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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.08.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040822023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904082202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904082202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-22
- Monat1904-08
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Nr» 427. 98. Lahrg. Leipziger Tageblatt. Korsakowbucht an der Westseite von Sachalin aus Strand zu lausen. Der Berlust deS Schiffes ist für die Nüssen um deswillen von Bedeutung, weil „Nowik" ein sehr schnell fahrender Kreuzer war. Seine beiden Maschinen indizierten 18 000 Pferdestärke» und gaben dein Schiffe eine Geschwindig keit von stündlich 25 Seemeilen. Besonders groß war der lOOO bei Sckichau gebaute Kreuzer nicht, er hatte bei 100 m Länge tzOOO Tons Wasserverdrängung und war mit 6 Schneüade- kanonen von 12 cw-KaUber und 8 solchen von 4,7 em sowie 5 Torpedoausstoßrohren ausgerüstet. Rusfische Ariegrschiffe in Shanghai. Der Taotai von Shanghai hat den russischen Konsul davon in Kenntnis gesetzt, daß. falls der Aufforderung an die russischen Kriegsschiffe zur Entwaffnung ober zum Ver lassen des Hafens nicht sofort entsprochen werden würde, die chinesische Regierung die Entwaffnung selbst vornehmen würde. Die Besatzung der Kriegsschiffe würde bis zur Beendigung des Krieges zurückgehalten werben. Der Taotai schlug es ab, die Erlaubnis zur Ausbesserung der Kessel deS „ASiold" zu geben ; er besteht darauf, daß der „ASkolv", der mit zwei betriebsfähigen Maschinen und mit zwei betriebs fähigen Kesseln eiugetroffen sei, auch in demselben Zustande absabren müsse. Da eS indessen zweifelhaft ist, ob die chinesischen Behörden die nötige Energie besitzen, um ihrer Aufforderung gehörig Nachdruck zu geben, bat der amerika nische Konsul die Konsuln der übrigen Mächte eingeladen, heute vormittag zusammenzukommen, um über die Mittel zur Unterstützung des Taotais in der Angelegenheit der russischen Schiffe zu beraten. Die Japaner sind keineswegs gewillt, der Sache untätig zuzusehen: Ein japanisches Torpedoboot pafsierie am Sonntag nachmittag, vom Süden kommend, in voller Fahrt Wmung, hinter ihm der japanische Torpedo bootszerstörer „Chauncey", und ankerte am Dock, der den russischen Kreuzer „Astold" birgt. Alsbald machte der „Cbauncey" sich zum Kampfe bereit und ankerte zwischen dem Dock und dem japanischen Torpedoboote. Der Taotai verlangte telegraphisch, daß ein chinesischer Kreuzer und zwei amerikanische Torpedobootszerstörer Befehl erbielten, stcb bereit zu halten, um die Neutralität Chinas zu schützen. — Der Dampfer „Haiping", der in Shanghai eintraf, meldet, er babe am Sonnabend ein japanisches Geschwader mit ab geblendeten Lichtern in der Höhe der Insel Güylaff ge,ehen. Der russische Konsul lehnt eü kategorisch ab. Befehl zu geben, daß der „Askold" und der „Grosovoi" abfahren. Der Taotai teilte dem amerikanischen Konsul mit, daß China die fremden Niederlassungen nicht schützen könne. sp-vt Arthur. Wie in Tschifu gerüchtweise verlautet, haben die Ja paner das Fort Nr. 25 von Port Arthur, welches eine Meile nördlich vom Goldenen Hügel liegt, genommen. — Eine Dschunke, welche von den Miautau-Jnseln in Tengtschau ein getroffen