehen. Frankreich. * Zur DreyfuS-Affaire. Die Untersuchung gegen die vier verhaftet gewesenen Mitglieder des alten Generalstabes, den Obersten Rollin, den Verwaltungsosfizier d'Autriche, sowie die Hauptleute Francois und Maröchal, ist nach einer Prwatdepesche der „N. Ar. Pr." abgeschlossen. Es wird ein Einstellungsbeschluß erfolgen. Dieser Beschluß, das Ver fahren einzustellen, ist für die Äffaire Dreyfus von größerer Bedeutung, als es die Erhebung der Anklage hätte sein können; denn die Einstellung der Untersuchung erfolgt nur deshalb, weil bewreien ist, daß die Entnahme des Be trages von 25 000 Francs aus den Kassen der Geheimfonds, sowie die Fälschung der Kassebücher und Belege mit der Affäre Dreyfus in Zusammenhang stehen und diese Ver brechen daber durch das Amnestiegesetz gedeckt sind. In der Untersuchung gegen die vier Offiziere wurde der gerichts ordnungsmäßige Beweis hergestellt, baß die 25 090 Francs für die Bestechung von Zeugen im Prozeß von Rennes ver wendet wurden, insbesondere für die Auslage Cernuclys. Spanien. * Ein Tchlachtgefild. Aus Madrid ist der „Voss. Ztg." geschrieben worden: Bilbao, dessen eigentümliche Zustände so packend geschildert werden in dem neuesten Roman „El Intruso" von Blasco Ibanez, dem spanischen Zola, ist die Stadt der grellen Gegenfätze; hier haben gräuliches Elend und fabelhafter Reichtum, Klerikalismus und Aufklärung, Reaktion und Fortschritt, glühender Patrio tismus und zähe Loslrennungsbestrebungen Vertreter und Anbänger. Es ist eine ernste Sache, wenn diese Gegenfätze gewaltsam aufeinander uoßen. Ein solcher Kon flikt scheint nun am nächsten Sonntag bevorzusteben. Die reaktionären Elemente, Karlisten, Separatisten und Ultramontane aller Schattierungen, an deren Spitze die Jesuiten stehen, wollen Heerschau über ihre Streitkräfte ab- balten und zu dem Zwecke eine Prozession veranstalten zur Schutzpatronin Biskayas, der Jungfrau zu Begona. Im vorigen Jahr gab eine ebenfolche Prozession zu großen Ruhestörungen Anlaß. Zwischen Klerikalen und Anntlerilalen kam es zu furchtbarem Handgemenge. Hunderte von Schüssen wurden gewechselt und zahllose Personen verwundet. Die klerikalen Zeitungen Bilbaos, voran die fanatische „Gaceta del Norte", fordern ihre Leser auf, wie ein Mann für die Sache der Religion einzutreten; nur wehrhaft« Männer, die fähig seien, ihren Anschauungen Achtung zu verschaffen, müßten an der Prozession teilnehmen. Der Militärgouverneur von Bil bao, General Soler, hat erklärt, er werde es nicht zulassen, daß die Truppen wie sonst bei der Prozession Spalier bilden. Der General verfügt zur Zeit über zwei Infanterieregimenter und ein Kavallerieregiment. Rumänien. * Der Handelsvertrag mit dem deutschen Reich. In einem Teil der SonntagSauSgabe haben wir das Faktum ge meldet, das ein Bukarester Telegramm der „Köln. Ztg." folgendermaßen resümiert: „Der Handelsvertrag mir Deutfch- lanb ist heute vom Minister deS Aeußern Bratianu und dem deutschen Gesandten v. Kiderlen-Wächter unterzeichnet worden." CS sei hier angefügt, baß vom Bülowschen Handelsvertragswerk nur in der Hauptsache noch die Schweiz, wo besonders schweizerische Maschinen, Seide und Baumwoll waren deutscher Konfektion Schwierigkeiten bereiten sollen, und Oesterreich-Ungarn auSstehen. Leiprlger -ilngelegenbetten. * Leipzig, 10. Oktober. * Das Kaufmannsgericht der Stadt Leipzig wird, dis Zustimmung der Stadtverordneten zu dem vom Rate de- reits genehmigten Ortsstatut vorausgesetzt, mit Beginn Les Jahres 1905 in Tätigkeit treten. Nach dem Orts statut, das vom Dezernenten Herrn Stadtrat Dr. Acker mann