Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040711020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904071102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904071102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-11
- Monat1904-07
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiA t» tz« vauptttpedMm» oder der«, Ausgabe stelle, «dß,tz,Itr »iertiliLhrttch ^S S.—. bet zwetourlttz« täglich« 8»ft,ll»«a tu» Hau» ^4 8-78. Durch di, Los» bezöge, für Deutsch« buch ». Oesterreich viertrlMrlich 4.80, für di« ädrigen Länder taut Zettvug»prei-list«. NedittNou» Johauutsgassi v. P»r«chstn,der d—L Uyr Nach«. Fernsprecher: Id« Erpedttion: JohanniSgaffi L Fernsprecher: LS. Ftltaler»edM»ne»r «I fr,» n. lvnchbuadin.. Univerfität-str.3 lFernspr. «r. 4046)^ 2 Lüsche, Latharine» stratz« 14 sFernsprecher Nr LS38- n. LSotgt- Platz7 cKernsp rechn Nr. 78O8> HMunt»Ftitatk DreOtzen: Marienstrabt 84 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: TarlDnncker, HerzgUvayr-Hofbuchbandla- Lützowstratzr lOsFernsprrcherAmtVI Nr.4608.) Abend-Ansftttbe. Mtlpziger TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolneiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaltionsstrich (4 gespalten) 78 nach den Ffmiliennach« richten (6 gespalten) 80 <4. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höb'r. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme Lü Extra-Beilagen 'gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderung ^4 60.—. mit Postbefürderung 70.—. Annahmeschlutz ,nr Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: aachmtttag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tn Leipzig (Inh. vr. B„R. L W. «liakhardt). Nr. 349. Atontag den 11. Juli 1904. 98. Jahrgang. Var Aicdtigrle vom Lagt. * In Dre-dea hat heute der Streik der Bau» und Möbeltischler begonnen. Die Zahl der Ausständigen beträgt etwa 780. (S. Sachsen.) * Der Borstand des Sächsischen Gemeindetages tritt nächsten Mittwoch in Dresden zusammen, um über die von der Regierung geplante Gemeindesteuerreform zu beraten. (S. Sachsen.) * DaS große Kirchdorf Slupia im Kreise Rawitsch ist telegraphischer Meldung auS Posen zufolge bis aus wenige Gebäude niedergebrannt. Der Schaden ist enorm. (S. AuS aller Welt.) * Die demokratische Konvention der Vereinigten Staaten schied die Währungsfrage aus ihrem Programm au-, um Parker die Annahme der Kandidatur zu ermöglichen. viirrirches. AuS Petersburg wird uns von unserem «-Korrespon denten geschrieben: Die von der Rufs. Tel.-Ag. verbreitete Meldung über eine Explosion auf dem Unterseeboot „Delphin* bewahrheitet sich nicht. Vielmehr ist der Vor gang folgender gewesen: Auf der Baltischen Werft wurde das Unterseeboot „Delphin* gebaut. Es lag am Quai angekettet und an einem Tage sollten Versuche angestellt werden, um zu sehen, wie schnell sich die Wassertanks füllen und das Boot zum Untertauchen gebracht werden könnte. 3 Offiziere und 33 Matrosen begaben sich an Bord, um die Ver suche vorzunehmen. Man vergaß aber, die Deckluken zu schließen! Als nun die Tanks gefüllt waren und das Boot untertauchte, strömte das Wasser durch die Deckluken auch in die Schiffsräume, in denen sich die Mannschaft befand, so daß von den 36 Personen 28 einen wenig rühm lichen Tod fanden, — während der „Delphin" am Ufer an gekettet lag! Sehr nett ist eS nun zu vergleichen, wie die russischen Offiziösen angewiesen werden, die Sache darzustellen, wobei besonder» auf die Fiktion zu achten ist, daß es sich um ein Torpedoboot gehandelt habe. Da