ist, berichtet, sie babe am Sonnabend fünf japanische Kriegsschiffe gesehen, welche auf zwei nach Osten fahrende russische Schiffe Jagd machten. Wie „Daily Chronicle" aus Tschifu vom 20. dS. Mts. meldet, traf dort am Abend ein Telegramm des Admirals Fürsten Uchtomski von Port Arthur ein, nach dem in derSeefchlacht „Relwisan" Il Granat- fchüsse und „Pallada" 15 Löcher erhielten. Die Japaner verschossen 60 Torpedos erfolglos. Die Zahl der Toten wird nicht angegeben; verwundet sind 50 Offiziere und 280 Mann. Der Admiral meldet ferner, baß Mangel an Munition und Lebens mittel n einlritt; nur Schwarzbrot und Reis ist noch vorhanden. „Daily Telegraph" meldet aus Tschifu vom 21. d. Mts., daß der Sturm aus Port Arthur Tag und Nacht fortgesetzt sei. Die Japaner behaupteten, wichtige Höhen genommen zu haben. Dasselbe Bialt meldet aus Kupangtse von gestern: Am 19. August rückte eine japanische Kolonne bis aus 5 bw an die nächste russische Stellung im Osten von Liaujang heran. Der Anmarsch weiterer japanischer Kolonnen von Osten nach Süden wird gemeldet. Die Witterungsverhält- niffe sind für die militärischen Operationen günstiger geworden. Nach einer weiteren Meldung vertrieben die Japa ner die Russen aus der Taubenbucht und nahmen bas nordöstlichste Fort des westlichen Teiles der inneren Ver teidigungslinie. Das Feuer der russischen Artillerie ver hindert die Japaner, das Fort au der Taubenbucht zu be setze». politische Tagesschau. Leipzig, 22. August. Minister Möller und Geh. Kommerzienrat Kirdorf. Tie Vcrstaatlichungsaugelegenheit der „H i b e r n i a" hat nun noch ein Zwischenspiel veranlaßt, das einen per sönlichen Charakter annimmt. Tie „Berl. Pol. Nachr." hatten bestritten, daß dem Handelsminister seinerzeit ein Vetorecht in Bezug auf die Preisb« st immun g des Kohlensyndikats angeboten worden sei. Das hatte Herrn Kirdorf genötigt, das Temcnti der offi- ziösen Korrespondenz „als unzutreffend zurückzu- weifen" und die näheren Umstände auseinanderzusctzen, unter denen das Vetorecht tatsächlich von ihm persönlich in einer Audienz dem .Handelsminister ohne Erfolg ange- boten worden fei. Hier ist nun wieder einmal der un angenehme Fall eingetreten, daß Aussage gegen Aussage steht und die Öffentlichkeit nicht weiß, welchen der beiden doch sicher glaubwürdigen Herren es glauben soll. Wahr- scheinlich wird die Sache wohl darauf hinauslaufen, daß Herr Möller erklärt, er babe das Angebot nicht alsver bt n d l i ch aufyefaßt, da es noch nicht die Billigung aller Syndikatsmitglieder gefunden hatte. Aber selbst wenn man das bis zu einem gewissen Grade gelten lassen kann, so tritt hier doch wieder einmal die große Ungeschicklichkeit der publizistischen Vertretung des Ministers zu Tage. In solchem Falle dufte eben nicht einfach alles bestritten und Geh. Kommerzienrat Kirdorf gewissermaßen als unzu- verlässig hingestellt werden, sondern man müßte angeben, wie die Sache lag. Denn wir gehen nicht so weit, anzu nehmen, daß man, gestützt auf formelle Spitzfindigkeiten, durch Bestreiten über die unangenehme Angelegenheit Hinwegzugleiten beabsichtigt hat. Immerhin — es bleibt ein peinlicher persönlicher Rest. — Inzwischen wird offi ziös verkündet, die Antwort LesMini st ers werde un Laufe des heutigen Tages erfolgen. Tie Protestationskirche und die evangelischen