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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040910029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-10
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Anzeigen-PrelS die 6 gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem RedattionSstrlch (4gespalten) 7b >4, nach den Familieunach- richteo (6 gespalten) bO -z. Tabellarischer und Ziffernlatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2ä Annadmeschlutz für A«zet,en: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Abgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, m^t Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend- 7 Uhr. Druck und Berlag von G. Palz in Leipzig (Inh. l)r. V, R. L W. Klinkhardt). 98. Jahrgang. Var Aicdtigrle vom Lage. * Die gestern im M i n i st e r i u m des Innern zu Dresden abgehaltene Konferenz über Einführung von Notstandstarifen ist ergebnislos ver laufen. (Siehe Deutsches Reich.) * Die „Natl. Korr." kann auf Grund von Mittei lungen aus bester Quelle versickern, das; weder Ober- Präsident Wentzel den Ministerposten des Herrn v. Hammer st ein erstrebt, noch, daß die leitenden Stellen daran gedacht haben, ihn ins Ministerium zu berufen. * Oberhofmeister Freiherr v. Mirbach hat sich bis Mitte Oktober auf Urlaub begeben, und zwar zunächst nach dem Harz. * Die Ausfahrt des russischen Ostsee geschwaders nach Ostasien wird wieder einmal angekündigt und zwar für heute. Ml Klirrte Mirbach? In dem letzten Stadium der leidigen MirbachAn- gelegenheit ermahnt eine augenscheinlich inspirierte Notiz der „Münchener Allgemeinen Zeitung" die strei tenden Parteien zu einem Waffenstillstand mit der Mo tivierung, daß der Kaiser binnen kurzem seine Entschei dung treffen werde. Dies geschah denn auch wenige Tage später und die allerhöchste Entscheidung erfreute sich bei dem größten Teil der Presse einer fast unein.- geschränkten Zustimmung. Daß Freiherr v. Mirbach Titel und Charge eines Oberhofmeisters behielt, konnte auch denjenigen begreiflich erscheinen, die seine Tätig keit bekämpft hatten und der Ansicht waren, daß seine allzu weitherzige Auffassung des Begriffes „Wohltätig keit" dem monarchischen Gedanken geschadet und daß Herr v. Mirsbach dte Kaiserin schleckst beraten habe. Mit vollem Recht wies vor wenigen Tagen der Kaise»' darauf hin, wie volkstümlich seine Gemahlin durch die schlichte Anmut ihres Wesens geworden sei. Wer die Bedeu tung einer solchen echten Beliebtheit zu schätzen weiß, mußte sich gegen den Mann wenden, der den Wert dieses kostbaren Gutes so wenig zu würdigen vermochte. Wir glauben, alle patriotischen und vor allem alle royalistisch gesinnten Kreise würden die Entscheidung, die der Kaiser traf, als durchaus gerechtfertigt aner kennen und auch das nachsichtige Wohlwollen empfinden, mit welchem Herr v. Mirbach trotz alledem über die peinliche Situation hinweggeführt wurde. Allein dem ist nicht so. Seit einigen Tagen wird Graf Bülow im „Reichsboten", sowie in anderen Blättern, die bei jeder passenden und auch bei dieser unpassenden Gelegenheit das evangelische Bewußtsein be tonen, mit einer Vehemenz angegriffen, die um der Gerechtigkeit willen doch zu einer klärenden Korrektur nötigt. Wir möchten dem Kanzler gegenüber durchaus objektiv sein und deswegen muß erstens gesagt werden, daß Graf Bülow sich ein Verdienst erworben hätte, wenn die Entscheidung des Kaisers im Falle Mirbach auf ihn zurückzufllhren wäre, zweitens aber, daß diese Entschei dung keineswegs auf den Kanzler zurückgeführt werden darf, daß er sich dieses Verdienst nicht erworben hat und daß die Angriffe seiner Gegner sich an eine ganz andere Adresse richten sollten. Wer da glaubt, Graf Bülow habe Herrn v. Mirbach gestürzt — ein Wort, das allzusehr an weltgeschichtliche Tragödien erinnert, während es sich doch hier nur um die Desavouierung eines Hofbeamten handelt — der zeigt nur, daß er über die Struktur des preußischen Staates sehr schlecht unterrichtet ist. Graf Bülow konnte Herrn v. Mirbach überhaupt nicht stürzen. Das hätte selbst Hohenlohe nicht gekonnt, der doch nach dem Range des fürstlichen Hauses Hohenlohe den Majestäten in ganz anderer Stellung gegenüberstand, als der gegrafte Herr v. Bülow. In solchen Kämpfen bleibt immer der jenige Sieger, der das Ohr der „Herrschaften" hat. Die trefflichsten Chanzen aber hat nicht derjenige, der das Ohr des Herrn, sondern das der Herrin besitzt. Nicht jeden Monarchen zeichnet die „großartige Sachlichkeit" aus, die Fürst Bismarck an Wilhelm dem Ersten rühmte und doch wissen wir, welche Kämpfe der märkische Gi gant, der mit der grollend geballten Faust die Türklinke im königlichen Schlosse abriß, mit dem Einfluß des „Feuerkopfes" Augusta zu bestehen hatte. Graf Bülow ist anders geartet, als Bismarck es war. Er hat von jeher in allen den Hof und die Armee be treffenden Angelegenheiten eine Reserve beobachtet, die man gewiß an maßgebender Stelle im Rückblick auf die unbegueme Ubiquität der Einwirkung Bismarcks als besonders diskret unid taktvoll empfunden und aner kannt hat. Die Berechtigung dieser Haltung den Militär fragen gegenüber sei heute nickst erörtert. Diese Grundfrage des konstitutionellen Lebens wird bei der parlamentarischen Besprechung der Kabinetts- andre über den Bilse-Prozeß noch zur Diskussion ge- langen. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß Graf Bülow schwerlich den Impuls zu her kaiserlichen Ent schließung gegeben hat. Der Kanzler hätte auch seinen Ruf als feiner Diplomat schlecht bewährt, wenn er sich in dieser Angelegenheit stürmisch exponiert hätte. Wußte er doch feit dem Briefe des Herzogs Ernst Günther ganz ge- nau, daß die Stellung des Herrn von Mirbach auf die Dauer nicht haltbar sein würde. Das Leben bettel oie im Purpur Geborenen allzu weich, als daß sie denjenigen, der ihnen — vielleicht in guter Absicht — schwere Un- bequömlichkeiten verursacht, sehr lange schätzen und schützen sollten. „Die Schlacht bei St. Quentin ist längst verwirkt, ich werf' ihn zu den Toten!" So oder ähnlich lautet die stille Erwägung der Mächtigen. Außerdem war die Mißstimmung gegen Herrn von Mirbach in Hof- kreisen seit Jahren stetig im Wachsen. Es ist jetzt un gefähr zehn Jahre her, daß der damalige Oberstkämmersr Christian Krafft, Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, die Frage ernstlich in Erwägung zog, ob das Verhalten des Herrn von Mirbach in feiner Kollektentätigkeit nicht zum Einschreiten Anlaß gebe. Seit dieser Zeit ist der Ober hofmeister unbeirrt bei seiner Methode verblieben, und augenscheinlich mußten seine Gegner sich auf Miß- billigungsäußerungen unter vier Augen beschränken. Immerhin schwoll die Mißstimmung höher und höher an, und angesichts der immer neuen Enthüllungen fing man denn auch in den oberen Schichten der Gesellschaft an, sich nicht mehr zu genieren. Herren, die zum kaiserlichen Gefolge gehörten, äußerten sich während der Kieler Woche mit einem in diesen Kreisen sonst nicht üblichen »ans und ohne daß vorher ihre Zuhörerschaft auf Dis kretion hin gesiebt worden wäre. Unter diesen Umständen war es Henn kein Wunder, daß Für st Solms- Baruth, der jetzige Oberstkämmerer und mithin der oberste Chef Mirbachs, an Seine Majestät nicht gerade günstig berichtete. Er reichte dem Kaiser ein dickes Faszikel ein, in welchem die nach Hunderten zählenden Belege der Angriffe gegen Herrn von Mirbach mit großer Sorgfalt gesammelt waren. Der Kaiser, der wohl doch nicht ge ahnt haben mochte, in welchem Grade die Angelegenheit die weitesten Kreise erregt hatte, soll damals gesagt haben, dies sei eine Anklageschrift, eK fehle die Verteidigung. Indessen ist es dem Fürsten Solms, der keine rein deko rative Figur, sondern eine durchaus ernst zu rühmende Persönlichkeit ist, eben doch gelungen, den Kaiser von der Begründung der Anklage zu überzeugen, während es Herrn von Mirbach naturgemäß nicht möglich war, die gegen ihn gericksteten Anklagen zu entkräften. Nachdem ein Mann, wie Fürst Solms, die öffentliche Kritik ge wissermaßen sanktioniert hatte, mußte der Monarch die lächerliche Fiktion, die bösen Liberalen hätten eine Hetze gegen eine erprobte Stütze von Thron und Altar in- sceniert, in ihrer ganzen Nichtigkeit durchschauen. Das ist die überaus einfache Genesis der Mirbachschen Verabschiedung. Unserer Auffassung nach hat sich ihr intellektueller Autor ein erhebliches Verdienst um die Krone und damit um das gesamte vaterländische Leben erworben. Dieses Verdienst kann und wird Graf Bülow nicht beanspruchen, deshalb sollten die sonderbarerweise in ihrem evangelischen Bewußtsein gekränkten Blätter ihre Angriffe gegen den Kanzler einstellen. Muß aber durchaus mit philologischer Akribie nach gewiesen werden, auf welche Faktoren der Sturz des Herrn von Mirbach zurückzuführen ist, so wollen wir doch Herrn von Hammer st ein nicht vergessen. Wenn Herr von .Hammerstein dem Parlament in wür diger Offenheit bekannt hätte, welchen Anteil er selbst an der Sammeltätigkeit des Herrn von Mirbach lxstte, so wäre der Oberhofmeister dem vernichtenden Feuer der ge- samten Presse nicht allein ausgesetzt gewesen. Herr >on Hammerstein war dem Parament gegenüber ver pflichtet, die reine Wahrheit zu sagen, nichts hinzuzu setzen und nichts zu verschweigen. Statt dessen ver schwieg er, was er nicht verschweigen durfte. Es lag nicht etwa eine Situation vor, in der der Minister mit Rück sicht auf gewichtige Staatsinteressen dem Parlament die Wahrheit nicht sagen konnte, wie dies in internationalen Komplikationen bisweilen der Fall ist. Herr von Kam merstein wollte nur Zeit gewinnen, um sich darüber zu vergewissern, welches die Allerhöchste Auffassung sein werde. Niemand kann mit dieser Art von Ehr furcht weniger einverstanden sein, als der Kaiser selbst. Niemand wird das Verhalten des Ministers dem Parla ment gegenüber schärfer mißbilligen als gerade der Monarch, der sich erst vor kurzem unzweideutig zu einer konstitutionellen Staatsauffassung bekannt hat. Herr von Hammerstein hat augenscheinlich geglaubt, die Staatsraison entbinde auch den Gentleman von der Pflicht, Herrn von Mirbach, dessen Vorgehen von der ersten Phase an seine Billigung gefunden hatte, nicht im Stick zu lassen. Er glaubte augenscheinlich, der preußische Staat könne ihn nicht entbehren und so opferte er — blu- tenden Herzens vermutlich — den Oberhofmeister den höheren Interessen der Gesamtheit. Dies Verhalten war aber — abgesehen von allen anderen ethischen Momenten — ganz sicher ein schwerer Fehler, denn wenn er dem Parlament offen erklärt hätte, er habe es für sein Recht und für seine Pflicht gehalten, die Aktion des Ober- Hofmeisters zu unterstützen, so hätte ihm die Rechte zugejubelt, der Zorn der Linken würde ihm kein Härchen gekrümmt haben und er brauchte jetzt nicht lange Ver teidigungsreden im „Lok.-Anz." zu halten, die doch schließlich nur bestätigen, was wir gesagt haben. Und so muß man freilich bei dem Dahinsinken aller dieser hoch ragenden Persönlichkeiten schließlich sich doch zu dem Dichterworte bekennen: „Ajax fiel durch Ajax Kraft". ver fall lsammerrtein. Freiherr v. Hammerstein, der erst vor kurzem hatte er klären lassen, er werde auf unsere Aufdeckung seiner Mit arbeit an der Mirbachschen Sammeltätigkeit nicht vor Zu sammentritt der Parlamente antworten, hat sich eine- anderen besonnen. Im kleinen Reichsanzeiger August Scherls läßt sich der preußische Minister des Innern in Form eines Inter- viewes vernehmen. Der Korrespondent des „Lok.-Anz." be richtet aus Steinhorst, dem Hammersteinschen Landsitze, unterm 9. September: Herr von Hammerstein empfing mich in durchaus behaglich« Stimmung, freundlich lächelnd, mit folgenden heiteren Worten: „Nicht wahr, Sie wollen wissen, was mit mir los ist? . . . Ich denke gar nicht daran, meinen Abschied zu nehmen, und zwar deshalb nicht, weil nicht der geringste Grund dazu vor liegt. Dieses Gerücht wird jedes Jahr mit aller Pünktlichkeit von meinen Freunden in die Welt gesetzt." — Als ich nunmehr auf die Kombinattonen hinwies, die seinen Rücktritt mit dem des Freiherrn von Mirbach in ursächlichen Zusammenhang bringen, klärte mich der Minister in interessanter Weise über seine Passi vität bei der amtlichen Sammeltätigkeit — wenn man so sagen darf — sowie über die Berechtigung seiner Erklärung im Abgeordnetenhause auf. Herr von Hammerstein hat tat sächlich nichts davon gewußt, daß Freiherr von Mirbach an die Oberpräsidenten geschrieben habe; dies war vielmehr ein selbständiger Akt des Oberhosmeisters. Nachdem dann ein besonderes zweites Comits in Berlin entstanden war, dem so ziem lich alles augehürte, was zur Gesellschaft gehört, an der Spitze d« Reichskanzler, sowie fast sämtliche Minister, unter ihnen auch Herr v. Hammerstein, außerdem die Oberpräsidenten, erhielt Minister v. Hammerstein vom Freiherrn v. Mirbach gedruckte Aufrufe mit der Bitte, sie in seinen Kreisen zu verbreiten. Diese Druck sachen hat der Minister ohne Anregung des Herrn von Mirbach an die Oberpräsidenten in ihrer Eigenschaft als Komitecmitglieder mit dem Anbeimgeben geschickt, sie in Zeitungen zu publizieren. In dieser Maßnahme rein privater Natur dokumentierte sich lediglich das Interesse des Ministers an der Sache selbst. Wie wenig hieraus ein angeblich von Mirbach inspirierter Mißbrauch der Amtsstellung konstruiert werden kann — und das ist häufig behauptet worden (darum handelt es sich hier garnicht, sondern um daS Verhalten im Parlament und Herrn v. Mirbach gegenüber. Red. d. „L. T.") — geht daraus am deutlichsten davor, daß Herr v. Mirbach absolut gegen eine Publizierung in Zeitungen war und vielmehr die privaten Sammlungen vorzog Als ihm einmal aus einer Provinz die beabsichtigte Veranstaltung einer öffentlichen Samm lung bekannt wurde, verhinderte er durch direkte Schreiben an die Oberpräsidenten weitere Veröffentlichungen, ohne zu wissen, daß der Minister durch seine vorerwähnte Anheimgabe eine private Anregung dazu gegeben hatte. Von diesen BriefenMirbachswußteaberderMinister nichts. Infolgedessen ist erklärlichdaß er imAbgeordnetenhause eine er - schöpfende Antwort nicht geben konnte. Andererseits steht fest, daß seine provisorische Antwort völlig korrekt war. Als Herr von Hammerstein sagte, er werde späterhin, wenn er die Akten studiert habe, Auskunft geben, kannte er in der Tat erst 3—4 Oberpräsidialberichte. Er war eben mit der Durchsicht der Akten noch nicht fertig. Die Einforderung der Berichte der Ober präsidenten ist aber nur erfolgt, weil für den Kaiser ein Bericht zusammengestellt werden mußte. Die Interpellation Feuilleton. y „Durchgerungen." Roman von JosephineSiebe. Nachdruck verboten. Aber noch ehe die beiden Alten den Ausgang erreicht hatten, waren Elisabeth und ihr Begleiter verschwunden, das Mädchen wunderte sich etwas über die Hast, mit der der junge Mann hinausstrebte, und dann ging sie an seiner Seite durch die Straßen und fand, er habe Aehn- lichkeit mit Tannhäuser, ach, und sie konnte die Liebe der Landgrafentochter so gnt verstehen. „Ganz gewiß, Riekchen, es war unser Wolfgang", sagte Sebastian Müller etliche Male auf dem Heimwege, und die beiden Alten sprachen sehr viel von dem Enkel- sohn, während Willibald Herzog und Fräulein Malchen ziemlich schweigsam waren. Als inan endlich wieder in Gohlis angelangt war, ging jeder nach herzlichem Ab- schied in seine Wohnung, jeder legte sich mit eineni dank- baren Gefühl über den schönen Abend zur Ruhe nieder Achtes Kapitel. „Und so sind denn Deine Mutter und ich überein gekommen, liebe Tochter, daß es besser ist, Du verlebst Deine Ferien in Leipzig und widmest diese so viel wie möglich Deiner Arbeit, Du wirst dort ja durch nichts abgelenkt und kannst mehr lernen wie hier." Elisabeth Ekkardt ließ den Brief des Vaters sinken und sah hinaus, es war einer jener Hellen Märztage, die schon das Zeichen des Frühlings an der Stirn tragen, die Luft, die durch das offene Fenster in das kleine Zimmer wehte, tvar milde, und über den grauen Dächern hing der Himmel im reinsten Blau. „Du wirst dort ja durch nichts abgelenkt", schrieb der Vater, und das Mädchen warf einen halb trotzigen, halb scheuen Blick nach einem anderen Briefe, den sie soeben mit dem väterlichen Schreiben erhalten hatte, das weiße Couvert zeigte ihre Adresse, von kühner, männlicher Hand geschrieben, und enthielt weiter nichts, als einen kleinen, roten Zettel. Ein Pillett zu einem am yächsten Tage stattfindenden Konzert, das trotz der vorgerückten Saison großes Interesse in Musikkreisen erregte, da ein bedeuten der auswärtiger Dirigent es leitete. Als Solist aber trat Wolfgang Stritt auf, und es war das erste selbst ständige Auftreten des jungen Künstlers. Er war es. der ihr das Billett sandte, Elisabeth wußte es, wenn auch sein Name fehlte. „Nicht annehmen", das war ihr erster Gedanke ge wesen, sie wollte cs ihm zurückschicken, wollte ihm da durch zeigen, daß seine Huldigungen ihr nicht angenehm waren. Und doch — sie zögerte, sie nahm den roten Zettel wieder in die Hand, dann beschloß sie, ihn erst am Abend zurückzuschicken. Und der Abend kam, und noch immer lag das Couvert . mit dem Billett auf Elisabeths Tische, sic wollte nicht hingehcn, nein, sicher nicht, aber sic fand eS auch über flüssig, das Billett zurückzuschicken, es konnte ja liegen, der Platz unbesetzt bleiben. In die unruhigen Träume dieser Nacht klang immer wieder das sehnsüchtige, wilde Spiel Wolfgang Stritts, das Elisabeth nur einmal gehört, und das sich doch so unvergeßlich in ihre Seele geprägt, und sie fühlte eine orennende Sehnsucht, es wieder zu hören. War es denn nicht töricht von ihr, diese feige Angst, was konnte ihr denn geschehen, wenn sie ging? Bekamen denn nicht viele ihrer Studiengenossinnen Billetts geschenkt, und niemand fand etwas dabei, würde Irene Amende sie nicht auslachen, wenn sie von ihrem Zögern wüßte? Sie lachte sich selber aus, und dann wieder sagte sie ganz laut zu sich: „Nein, nein", und faßte den Entschluß, der Versuchung zu widerstehen. Am nächsten Morgen übte sie nur mechanisch, so sehr sie sich auch mühte, immer wieder mußte sie auf das weiße Couvert sehen, das noch auf dem Tische lag, und es war ibr, als leuchte ihr daraus der rote Zettel entgegen, bis sie aufstand und das Couvert in ein Buch legte; „da lieg", sagte sic trotzig, „uh gehe doch nicht!" Und sie ging dennoch. — Ging mit klopfendem Herzen, voll heimlichen Zagens und heimlicher Lust. Als sie zuni Fortgehen bereit war, kam sie sich plötzlich so einfach, so häßlich in ihrem schlichten, dunklen Kleide vor, so gar nicht festlich. Sie sah nach der Uhr, noch war es Zeit, und rasch nahm sie ihr weißes Kleid aus dem Schranke, — sollte sie es anzicben? — Sie zögerte. — Sie errötete vor sich selbst, vor dem dummen Gedanken, daß sie ihm gefallen wollte, sich für ihn schmücken an seinem Ehrentage. „Nein, nein", sagte sie sich, und schon nestelten ihre Finger die Haken des dunklen Kleides auf und wenige Minuten später eilte sie fort, in festliches Weiß gehüllt. Auf der Treppe begegnete ihr Vera Strogonow: „Nun, wohin so eilig, und warum so geschmücht?" rief die Russin, als sie das Helle Gewand unter dem dunklen Mantel hervorleuchten sah. „Ins Konzert", stammelte Elisabeth, während ihr glühende Röte das Gesicht überflog, und sie lief schnell davon, damit die andere nicht weiter fragen sollte. Die Aerztin sah ihr nach, „also auch du, mein Kind", sagte sie, und es war ein bitteres Lächeln, das uni ihren Mund lag. Elisabeth hörte die ersten Vorträge kaum, sie sah gar nicht um sich, sie fühlte sich völlig allein in dem ziemlich stark gefüllten Saale, der sogenannten Alberthalle. Still und blaß, die Hände krampfhaft ineinanderge schlungen, saß sie und wartete, bis er kam, und als er eintrat, fühlte sie, wie sie erglühte, sah, wie seine Augen sie suchten und seine Blicke sie grüßten, sie, sie allein unter den vielen, vielen Menschen. Dann spielte Wolfgang Stritt. — Im Laufe des Winters hatte Elisabeth schon größere Künstler gehört, aber keiner hatte so zu ihrer Seele ge- sprockxm, hatte so ihr innerstes Fühlen erregt, wie dieser scklankc, schwarze Mann. Das Mädchen fühlte, er sprach zu ihr, ustd sie »vor stolz darauf. Es war eine Sprache voll glühender Lerden-
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