schreiben z. B. unter der Spitzmarke „Wodurch ist der „Delphin" untergegangen?" die „Birsh. Wed.": „AuS zuverlässigen Quellen teilt man uns über den Untergang de» Torpedobootes „Delphin" bei der Baltischen Schiffswerft olgendeS mit: Bis zu dem Unglückstage des „Delphin" wurden alle Versuche unter der unbedingten Anwesenheit und Leitung der Urheber der Konstruktion des „Delphin", Kapitän 2. Ranges Beklemischew und Schiffsingenieur Bubnow, ausgeführt. Am 16. Juni wurde zum ersten Male ein unbedeutender Versuch ohne di, genannten Personen zugclafsen. In unvorhergrsehrnerweisr trat eine schnelle Belastung des Tor- prdobootrS dadurch ein, daß eine notwendige Luke nicht verschlossen worden war. Als man bemerkte, daß da? Tor pedoboot wider Erwarten schnell zu sinken begann, konnte man nicht mehr die Luke, wie erforderlich, schließen, so daß das Wasser ins Schiff floß und wer es konnte sich zu retten begann. Die Explosion scheint somit eine Folge des Mangels an Kaltblütig keit der Mannschaft gewesen zu sein, infolge des für sie unerwarteten Sinkens des Bootes". Nicht ohne Interesse ist auch das Schicksal eines zweiten Unterseebootes, des „Protektor", der, wie die russische Re gierung bekanntlich behauptete, aus Amerika verschwunden und heimlich an Japan verkauft worden sei, so daß Rußland einen Protest an die Adresse der Regie rung der Vereinigten Staaten von Nordamerika wegen Neutralitätsbruchs plante. Jetzt ist es endlich geglückt, die Kursrichtung, die das auS Newport verschwundene Untersee boot genommen hat, festzustellen: in Kronstadt traf vor kurzem der Dampfer „Fortuna" mildem „Protektor" ein und man hatte es nicht einmal für nötig befunden, die Namen der beiden Schiffe oder wenigstens den des „Pro tektor" zu überstreichen! Beide Namen waren für jedermann deutlich zu lesen! Der rurzirch-sapanizche fflieg. Aaiserparade in Moskau. Der Kaiser hielt am Sonntag in Moskau Parade über die Truppen in Kolomna ab. Er kam morgens hier an und wurde am Bahnhöfe von dem Gouverneur, dem Ebes der Gendarmerie, dem Adelsmarschall, dem Bürgermeister, Ver treter der Gemeinde, Arbeiterdeputationen von dem Hütten werk ain Orte und Nonnen voin Kloster Uspensky einpfangen. Nach der Parade richtete der Kaiser huldvolle Worte an die Offiziere und wünschte ihnen Glück zu der Ehre, nach dem Kriegsschauplätze gehen zu können. Er sprach die feste Erwartung aus, daß sie die Ehre der russischen Waffen auf recht halten würden, gab ihnen seinen Segen und den der Kaiserin und fuhr mit der Eisenbahn nach Kasan weiter. Die Aufstellung der Armeen der Generale Aurokt und Oku. Der Vertreter der „Birschewija Wjedomosti" meldet aus Taschitschiao vom 9. Juli: Die Armee des Generals Kuroki hat sich offenbar auf der Linie Föngwangtschöng- Sujan zusammengezogen. Die Hauptmacht steht in Susan. Die Armee des Generals Oku nimmt eine Stellung ein, die sich vom Meere in der Nähe von Seniutschen bis Sujan hinzieht. Der Kern der Arinee steht gegenüber Kaiping bei der Hügelkette von Sungtschang. Auf diese Weise haben die Hauptstreitkräfte der Japaner eine lange Linie besetzt, die vom Meer bis Sujan reicht und sind bereit, sich auf irgend einein Punkte zu vereinigen, um einen ent scheidenden Schlag zu tun. Seniutschen ist für die Japaner von großer Bedeutung wegen der Ver sorgung der Armee mit Lebensmitteln. In der Helenabay wurden kürzlich 150 Boote gesehen, die offenbar Getreide für die spanische Armee führten. — Die Japaner marschieren ohne Artillerie, waS beweist, daß der Transport der Geschütze über die Berge mit Schwierigkeiten verbunden ist. Ein entscheidender Schlag dürfte daher in allernächster Zeit noch nicht zu erwarten sein. Die japanischen Streitkräfte auf der Linie Sujan-Kaiping werden auf 80 bis 100 Bataillone geschätzt. Nach einer Meldung der Nuss. Telegr.