deutschen Fürsten. Am 31. August wird bekanntlich in Speyer die Protestationskirche, ein der Erinnerung an die Reforma tion gewidnietes Bauwerk, eingeweiht. Der Prinz- reg ent von Bayern wohnt dieser Einweihung nicht bei und das ist wohl natürlich, da er selbst Katholik und Regent eines Landes ist, deffen Bevölkerung zum größten Teil aus Katholiken besteht. Nun soll aber das Fern bleiben des Prinzregcnten sämtliche regierenden evange lischen Fürsten Deutschlands veranlaßt haben, auf die Beteiligung an der Feier zu verzichten. Wir würden es sehr bedauern, wenn diese Nachricht sich bestätigte. Mehr als je erfordert unsere Zeit ein Bekenntnis und Etiguetterücksichten sollten die deutschen Fürsten, die auf richtig protistantisch empfinden, nicht daran verhindern, dieses so außerordentlich wichtige Bekenntnis rückhaltlos abzulegen. Wenn die Einweihung erfolgt, ohne daß die regierenden Fiirstcn Deutschlands von ihr Notiz nehmen, so wird die klerikale Agitation diese Tatsache dahin auszu münzen wissen, daß die deutschen Fürsten Luthers Befrei ungstat gern ungeschehen machen möchten. Wir haben erst kürzlich darüber berichtet, wie weit in katholischen Kreisen die Annahme verbreitet ist, eine „Bekehrung" des deur- scheu Kaisers sei keineswegs unmöglich. Solche Phanta sien beweisen wohl am besten, wie notwendig es ist, daß von Zeit zu Zeit das ganze Volk darüber belehrt werde, daß auch in den Fürsten Deutschlands das protestantische Bewußtsein noch lebendig ist. Die evangelische Bevölke rung würde es nirgends verstehen, wenn ihre höchsten Repräsentanten bei einer so feierlichen Gelegenheit fehl ten und, was fast humoristisch bei der ernsten Angelegen heit anmutet, der Prinzregent von Bayern würde es wahrscheinlich auch nicht verstehen. Tenn der schlichte und liebenswürdige Herr wird es sicher keinem ver denken, wenn er durch seine Anwesenheit dazu beiträgt, die Feier würdig zu gestalten. Trr Alleswisser und der Alleskönner. In der komischen Oper „Der Barbier von Bagdad" wird der gesckstvätzige und selbstgefällige Barbier einmal höhnisch „Der Alleswisser und der Alleskönner" an geredet. Mit diesem Barbier hat unser deutsches Zen trum eine merkwürdige Ähnlichkeit. In einer ein zigen Nummer des führenden bayerischen Zentrums organs finden sich gleich zwei eklatante Fälle ge schwätziger Selbstbespiegelung. In Berlin war in der vorigen Woche eine neue Mittelstandspartei begründet worden, die von allen übrigen Parteien, von den Kon servativen angefangen bis zu den Sozialdemokraten, sang- und klanglos zu Grabe getragen wurde. Anders das Zentrum. Ihm mußte auch diese Gelegenheit her halten, um seinen Ruhm zu verkünden. In einem zwei Spalten langen Artikel werden alle die Verdienste angeführt, die sich das Zentrum um den Mittelstand er worben hat und zum Schlüsse heißt es wörtlich: „Wenn das Zentrum mir einer Handwerkerforderung kommt, da stehen sofort 100 Abgeordnete hinter derselben und das wirkt. Deshalb können die Handwerker gar nichts anderes tun, als mirallen Kräften da- für sorgen, daß das Zentrum stets groß und einflußreichbleibt; das ist dann die beste und stärkste Mittelstandsparei für das Handwerk und dessen Interessen sind am besten gewahrt. . . . Deshalb Treue dem Zentrum und das Handwerk selbst wird den größten Vorteil hiervon haben!" Hütte es sich um eine bäuerlick-e oder kaufmännische oder Gelehrtenvere.nigung gehandelt, fo wäre auch klipp und klar bewiesen worden, daß in der Treue zum Zen trum das alleinige Heil liege. Nichts also ist leichter zu erreichen, als die Zufriedenheit aller Beruse und Stände: bei den nächsten Wahlen brauchen nur alle 12 Millionen Wahlberechtigte dem Z e n t r u m s kan d i d a t e n ihre Stimme zu geben. Noch klassischer ist der zweite Fall. Pro fessor Wach hat bekanntlich letzthin in einer sehr geist vollen Rede für die großen Schöffengerichte plädiert. Dies ist ja nun gewiß keine politische Partei sache, aber auch hier läßt die Selbstgefälligkeit dem bayerischen Zentrumsblatt keine Ruhe. Es erklärt. Wachs Forderung sei nichts Neues — das hat Wach auch nie behauptet, denn vor mehr denn 30 Jahren hat der spätere Justizminister Friedberg dasselbe gefordert—und führt zuni Beweise an, daß erstens im Januar 1903 der Rechtsanwalt Or. Görres, Schwiegersohn des Zentrumsführers Spahn, dasselbe gefordert habe. Daß Herr Görres hier ausdrücklich als Schwieger sohn des Zentrumsfllhrers vr. Spahn angeführt wird, geschieht natürlich nur zu dem Zweck, um der „Zen trumsverwandtschaft" den Ruhm zu geben. Zweitens habe der Zentrumsführer Lerno etwas ähn liches verlangt. Ja, wer zum Zentrum gehört, der kann wie Lortzings Bürgermeister singen: „Ja, ich bin klug und weise", denn wenn er's auch nicht ist, so wird er von Parteiwegen dazu hinaufgeschraubt. „Verein katholisch geschiedener Eheleute". Da die Gründung eines österreichischen Vereins unter diesem Namen liebenswürdigerweise von ultramon tanen Blättern mit der LosvonRom-Bewegung zusammengebracht wird, so bemerken wir hier, daß dieser Verein lediglich die AbänderungderEhege setze des Bürgerlichen Gesetzbuches sich zum Zwecke gefetzt hat, und die Einführung eines Civilstandesgesetzes anstrebt. Nach österreichischem Eherechte können geschiedene Katholiken überhaupt nicht mehr heiraten; selbst dem evangelischen Teil einer geschiedenen Mischehe ist die Wiederxerheiratung verboten. Die Folge ist eine enorme Vermehrung konkubinarischer Verhältnisse, die von der Umgebung, im Hinblick auf die Härte des Gesetzes, meist wohlwollend entschuldigt werden. Jedenfalls ist der Verein, wie schon sein Name sagt, einspezifisch ka - tholischer Verein und berührt die Los von Rom- Bewegung als solche nicht. Deutsches Keich. * Leipzig, 22. August. * Der Ausgang des Crimmitschauer Streikes — un bekannt? Es trifft sich eigenartig, daß an demselben Tage, an welchem das Zentralorgan der Sozialdemo kratie „das heldenhafte, vielbewunderte Ringen jener vogtländischen Textilproletarier" feiert, Reichstagsabge ordneter Legren, Vorsitzender der Generalkommission, in seiner Zusammenstellung über die Streiks 1903 uns einzelne interessante Angaben über den Streik macht. In einer gleichsam als Anhang angefügten Tabelle über die am 1. Januar 1904 noch nicht beendeten Streiks (es waren deren 30 mit 9558 be teiligten Aroeitern) ersehen wir, daß der Streik der Crim mitschauer Textilarbeiter am 22. August 1903 seinen Anfang nahm und am 18. Januar 1904 fein Ende fand. Er dauerte also 128 Tage. Es streikten 7683 Per sonen, die einen Verlust von 852480 Arbeitstagen und einen Lohnausfall von 1 704 960 Mark hatten. Der Streik kostete 885 022 Mark; es haben also die armen Weber nach Abzug der Unterstützungen (eine große Summe wird auch die Streikleitung bezogen haben) 900 000 Mark weniger Einnahme als sonst gehabt. Der Zusammenstellung über die am 1. Januar 1904 noch nicht beendeten Streiks ist eine kleine Tabelle über den Ausgang beigefügt (erfolgreich, teilweise er folgreich, erfolglos, unbekannt) 20 Streiks sollen erfolgreich, 1 teilweise erfolgreich, 5 erfolglos, 4 unbekannt gewesen sein. Es wird nun unsere Leser sehr interessieren, wie die Generalkommission den Aus- gang des Streiks in Crimmitschau beurteilt. „Erfolgreich und teilweise erfolgreich", das ging wohl nicht gut an, auch in der Rubrik „erfolglos" finden wir den Streik nicht, man half sich aus der sehr unange nehmen Situation und setzte den Streik bei der Beur teilung des Ausgangs in die Rubrik „unbe Montan, 22. Anaust 1904. kannt." Das spricht ganze Bände. Mit der faulen Ausrede kann man doch nicht kommen, daß man bei der Zsammenstellung den AuSgang noch nicht gekannt habe, nian hat ja sehr fein säuberlich ausgerechnet, daß der Streik 128 Tage gedauert und 885 022 Mark gekostet hat. Diese letzte Ausrechnung hat man doch erst Wochen nach Beendigung des Streiks machen können. * Berlin, 22. August. * Deutschlands HandelSvertra,»Verhandlungen. Der gegenwärtige Stand umerer handelspolitischen Aktion wird von der „Südd. Reichskorresp." hochoffiziös wie folgt ge schildert: Nachdem sich ergeben hatte, daß die Handelsvertragrverhand- lungen Oesterreich-Ungarns mit Italien noch längere Zeit in An spruch nedmen, so daß die deutschen Unterhändler vor neuen deutsch-österreichischen Zusammenkünften für andere Aufgaben frei werden, ist von Bern aus die Wiederaufnahme der deutsch schweizerischen Vertragsarbeiten angeregt worden. Die zu diesem Zweck bestimmten Sitzungen deutscher und schweizerischer Kommissare dürsten am 25. August beginnen. Als Ort käme wohl Luzern in Betracht. Die Vorbesprechungen für die Wiederauf nahme der Verhandlungen sind schon im Gauge. Mit Rumänieu wird vermutlich bis Ende August der Abschluß erzielt sein. * Fabrik oder Handwerk? Noch immer kommen Fälle vor, in denen für einzelne Betriebe Unannehmlichkeiten daraus erwachsen, daß es eine gesetzlich festgelegte Unterscheidung zwischen den Begriffen „Fabrik" und „Handwerk" nicht gibt. Die Fälle sind allerdings gegen früher weit seltener geworden, weil sich bei der praktischen Entwicklung der Verhältnisse doch immer mehr bestimmte Merkmale haben erkennen lassen, nach denen die Unterscheidung im Einzelfalle ganz zutreffend vorgcnommen werden kann. Man wird ja zugeben müssen, daß eine Unsicherheit auf diesem Gebiete mit Nachteilen für manche Betriebe verbunden ist, weil erst mit ihrer Zuteilung zu einer der beiden Kategorien gewiß wird, welchen Bestimmungen der Gewerbeordnung sie unterworfen sind, ob den für die Fabriken oder den für das Handwerk erlassenen. Jedoch der Umstand, daß die zu beklagenden Fälle jetzt be reits seltener geworden sind, läßt die Aussicht aufkom men, daß hier die Praxis sich schon selbst helfen wird. Außerdem fallt ins Gewicht, daß eine gesetzliche Defini tion nicht bloß schwierig ist, sondern auch mit Unannehm lichkeiten für die Betriebe selbst verbunden sein könnte. Jedenfalls reizen die Erfahrungen, die andere Länder mit solchen gesetzlichen Definitionen gemacht haben, zur Nach ahmung nicht an. Man wird sich deshalb wohl kaum in der Annahme irren, daß von der Einführung einer ge setzlichen Begriffsbestimmung auf diesem Gebiete vor läufig wenigstens abgesehen werden dürfte. Eine andere Frage ist die, wie der infolge der Unsicherheit jetzt mög- licken Doppelbesteuerung gewisser Betriebe einerseits durch die Handelskammern, andererseits durch die Organisationen des Handwerks entgegengetreten wer- den kann. Hierüber ist bekanntlich im preußischen Han delsministerium eine Denkschrift ausgearbeiet worden, die an das Reichsamt des Innern weitergegeben ist. Diese Denkschrift ist inzwischen eingehenden Beratungen zwischen diesem Amte, dem Reichssustizamte und dem Handelsministerium unterzogen worden. Es darf ge hofft werden, daß die Beratungen nunmehr bald zu einem Ergebnis führen werden. — Polizeirat Boesel, der derzeitige stellvertretende Chef der Rixdorfer Polizei, ist dem Gouvernement Wiudbnk in Deutsch- Südwestafrika zur Verwendung im höheren Verwaltungsdienst überwiesen worden. — Besuch von Untersuchungsgefangenen durch den Untersuchungsrichter. Durch 8 116 der Strafprozeßordnung sind die Untersuchungsgefangenen unter den Untersuchungsrichter gestellt. Nachdem vereinzelte Beschwerden erhoben wurden, daß in rheinischen Strafanstalten der Verkehr zwischen Untersuchungs gefangenen und kein Untersuchungsrichter durch die Hand der Beamten laufe, der als Strafanstaltsbeamter vom Minister des Innern angestcllt sei, ist znständigerseits darauf hingewiesen worden, daß es eine Härte für den Gefangenen sei, wenn ihm die briefliche Beschwerde an den Untersuchungsrichter nicht gestattet werde. Es ist Vorsorge getroffen, daß der Untersuchungsrichter die Unter suchungsgelangenen von Zeit besucht, damit er Beschwerden von ihnen entgegennehmen kauu. * Darmstadt, 22. August. Prinz Ludwig von Battenberg ist als Vertreter des Königs von Eng land bei der Taufe des Thronfolgers nach Petersburg abgereist. * Mainz, 21. August. Die Stadt hat aus Anlaß der morgigen Ankunft desKaisers reichen Flaggenschmuck angelegt. Am Alice-Platz und vor dem großherzoglichen Sckloß sind umfangreiche Dekorationen errichtet. Der Fremdcnzufluß ist heute schon sehr stark; in den Haupt- straßen, durch welche sich fortlaufende Reiben von also hier gewesen sein, und zwar noch vor ganz kurzer Zeit. Sie sagte aber nichts. Das Parfüm konnte zufällig auch das des Vicomte Andr6 sein. „Herr Vicomte", begann sie leicht und gesprächig, „Sie müssen mich wegen meines Ueberfalls entschul digen. " „Nehmen Tie Platz, Madame. In tvas kann ich Ihnen dienen?" „Sie werden sich denken können, daß ich nicht wegen einer Kleinigkeit komme", bemerkte Madame de Blois iveiter, indem sie auf einem Sessel Platz nahm. Dabei sah sie flüchtig, daß an der Quaste dieses Sessels über die Lehne nach hinten hinunter ein silberschwarzcr Schleier hing, oder vielmehr bei einem eiligen Rückzug sich an der Quaste festgehakt und hängen geblieben war. Daß der Schleier auch Andr6 gehöre, das war nun doch nicht anzu nehmen. Aber auch jetzt sagte Madame de Blois nichts davon. „Um was bandelt es sich?" fragte Andr6 zerstreut. „Herr Meunier aus Marseille war bei Ihnen?" sagte Fcau de Blois scharf und bestinimt. „Ah, Sie wissen davon? Wer sagte es Ihnen?" „Er war also hier!" rief Madame de Blois erregt, als ob sie bisher noch nickst sicher darüber gewesen wäre und es erst durch seine Antwort geworden wäre. Wenn Andrc'- unbefangen und frei gewesen wäre, so hätte ihm ausfallen müssen, daß Madame de Blois schon von der Anwesenheit des Herrn Meunier in Paris, von der noch nie zwischen ihnen die Rede ge wesen war, wußte. Es würde ihm auch nicht schwer ge fallen sein, zu erfahren, woher sie das wußte. Aber Andr6 achtete kaum auf das Gespräch. Eine heiße Angst un: Florence stieg plötzlich in ihm auf. Wie, wenn Florence draußen in der Verzweiflung plötzlich.Hand an sich legte? Ter Fluß war ganz in der Nähe, sehr tief und ziemlich starkströmend. Wenn sie ihn allein -urücklstß, inmitten dieses Wustes widerwärtiger Umstände? „Er war hier", antwortete er also mechanisch. „Und was wollte er? Was sagte er? Was baden die Marseiller Herren gegen uns vor?" fuhr Madame de Blois erregt fort. „Sie werden sich vorstellen können, Herr Vicomte, daß ich begierig bin, zu erfahren, wessen man sich von diesen Herren weiterhin zu versehen hat." Andr6 fuhr mit der Hand über Stirn und Augen und suchte sich zu sammeln. Er hatte sein Ehrenwort gegeben, nichts zu tun oder zu sagen, was wie Verrat dessen aussehen könnte, was man ihm im Vertrauen aus seine Redlichkeit mitgeteilt oder was die Schritte des Herrn Meunier durchkreuzen könnte. Tas durfte er also nicht. Aber vielleicht konnte vieles Gute daraus ent stehen, wenn er der Frau de Blois einen heilsamen Schrecken cinjagte und ihr nachwies, daß all ihre Ver tuschungsversuche erfolglos sein müßten, daß sie mehr und Besseres zu erwarten habe, wenn sie klar und wahr sage, wie sich alles verhielt. Wie jetzt die Sachen standen, Ivar ja alles hoffnungslos. Wenn überhaupt noch etwas helfen konnte, so half nur Wahrheit und Offenheit. „Ihr Gemahl lebt also noch, Madame", sagte er nach einer kleinen Pause fest und bestimmt. Madame de Blois fuhr von ihrem Sessel erschrocken auf und sah ihn einen Augenblick wie versteinert an. „Was sagen Sie, Herr Vicomte?" stieß sie dann keuchend hervor. „Ich sage nur, was Sie doch auch ebenso gut wie Flo rence wissen müssen " „Ich ich " „Nein, sagen Sie nichts, Madame de Blois, sondern hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe. Die Zeit des Verheimlichens, des Intrigierens und Versteckens ist vorbei. Jetzt gilt es zu sühnen, was zu sühnen ist und gesühnt werden kann. Ich will Ihnen sagen, was Sie dabei zu tun haben. Es haben sich Leute gefunden, die unter Umständen für die Verbindlichkeiten des Herrn Belotti aufkommen würden." „Wer " „Es ist gleichgültig, wer das ist. Die Leute machen aber die Bedingung, einem Unglücklichen zu helfen, nicht einem Spitzbuben." „Herr Vicomte " „Nein, Frau de Blois, sagen Sie nichts, es ist vorbei mit den Phrasen und Redensarten. Wir müssen dieSachen und Personen beim richtigen Namen nennen, wenn wir uns verständigen wollen. Ich will also sagen, daß Sie auf Ihren Gemahl cinzuwirken haben, so sehr Ihnen das möglich ist, daß er Farbe bekennt, daß er offen und ehr lich für das, was geMhen, eintritt. Jeder Mensch in die ser Welt kann irren und fehlen, aber die Ehrlichen büßen ihre Irrtümer und Fehler und nur die Gesinnungslosen suchen sich der Verantwortung zu entziehen!" „Allmächtiger Gott, was wird denn aus uns? Was wird aus meinen Kindern, aus Ihnen, Herr Vicomte?" Dieser horchte plötzlich mit angehaltenem Atem nach dem Garten hinaus und schien die arme Frau, die hände ringend und flehend vor ihm stand, ganz vergessen zu haben. „Still!" sagte er laut und mit zitternder Stimme, „hörten Sie nicht etwas? Einen Schrei? Einen Hülse ruf?" „Florence!" schrie sie dazwischen, „wo ist Florence, Herr Vicomte? Was haben Sie mit meinem Kinde ge macht?" Er hörte sie nicht mehr. In wahnsinniger Angst rannte er durch den Saal, öffnete dröhnend die Glastür und stürzte hinaus in den Garten. „Florence!" hörte ihn Madame de Blois draußen noch rufen, „Florence! Hier zu mir her. Wo bist du?" Sic ging ihm hastig nach. Jetzt, nachdem alles an den Tag gekommen zu sein schien, bot es für sie natürlich das größte Interesse, zu sehen, was nun aus Florence und ihrer Verlobung wurde. Vicomte Andrs war jetzt, wie alles lag, ihre größte und einzige Hülfe. Zog auch er sich zurück — niemand hätte ihm das unter den obwaltenden Umständen verübeln können, und selbst Frau de Blois hätte es natürlich gefunden — so war alles aus und vor bei und sie versank ins Bodenlose. Zunächst sah sie nichts. Der Garten lag finster da und da sie aus dem Hellen Salon kam und ihr Auge nicht an die Finsternis gewöhnt war, sah sie kaum den Weg vor sich. Aber sie ging seiner Stimme und dem Geräusch seiner Tritte nach. Aber sie konnte so rasch nicht folgen und mußte acht geben, daß sie nicht vom Wege abkam und gegen Bäume und Sträucher stieß oder in den Fluß stürzte, den sie gurgelnd und bro delnd rauschen hörte. Was war geschehen? oder was ge schah? fragte sie sich in ihrer Aufregung. Hatte Florence eine Unüberlegtheit begangen? in ihrer Leidenschaftlich keit und Verzweiflung ein neues Unglück angerichtet? Sie hörte ihn fortwährend rufen und fragen, wo sie sei, und endlich glaubte sie auch die Stimme Florences zu hören. Ihr Auge gewöhnte sich allmählich an die Dunkelheit und etwa hundert Schnitte vom Hause entfernt unterschied sie zwei Gestalten, von denen die eine sich aus die andere lehnte. „Gott sei Dank!" hörte sie Andrs wieder leiser sagen. „Ich hielt es nicht mehr vor Angst aus. Komm nur. Du kannst nicht allein in dem finsteren Garten sein. Laß nur. Deine Mutter weiß ja, wie alles steht. Was brauchst du dich zu schämen, wenn sie dich bei mir findet?" Florence flüsterte etwas, aber ihre Mutter verstand es nicht. „Florence, Florence!" rief Madame de Blois, ..mein armes Kind, komm zu mir. Komme hierher, zu deiner Mutter." Wie sie ihre Tochter mit Andr6 allmäh lich näher herankommen sah, fiel ihr ein Stein vom Her zen. Das sah nicht wie Trennung aus. Sie hatte ihren Arm um seinen Hals gelegt und lehnte auf seiner Schulter totmüde und er schlug seinen Arm um ihre Taille, führte sie so besorgt, so zärtlich, wie sie es nie an ihm gesehen. Noch war nichts verloren, dachte sie, wenn AndrS Wort hielt. „Wo warst denn du?" fuhr sic. zu Florence gewendet, fort, „wie töricht, vor mir zu fliehen, Florence! Vor deiner Mutter. Nun freilich, ich sollte etwas strenger sein. Es ist nicht in der Ordnung, oder ich will sagen, noch nicht an der Zeit. Aber ich ver traue auf Andr6, als einen Mann von Wort, und auf dich, mein Kind." (Fortsetzung folgt.)
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