02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040704023
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-04
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Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklame» unter dem Rrdaktion«strtch (4 gespalten) 7b H, nach den Frmilienaach- richten '«gespalten) bO Tabellarischer und Ziffernlatz entsprechend höh«. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertrnannahme 2b -4. Extra-Betlagen .gefalzt), nur mit d« Morgen.Ausgabe, ohne Postbefvrderung ^ll 60.—, mrt Postbesörderung ^ll 70.—. Annahnreschlutz ,»r Auzei«ru: Abend.Ausgabe: oormütaas 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen stad stet« au di« Expedition zu richte«. Die Expedition ist wochentags «rnuuterbrochea geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- tn Leipzig (Inh. Or. B., R. L W. Slt-khardt). Nr. 338. Montag den 4. Juli 1904. 98. Jahrgang. Var Wchtigrte vom lagt. * Wie der „Hofer Anzeiger" erfährt, nahm der Aus schuß der liberalen Vereinigung in Hof am Sonnabend zum Prozeß Muench . Ferber Stel lung. Er war der Ansicht, daß mit Rücksicht auf die ein gelegte Revision für ihn kein Anlaß bestehe, eine Aenderung in der Vertretung des Reichstagswahikreises in Erwägung zu ziehen. * Staatsminister Buddeist mit einer Anzahl hoher Beamter nach Wildungen gereist, um das Eder-, talfperregebiet zu besichtigen. * In Karlsruhe wurde gestern ein B i s m a r ck - Denkmal enthüllt. (S. Tisch. Reich.) * Der belgische Minister Francotte be ¬ gibt sich heute im Auftrage seiner Regierung nach Berlin. ' * Der dänische Dampfer „ Norge " ist an den Klippen von Rockhallriff gescheitert und mit 800 Menschen untergegangen. Rur 27 Personen sollen gerettet stin. (S. Aus aller Welt.) Var neue rurrircke ortrergeschwacler. Die 15 russischen Kriegsschiffe, 7 Linienschiffe und 8 Kreuzer, welche jetzt zum Auslaufen von Kronstadt nach Ostasien bereit gemacht werden und etwa in vierzehn Tagen die Reise antreten dürften, sollen auf direkte An ordnung des Zaren mit den allerneuesten technischen Ein richtungen versehen werden. Die Funkqn>tele- graphie hat ja bereits in dem russisch-japanischen Kriege eine große Rolle gespielt und das marinetechnische Eomitt in Petersburg hatte sich sehr eingehend mit der Frage der Funkspruchapparate besä-äftigt. Es war natur gemäß, daß das System desRussen Popoff zuerst sehr viel warme Anhänger fand und die Einführung des selben beschlossen wurde. Weitere Versuche ergaben jedoch, daß die Popoffschen Funkspruchapparate mit den jenigen von Siemens L Halske nach dem System Slaby- Arco-Braun nicht konkurrieren können, da letztere viel sicherer arbeiten. Unter diesen Umständen hat das marinetechnische Comite angeordnet, daß die sämt lichen 15 Schiffe mit demSiemensschon System, das namentlich in Bezug auf Schnelligkeit der Telegrammübermittelung sich ganz vorzüglich bewährt hat, ausgerüstet werden sollen. Es handelt sich in erster Linie um die 4 Linienschiffe der Borodino-Klasse („Knjas Sfuworow", „Oöl", „Borodino", „Alexander III.") und die weiteren drei Linienschiffe „Ossljabja", das schon unter Admiral Wirenius nach Ostasien unterwegs war, „Ssistoi Weliki" und „Navarin". Die acht mit dem Siemensichen „Funkspruchapparat ausgerüsteten Kreuzer sind „Aurora" (6740 Tonnen groß), „Oleg" (6780 Tonnen groß), „Sswetjlana" (3900 Tonnen), „Admiral Rachimow" (8640 Tonnen), „Almas" (3300 Tonnen), „Schemtschug" und „Ismurud" (je 3100 Tonnen) und „Dmitri Tonskoi". Die K r e u z e r s l o t t e, die nach Ostasien dampfen wird, ist also noch viel stärker als anfangs angenommen wurde, denn es ist bei der fieberhaften Tätigkeit gelungen, alle erst 1903 zu Wasser gelaufenen Kreuzer, wie „Oleg", „Almag", Schemtschug" und „Ismurud", fertigzustellen. Es sei bemerkt, daß man es hier nur mit geschützten Kreuzern zu tun hat, die in der Mehrzahl eine außerodentliche Schnelligkeit (24 Seemeilen) entwickeln. Es braucht wohl nicht betont zu werden, daß nach Eintreffen dieses gewaltigen GeschN'aders die j a p a n i s ch e S e e h e r r - schäft, die jetzt übrigens nach Ausbesserung von „Zessarewitsch", „Retwisan", „Pobjeda" schon einiger- maßen fraglich ist, möglicherweise gebrochen werden kann, da die Russen dann etwa doppelt so stark als die Japaner sein werden. Freilich die russischen Reserven sind dann auch erschöpft, da die angefangenen drei Linienschiffe erst 1906 fertig sein werden. Tie neuen japanischen Linien schiffe „Katori" und „Kascheina", welche bei Veikas und Arnistrong gebaut werden, können frühestens im De zember 1905 gefechtsbereit sein. ver nittirch-iapanircbe Krieg. Mißwirtschaft in -er russischen Ariegrverwaltung. Einem Petersburger Briefe des Wiener „Deutschen BoUSblatteS" entnehmen wir folgende Mitteilungen: „Die Klagen über Mängel in der Verpflegung mehren sich in ganz Mantschurien. Es kamen Briese von Offizieren an ihre Familien, die die Lage ziemlich trostlos schildern. Es wird da auch Hetlagt, daß eine äußerst strenge militärische Zucht selbst Offizieren gegenüber ausgeübt wird und es diesen verboten ist, unangenehme Nachrichten zu be richten; doch gelinge es ihnen, diesen strengen Maßregeln aus zuweichen, indem sie ihre Briese Durchreisenden anvertrauen. Nach diesen Briesen ist die Verpflegung bei der Armee sehr schlecht, und die Leute leioen an allem Mangel. Nach anderen Osfiziersbriefen, die aus Liao fang stammen, soll dort oft mehrere Tage lang kein Fleisch aufzutreiben sein. Der Offizier, der mir das mitgeteilt hat, meinte dabei: „Wenn so etwas im Hauptquartiere vorkommt, kann man sich denken, wie es anderswo zugebt." Ein alter Offizier, der dieser Tage aus Ebarbin zurückkam, bestätigte diese Nachrichten: „Man kann sich nicht die Unordnung vorstellen, die dort herrscht. Im Eharbiner Spitale habe ich eine Menge Patienten gefunden, koch waren von ihnen bloß vier verwundet. Die anderen litten an Krankheiten. Und dabei wird in offiziellen Berichten behauptet, der sanitäre Zustand sei vortrefflich und es gäbe in der ganzen Armee nur 29 Kranke. Ich fragte einige Sol daten nach der Ursache ihrer Krankheit. Sie antworteten, daß sie infolge von Erkältung und schlechter Kost magen leidend seien. Sie mußten tagelang bis an die Brust im Wasser stehen, um den Ehunchusen aufzulauern, und dabei erhielten sie als einzige Nahrung rohen mandschurischen Mais. Ick batte Gelegenheit, einige Depots zu unter suchen, und fand darin so verfaulten Hafer und Korn, wie ich desgleichen während meiner 40jährigen Dienstzeit, selbst im letzten türkischen Kriege, nicht ge sehen habe. Ein Jude hatte das geliefert, und der Intendanz offizier batte die Lieferung für gut befunden. Ich habe den Namen des Juden und des Offiziers ausgeschrieben. Ich sah auch Artillerieoffiziere, die das erhaltene Heu untersuchten. Sie nahmen eine Handvoll Halme, und da sich diese als Rohr erwiesen, warfen sie sie dem Intendanten zu Füßen und ent fernten sich. Wenn der Kaiser wüßte, wie es bei der Armee zugeht! Aber er weiß nichts. Es wird vor ihm alles geheim gehalten. Sie können sich nicht vorstellen, wie streng die Zensur gehandhabt wird." Warschau, 4. Juli. (Eigene Meldung.) In Russisch-Polen werden Aerzte für den Kriegsschauplatz ««geworben. Lhlna un- -er Arieg. Die Pekinger Regierung scheint, wie wir der „Franks. Ztg." entnehmen, die besten Absichten zu haben, in dem Kriege zwischen Rußland und Japan strikte Neutralität zu wahren. Damit sind aber die hohen Provinzial mandarinen nicht recht einverstanden. Bei dem großen Einfluß, den die in mancher Beziehung fast selbständigen Generalgouverneure haben, ist das keine ganz unbedenk liche Sache. Mehrere Besuche, die Shanghaier General konsuln kürzlich den Satrapen am Jangtsekiang ab gestattet haben, werden damit in Zusammenhang ge bracht , daß von ihnen immer wieder auf die Not wendigkeit von Chinas Neutralität hingewiesen werden soll. Ob man damit auf die Dauer Erfolg erzielen wird, bleibt abzuwarten. Seit dem Jahr 1900 haben sich in China die Rollen in der seltsamsten Weise vertauscht. Damals war die Zentralregierung in Peking wie von einem Taumel besessen und zeigte sich unzugänglich für alle vernünftigen Vorstellungen, wäh rend die Generalgouverneure in den Provinzen, besonders die am Jangsekiang, einen klaren Kopf behielten. Jetzt dagegen würden manche Satrapen es gern sehen, wenn China am Kriege gegen Rußland teilnähme, ohne genügend zu bedenken, was für unabsehbare Folgen ein solcher Schritt für das morsche alte Reick der Mitte haben könnte. Am kriegerischsten scheint der Generalgouverncur Tsen in Kanton gesinnt zu sein. Er hat von Anfang au die Kaiserin-Witwe in seinem Sinn zu beeinflussen gesucht, bisher jedoch erfolglos. Nach den Siegen der Japaner hat er aufs neue alle Hebel in demselben Sinn angesetzt, indem er nicht nur der Kaiserin- Witwe zum sünften Male den Rat erteilte, Rußland den Krieg zu erklären, sondern auch sämtliche hohen Manda rinen in der Hauptstadt wie in den Provinzen telegraphisch ersuchte, ihn in seinen Bemühungen zu unterstützen. Zur tage in -er Mantfehurei. Wie einBerichterslatter des„Reaierungüboten" ansLiaujang von Sonnabend meldet, war die Lage auf dem Kriegsschauplatz in den letzten 4 Tagen folgende: In der Front nimmt eine berittene Abteilung der Vorhut das Dorf Sialitsi an der Eisenbahn ein, etwa 9 Werst südwestlich von Kaitschou. Die Wachtposten der Gegner ziehen sich in einer Ausdehnung von 35 Werst von der See nach dem Tale des Zelmgouflusses bin. Auf den Stellungen der Vorposten finden Scharmützel statt. Ein Korps steht nach wie vor bei Tanlschi, eine Ab teilung des Generals Mischtschensko bei Mugi. Nach erfolg reichen Kämpfen bei Siahotan räumten die Japaner am 30. Juni Tscheguontin, die schwarzen Berge, Siandiao und Madiawaidsa. Nach Berichten von Kundschaftern haben sie in diesen Kämpfen gegen 600 Mann verloren. Gerüchtweise verlautet, daß der Dalin-Paß sich nach wie vor in den Händen der Japaner befindet. Die Nachhut der östlichen Abteilung batte am 29. Juni Gefechte in den Pässen von Ufanauan bis Laholin zu bestehen: sie zog sich auf den Janselin-Paß zurück. Am 27. Juni griffen die Japaner auch eine Abteilung des Generals Rennenkampf im Sigoulin- Paß an. Der Feind wollte im Tale des HaoheflusseS seinen rechten Flügel umgeben, Loch gelang dies mcht. Am 28. setzte der Gegner den Vormarsch gegen die Abteilung Rennen kampfs fort, die sich zum Fenschüilin-Paß zurückzog. Unsere Verluste waren unbedeutend. Es bestätigt sich, daß die Ja paner an Verpslegungs- und Transportmitteln Mangel leiden und Krankheiten unter ihnen ausgebrochen sind. Vragonilrsw» Arktik. Der greise General Dragomirow, der für den be deutendsten Taktiker der russischen Armee gilt, veröffentlicht im „Raswevtschik", dem Amtsblatte des Kriegsministeriums, eine Studie über den gegenwärtigen Krieg. Er ist voller Anerkennung für die Leistungen der Japaner, findet aber kein einziges Wort des Lobes für die russische Kriegsführung. Es ist wohl das erste Mal, daß ein solcher Artikel im Organ des russischen Kriegsministe riums erscheint. „Man kann den Japanern die Anerkennung nicht vorenthalten", schreibt General Dragomirow u. a., „daß sie die Kriegskunst verstehen und sie meisterhaft ausnützen. Sie zersplittern ikreKräfte nicht, sondern wissen immer ganz gut, was sie wollen. Wenn sie sich ein Ziel vorgesetzt haben, so verftehen sie es, ihre Kräfte darauf zu konzentrieren und verlieren es nicht aus dem Auge unter dem Einfluß von Phantasien und Auf wallungen, die durch vorübergehende Eindrücke und Ein flüsterungen von Abenteurern und Geschäftsmachern angefachl werden, von denen alle Generalstäbe, insbesondere die zahl reichen, wimmeln." Bemerkenswert ist, daß diese Aus lassungen in das genannte offizielle Organ Aufnahme gefunden haben. Man könnte daraus schließen, daß man im russischen Kriegsministerium mit der Kriegführung in Ostasien nicht sonderlich zufrieden ist. Santo» Dnnesnt verweigert Japan -ie Unterstützung. Ueber ein Angebot der japanischen Regierung, den bekannten Luftschiffer Santos Dumont zur Teilnahme am ostasiatischen Kriege auf japanischer Seite zu veranlassen, machte der hervorragende Aeronaut in einer Unterredung nach der „Daily Mail" folgende Mitteilung: „Ich wurde eingeladen, mich den japanischen Streitkräften in Korea als Leiter der Luftschifferabteilung anzuschließen. Man bot mir eine fabelhafte Summe an, damit ich mein Luftschiff aus den Kriegsschauplatz brächte, um starke Sprengstoffe auf Port Arthur niederfallen zu lasten. Ich lehnte das Angebot ab, da mir das Gefühl meiner Zugehörigkeit zur kaukasischen Rasse nicht erlaubt, Japan zu unterstützen. Frankreich hat meine Pläne für die Ver wendung von Luftballons im Kriege angenommen." Die Mitteilung des französischen Luftikus klingt etwas sehr unwahrscheinlich und reklamehaft. poMircke lagerr»««. * Leipzig, 4. Juli. Rachklänge vom internationalen Aranenkongretz. Mit dem Verlaufe des Internationalen Frauen kongresses sind die Führerinnen der radikalen deutschen Frauenbewegung durchaus nicht zufrieden. Das zeigen Betrachtungen, welche Frau Minna Cauer und Frl. Elfe Lüders in dem Organ ihrer Richtungen über den Kongreß veröffentlichen. Frau Cauer beklagt sich über das prunkvolle Arrangement des Kongresses, die vielen Salons, Buffets, die immer belagerte Limonadenquelle und dergleichen mehr, weil dadurch der Ernst der ganzen Veranstaltung be- Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. Verbova war größer und hübscher gebaut als Tur- dova, das Stulrichteramt befand sich auch in dem Städt chen; das Erscheinen des jungen Offiziers erregte aber doch ein gewisses Aufsehen, und jedermann sah ihm nach, als er über den Marktplatz schritt, wo die Wohnung des Doktors lag. In kleinen Orten gibt es keine Vorlegketten und ge schlossene Türen, das Entree stand offen, und Bethlen trat ein. Aus einem Zimmer rechts hörte er den Lärm vieler Kinderstimmeu und dazwischen eine weiche, be schwichtigende Frauenstimme, dann öffnete sich die Türe und ein Mädckzen kam heraus. Dieses war nickt schön und auch nicht gut gewachsen; es war aber noch sehr jung und hatte ein weiches, sanftes Gesicht. „Ter Herr will gewiß zu meinem Vater, bitte, die Türe links!" Es war dieselbe weiche Stimme, die vorher im Zimmer gesprochen. Doktor Farkas war allein in seinem Bureau, sein Per sonal hatte sich soeben zum Mittagessen begeben. Es war ein älterer, grauhaariger Herr mit scharfen Zügen, die von viel Arbeit und Sorgen zeigten. Tie Begrüßung von seiner Seite war zuerst ziemlich kühl. Er hatte schon längst den Besuch des jungen Grafen erwartet und nicht nur in dessen Angelegenheiten; es standen noch einige Rückstände in seinen Büchern, und er hoffte, der Sohn würde diese bezahlen. Als sich aber der junge Mann entschuldigt hatte, der für den Advokaten fo wichtige Punkt zu seiner Zufrieden heit erledigt war, Bethlen ihm das Kapital Janzsis zur Zurückgabe an die Sparkasse wieder einhändigte und ihm sogar mit liebenswürdiger Offenheit bekannte, was die wahre Absicht des alten Mannes gewesen, taute der Doktor nach und nach auf. „Sieh einmal einer diesen Janzsi an!" ries er ganz erstaunt. „Mir so einen Bären aufzubindenI Und mit solch ehrlick)em Gesicht! Donnerwetter, ist ja noch schlauer als der Teufel; denn er hat einen Advokaten hinters Licht geführt! ... so heißt das Sprüchwort hier. Nun sieht man, daß der Einfalt, der Selbstvergessenheit dieselben Hülfsmittel ost zur Verfügung stehen wie dem Raffine ment, dem brutalen Egoismus ... der Zweck macht alles aus, der Zweck allein! — Ja, diesen Janzsi, den muß nian kennen! Ein Herz, nicht niit Gold aufzuwiegenI" Tann kam der Doktor auf die Angelegenheiten feines Klienten zu sprechen; aber Betheln erfuhr nicht viel mehr als er bereits aus den Vorgefundenen Schriftstücken wußte. Die großen, stundenweiten Wälder waren ver kauft, verpfändet und verfallen, und diese hatten dcn eigentlichen Wert des Gutes ausgemacht; unbelastet und für ihn freies Eigentum waren nur das Schloß, der Park und ein Teil der Felder, weil, wie der Advokat hinzufügte, sich keiner mehr fand, der Geld darauf borgen wollte. „Ich gedenke in Turdova zu bleiben," sprach Bethlen daun. „Glauben Sie, Herr Doktor, daß aus dem Gut noch etwas zu machen ist? Daß nur ein kleiner Erfolg zu erwarten ist?" „Ein fester Wille und fleißige Hände haben schon Wüsten in blühende Eilande verwandelt," versetzte der Advokat, der jetzt mit großer Wärme auf die Sache einzu gehen schien. „Es sind schon viel größere Schwierigkeiten überwunden worden. Sie sind ein einzelner Mann, Herr Gras, das Leben ist hier billig, und kostspielige Ver gnügungen gibt es nicht . . . Ich kann nur Ihren Ent schluß gutheißen, Ihr letztes Besitztum, das Stammgut Ihrer Familie, sich zu erhalten. Es ist an diesem einst so blühenden Besitz arg gesündigt worden, aber die Mutter Erde ist gütig; sie läßt sich durch Fleiß und Mühe ver söhnen. Doch eines muß vorhanden sein — etwas Bar kapital und wenn's für den Anfang auch nur ein paar tausend Gulden sind." „Ich besitze gar nichts," gestand Bethlen mit großer Aufrichtigkeit; aber sein hübsches, männliches Gesicht wurde über und über rot. „Tann war ja die Idee des braven Janzsi eigentlich eine richtige, wenn ich auch gleichzeitig einsehe, daß Sie von dieser Hülfe, Herr Graf, schwer Gebrauch machen können." Der Doktor sann einen Augenblick nach, dann sagte er, er wolle sich Mühe geben, einen Käufer für einen Teil des weitläufigen Parkes ausfindig zu machen. Viel leicht würde ihm dies doch gelingen. Sollte es jedoch trotzdem nicht der Fall sein, so wäre sein Rat, den größten Teil des Parkes ausholzen zu lass«,, und dann die Stämme zu verkaufen. Für Holz sei immer in der Gegend Bedarf. Man müßte dies Frühjahr ja nicht mit allen Feldern beginnen, wenn nur ein kleinerer Teil an gebaut würde, wäre auch schon etwas. Zum Schluß sprach ibm der Advokat noch Mut ein, und versickerte ihm, daß er seinem Vorhaben sehr sympathisch gegenüberstehe. * * * Einige Tage später wurde Bethlen Lavadi eine große Ueberraschung zu teil. Er hatte in Begleitung Janzsis eine Besichtigung der Felder unternommen, um ihre Richtung und Ausdeh nung kennen zu lernen. Nun war es ja endlich Zeit, sich auf eigenen Grund und Boden zu orientieren. Müde und ausgehungert, denn die Aecker lagen sehr auseinander und die Wege waren schlecht, kamen sie nach stundenlanger Wanderung nach Haus zurück. Es war weit über die Mittagszeit hinaus; ohne die mit Kot be schmutzten Kleider zu wechseln, setzte sich Bethlen an den gedeckten Tisch nieder. So etwas wäre dem eleganten Mann früher nie geschehen. Aber wenn man auf keinen Rücksicht zu nehmen hat, läßt man sich gehen. Belblen glaubte sich vor Störungen sicher. Wer sollte ibm kommen? Doch wenn man am wenigsten auf Besuch eingerichtet ist, kommt er am ehesten. Tas sind so die kleinen Tücken des Lebens . . . Plötzlich hörte er fremde Stimmen im Flur, und bevor er Zeit hatte, diese zu untersckxsiden oder sich zu entfernen, öffnete sich die Tür und Pfarrer Petrow mit einer Lame trat ein. Wäre Janzsi draußen gewesen, so wäre dies nickt geschoben; er hätte den Besuch erst ange meldet; aber Betka die dumme Person, hatte offne weiteres die Tür geöffnet. — Ter junge Offizier war mit dem Essen fertig, aber wie sah er aus! In großer Verlegenheit erhob er sich und hieß die Gäste willkommen. Der Pfarrherr stellte Frau von Torma vor. Bethlen begrüßte die Dame mit ausge suchter Höflichkeit, dann entschuldigte er sein Aussehen und bat un, die Erlaubnis, sich umkleiden zu dürfen. Er würde in einem Augenblick zurück sein. Er ahnte nicht, daß Frau von Torma sein Fortgehen sehr gelegen kam . . . Sie hatte einen peinlichen Eindruck zu überwinden. — Damals beim Begräbnis im Fried hof war s ihr nicht ausgefallen ... sie hatte ihn auch nur zu kurze Zeit gesehen, und der Schmerz mochte seine Züge in etwas verändert haben .... jetzt fühlte sie sich geradezu betroffen von der Aehnlichkeit, die er mit seiner ver storbenen Mutter hatte. Wie aus den Augen war er ihr geschnitten, nur ins Kräftige, ins Männliche übersetzt. — Und jetzt war es ihp auch klar, warum fick der Vater derart von dem Sohne fern gehalten batte, wie es ihr ein mal der alte Janzsi mit halben Worten angedeutet hatte, damals, als der Treue mit der Bitte zu ihr gekommen
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