aufgestellt ist, besteht das Kaufmannsgericht aus einem ständigen Vorsitzenden und seinen Stell vertretern (als welche der jeweilige Vorsitzende des Gewerbegerichts und dessen Stellvertreter bestellt werden), sowie aus 60 Beisitzern. Die Wahl der letzteren kann vom Rate dem Bedürfnisse entsprechend festgesteüt werden. Die Wahl der Beisitzer erfolgt auf fünf Jahre. Es soll die sog. Verhältniswahl, und zwar mit dem Freilistensystem (Listenkonkurrenz) eingeführt werden. Abgesehen von diesem veränderten Wahlsystem finden auf das Kaufmannsgericht die für das Gewerbegericht geltenden Bestimmungen ent- sprechende Anwendung. Die Einsetzung des Wahlvor- stanües, Anberaumung der Wahlen und Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgt erstmalig durch den Rat. Wie wir vernehmen, soll die Wahl der Beisitzer schon gegen Mitte November stattfinden. -t. Stiftunnswesen. Aus der W e in l i g - S t i f - tung, zum ehrenvollen Andenken an den Ministerial direktor Geh. Rat Dr. Weinlig, sollen zur Unterstützung würdiger und bedürftiger Schüler an Bildungsanstalten für Handel und Gewerbe im Königreiche Sachsen etwa 660 Zinsen in Beträgen von sechsmal 100 und ein mal 60 vergeben werden. Bewerbungsgesuche sind unter Beifügung eines von dem Bittsteller selbst geschrie benen Lebenslaufes und von Zeugnissen über Bedürftig keit und Würdigtest bis zum 15. November d. I. bei der Kanzlei des König!. Ministeriums des Innern einzu reichen. — Auch die Preusker-Stiftung zu Großenhain hat sie en Stipendien im Gesamtbe träge von 500 zu vergeben. Bewerbungsberechtigt sind junge bedürftige Leute, die ein Handwerk praktisch er lernt haben und zu ihrer weiteren Ausbildung eine tech nische Schule Sachsens besuchen und sächsische Staats bürger sind. Gesuche sind bis längstens den 31. Oktober d. I. an die Verwaltung der Preusker-Stiftung zu richten. * Als eia Stiefkind der Stadt Leipzig fühlt sich der Stadtteil Schleußig. Der Leipziger Mieterverein hält am nächsten Mittwoch, 12. Oktober, abends Vrd Uhr in Schleußig im Vereinssaal der Schrebergärten (Kön neritzstraße) eine Einwohnerversammlung ab, in der Herr Lehrer Zschommler über das Thema: „Wann wird Schleußig in seinen Einrichtungen den übrigen Leipziger Stadtteilen gleichgestellt?" sprechen wird. Bei der Wichtigkeit des Thenias ist zu erwarten, daß die Ver- sammlung zahlreich von Mietern und Hausbesitzern be sucht werden wird. * Rekruten wollen vor ihrem Eintritt zum Militär die Aufbewahrung der bei den Krankenkassen hinterlegten Ourttungskarten der Jnvaliditäts- und Alters- Versicherung nicht vergessen, da diese Karlen nach be endeter Militärdienstzeit bei Wiedereintritt in ver sicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse wieder gebraucht werden. Sorgfältige Aufbewahrung erspart für spätere Bedarfsfälle unnötige Laufereien, Schreibereien und obendrein indirekte Kosten. * Schneller Tod. Gestern vormittag wurde in der Simsonstrvße ein in der Iorkstraße wohnhafter 61jähriger Arbeiter von einem Herzschlage be troffen und verstarb auf dem Transporte nach der Sanitätswache. * Selbstmord. In ihrer Wohnung in der Mölkauer Straße in Reudnitz hat sich gestern früh eine 28jährige Steinmetzehefrau wegen körperlicher Leider er hängt. * Unfälle. Am Roßplatze fiel die 6 Jahr alte Tochter eines hiesigen Monteurs über die Promenadeneinfrie digung und erlitt einen linksseitigen Schlüsselbeinbruch. — Am Windmühlenwege wurde ein .Handarbeiter aus Lindenthal von Krämpfen befallen, schlug mit dem Kopfe auf die Straße auf und erlitt derartige Verletzungen, daß er in ärztliche Behandlung genommen werden mußte. Regelmäßige Leibesübungen werden oft auch älteren Herren von Aerzten empfohlen, doch ist es nicht jedermanns Sache, sich im vorgerückten Alter in den strammen Turnbetrieb einer Männer abteilung hineinzufinden. Dagegen lockt eine gewisse Abgeschlossen- heit, geeignete Wahl von leichten Uebungen und verständnisvolle Leitung gar oft zur Teilnahme. Wir verweisen Freunde des Männrr- turnruS aus die Anzeige des Allgemeinen Turnvereins. Turnerstr. 