-Ag. aus Liaujang befestigen die Japaner die verstärkt besetzten Pässe, woraus zu schließen sei, daß sie sich in der Verteidigung zu halten beabsichtigen. Ein Vormarsch auf Liaujang und Mukden ist daher unwahrscheinlich. Marschall Oyama» Verhältnis zu -en Generalen. Von maßgebender japanischer Seite geht unS eine Mit teilung zu, in welcher die in der jüngsten Zeit verbreiteten Nachrichten über Mißhelligkeiten zwischen leitenden Persön lichkeiten des japanischen Heeres, die ihren Ursprung in Eifer süchteleien haben sollen, durchaus bestritten werden. Der Geist strengster Disziplin sei in der japanischen Armee so stark entwickelt, daß eine Rückwirkung etwaiger Verstim mungen in dienstlicher Beziehung, zumal in Kriegszeiten, aus geschlossen sei. Speziell für die Annahme, daß die Berufung des Marschalls Oyama auf den Posten des Oberbefehls habers der japanischen Streitkräfte vom General Kuroki oder General Oku als eine Kränkung empfunden wurde, fehle jede Grundlage. Der Marschall fei den genannten Generalen in der Anciennetät, sowie im Alter so weit voraus und sein hohes Ansehen als Heerführer sei in der Armee wie in der öffentlichen Meinung des Landes so unangefochten, daß seine Entsendung an die Spitze der japanischen Streit macht von Oku oder Kuroki unmöglich als eine Zurücksetzung betrachtet werden könne. Aber auch eine Rivalität derselben gegenüber dem General Nozu, der im Zusammenhänge mit den angeblichen Mißhelligkeiten genannt wurde, könne sick nicht entwickeln, da sie im Dienste viel jünger sind als Nozu und ihm lange Zeit unterstellt waren. Gerüchte au» Lfchifu. Aus Port Arthur Geflüchtete erzählen, daß die Ost division der Japaner nut Unterstützung der Flotte ohne Unterlaß im Kampfe begriffen sei, um eine die Stadt und das Hafenbassin beherrschende Stellung zu gewinnen. Die japanische Flotte schösse ohne Unterbrechung vom Morgen bis zum Abend. Tote und Verwundete kämen alle Augenblicke an. Die Privathäuser seien zu Feldlazaretten eingerichtet. Im Norden der Stadt fänden nur Scharmützel statt. Der Vortrab des Feindes sei in der Nähe des Marinelagers. Die japanische Flotte habe die Forts in den Nächten deS 2., 3. und 4. Juli von Süden her beschossen, ohne indes viel Schaden anzu richten. Dem Bericht eines Russen zufolge hätten die Ja paner in der Nacht vom 6. zum 7. Juli die Spitze des Berges Takuschan besetzt und dort eine Batterie errichtet. Der „Novik" und vier Kanonenboote seien am 7. heraus gegangen und hätten die japanische Batterie beschossen, die dann von russischer Infanterie umzingelt und genommen worden sei. Die Russen behaupten, die Japaner hätten mindestens 10 Torpedoboote verloren bei ihren Versuchen, an die auf Vorposten liegenden russischen Schiffe heranzukommen. Liaujang unter Wasser. Die „Rufs. Tel.