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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040927022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-27
- Monat1904-09
- Jahr1904
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BezugS-PretS t» der Hauprexvedttioa oder deren Ausgabe- stellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitunqspreiSliste. Diese Nummer kostet ML auf allen Bahnhöfen und III I bei den ZeitungS-Berkäusrrn Redaktion und Srpedittou: 153 Fernsprecher 222 JohanniSgasse 8. Filtulexpedittonen: AlfredHahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. S lffernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Satharinen- strabe 14 (Fernsprecher Nr. 2935) u. KöuigS- platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden. Marienstroße 34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuckbandlg., Lüyowslraße lOlFernsprccherAmtVI Nr.4M3). Nr. 49L Abend-Ausgabe. UMMrIagMatt Anzeiger. Ämtsökalt des Königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -es Nokizciamtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 27. September 1904. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedaktionSstrich («gespalten) 75 nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zissernsay entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 Auuahmrschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Eerlra-Veilagrn «gefalzt), nur mit der Morgen-Abgabe, ohne Bostbeförderung ./t 60.—, m't Poslbeförderung 70.—. Anzeigen sind sie.» an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von 8. Pol; in Leipzig (Ar.h. vr. B„ R. k W. Klinkhardt). 88. Zahrgansi. Var WiMgrte vom Lage. * Die Ursache der Erankung unseres Königs ist in der Hauptsache durch krankhafte Veränderungen der Herz- und großen Körperschlagadern bedingt. * Der italienische Ministerpräsident Giolitti ist heute früh zum Besuche des Reichskanzlers Grafen Bülow in Homburg v. d. H. ein getroffen. * Die Japaner eroberten die Bergwerke von Iantai bei Mukven, dagegen soll ihr letzter Angriff auf Port Arthur zurückgeschlagen worden sein. (S. Letzte Rachr.) * In Mulden beginnt man an der Möglichkeit eines Winterfeldzuges wegen Mangels an Lebensmitteln ;u zweifeln. (S. Letzte Nachr.) Spar; bei Seite! Ms diejenigen Mitglieder der Berliner Journalistik, welche den Verkehr zwischen der Presseabteilung des Aus wärtigen Amtes und den Tageszeitungen der Reichs hauptstadt zu vermitteln pflegen, am Montag in der Wilhelmstraße erschienen, um sich dort von Herrn Legationsrat Esternaur, der Jncarnation unseres Preß- buddha, in frommer Andacht inspirieren zu lasse», wurde ihnen eine große Ueberrascbung zuteil, oder vielmehr nicht ihnen — denn die meisten dieser Braven gleichen schwämmen, die in der Willielmstraße angefeuchtet und dann in ihren Redaktionen ausgedrückt werden —, sondern den politischen Sachverständigen, welche den offiziösen Saft unter die kritische Lupe nahmen. Ter leitende Beamte der Reichskanzlei, so wurde mit geheim nisvoller Feierlichkeit mitgeteilt, dec Geheimrat von Conrad, der bereits früher eine Zeitlang dem Landwirt- icliaftsministerium angehört hat, wird demnächst wieder nach dem Leipziger Platze übersiedeln, und zwar, um den aus dem Dienste scheidenden Unterstaatssekretär Sterne berg zu ersetzen. In die hochwichtige Stellung des neuen Untcrstaatssckrctärs aber — und das lvar entschieden der interessantere Teil der Mitteilungen, welche die dienst eifrigen Offiziösen in den Zellen erhielten, in denen sie von Herrn Esternaux der Reihe nach einzeln abgefertigt zu werden pflegen — sollte „der Tradition gemäß" ein Parlamentarier einrücken, und dieser Parlamentarier würde — Spaß beiseite! — das Mitglied des Ab- qcordnetculiauses Herr v. Locbcll sein. Tie Herren, welche in der Wilhelmstraße die „Knochen" — pnrckau, aber das ist der terminus teebnicnis — zu verteilen pflegen, wußten sehr gut, warum sie jedem Vertreter der liberalen Presse versickerten, er trage heute allein den Löwenanteil nach Hause, sein Blatt werde allein sich rühmen können, die bedeutsame Nachricht zuerst dem Publikuni übermittelt zu haben. Das sollte so eine kleine » aptntio benevolentiae den gestrengen Herren Chef redakteuren gegenüber sein, die man begreiflick-erweije gerade in diesem Halle für sehr angebracht lxilten mußte. Wie man bei Lektüre der Abendblätter konstatieren konnte, die notabene die Nachricht durchweg in ziemlich gleichlautender Horm brachten, hatten sich einige denn auch durch den wahrlich etwas verbrauchten Trick bewegen lassen, andere wollte!, es für ratsam gehalten haben, sich harmlos zu stellen. Jedenfalls ist die Wahl des Grafen Bülow in der liberalen Presse der Rcichshauptstadt bisher nicht mit der Deutlichkeit kritisiert worden, die ihr ge bührt. Obwohl auch Herr v. Conrad für einen konservativen Mann stets gegolten hat, fanden die Liberalen mit dieser Persönlichkeit doch immer noch ihr Auskommen. Geheim rat v. Conrad war, ehe er ins Landwirtschaftsministerium eintrat, mehrere Jahre Landrat in Westpreußen und hat sich später als Regierungspräsident von Bromberg nicht nur einen genauen Ueberblick über die Lage der Tinge in der Ostmark zu verschaffen gewußt, sondern er hat auch in demjenigen Ministerium, rvelches in erster Linie für die Ansiedelungspolitik verantwortlich ist, diese eingehende Vertrautheit mit den östlichen Verhältnissen in anerken nenswerter und anerkannter Weise verwertet. Aber nicht die Trauer uni das Scheiden Herrn v. Conrads aus der Reichskanzlei, das ja dadurch, daß der Herr von Podbielski eine erste Kraft als Stütze erhält, insbesondere den Befürwortern einer etwas schwungvolleren und zielbewußtaren Ostmarken politik auf der andern Seite wieder zu gute kommt, nicht eine Verwunderung über das Avancement des einfluß- reichen Beamten ist es, was die Stunde beherrschte, son dern die Sorge, mit welcher die Persönlichkeit seines Nack)- folgers die Liberalen erfüllen muß. Herr v. Loebell ist der Reaktionärsten einer. Aus den« Staatsdienste hervorgegangen — er war zuerst bei der Regierung in Danzig tätig, dann in den Jahren 1884 bis 1889 Landrat in der Provinz Hannover, 1889—90 Land- rat in Rathenow —, wurde Loebell im Jahre 1894 Mit glied des Brandenburgischen Provinziallandtages; von 1898—1900 saß er im Reichstag, seit 1901 ist er als einer der drei konservativen Vertreter von Westhavelland Mitglied des Hauses dec Abgeordneten. Noch im gegen- wärtigen Augenblick ist Geheimer Regierungsrat von Loebell gescisiiftsfiihrendes Mitglied des engeren Vor- standes der konservativen Partei. So nmtz man in dem künftigen leitenden Beamten der Reichskanzlei die Ver körperung des von so langer Hand vorbereiteten Erfolges der Agrarkonsevvativen erblicken. Mag sein, daß, wie in unterrichteten Kreisen behauptet wird, Graf Bülow sich von der Persönlichkeit des Herrn v. Loebell hat bestechen lassen, das beweist daS starke ästhetische Empfinden des Reichskanzlers, es verbürgt uns die vollendetsten Planieren bei dem Nachfolger des Herrn v. Conrad, es spricht Bände für die raffinierte Taktik unserer Konservativen, die uneder einmal im rechten Augenblick den rechten Mann zu präsentieren wußten — aber das alles kann die Liberalen nicht über die Tatsache trösten, daß sie wieder einmal eine gewaltige Schlappe erlitten haben. Gewiß, Graf Bülow, der heute seine amtliche Homilie mit diesem eleganten Agrarier komplettiert, sagt vielleicht morgen einem liberalen Parlamentarier die größten Ver- Kindlichkeiten, das ändert aber nichts an den« Haktum. Die Konservativen lassen alle Künste des Magnetismus auf die Kanzlerpsyche wirken, und die Liberalen werden immer unbarmherziger an die Wand gedrückt. Und jetzt noch Herr v. Loebell! — da kann man im liberalen Lager wirklich sagen: „Spaß bei Seite!" ver HiiMavO Oer Herero. Vie militärische tage. Die militärische Lage zeigt sich nach den neuesten Meldungen des Oberkommandos nicht wesentlich verändert. Der Haupt teil des Gegners am Eifel), bei dem man Samuel Maharero und Tjctjo vermutet, scheint sich ein wenig nordöstlich geschoben zu haben, während unsere Truppen entsprechend vorgerückt sind. Da in den kleinen Gefechten wieder die Herero starke Verluste, die uusrigen aber keine gehabt haben, gewinnt nach der „T. R." die Vermutung immer mehr an Wahrscheinlich keit, baß die Munition des Feindes verbraucht ist. Zu einem entscheidenden Vorgehen am Eiseb scheint aber die Zeit noch nicht gekommen zu sein. Offenbar ist die ungeheure Er schwerung des Nachschubs schuld daran. Neu aber ist die Mitteilung, daß weiter abwärts am Epukiro-Fluß, an der Einmündung des nördlichen Neben flusses, sich starke Hererobanden befinden. Es ist also doch, wie mau ja von vornherein annahm, einem Teil der Herero gelungen, das Epukiro-Tal vor unfern Truppen zu erreichen. Ob diese Banden jetzt den ihnen offen stehenden Weg nach der nur noch 60 Kilometer entfernten englischen Grenze einschlagen werden, das muß erst abge wartet werden. Vorläufig hat man noch keinen sicheren Beweis dafür, daß die Herero wirklich das Land verlassen wollen, wenn auch die Vermutung naheliegt. Nachdem die zuerst dafür bestimmte Abteilung aus Mangel an Wasser hat umkehren müssen, ist jetzt eine zweite, mit Wasserwa^eu ver sehene Ausklärungsabteilung unterwegs, um Fühlung mit diesem östlichen Teil des Gegners zu suchen. Vielleicht läßt die Mel dung über den Wassermangel darauf schließen, daß die Herero diesen Weg nur ohne Vieh haben zurücklegeu können. Die Abteilung von Heydebreck, die von Windhuk über Gobabis nach Epukiro geschickt war, ist an ihrem Bestim mungsort eingetroffen und nördlich von Epukiro an dem Nebenfluß ausgestellt worden. Dafür ist inzwischen die 7. Kompagnie des 2. Feldregimcnts in Gobabis eingetroffen. Ob sie in der Lage sein wird, unter Umständen den Ab marsch Z der Herero vom Epukiro-Fluß nach der englischen Grenze zu verhindern, das scheint in Anbetracht der weiten Entfernungen und der geringen Truppenstärke doch wohl sehr fraglich. Swakspniunv. Der bekannte Hamburger Reeder und Großkaufmann, A. Wvcrmann, wclcl-er die mit der Untersuchung der Lan- desverbältnisse in Swakopmund betraute Kommission, wie es heißt, auf Befehl des Kaisers, begleitet hat, ist vor kurzem von der Reise zurückgekehrt. Nach seiner Mitteilung lagen an der im Herbst 1903 fertig gestellten Mole im August zwölf große Schiffe mit etwa 20 000 Tons Ladung nnd 2200 Pferden, Mauleseln und Ochsen auf der Reede, die alle der Entlöschung darrten. Es schwammen ferner noch acht Dampfer mit 20 000 Tons Ladung und 3400 Tieren, die bis Ende September dort eintresfen sollten. Da mit den vorbandenen Mitteln diese Frachten nicht an Land gebracht werden konnten, hat Herr Woermann zunächst rasche Vermehrung der Entlöschungs-Vorrichtungen veranlaßt. Es sind jetzr 4 Schleppdampfer, 12 größere Leichter, 24 Brandungsbovtc, 5 Barkassen, sowie 3—4 Flöße und zur Be dienung der Fahrzeuge und zum Tragen der Waren aus den Booten bis ans Land 500—600 Kruneger vorhanden. Außer dem arbeiten an den ans der Reede liegenden Schiffen der Woer- mann-Linie etwa 400 Matrosen und am Lande noch etwa 80 weiße Arbeiter, sowie etwa eine gleiche Anzahl von Ein geborenen nebst den Besatzungen der Schlepper und Barkassen — im Ganzen mit den höheren Angestellten rund !200 Personen. Durch diese Maßregeln sind die Leistungen gegen früher ganz wesentlich erhöht worden. In der vorletzten Woche sind laut tele graphischer Mitteilung nahezu 6000 Tons Ladung und etwa 1800 Tiere gelandet worden bei allerdings günstigem Wetter. Ob derartige günstige Verhältnisse indessen aufrecht zu erhalten sein werden, erscheint zweifelhaft. Es sind daher rasch neue Maß regeln nötig. Eine Ausbaggerung der Fahrrinne hinter der alten Mole scheint wegen des hohen Seeganges auf größer Schwierigkeiten zu stoßen, als man annehmen konnte, weil dafür passende Bagger kaum vorhanden sein dürsten und es naturgemäß einige Zeit erfordert, bis ein solcher hergestellt und nach Swakop- mund geschickt werden kann. Auch dann ivürde stets die Gefahr drohen, daß der Bagger selbst in der hohen Brandung strandete oder kenterte und dann den jetzigen Zugang zur Mole versperrte. So scheint nur übrig zu bleiben, an der alten Landungsstelle eine Landungsbrücke zu bauen» die etwa 250—300 m weit ins Meer hineingeht; die Kosten solcher Landungsbrücken dürften nicht im entferntesten an die Summe heranreichen, die für eine Verlängerung der Mole in Frage kommen kann. Herr A. Woermann prophezeit der Kolonie die beste Zu- kunft. Es herrscht in ihr ein köstliches Klima. Tas Land wird für Farmen alle möglichen Chancen bieten, zunächst für Schaf- und Angorazucht, ebenso auch für Rindviehzucht in größerem Maße, während die Erträgnisse der Minen und anderer bergmännischer Erzeugnisse zweifellos günstige Resultate ergeben werden. Es ist nicht der geringste Grund vorhanden, an der weiteren Entwicklung dieses Landes zu zweifeln. Sobald erst Friede, Ruhe und Sicher heit im Lande hergeslellt sein werden, dürfte die Entwicklung in weit schnellerem Tempo vor sich gehen, als es bisher der Fall war. Daß wir so große Aufwendungen machen müssen, unserem Schutzgebiet wieder Ruhe und Frieden zu gebe», ist bedauerlich; daß es auch weiterer Ausivendungen noch bedarf, um nach wiederhergestclltem Frieden die wirtschaftliche Entwickelung energisch zu fördern, ist gewiß. Wenn aber England Milliarden von Mark daran gewendet hat, um die südafrikanischen Republiken zu gewinnen, so sollten uns die unendlich viel kleineren Opfer, die wir für Deutsch- Südwestafrika gebracht haben und bringen müssen, nicht gereuen. Daß sie nicht vergebens gebracht sind, wenn man nur weiterhin die richtigen Wege einschlägt, ist außer Zweifel. ver ru55i5».japanische Weg. Ver Stnrn, auf S)srt Arthur. Nach einer über Paris eingehenden Melkung zögert Admiral Wirren trotz des seit Sonnabend hauptsächlich auf den Hafen von Port Arthur gerichteten Bombarde ments, den Befehl zur Ausfahrt seiner F l o t t e n d i v i s i o n zu geben. Auch sind die mond hellen Nächte einem Ausbruchsversuche ungünstig. Zwei seiner großen Kriegsschiffe sollen abermals schwer getroffen worben sein. Wie „Daily Mail" aus Tschifu meldet, sind die Japaner entschlossen, mit Rücksicht auf die Möglichkeit des Eintreffens der russischen Ostsee flotte den Rest des Port Arthur-Geschwaders um jeden Preis in ihre Gewalt zu bringen. Togo hat seine Schisse östlich und westlich vom Hafen eingange aufgestellt, und Admiral Uriu liegt mit seinem Geschwader von Kreuzern und Torpedobootszerstörern zwischen Shanghai und Tschisu, um die Flucht der russischen Schiffe aus Tsingtau zu verhindern. Der japanische Sturm wird wahrscheinlich auf die Front im Westen der Befestigung ge richtet sein, welche den ganzen Hafen beherrscht. Den Aämpfen bei kiaujang beginnt das „Militär-Wochenblatt" in einer eingehen den Abhandlung sich zuzuwenden. Von besonderem Interesse ist darin zunächst das Urteil, welches über die russische Hauptstellung gefällt wird. Diese habe den Bedürfnissen der Lage wenig entsprochen, denn aus der Anmarschrichtung der Ersten japanischen Armee habe sich von selbst eine Um gehung des linken russischen Flügels und eine sehr ernste Be drohung der Rückzngsliiiic auf Mukden ergeben. Selbst wenn die Abwehr einer solä-en Umgehung rein defensiv erfolgen sollte, mußten daher auf dem nördlichen Ufer des Taitszeho starke Kräfte bereit gestellt werden, die dadurch in den Kampf um den Besitz der Stellungen südlich Liaujang ausfielen. Ein weiterer großer Uebeistand sei darin zu erblicken, daß der 60—lOO m breite Taitszeho hinter der Stellung entlangflnß Feuilleton. »ZI „vurchgerungen." Roman von JosephineSiebe. NaLdruck verboten. Achtzehntes Kapitel. Ostern nahte! Jin Hause Rektor Ekkardts sollte das Fest in althergebrachter Weise gefeiert .werden. Tie Präliminarien dazu bildeten ein ausgiebiges Scheuer fest, die Wasserfluten verschonten keinen Winkel des Hauses, und als der Herr Seminardircktor eines Tage? nach Hause kam und mit einem leichten Seufzer sich durch die auf den Hlur gestellten Möbel hindurchgc- inundcn, mit einem kühnen Sprung über einen gefüllten Schcucrcimcr voltigiert war und nun aufatmend die Tür seines Zimmers öffnete, da sah er seine Gattin, von einer Staubwolke umhüllt, auf einer Trittleitcr stehen, und wenn ibm nicht der Gedanke kam, daß sie einem Engel in den Wolken glich, so war einzig und allein der am Boden liegende Scheuerlappen schuld, der ihn beinahe zu Hall brachte. Er stolperte und hätte fast seine treue Ehe hälfte mit der Leiter umgerissen, wenn ihn nicht ein starker Arm gehalten hätte. „Gott bewahr mir Herr Rektor, Sie plumpsen mich ja noch mang den Kehricht ratn, na-in, Frau Rektorn, was sind die Männchens doch alleweilc ungeschickt!" er tönte die Stimme Alwincns, der biederen Ostpreußin. Beschämt noch einen melancholischen Blick auf sein io verwandeltes Studierzimmer werfend, wollte er den Rückweg antretcn, als seine Gemahlin ihm aus der Höbe herab zurief: „Christian, denke dir, Liska hat geschrieben, sie kommt nun doch zum Fest. Auf meiner Kommode, unter der Decke, wo der braune Kasten mit den Nadeln steht, liegt der Brief, cs ist auch noch ein anderer ge kommen, an Liska selbst." Tas weitere verstand der Herr Rektor nicht, er war schon hinaus und fand auch den bewußten Brief, obgleich dieser nicht unter dem braunen Holzkasten, sondern unter einer porzellanenen Scksiiferin lag. Ueber diesen Brief, mit der Freudenbotschaft, daß seine Elisabeth wieder die Ferien im Elternhause ver leben wollte, vergaff er sogar sein unter Wasser gesetztes Studierzimmer. Vorsichtig legte er den Brief, der an die Tochter gerichtet war, in seine Brieftasche, seiner Frau war nicht zu trauen, die Gute hatte neben ihren vortreff lichen Eigenschaften auch einige Fehler, unter denen Neugier obenan stand, und einen Brief zu öffnen, der an einen der Ihrigen gerichtet lvar, hielt sic für kein be sonderes Unrecht. — Elisabeth kam! Wie immer kam die gesamte Familie an den Bahnhof, um sie im Triumph einzuholen, mit ihr zugleich kam der älteste Sohn, ein flotter Student, da heim erwartete die Ankömmlinge der Festkuchen, an der Haustürc prangte ein grellbuntes „Willkommen", von einer Tanncngirlande umkränzt, und Elisabeth trat wieder ein in die ganze, etwas altmodische Behaglichkeit des Elternhauses. Es war alles wie sonst, so heimlich, so gemütlich, und als die Tochter sich am Abend von den Eltern verabschiedete, da dachte sie voll Glück an die ruhige, stille Ferienzeit, die vor ihr lag. Herr Rektor Ekkardt erinnerte sich plötzlich des Briefes an seine Tochter und übergab ihn ihr. „Hier noch eine Abcndlektürc und hoffentlich ein Brief, der dich erfreut!" sagte er. Erstaunt betrachtete das Mädchen den Brief, die Handschrift erschien ihr fremd, sie sah so alt und zittrig aus und doch — tbr Herz begann rasend zu klopfen, sic wurde rot und blaff. „Ter Brief ist aus Petersburg, sicher von deiner Freundin, der Doktorin", sagte die Mutter ein wenig neugierig „Sicher", gab Elisabeth mechanisch zur Antwort und eilte hastig hinaus, damit niemand ihre Verwirrung sehen sollte. Allein in ihrem Stübchen, das noch gerade so war wie einst, riff sie das Schreiben auf und las Wolfgangs Schrei aus Todesangst. Cie las ihn zum zweiten Mal und wieder und wieder, und die ganze vergangene Zeit ihres Glückes und ihres Elendes stand vor ihr auf. Alles durch lebte sie in dieser Nacht noch einmal. Tn sab sie sich wieder in dem niedrigen, nach ver modertem Papier riechenden Laden stehen, sich scheu in die Ecke drückend, um den heiffcii Blicken des Mannes auszuweichen, da saff sic wieder im Salon der Pension Hermann und neben ihr Grete Schulte, mit den vielen Rosen an Brust und Haar, und sic hörte wieder sein Spiel Sie ging durch die im Frühlingsschmuck prangenden Wälder, durch die altertümlichen Straßen mit ihm und dann kam die dunkle Stunde, sic sah sich in seinem Zim mer stehen, die Geige zärtlich an sich gepreßt und sic sab ihn kommen — jenes Weib am Arm. Ein Fieberschauer schüttelte Elisabeth. „Nein", schrie es in ihr auf, „ich kann nicht seine Bitte erfüllen, „nein nein, sie steht zwischen uns, sie die mir mein Glück geraubl und es ist ihr Kind."— Stand sie da nicht in dem Rahmen der Tür. die sckvne Gestalt, in dem roten Kleid mit den lockenden, verwirren den Augen, dem spöttischen Lachen uni den sinnlichen Mund? Fort, hinweg!" schrie die Einsame, die Hand drohend erhebend, als könnte sie damit den Spuk ihrer erregten Phantasie bannen. „Irene hörst du, ich hasse dick, nie, nie kann ich Mitleid mit deinem Kinde lmben!" Elisabeth barg den Kopf in die Kissen ihres Bettes und schluchzte wild, warum nur muffte dieser Brief kom- men und sie aufstörc.i aus ihrer so schwer errungenen Ruhe? Wie hatte sie alle die Jahre hindurch gekämpft, wie viele, viele Nachte ihre Kissen mit ihren Tränen genetzt, und am Tgge, mit zusamniengebissenen Zähnen trotzig ihr Leid verborgen, damit niemand iah, wie sie litt, vom frühen Morgen b:> zum späten Abend. Wie hatte ibr junges Herz sich gewunden unter dieser Qual und nach dem ge'chriecn, der cs feige verraten, immer wieder liatte es nach seinem Reckn verlangt und nicht begreifen wollen, daß das Glück gr-
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