2, der in seinen Sonberabteilungen eine große Zahl älterer Mitglieder von seltener körperlicher Rüstigkeit aufweist. Vereine und Versammlungen. U Die Tischler und Maschinenarbeiter der Bilderrahmen branche nahmen in einer am Sonntag im „Koburger Hof" ab- gehaltenen Versammlung die Antworten auf ihre den Arbeitgebern unterbreiteten Lohnforderungen entgegen. Nur eine Firma hatte die Forderungen teilweise bewilligt und davon der Organisations leitung Mitteilung zukommen lassen, während die übrigen Geschäfte eine Zusage überhaupt nicht gegeben haben. In einer längeren Debatte, in der das Verhalten der Arbeitgeber trotz der günstigen Geschäftskonjunltur abfällig kritisiert und be merkt wurde, daß die Löhne der Bilderrabmenarbeiter seit fünf Jabren eine Aufbesserung nicht erfahren hätten, wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: „Die im „Koburger Hof" versammelten Tischler und Maichinenarbeiter der Bilderrahmenbranche bedauern, daß die Mehrheit der Arbeit geber es nicht sür nölig gefunden hat, eine Antwort auf die übersandten Forderungen zu übermitteln, und erklärt die Zu- gesländnisse der Firma Wünsch für nicht befriedigend. Die Ver- lammelten beschließen, am Montag, den 10. Oktober, durch Fabrik- kommisiwnen mit den Arbeitgebern zu verhandeln und die Arbeit nicht früher aufzunehmen, bis eine Erledigung der Forderungen in befriedigendem Sinne und mit Zustimmung der Organisations leitung des Holzarbeiterverbandes erfolgt ist." Mit der Wahl der Fabritkommission wurde die Versammlung geschlossen. Bei der Lohnbewegung kommen etwa 6 Geschäfte mit etwa 80 Tischlern und Maichinenarbeitern in Frage. Kunstkalender für Leipzig. Theater. Leipziger Stadt-Theater. Im Neuen Theater gelangt heute die Operette „Frühlingsluft" zur Ausführung. Morgen wird die unterhaltende Operette „Der Rastelbinber" gegeben mit Frl. Toni Braun, dem beliebten ehemaligen Mitglied unierer städtiichen Buhnen, in der Rolle der Suza als Gast. — Das Alte Theater bringt heute das erfolgreiche Schauspiel „Alt-Heidel berg" und morgen Ohnets „Hüttenbejltzer". — Zu dem ein maligen Gastspiel von Miß Isadora Duncan nächsten Mittwoch unter der musikalischen Leitung des Herrn Professor Nikisch zeigt sich eine derartig starke Nachfrage nach Billets, daß ein aus verkauftes Haus zu erwarten steht, weshalb zu empfehlen ist, sich baldigst Plätze zu sichern; der Vorverkauf findet täglich von 10 bis 3 Uhr im Neuen Theater statt. — Herr Regisseur Hell- muth-Bräm wird der Premiöre des „Toten Löwen" von Oscar Blumenthal am 12. ds. Mts. im Deutschen Schauspielhaus zu Hamburg beiwohnen, Herr Direktor Staegemann der zweiten Ausführung daselbst am 14. dss. Mts. In unserem Stadt theater geht das vielbesprochene Werk bereits kommenden Sonn abend erstmals in Scene. Vereinigte Leipziger Schauspielhäuser. Im Schauspielhaus wird deute Montag, Mttwoch und Sonnabend „Stella und Antonie" wiederholt, und Dienstag und Donnerstag geht Hermann Bahrs „Der Meister" wieder in Scene. Wie bereits mitgeteilt, findet die Erstaufführung von Karl Skraups Schauspiel „Auf Selijewo" am Freitag statt. — Im Theater am