-Agentur" meldet aus Liaujang vom 9. d. Mts.: In den letzten zehn Tagen ist Liauzang infolge heftiger Regengüsse überschwemmt. Die Straßen und Plätze sind in förmliche Seen verwandelt. Der morastige Zustand der Wege ist dem Verkehr sehr hinderlich. Trotz der Nähe der Japaner verhält sich die chinesische Bevölkerung ruhig und geht den gewohnten Beschäftigungen nach. Dar dankbare Japan. Der Korrespondent des „Daily Expreß" telegraphiert aus Tokio, daß man sich dort zur Ausgabe macht, die englischen Offiziere, die mit dem Transport „Hitatschi Maru" unter gingen, oder auf anderen Schiffen, die durch die Russen zum Sinken gebracht wurden, ihr Leben einbüßten, zu ehren. Die japanische Regierung ist damit beschäf tigt, die Verhältnisse der betreffenden Schiffsofsizreer festzustellen, um deren Angehörige entsprechend zu entschädigen, aber aus dem Publikuni heraus sind außerdem noch Vor schläge gemacht worden, auch für die Nachwelt die Erinnerung an diese Leute, die für Japan starben, lebendig zu erhalten. Ein Vorschlag geht dahin, auf einem öffentlichen Platze in Tokio den Umgekommenen eine Bronzevenkmal zu setzen, während andere Vorschläge die Errichtung eines Leuchtturmes oder eines neuen Docks inS Auge fassen. Vorläufig wird gesammelt. Berliner Aavallerlestiefel für Japan. Von der japanischen Heeresverwaltung ist kürzlich einer großen Berliner Schuh- und Stiefelfabrik der Auftrag zuteil geworden, für die japanische Kavallerie 50 000 Paar «tiefel zu liefern. Das Modell für den Stiefel wurde vorgeschrieben. Die Stiefel werden im September mit einem Lloyddampfer nach Japan befördert, falls hiergegen nicht noch Einspruch erhoben wird. Lolilircbe Lagrrrchau. * Leipzig, 11. Juli. „Ter Adel und die soziale Hegemonie". * Das „Deutsche Adelsblatt*, Organ der deutschen Adels genossenschaft, das sich schon durch manche seltsame Artikel bemerkbar gemacht hat, bringt unter dein vorstehenden Titel eine Betrachtung, die die „soziale Hegemonie" des Adels, die besonders lebhaft vom „blauen" Liberalismus angegriffen würde, als berechtigt und notwendig verteidigt. Der Artikel schließt: „Der Adel kann die soziale Hegemonie nur (l) durch eine den Zeitverhältnissen entsprechend starke Betonung seines Selbstbewußt- seins (I) bewahren und in ihrem vollen Umfange zurückgewinncn. Ein Adel, der sich die soziale Hegemonie entwinden läßt oder sie preisgibt, legt Hand an sich selbst; denn er hat damit Inhalt und Zweck seines Daseins verloren. Darüber sollten sich doch endlich die zahlreichen Standesgenossen klar werden, die durch fortdauernde Verleugnung der fundamentalen Standesprinzipien der Vernich tung und der völligen Aufsaugung des Adels die Wege bahnen. — Noch ist das letzte Wort zwischen Sozialaristokratie und Libera lismus nicht gesprochen. Vermögen unsere Refvrmbcstrebungen den historischen Adel der alsogleich auf ihm lastenden Gedanken- und Tatenträgheit zu entreißen und ihn mit flammender Begeisterung für die ritterlichen Ideale zu erfüllen, dann mag es gelingen, dem großen Weltprinzip, dessen Spitze sich im Thron Verkörpert, die Zukunft zu sichern. Fehlt es aber der Geburtsaristokratiean Kraft, sich dem Bann des apathischen Jndifferentismus zu entwinden, versäumt sie den festen korporativen Zusammenschluß gegen den milden Ansturm all der feindlichen Gewalten, dann wird der Umsturz ihr Erbe und die Herrschaft der kommenden Tage antrcten. In der Wahrung seiner sozialen Hegemonie wahrt der Adel mehr als sich selbst, wahrt er Königtum und Vaterland. Drum, deutsche Ritterschaft, klar zum Gefecht!" Es soll Länder geben, die keinerlei Geburtsadel gelten lassen, und wo trotzdem die Gefahr deS Umsturzes recht weit entfernt ist. Die Festigkeit dieses Dammes dürfte auch vor der historischen Kritik nicht recht bestehen. Immerhin könnte aber eine wirkliche produktive Betätigung des Adels diesem nichts schaden; er würde dabei manche Vorurteile sehr bald abzulegen gezwungen sein. Zur Ebenbürtigkeitssrage. Anläßlich des lippeschen Erbfolgestreites, in dem die Ebenbürtigkeitssrage eine große Rolle spielt, ist schon zu Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. XIV. Das Geringfügigste wird in kleinen Orten zum Er eignis, das Gesprächsstoff für eine Zeit liefert. Ein solches Ereignis bildete die Heimkehr der Tochter des Kommissar» Virag, die Ende Juli erfolgte. Ihre An kunft allein nach zweijähriger Abwesenheit wäre aus» reichend gewesen, die Gemüter in Spannung und Er- regung zu versetzen, aber Fräulein Julzsa gab außerdem reichlichen Stoff und berechtigten Grund zum Reden und Verwundern.... Sie trug auffallende Toiletten und fegte mit ihren langen Schleppen den reichen Staub der Straße. Sie führte ein kleines Händchen spazieren, das sie sich aus Budapest mitgebracht hatte. Sie rauchte, an: offenen Fenster sitzend, Cigaretten, lag stundenlang auf der Ottomane, wie das Dienstmädchen erzählte, mit einem Kätzchen spielend oder Romane lesend, und scheuchte die kleinen Geschwister in die Hinterstube oder auf die Straße, weil sie keinen Lärm vertragen konnte. Sie imponierte ihren Eltern derart durch ihr großtuerisches Wesen, daß nach ein paar Tagen schon ihr Wille der allein maßgebende im Hause wurde. Und den Besuchern erzählte Julzsa so viel von den noblen Kreisen, in denen sie verkehrt hatte, von den Huldigungen, die man ihr bereitet, den Eroberungen, die sie gemacht; sie ließ dabei ihre Phantasie so schrankenlos walten, daß den Leuten die Gelegenheit diesmal ge nommen war, beim Weiterverbreiten ihr Eigenes hinzu zufügen. — Am Sonntag nach ihrer Ankunft war Julzsa, als ehemalige Freundin MarischkaS, zum Mittagessen nach Schloß Torma geladen worden. Es war diesmal eine größere Gesellschaft als sonst versammelt. Tags zuvor war Markt in Turdova ge wesen, einige Gutsnachbarn waren über Nacht geblieben, am Vormittag der Stuhlrichter und Doktor Farkas aus Derbova gekommen, und der letztere hatte seine älteste Tochter mitgebracht. Bethlen Lavadi hatte sich verspätet und erschien, als man schon bei Tische war. Frau von Torma hatte ihn im stillen Julzsa Virag als Tischnachbar zugedacht; sie mochte denken, es würde von Interesse für ihn sein, etwas Neues aus der Hauptstadt zu erfahren. Aber der Stuhlrichter, der ein noch recht flotter Herr war, hatte, da die Plätze durch kein äußeres Zeichen bestimmt waren, ohne viel Umstände zu machen, sich neben das schöne Fräulein ge setzt. An ihrer anderen Seite befand sich Doktor Novak, der Arzt. Neben Marischka war dann der Stuhl für Bethlen frei geblieben, den er, nachdem er sich entschuldigt und den Herrschaften vorgestellt worden war, mit großem Ver gnügen einnahm. Links von ihm saß das junge, unschein- bare Mädchen, die Tochter des Advokaten, das er schon einmal im Hause ihres Vaters gesehen und dessen weiche Stimme ihn damals so angenehm berührt hatte; ihr Tisch- nachbar war der junge Apotheker. Auch der Kaplan war diesmal ausnahmsweise zu gegen, er saß aber so still und gedrückt auf seinem Platz, daß die Pflegemutter es tief bedauerte, ihn durch ihre Bitten dazu veranlaßt zu haben. Er paßte nun einmal in keine größere, heitere Gesellschaft, schien sich so unbe haglich, so unglücklich dabei zu fühlen . . . Warum hatte sie ihm diesen Zwang auferlegt? Und Fräulein Virag unterhielt heute die Gesellschaft. Bethlen hatte schon früher viel von der Schönheit des Mädchens sprechen gehört, am meisten von ihrem Vater, der keine Gelegenheit vorübergehen ließ, diese zu preisen; nun konnte er, da sie ihm grade gegenüber saß, sich durch eigenes Schauen überzeugen, ob der Ruhm ein verdienter war. Er mußte es zugeben. Julzsa war groß und schlank, sie hatte blühende Far ben und große, tiefschwarze, brennende Augen, das Haar von derselben Farbe war leicht gewellt und von solcher Fülle, daß man sich fragte, wie es der kleine, feinge schnittene Kopf ertragen konnte. Es war eine Schönheit, die gefährlich hätte werden können, wenn nicht Julzsa etwas eigen gewesen — Angeborenes oder Angenom menes? — was diesen Eindruck nicht nur völlig ab- schwächte, sondern ihr sogar häufig den Beigeschmack des Komischen gab: das war ihr gesuchtes, ihr unnatürlich geziertes Wesen. Dieser schmachtende Augenaufschlag l Und wie sie das Köpfchen bald auf die eine, bald auf die andere Schulter neigte mit einem Blick, so von unten herauf, süßlockend und bittend zugleich, sich ja nicht den Anblick ihrer Schön heit entgehen zu lassen! ... Und ihr lautes, aufdringliches Lachen! Und was sie auch hier nicht alles erzählte! Frau Charlotte hörte ganz verdutzt zu. Sie hatte Julzsa noch nicht gesprochen und das, was sie über sie ge hört, nicht geglaubt, weil sie die Uebertreibungen der Leute kannte. Das Mädchen war inimer etwas vorlaut und dreist gewesen, man hatte aber dies ihrer Lebhaftigkeit zu gute gehalten, auch eitel war sie, jetzt aber war Julzsa die ver körperte Unnatur. „Wie fühlen Sie sich jetzt Ihrer Freundin gegenüber, Fräulein Marischka?" fragte auch Bethlen in einem un» bewachten Augenblicke mit leiser Stimme. „Sie sprachen einmal die Befürchtung aus, ihr nicht mehr zu genügen." „So klein fühle ich mich", versetzte Marischka und hob mit schelmischem Ausdrucke die Hand einige Zoll über den Tisch. „Und doch hätten Sie sich keine bessere Folie wün schen können, Fräulein Marischka", flüsterte er und sah ihr dabei tief in die Augen. Sic schien ihn vorerst nicht zu verstehen, dann aber breitete sich ein liebliches Rot über ihr Gesicht. Nachdem die Tafel aufgehoben war, zerstreute sich die. Gesellschaft im Garten. Die älteren Herren setzten sich unter eine breitästige Kastanie, rauchten bei einer Tasse Schwarzen ihre Cigarren, während die junge Welt sich nach der Wiese, die zwischen Garten und Park lag, begab, um irgend ein Spiel zu arrangieren. Andreas hatte sich schon früher entfernt; er hatte den Nachmittagsgottes- dienst zu leiten. Die Herren beschäftigten sich zuerst mit politischen Fragen und kamen dann auf die Getreideernte zu sprechen, die in vollem Gange war. Man war mit dem Resultat zufrieden und man erhoffte eine ebensolch gute Rübcnernte, wenn die Tage so weiter in schöner Regelmäßigkeit mit Regen und Sonnenschein wechseln würden. „Wie steht's mit den Lavadischen Feldern?" erkundigte sich Gutsbesitzer Kovazs. „Ist da irgend welcher Ertrag zu erwarten?" „Wir haben einen herrlichen Sommer und die Saat steht besser, als ich es selber gedacht habe", versetzte Frau Charlotte. „Wenn aus der Sache doch noch etwa? wird, so hat es der junge Graf nur Ihnen zu verdanken, gnädige Frau," sagte der Stuhlrichter. „In der ganzen Gegend weiß man, wie tatkräftig Sie ihm beigestanden, und jeder be wundert Sie." „Es ist doch nur natürlich, daß der, welcher etwas ver steht, einem Unerfahrenen mit seinem Rat zur Hand geht," sagte Frau von Torma ablehnend. „Graf Lavadi ist ein gelehriger Schüler, mit Eifer bei der Sache, Sie werden sehen, in ein paar Jahren ist er ein tüchtiger Landwirt." „ES heißt, daß Sic in dem Teil des Parkes, den Sie ihm abgekauft haben, eine Zuckerfabrik bauen wollen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite