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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040712021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904071202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904071202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-12
- Monat1904-07
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Anzeigen-Preis 5le 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion-flrich (4 gespalten) 7b nach den Frmiliennoch» richten (6 gespalten) bO ><4. Tabellarischer und Ziffrrnjatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Sxtra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Mora«-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—. mit Postbefördrrung 70.—. Nnnahmeschlub für Nnzeigru: Sbend-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: aachmütag« 4 Uhr. Anzeig« sind stet» an die Expedition z« richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbroch« geöffnet von früh 8 bi- abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pal- in Leipzig (Znh. vr. B..R. L W. »liakhardtX S8. Jahrgang. Var lllicdligrte vom läge. * Herr v. Witte ist gestern abend von Berlin nach Norderney abgereist. * In der bayerischen Kammer der Abgeordneten begann heute die Beratung des Antrag» Hammerschmidt (lib.) auf Einführung der direkten Proportionalwahlen für den Landtag. (S. Dtsch. Reich.) * Die „Nowoje Wremja" meldet aus Wladiwostok: DaS Priscngericht erklärte die Beschlagnahme deS Dampfers „Cheltenham" für rechtmäßig. Der Dampfer soll bereits von den Japanern angekauft gewesen sein. An Bord befanden sich nur vier Engländer. 2«r Lage in Ziiäwtttaknka. Don einem mit den südwestafrikanischen Verhältnissen vertrauten Militär wird uns geschrieben: Das Befürchtete ist eingetreten, in die am Waterberg dichtgedrängt sitzenden Hereros ist Bewegung gekommen und sic versuchen nach dem Norden abzuziehen, ehe sich der Todesring um sie schließt. Durch Witbooi - Patrouillen war festgestellt worden, daß Samuel mit seinen Viehherden außer bei der Missionsstation Waterbcrg (Otjosondjuba) selbst, auch an den zahlreichen Wasserstellen und Bleys deS vom Waterberg herabkommenden Flusses Omuramba-na- tjosondjuba nach Osten hin sich ausdehne, während die Hauptmasse der Hererokricger an der Wasserstelle Ombujo- Wimboro südöstlich vorgeschoben die Weideplätze decke. Kapitän Michael von Omaruru halte mit seinen Leuten den Paß an der Wasserstelle Omuverumue und decke die Water bergstellung somit im Westen. . Die nun schon seit Wochen herrschende trockene Jahreszeit scbeint den Hereros große Schwierigkeiten zu bereiten. Mehrere Wasserstellen, die als ausgiebig bekannt waren, sind von den Hereros verlassen worden, da der Wasservorrat ver siegt war. (Die meisten Wasserstellen drüben sind ja sozu sagen Cisternen, deren Vorrat sich nicht wieder ergänzt — Oucllcn sind ganz selten. Am Waterberg selbst ist eine starke Ouelle.) Ebenso schlecht bestellt wird es mit der Weide sein, umso mehr, als von den Tausenden von Rindern, die ver- bältniSmäßig dicht gedrängt weiden müssen, mehr Weidefeld zertreten, als abgeweidet werden wird. So werden es wohl zur Hauptsache diese Umstände gewesen sein, die Samuel zum Äufgebcn der Waterbergstellung veranlaßten. Er ist eine Tagereise (30 km) weiter nordöstlich gezogen und sitzt an der großen Straße vom Waterberg nach Grootfontein an der Wasserstelle Otjabewita. Auch die am weitesten nach Süden vor geschobene Stellung der Hereros im Omuramba ua Matako, die sich von Okasongoho nach Okahitua erstreckte, ist von Witbooi-Reitern als verlassen rekognosziert worden, (Omu ramba --- weites Flußtal), wennschon Samuel noch fleißig nach Süden hin patrouilliren läßt, um unsere Bewegungen zu beobachten. Auf diese Bewegung der Hereros hin traf Excellenz von Trotha folgende Maßnahmen: Major von Estorfs (3 Komp., 1 Batt., Bastardreiter), der bisher 70 km südöstlich deS Waterbergs stand, in Okasondusu, verließ dieses und marschierte zunächst auf Samuels Stellung, folgte dann dem Omuramba-ua-Matako mit seinen zahlreichen Wasserstellen mit dem Auftrage, den Osten in Anlehnung an Grootfontein, etwa 50 km von diesem Orte abbleibend, zu decken. Seine alte Stellung in Okasondusu nahm ein Major von der Heyde (3 Komp., 2 Batt.), der vorgeht und den Süd osten deckt. Major von Glasenapp (3 Komp., 2 Batt. Witboois) geht über Orutjiwa vor nach Okasongoho (liegt 50 km westlich von Okasondusu) und deckt den Süd west en. Hier befindet sich Exzellenz von Trotha. Nordost zu Nord deckt die Abteilung Volkmann (Freiwillige) in Grootfontein, den Norden die Kompagnie Zülow (zugleich 2 Geschütze, zwei Maschinengewehre). Wie wir schon in unserer letzten Betrachtung darlegten: ist hier im Norden unsre schwache Stelle. Der Nordwesten und der Westen sind dagegen ganz ungedeckt; denn die im Distrikt Omaruru stehende Kompagnie Franke und die Etappentruppen können bei ihrer Entfernung von etwa 170 km vom Schauplatz — nicht rechtzeitig eingreifen. Hoffen wir, daß es uns gelingt, durch einen allseitigen Angriff die Hereros derartig einzuschüchtern, daß sie sich ent waffnen lassen. Da Major von Estorfs in der Nacht zum 7. von Orombu-Koaupuka, das etwa 40 km östlich der Stellung Samuels liegt, aufgebrochen ist, so kann die Ent scheidung jeden Tag eintreten. ver Ruktsnd arr lirrers. Lntfchädiguirgrfrage. Die „Deutfch-Südwe st afrikanische Zei- tung" schreibt: „Lurch die Genehmigung einer neuen Wohlfahrts- lotterie ist die praktische Lösung der Entschädigungsfrage wieder ein wenig vorgerückt, wenn auch in nichts weniger als befriedigender Weise. Vielmehr berührt es in hohem Grade unsympathisch und beschämend, daß zu solchem Auswege Zuflucht genommen werden mußte. Man sieht daraus, daß der Besitz der Kolonien und die Durchführung einer Kolonialpolitik noch nicht von der Nation als etwas Notwendiges, als ein wesentlicher Bestandteil der ge samten Volkswirtschaft aufgefaßt und empfunden, daß die Betätigung auf diesem Gebiete vielmehr von der Mehrzahl der Bevölkerung — soweit man aus der Abstimmung der Volksvertretung auf den Willen des Volkes schließen kann — immer noch mehr als eine Art Liebhaberei betrachte wird. Bei der richtigen Vorstellung von dem Wesen der Kolonisation und dem Verhältnis des Mutterlandes zur Kolonie und den in praktischer Arbeit dort Stehenden wäre man nicht auf den Gedanken gekommen, die Er füllung einer Aufgabe der Nation auch nur teilweise den freiwilligen Teilnehmern an einer Lotterie zu überlassen. ES wird jedoch auch heute in der Kolonie die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß in der Entschädigungsfrage vom deutschen Volke das letzte Wort noch nicht ge sprochen ist. Ein Herero-Brief. Anfang Juni bemerkte der Maschinenführer eines Zuges auf der Fahrt zwischen Okahandja und Waldau einen Brief und nahm ihn auf. Der Brief war in Hererosprache geschrieben, an den Missionar Diehl in Okahandja gerichtet, trug das Datum Oviumbo 1904 und als Unterschrift den Namen des Oberhäuptlings Samuel. In dem Schreiben ist zunächst gesagt, daß in den Kämpfen noch kein Mann aus der Gemeinde gefallen sei. Dann wird in selbst bewußtem und großsprecherisäxnn Tone die Herausgabe crllep Rinder verlan-gt, „wenn ihr nicht durch meine Hand sterben wollte". Der Schmiber spricht davon, daß er zwei Wagen Munition von den Ovambos er halten habe; er höhnt die Deutschen und ihre Kriegs führung. Nach dem Urteil von Kennern ist es nach der Handschrift und dem Stil ausgeschlossen, daß Sa muel s e l b st der Verfasser und Schreiber dieses Brie fes sei. Ebenso zweifellos ist aber aus der Schreib weise und der Satzkonstruktion zu erkennen, daß dec Brief von einem Herero geschrieben ist. ver tU55i;ch.Iapani5ck>e Krieg. Russische Meldung. * Petersburg, 12. Juli. Der Korrespondent der „Birskenija Wjedomosti" telegraphiert aus Taschitschiao vom 9. Juli: Am 8. kamen die Ja- paner in großer Zahl, aber ohne Artillerie, bis dicht au Kaitfchou heran. Die russische Artillerie, die die Hügel be setzt hielt, die die Stadt beherrschen, eröffnete em wohl- gezieltes, heftiges Feuer, das zwei Stunden anhielt. Die Japaner zogen sich darauf auf der ganzen Linie zurück. Zu derselben Zeit wurden am westlichen Horizont sechs Eskadrons japanischer Kavallerie bemerkt, die ebenfalls zurückgingen. Gegen Abend besetzte General Lamsonoff Kaitfchou. Die Japaner, die am Tage vorher unter großen Verlusten von Kaitfchou zurückgedrängt waren, erneuerten am 9. morgens 4 Uhr den Angriff. — 35 Kompagnien Infanterie und 15 Eskadrons Kavallerie überschritten den Kaitfchou-ko in einer Furt. Ter Feind versuchte, die rechte Flanke der Russen bei der Station Kaitfchou zu umgehen, wurde aber durch das wohlgezieltc Feuer einer Kosakenbatterie empfangen. Tie Leichen dec Japaner wurden in großer Zahl von dem reißenden Flusse hinweggeführt. Die feindliche Kavallerie setzte jedoch die Umgehnngsbewegung gegen den rechten russischen Flügel fort. Die Abteilung La m s 0 n 0 f f s , die den Japanern beträchtliche Verluste beigebracht hatte, räumte daher ihre Stellung, zog sich ohne Verluste zurück und nahm eine neue Stellung hinter den Bergen ein, die Kaitfchou um geben. Die russische Artillerie eröffnete von neuem das Feuer gegen den Feind, der sich in einer Terrainfalte zu decken suchte, sich aber hinter die Berge zurückzog, als die Granaten über seinem Standorte explodierten. Die Ja paner demaskierten dadurch ihre Artillerie, die ein kon zentrisches Feuer eröffnete. Die Kanonade dauerte bis gegen Abend. Japanische Meldung. * London, 12. Juli. „D a i l y T e l e g r a p h" mel det aus Tokio vom 10. Juli: General Oku berichtet Folgendes: Am 5. Juli niorgens 9 Uhr schlug ein Teil der 2. Armee 1700 Russen, die einen Hügel 3 Meile,: nordöstlich von Shidohai besetzt hielten. Ter Feind floh nach Norden. Die japanische Hauptmacht rückte darauf, wie früher geplant war, vor, trieb die russische Kavallerie zurück und erreichte Jiaohow. Die Japaner verloren 2 Tote und 10 Vewundete. Die Russen ließen 20 Tote auf den, Platze. Am 7. nahmen die Japaner die Hügel zwischen Tatsuago und dem Tabohaigebirge, nachdem sie den Feind bei Shakawtai geschlagen hatten. Die russische Infanterie, Kavallerie und Artillerie zogen sich nach Nor- den zurück, wobei sie nur geringen Widerstand leisteten. Nach Meldungen von Eingeborenen haben die Russen 20000Mann in der Nähe von Kaiping: 2000Mann stehen mit Geschützen auf den Hügeln bei Seitai. Starke rus sische Abteilungen befinden sich ferner bei Taschitschiao. Verstärkungen treffen noch ein. Die Verluste der Japa ner seit dem 5. Juli betrugen 2 Offiziere und 4 Mann tot, 16 verwundet. Am 8. nabmen die Russen eine Stellung zwischen Haishanti und Kaiping ein, sowie auf einer An höhe nördlich von Seitai Am 9. begannen die Japaner bald nach 5 Uhr morgens, den Feind um Kaiping zu be schießen, schlugen die Russen zurück und besetzten eine er höhte Stellung bei Tapintun und Thaikaiatun um 8 Uhr morgens. Obgleich der Feind seine Stellung bei Kaiping verloren hatte, hielt er noch ein zweites Mal stand; aber gegen Mittag schlugen die Japaner ihn in die Flucht und besetzten die Anhöhe bei Seitai. Die russische Artillerie beschoß die den Feind verfolgenden Truppen von Kokischo bis Joroschi. Um 3 Uhr nachmittags jedoch wurden ihre Batterien zum Schweigen gebracht. Generalmajor Koi- zumi wurde während des Gefechts am Schenkel ver wundet. politische Lagesscha«. * Leipzig, 12. Juli. Tas Telegramm des Kaisers an sein Wyborgsches Regiment wird in Petersburg als ein Heraustreten Deutschlands aus seiner neutralen Haltung beurteilt. Man scheint so etwas in Berlin (oder Norderney?) geahnt zu haben, denn der al- regierungsoffiziös anzusekende „B. L.-A." interpretierte das Telegramm sofort in folgender dozierenden Form: Diese Depefche des Kaisers ist als soldatischer Gruß des Regime ntschess an die Angehörigen des Regiments aufzusassen, die mit dem Ansmarsch nach dem Kriegsschauplätze ernsten Zeiten entgegengehen. Es wiro von leoein Militär alS naturgemäß angeseden werden, daß ein Regimentschef dem ihm verliehenen Truppenkörper gegenüber so verfährt. Wenn daher eine weitere Petersburger Meldung — wohl absichtlich — dieser soldatischen Kundgebung eine politischeBedeutung beizulegen bemüht ist, geht sie von falschen Gesichts- puukten aus. Es sei nur daran erinnert, daß Kaiser Wilhelm seinem englischen Tragoner-Regiment, als es nach dem südafrikanischen Kriegs schanplatzc abging, eine Depesche gleichen Inhalts sandte; aus dem selben rein soldatischen und durchaus unpariciischen Gefühl heraus drückte Kaiser Wilhelm, wie wir nachträglich mitteilen wollen, ge legentlich der diesjährigen Frühjahrsparnde in Potsdam dem japa nischen Militärattache „seine Bewunderung über die Bravour der japanischen Truppen" aus, die damals gerade die ersten Proben militärischen Könnens abgelegt hatten. Vom Kaiser selbst hat das Scherlsche Blatt diese Deutung wohl nicht, so daß noch einige Zweifel erlaubt sind. Daß der Wortlaut des Telegramms Anlaß zu Mißdeutungen gibt, ist nicht zu bestreiten. Deshalb müssen wir die Absendung des Telegramms in der vorliegenden Form bedauern. Man erinnert sich bei dieser Gelegenheit daran, daß wiederholt während der Reisen des Kaisers Kund gebungen erfolgt sind, die durch ihre Form Mißdeutungen Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. Lustig flogen die Bälle nach rechts und links, nach oben und unten, schossen manchmal im weiten Bogen über das Ziel hinaus, um sich in das angrenzende Gestrüpp zu verkriechen oder noch weiter den Weg in den Park hinein zu nehmen, woher sie dann von der Gesellschaft unter Lachen und Scherzworten geholt wurden. Es war anzunehmen, daß Julzsa Virag sich unter den Herren den jungen Grafen als Objekt für ihre Liebens würdigkeit aussuchcn würde. Sie hatte schon bei Tische als sein Gegenüber das Feuer ihrer Augen gehörig spielen lassen. . . . Denn trotz ihrer Aufschneidereien mit nobcln Bekanntschaften hatte sic in Wirklichkeit in klein bürgerlichem Kreise verkehrt, da ihr Onkel eine kleine Greislcrei in einer Vorstadtgassc besaß, wo sie im Laden ansgcholf-.'n hatte. Und es Ivar für sic ein« besondere Ucberraschnng gewesen, als sie bei ihrer Ankunft ver nahm, daß ein junger Graf, ein Offizier, in Turdova weilte. Julzsa benahm sich ganz ungeniert gegen Bcthlcn; denn das Bewußtsein, Großstadtluft geatmet zu haben, gab ihr in ihrer Einbildung eine Art Gleichheitsgefühl. Gleich als sie nach Tisch ins Freie sich begaben, hatte sie sich zu ihm gesellt und hielt sich hartnäckig an seiner Seite. „Ich bin so glücklich, Herr Graf, Sie hier in Turdova gefunden zu haben", plauderte das schöne Fräulein so imgezwungen, als fei er ein alter Bekannter. „Nun können wir von Budapest sprechen. Und Budapest ist doch einzig! Nicht wahr?" Betblcn verbeugte sich svöttisch. „ES ist sehr schmeichelhaft für mich, was Sic da sagen, Fränlein, und -roch mehr für die Hauptstadt. . . . Aber bei mir ist's gerade umgekehrt, ich mag für^s erste an Pest nicht er- innert werden, so gut gefällt mir's hier." Tie Entgegnung war nicht sehr höflich, aber Julzsa schien oder wollte es nicht verstehen. Sie legte das Köpfchen auf die Seite und lächelte ihn schmachtend an. „Ach, Herr Graf! Nicht an Pest erinnert werden! Und hier in dem Nest gefällt's Ihnen? Wer kann das glauben! Das sagen Sie nur aus Höflichkeit. Wer ein mal dort gelebt, kann's überhaupt nicht vergessen. Die schönen Häuser, die breiten Straßen, die vielen geputzten Menschen und Theater, Konzerte und Bälle! Da ist man ja immer wie im Rausch! Ta ist jeder Tag ein Feiertag! Und die Bekanntschaften, die man dort macht!" Sic lächelte vielsagend. „Ich bleib' auch nicht im Winter hier. Herrgott, da kann man ja vor Oede sterben!" „Ich glaube, Fräulein Virag, Sie schwärmen nur darum so für die Stadt, weil Sie dort so viel Unheil an gerichtet haben. Natürlich hier bei uns lohnt das nicht der Mühe", sagte der Apotheker, ein schmächtiger, hoch aufgeschossener junger Mann, und es lag wie ein leises Bedauern in seiner Stimme. „Fcrenzi hat recht!" rief der Doktor; es Ivar eine Pause im Spiel eingetreten, und man hatte sich um die schöne Julzsa gruppiert. „Man hat gewiß nach Ihrer Abreise, mein schönes Fräulein, eine Klinik für ge brochene Männerherzen errichten müssen." Er verstand so herzlich, ja dröhnend zu lachen, der breite, untersetzte Doktor Novak, daß es seinem Spott die Schärfe nahm. Julzsa lachte mit und gab den beiden nacheinander einen kleinen, liebenswürdigen Klaps mit dem Schläger, den sie in der Hand hielt. „Spotten Sie nur!" sagte sie und verzog schmollend den Mund. „Und doch! ... 0! ... wenn ich nur reden wollte!" „So erzählen Sie doch, Fräulein Virag!" sprach jetzt der Doktor aufmuutcrnd. „Sie sollen andächtige Zu- börer an uns haben. Es freut einen Mann immer, wenn er hört, daß andere Männer Dummheiten machen . . . oder, poetisch ansgedrückt" — er verbeugte sich —, „daß sie sich an einer Schönheit die Flügel verbrennen .... Und nicht wahr, gnädiges Fräulein", — ein leiser Blick des Einverständnisses traf Marischka — „Sie werden auf die Eroberungen Ihrer Freundin nicht neidisch sein." „Nicht im geringsten", versetzte Marischka. Sie hatte so antworten müssen, aber sie ärgerte sich im stillen. Sie merkte es nur zu gut, daß sich die Herren lustig über Julzsa machten; es war ihr nicht recht, aber sie konnte es ihnen fast nicht verargen. . . . Warum war sie so eine unausstehliche, aufdringliche Närrin geworden? — In diesem Augenblick kam aus einem Seitenweg eine junge Frau, die ein kleines Kind auf dem Arme trug. Es war die Gärtnersfrau, deren Häuschen am Ende des Gartens zwischen Bäumen versteckt lag. Marischka hätte auch sonst die Frau nicht unbeachtet an sich Vorbeigehen lassen; denn sie war sehr kinderlieb, und das kleine Mädchen war das Patbenkind Frau von Tormas; jetzt war ihr diese Ablenkung besonders gelegen. Sie trat auf die Frau zu und scherzte mit der Kleinen, die ein Jahr alt sein mochte. „Heute geht's ja dem Annerl wieder besser", sagte Marischka und nahm dann das Kind auf den Arm. „Es sieht wieder ganz klar und munter aus den Augen." „Ja, gnä' Fräulein! Zwei Zahnerl sind heraus und die Nacht hat's gut geschlafen", versetzte die junge Mutter mit einem glücklichen Ausdrucke. „Wie kann man sich so mit kleinen Kindern abgeben?" sagte hier Julzsa mit einen: verweisenden und zugleich ge ringschätzigen Ausdruck. „Sie gar auf den Arm nehmen! Das sollte mir fehlen!" „Es gibt nichts Süßeres als so ein kleines rosiges Geschöpschen!" versetzte Marischka und küßte das kleine Mündchen noch einmal herzhaft ab, bevor sie es der Frau zurückgab, die sich dann entfernte. „Wenn ich heirate und Kinder bekomme, so mach ich's wie die Französinnen; die ersten Jahre geb' ich sie aus dem Haus", meinte Fräulein Virag mit dem ruhigsten Tone der Welt. „Aber Julzsa?!" — ries Marischka mit Entsetzen, während eine glühende Röte ihr Gesicht bis zu den Schläfen hinauf bedeckte. „Was ist denn dabei?" sagte Julzsa mit einem Achselzucken. „So dumm und zimperlich sind nur die Landmädchen. In der Stadt hat man ganz andere An sichten und spricht frei heraus, was man denkt. Wir Mädchen wissen, daß wir zum Heiraten da sind und daß, wenn man verheiratet ist, Kinder kommen. Nun, und ich sage, daß ich mich mit kleinen Kindern niemals quälen, daß ich diese ans dem Hause geben werde. Was hab' ich nun Schlimmes gesagt?" „Jetzt ist sie zum ersten Male natürlich gewesen", flüsterte Bcthlcn dem Apotheker zu. „Sic werden sich dafür junge Katzen und Hündchen anschaffen, Fräulein Virag!" warf der Doktor mit seiner gewohnten Satire ein. »Junge Katzen und Hunde sind auch reizend, ent zückend, und machen keine Arbeit!" versetzte Julzsa. „Ich hab' nur einen kleinen weißen Pudel ans Budapest mit gebracht; ohne den könnt' ich nicht mehr leben. O, so ein süßes, süßes Tierchen!" „Es wäre für meine Geschwister sehr traurig gewesen, wenn .... wenn alle so dächten", nabm znr größten Ueberrafchung die schüchterne Terka Farkas das Wort. Sic hatte sich beim Spiel nicht allzu geschickt bewiesen, und wenn sie auch etwas lebhafter geworden war, nicht allzu viel gesprochen, und auch nur meist dann, wenn sic angeredet worden war. Aber jetzt bei Jnlzsas Worten strömte ihr das Blut beiß in die Wangen, und die tiefe Erregung, in die sie versetzt wurde, überwand ihre Zag haftigkeit. „Ich war sechzehn Jahre alt, als meine liebe Mutter vor drei Jahren starb. Wir waren acht Ge schwister und das Jüngste erst ein paar Monate alt . . .
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