Thomasring gelangt heute Montag und Mittwoch der Schwank „In Ver tretung" zur Wiederholung und am Dienstag gastiert Herr C. W. Buller zum letzten Male in „Seine Kammersungfer". Als volkstümliche Vorstellung zu halben Preisen wird am Donnerstag „Die Seebaduixe" gegeben, und Freitag erscheint „Krieg im Frieden" auf dem Spielplan. Sonnabend findet die Erst aufführung von „Nebeneinander", Schauspiel von Georg Hirschseld, statt. Konzerte. Abonnements-Konzerte. Heute abend 7^4 Uhr findet in der Alberthalle das erste der „Neuen Abonnements-Kon zerte" unter Leimng von Bernhard Stavenhagen statt. Bruckners romantische Sinfonie, sowie eine Novität „Nausikaa" (dritter eines aus vier Teilen bestehenden Werkes, dessen erste zwei Teile das Gewandhaus zur Aufführung ge bracht hat) von Bö he aus München bilden die Orchester-Vor träge. Der eminente Geiger Fritz Kreisler wird das Violinkonzert von BrahmS und verschiedene kleinere Stücke von Pugnani, Lorelli usw. vortragen. Kreisler wird in Deutschland nur Leipzig und Berlin besuchen, sich sodann nach England und Amerika begeben. Vortrag. Else Mentzel aus Dresden hat für ihren am Mittwoch, den 12. Oktober im Saale des Hotel de Pruste stattfindenden Vor tragsabend ein sehr interestanres und vielseitiges Pro- aramm ausgestellt. Es ist aus dem heutigen Inseratenteil er sichtlich. Vergnügungen. Im Kristall-Palast-Theater tritt die berühmte Blttzrechnrrin Madame Konorah, welche das Publikum allabenvltch durch ihr kolossales Gedächtnis und ihre Rechenkunst in Staunen und Be- wunvrrung versetzt, nur noch kurze Zeit, im Vereine mit den übrigen, ebenfalls erstklassigen Specialitätrn auf. Nur noch an drei Menden treten die JuughühnelsLnger im Schnyeuhause L.-Tellerhauscn auf. Heute Montag findet nach dem Konzert noch großer Ball statt. ->u; Oer Umgegeilt!. * Leutzsch, 8. Oktober. Im dritten Vierteljahr wur den der hiesigen Wasserleitung 35 755 Kubikmeter Wasser entnommen», gegen 24 037 Kubikmeter im zweiten Vierteljahr d. I.; die Zahl der Anschlüsse ist auf 338 ge stiegen. 8. Liebertwolkwitz, 9. Oktober. Heute fand hier durch Herrn Superintendent v. Hartung- Leipizg die Kirchenvisitation statt. Nach dem Vor mittagsgottesdienste, bei dem der gemischte Kirchenchor eine Motette vortrug, und der Herr Ephorus eine An sprache an die Gemeinde hielt, fand eine Hausväterver- fammlung im Gotteshause statt, in welcher mancherlei Las kirchliche Leben der Parochie berührende Fragen Anlaß zu einer längeren Aussprache boten Hu; Zachzen. * Dresden, S. Oktober. * Uebn das Befinden des Herzogs vorwin zu Mecklen burg wird berichtet, daß heute, acht Tage nach der Ope ration, der erste Verbandswechsel stattfand. Die Wunden beider Kniee waren, entsprechend dem bisherigen fieber freien Verlauf, in bester Verfassung. An dem schwerer verletzten Unken Knie konnte infolge Zurückgehens des Ergusses im Gelenk das eine Trainagerohr weggelassen werden. Schlaf und Appetit sind gut. Bei weiterem zufrieden stellenden Verlaufe ist in gegebener Zeit eine volle Wieder herstellung fast sicher zu erwarten. * Das Amtsgericht Meißen hat als LormuudschaftSbe- hörde die Genehmigung zur nochmaligen Unter suchung des Geisteszustandes der Prinzessin Luise von Kodurg erteilt. O r. Crimmitschau, 8. Oktober. Heute früh starb hier im 74. Lebensjahre der Großindustrielle Fabrikbesitzer Stadtrat Hermann Jllgen. Er war lange Jahre im Dienste der Stadt tätig und hat sich besondere Ver dienste um unsere Freiwillige Feuerwehr erworben, die er mitbegründete und deren erster Kommandant er war. * Plauen i. V., 8. Oktober Im hiesigen Stadt theater wird Montag abend zum erstenmal Beyer- leins „Zapfenstreich" gegeben. Infolgedessen ist sämtlichen Militärpersonen, auch solchen, dre sich nur vorübergehend hier aufhalten, durch Befehl des Garni sonkommandos der Besuch des Theaters für diesen Tag verboten worden. * Adorf, 8. Oktober. Der Neubau unserer nie dergebrannten Kirche ist auf 300 000 veranschlagt. Ceiichtzrasl. Ein weibliches Scheusal vor Gericht. (Vierter Verhandlungstag.) Hamburg, 8. Oktober. Ter Vorsitzende teilt nach Eröffnung der heutigen Sitzung mir, daß an ihn verschiedene anonyme Briefe gelang: seien, und verliest einen derselben, der mit Bahnpoy- Itempel Hannover-Hamburg versehen ist, und der die Mit- teilung enthält, daß im November 1S01 m der Küche der Wiese der Ojen glühend gemacht worden sei und geheimnisvolle Vor gänge sich abgespielt hätten. Weiter heißt es im Briese, daß die Wiese mehr auf dem Gewissen habe, als das Gericht ahne und daß Paula Berkefeld nicht das bemitleidenswerte Geschöpf sei, wie man sie darstelle. In dem Briefe wird auch ein Zeuge namens Albes genannt, der noch mehr auszusagen wisse. Tie Adresse desselben wurde sofort ermittelt und der Genannte Feuilleton. Theater. Stella «nd Antsnie. Schauspiel in vier Akten von Otto Julius Bierbaum. ErfiauifüDrung >m „Letp^ger Lchau- sp,«>yaus" um S. »-lrover »VOi. Es gibt Kritiker, die naiv genug sind, von einem Thealerdireklor zu verlangen, daß er nur gute Stücke herausbringe. Em solches Ansinnen verrät wenig Ver ständnis für die Tinge, wie sie sind. Zudem wird über die Güte eines Stückes erst entschieden, nachdem es seine Premiere gehabt hat, also zu einer Zeit, da die guten Ratschläge dem Nepertoir nicht mehr zu gute kommen rönnen. Wir stehen auf einem andern Standpunkt: der Theaterdirektor soll uns interessante Stücke bie ten. Das Gute ist relativ, das Interessante ist es schon etivas weniger. Wenn uns eine Premiere aus irgend einem Grunde interessiert, sei es, iveil der Stoff neu oder pikant ist, oder weil der Autor einen guten Namen Hal, oder weil einige Künstler hervorragend schöne Rollen in dem Stück zu spielen haben, so hat sich die Direktion in unfern Augen hinreichend legitimiert. Man wird nicht umhin können, eine derartige Auffassung weitherzig und loyal zu nennen. In Wirklichkeit bleiben viele Theater direktoren selbst hinter dieser bescheidenen Forderung zurück. Otto Julius Bierbaums Stück ist deshalb literarisch nicht irrelevant, weil sein Autor als Verfasser des Stilpe" einen mit Recht geachteten Namen auf- weisen kann. Der Satiriker Bierbaum ist ein oanzer Kerl, der Lyriker ist schon anfechtbar, der Dramatiker streift hart die Grenzen des Dilettan- ribinus. Es genügte seinem Ehrgeiz nicht. Lud- ww Thuille das Libretto „Lobetanz" zu schreiben, er ver- iucft sich auch selbständig. Und so wurde er schnell einer der meistverrissenen Autoren. Denn „Stella und An tonie" ist durchweg als ein mittelmäßiges Theaterstück l urteilt worden. Hst schon die Rokokozeit an und sür sich sür den modernen Dramatiker ein nicht ungefährlichem Gebiet, das mit viel Kunst und noch mehr Geschmack behandelt sein will, so mußte sie den mehr lyrisch und episch ver anlagten Bierbaum, der hier am allerbesten dramatisch zu wirken die Möglichkeit halte, geradezu eine Falle wer den. Lieblichen Sentiments und einigen bukolischen Versen zu Liebe verlor er sich in diese Zeit, versuchte sich in sie einzuleben und seine Eindrücke in einem Drama zu kondensieren, das zu alledem einen tragischen Avschluß hat. Bierbaum erschöpft sich dabei völlig als Nachahmer. Wer hat seiner Stella und seiner Antonie nicht Pate gestanden? Ta ist Shakespeares „Hamlet" (1. Akt), Dreyers „Tal des Lebens" (2. Akt) und Lsoncavallos „Bajazzo" (4. Akt). Besonders der Grundgedanke des Treyerschen Schwankes springt sofort in die Augen. Welch ein Unterschied aber ist zwischen der köstlichen, witzgetränkten und geistvollen Burleske Dreyers und dem steifen Puppenspiel Bierbaums, das viel zu flüchtig zu recht gemacht ist, als daß es durch Ursprünglichkeit wirten könnte! Nein: wenn man Bierbaums Stück gegen Dreyers „Tal des Lebens" hält, so verblaßt es geradezu. Als Ganzes mißlungen bietet es dennoch hübsche Einzelheiten. Tas wollüstig-feine Spiel der Komtesse mit Lein armen Lckzauspieler artet besonders im dritten Akt fast zu einem seelischen Sadismus aus und ist in seiner Art vortrefflich geschaut. Die Handlung spitzt sich hier effektvoll zu: der arme Komödiant schmachtet willen los in den Armen der Komtesse, die ihn als Lakaien ver wendet und einen eigenartigen Sinnenkitzel darin findet, diesen Poeten zum Sklaven ihrer Launen zu machen. Stella, die Gattin des träumerischen Komö dianten, sucht mit einer Serenade den geliebten Mann zurückzugewinnen. Sie erreicht es, auch, daß er ihr folgt, im letzten Akt aber erweist sich die vornchme, be rauschende Komtesse als die Stärkere. Stella, wütend vor Eifersucht auf die wollüstige Schöne, ersticht die Nebenbuhlerin und der Komödiant ersticht mit dem phrasenhaften AuSruf: „Ich zu dirl" sich selbst. Dieses Ende nahm das Publikum am Sonnabend nicht ernst. Es kam zu unmotiviert um erschüttern zu können. Und ein Sonntagspublikum könnte es sogar humoristisch nehmen. Bierbaum als Tragiker — daß ich nicht lach'! Wer weiß, wie es dem Dramatiker Bierbaum am Sonnabend ergangen wäre, wenn die Aufführung durch das Hartmannsche Ensemble nicht in feder Beziehung lobenswert gewesen wäre. Fräulein Hilde Ditt- mar zeigte reichste Begabung und eine große schau spielerische Routine. Ihre Komtesse war aufs feinste ausgearbeitct. Das war eine echte Rokokofigur, voll Frivolität und Raffinement, außer Puder, immer ein Luder. Ihr Spiel mit dem armen Idealisten, der in ihren Netzen zappelt, verriet eine starke Beobachtungs gabe. Und vor allem: Fräulein Dittmar sah entzückend aus. Diese großen Augen in dem rosenroten Lärvchen sprachen Romanzen, Balladen und Tragödien zugleich. Wie viel seelenvolle Augen auf der Bühne vermögen, hier konnte man es so recht deutlich sehen. Herr Direk tor Anton Hartmann spielte den Direktor einer wandernden Schauspielertruppe. Er war ganz in seinem Element. Tenn in dieser Rolle durfte er ein mal pathetisch fein, ja er mußte es. Da kam fein natürliches Feuer zu schönster Geltung. Aber auch in den ruhigeren Partien, besonders in der beautL-äe-Itt- Scene im zweiten Akt, wo der Idealist wie ein Ver schmachtender an den Lippen der Angebeteten hängt, traf Herr Hartmann durchweg sicher und geschmackvoll den Ton. Ohne zu übertreiben wirkte er intensiv. Auch Herr Eg geling wartete mit einer hübschen Charge auf. Frau Habel-Hänseler sang und spielte gleich gut. Ihre wenig ansprechende Rolle versah sie mit gutem Erfolg. Die dekorative Ausstattung ließ nichts zu wünschen übrig und zeigte sauberste Tetailarbeit. Das Ensemble ging flott. Dagegen muß über die langen Pansen immer wieder Klage geführt werden. Wenn der literarische Abend auch nicht gerade nach haltige Anregungen zu geben vermochte und Bierbaums Rokoko-Experiment als Ganzes mißlungen sein dürfte, wir wissen es Herrn Direktor Hartmann gleichwohl zu Dank, daß er uns das Drama bescheert hat. Ter Er folg geht auf das Konto Bierbaums, der ehrliche Versuch auf das des Theaterdirektors. Wenn daS Stück auch keine dichterischen Qualitäten auswies, eine quuittfttz llöxlisekdle war es darum doch nicht. kaul 2scbor!Ied. * O D«S Grohherzogliche Hof- und Natioual-Theater in Mannheim beginn am 7. Oktober sein I2bjLhrigeS Jubiläum mit einer Festaufführung der „Räuber'. Mit den vom Hoftheater zu Gotha, das nach seines Leiter- Eckhof Tode aufgelöst wurde, übernommenen Schauspielern eröffnete da- Mannheimer National- theater am 7. Oktober 1779 unter der genialen Oberleitung des Inten- danten Frh.Wolfgang Herihert v. Dalberg mit einem nach Goldoni ver faßten Lustspiel „Geschwind, ehe es jemand erfährt" oder „Der be sondere Zufall" jeinc Pforten. Unter den Schauspielern der vom Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, der im Jahre 1778 auch Kurfürst von Bayern geworden war, ins Leben gerufenen Schau- bühne befand sich u. a. auch das berühmte Dreigestirn Jffland, Beil und Beck. Bon der Eröffnungs-Vorstellung schrieb u. a. Jffland: „Der Kurfürst und das Publikum fanden Vergnügen an der ungeschminkten Wahrheit unserer Vorstellung; sie bewiest,! es uns mit steigender Lebhaftigkeit und Wärme. Diese Aufnahme erhöhte unsere Kräfte." Heribert v. Dalberg war aber auch weiterhin eifrigst bestrebt, sowohl das Kunstinstitut als auch die materielle Lage und gesellschaftliche Stellung seiner Künstler mit allen Kräften zu heben. Seine Lheaterorganisation, sein Be streben, alle Kräfte zu einem harmonischen Ganzen zu vereinigen, sind Goethe in seiner Weimarer Theater leitung vorbildlich gewesen. Eines der bedeutsamsten Ereignisse in der an vielen Ehren reichen Mannheimer Theatergeschichte war vor allem die Erstaufführung der Schillerschen „Räuber" am 13. Januar 1782, über die eia Augenzeuge schrieb: „Das Theater glich einem Jrrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum l Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Tür. Es war eine allgemeine Auflösung, wie im Ehaos, auS dessen Nebeln eine neue Schöpfung herausbricht." Am 1. September 1783 trat dann Schiller seine Stellung als Theaterdichter des Mannheimer Nationaltheaters an. Wenn die fuddeutiche Kunststätte später auch durch den Abgang Jsflands nach Berlin im Jahre 1796 und durch den Rücktritt Dalbergs im Jahre 1803 zu leiden hatte, auf künstlerischer Höhe hat sich das Theater damals wie heute erhalten. Mannheim kann auf seine 125 Jahre Theatergejchichte mit Stolz zurückblickrn. Im Kasseler Hosthealer haben, wie der „Berl. Börs.- Cour." fchreibt, Turarniefss „Gnadenbrot" und Maeter linck- „Schwester Beatrix" bet äußerst glanzvoller Ausstattung und unter Leitung deS neuen Oberregisseurs Detmar zwar ersicht liches Interesse, aber mäßigen Beifall gesunden. Damit begann der EykluS internationaler dramatischer Meisterwerke. Victor Stephany, der Regisseur de» Hamburger Ttadttheaters, Hal vor einigen Monaten ein abendfüllendes Schauspiel beendet: „Alma mater". DaS Stück spielt vollständig im korpsstudentischen Milieu, das der Autor, als alter Korpsstudent, aus eigener, langjähriger Erfahrung ge nau kennt, und schildert das Leben der deutschen Korpsstuden ten mit all seiner Poesie, seinen Leiden und Freuden. In diese» Milieu ist ein rein menschlicher Konflikt gerüitt. DaS Werk, das im Verlage von A. Entsch erscheint, wurde sofort nn Manuskript vom Thaliatheater in Hamburg angenommen und soll dort schon in allernächster Zeit in Scene gehen. ' Der Direktor heS Hamburger St-Sttheater«, Bittoag, ist Sounabeud abend 9 Uhr gestorben.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder