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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040713016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904071301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904071301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-13
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Bezug--PreiL Sm San»t«»«vt11»» «d« der« SlnSaaba» stelle» « »Z«holtr»tM«liahrltch S.— bei zweimaliger täattch«r 8»fl«ll,,a tnS-au» L.7L. Durch dt« Pos» bezoaen für Deutfch- la»d ». Oesterreich »iertestahrltch 4.50, ist, di» übrig« Länder laut Aettv«,«Preisliste. Nevnktto: JohanntSaaffe 8. Sprechend»: 5-a lkbr Rach», yernfprechrr: 155 Grstettt^N^JohannlSgaße L Hovt-KUtsl« DrrSSn»; Lk«t«proh»S4 (Fernsprecher «ml INr-dTUY. -««-t-Filtalr verlta: LarkDnncke r,tzerjgl.BayrHofbuchdandlg- Lützchpstra-e wOernsprecherAmtvI Rr.SSOs.) Morgen-Ausgabe. MpMer.TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Vnzeigeu-Prri- die -gespaltene Petilzeile 25 Rekln «en nm« de« Redaktion«-«»- tägespaUen) 75 -4l, nach den Famül«uach- richt«, K gespalten) 50 Labellarischrr »ad Hissrrnsatz »ntsp«ch«d höher. — Gebühren für Nachweisung« and Ofsertenannähme 25 Ertrn»Betln«en (gesalzt), «st der Morgen.Autaade, ohne Postbrsvrdernna ^il 60.—. mit Postbesörderung 70-—. Lunntzmefchluß für U«,eig«: Lbend-Nllsgabr: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgaber nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet« an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck and Verlag von G. Vvlz in Leipzig (Inh. vr. «..«.» w. »Itnihardt). Nr. 352. Mittwoch den 13. Juli 1904. S8. Jahrgang. Var WcdNgrte vsm läge. * Wie un< aus Norderney geineldet wird, beab ¬ sichtigt Herr v. Witte vier bis fünf Tage dort zu bleiben. * Der Königsberger Hochverrats- und Geheimbundsprozetz bat gestern begonnen. (S. Ttsch. Reich.) * Die sonst nicht deutschfreundliche „Times" widmen der deutschen Flotte einen sehr lobenden Artikel. (S. Ausland.) * Ein großer Waldbrand wird aus Oels gemeldet. (D. AuS aller Welt.) * Der Bey von Tunis ist am Dienstag vor- mittag mit seinen beiden Söhnen in Paris einge- troffen und mit militärischen Ehren empfangen worden. (General Dubois hieß ihn im Namen des Präsi- denten Loubet willkommen. * Gestern ist inCbicaao von 50 000 Backhaus- ange st eilten der AuS st and über das ganze Land erklärt worden, um das Inkrafttreten des neuen Lohn- tarifeS sicher zu stellen, da der alte Tarif am 28. Mai ab- gelaufen ist. veulrcb-ruttstcbtt. Der Kaiser hat seinem Wyborgschen Regiment Glück gewünscht zu der Möglichkeit, dem Feinde gegenüberzu treten. und mehrere deutsche Blätter fanden es noch bc- 'onders notwendig, diesen telegraphischen Glückwunsch in dem Sinne zu glossieren, daß man ein Heraustreten aus der Neutralität mit ihm in keiner Weise in Verbindung bringen könne. Macken solche Glossen nicht direkt den Eindruck, als wollten übereifrige „Loyale" das Tun des Monarchen gewissermaßen entschuldigen? Die deutsch feindliche Presse im Auslande wird natürlich auch dies Telegramm wieder als eine Parteinahme oder doch als Bekunden einseitiger Sympathie ausgeben, aber kann dem durck solche „prophylaktischen" Artikel wirklich vor gebeugt werden? Wie so manches andere, hat sich das höfische Zere moniell eben auch den Telegraphen dienstbar zu machen gewußt, und die Völker haben kaum Grund, das zu be klagen. Mögen Formen noch so inhaltlos sein, die Ver bindlichkeit, die feine Aufmerksamkeit, das „Freude machenwollen" hat immer etwas Erfreuliches für den guterzogenen Menschen. Aber manchmal mag es doch diesem oder jenem eine schwere Bürde oder eine schwere Kunst dünken, in höflichen Worten möglichst wenig zu sagen. Und nur allzu häufig gelingt das Kunststück nicht. Die Japaner scheinen glücklicherweise in puncto Ncutrali- töt ebenso wie in anderer Beziehung recht vernünftige, nüchtern denkende Leute zu sein. Ueber Bebel und seine Reden gelegentlich des „Petropawlowsk-Telcgrammes" haben sie sich angeblich sogar amüsiert, ebenso wie sich die Herero höchstwahrscheinlich über diesen sonderbaren Schutzheiligen amüsieren würden, wenn man ihnen seine Tiraden nur übermitteln könnte. Der Weltfrieden hat übrigens trotz Krieg und Kriegs geschrei im fernen Osten in diesen heißen Tagen keines wegs ein so kränkliches Aussehen, daß man beständig an ihm herumdoktern und ihn vor jedem schärferen Luft zug ängstlich behüten müßte. Die Bcschwichtigungsräte nehmen sich im Gegenteil vielmehr aus wie besorgte Ver wandte, die einem noch rüstigen Onkel stets Tränklein und warme Decken applizieren wollen, um sich selbst ein zureden, cs gehe nun bald mit ihm zu Ende. Soweit man die Tinge bis setzt überschauen kann, hat cs durch aus den Anschein, daß der Feldzug in Ostasicn ein lokales Ereignis, freilich im weitesten Sinne des Wortes, bleiben werde, oder doch immerhin ein Duell, in das sich einzu mischen niemand nötig und auch niemand Lust haben wird. - WaS deshalb da und dort von Ncutrali- tätsverletzungen geredet wird, das zielt manch- mal weniger auf eine Mahnung zur Vorsicht ab. als ck- die Hoffnungen gewisser Elemente ver rät. die bisher nicht dazu kamen, un Trüben zu fischen, weil alles still und klar blieb. Diese Hoffnungen mag man daher immerhin der internationalen Polizei anempfchlen ; nachdem sie von dieser aber einmal erkannt und „gewür digt" worden, braucht man sich nicht weiter um sic zu kümmern. Gras Bülow hat deutlich genug erklärt, daß uns die Mantfchurci „Hekuba" ist. und wir haben wahr lich Besseres zu tun, als zu blasen, was nnS nicht brennt. In Norderney verhandelt derzeit Witte mit dem Reichs kanzler über die künftige Gestaltung der wirt- ickastlichen Beziehungen beider Reiche. An ge wissen Stellen hat man sich so gebärdet, als ob Bülow das ReichSportemonnaic mit in die Sommerfrische genommen, oder als ob Witte ausgesandt worden sei, ihn „anzuichnorrcn". Man vergesse doch nicht, daß Bülow nicht Bankdrrektor und daß Witte „nur" der mit -er Führung der Handelsverträge beauftragte Dor- itzende des russischen MinistercomitSs ist. Mag in Berlin immerhin privatim von russischer Seite auch in bezug auf die Möglichkeit der Unterbringung einer Anleihe sondiert werden, die Begegnung in Norderney brauch deshalb da mit noch nichts zu schaffen haben. » Aber es wird nun einmal in alles irgendetwas „hineingeheimnißt", — der charakteristischste Zug einer nervösen Zeit! vrr ruttirck-sapanircke Weg. >er Gesundheitszustand der russischen Arnree. In einer Drahtmelduna des „Regierungsboten" aus Taschitschiao werden folgende Mitteilungen über den Gesundheitszustand der russischen Armee gemacht. Dis zum 2K. Juni betrug die Zahl der Kranken m den Hospitälern an Offizieren 7,136 Proz., an Soldaten 3,943 Proz. des EsfektivbestandeS, einschließlich der evakulierten und ver wundeten Offiziere und Soldaten 10,24 Proz. bezw. 6,51 Proz. Nach Beginn der Regenzeit am 9. Juli stieg die Zahl der in den Hospitälern aufgenommenen Offiziere und Soldaten auf 8,384 Proz. bezw. 4,646 Proz.; die Zahl der Infektionskrankheiten von 2,19 auf 8,52 Proz.; darunter waren an Dyssenterie erkrankt 1,99 Proz. Der „Aantsche Geist" der Japaner. Die japanische Zeitung „Nischi Schimbun" kommt in einer längeren Abhandlung über den Einfluß Deutschland» auf die neuere Entwickel.»^ Japans zu folgenden Schlußfolgerungen: E« ist eine nur äußerliche Auffassung unserer Verhältnisse, wenn man in Europa glaubt, wir hätten nnS Deutsch land al« militärische« Vorbild genommen, weil wir dasselbe al« den erfolgreichsten Militärstaat ansahen. Wir haben uns vielmehr Deutschland geistig genähert, weil wir in dem größten deutschen Philosophen Kant einen geistigen Führer gefunden hatten. Vor dem Jahre 1867, welches Las Geburtsjahr de« modernen Japans wurde, hatten wir nur zwei abendländische Geisteswerke gekannt, nämlich die Werke Spencers und Kants. Die „Kritik der reinen Vernunft" wurde im Jahre 1852 zum erstenmal« in japa nischer Sprache gedruckt und zwar nur in wenigen Exem plaren. Aber diese genügten, bei un« den Geist der Reformation vorzubereiten. Der nüchterne, streng folgerichtige und klare Geist Kants erschien uns als der Vollender der Lehre des Konfutius, und als wir 1866 erkannt hatten, daß der Geist Kants, wenn er auf den Geist eines Staatswesens übertragen wird, diesen Staat zum stärksten der Welt machen muß, so entschlossen wir uns, den japanischen Staat ebenfalls im Geiste KantS neuzubilden. Unser Militarismus ist deshalb ebenso sehr die notwendige Folge unserer durch Kant neu belebten konfutianischen Geistcsrichtung, wie das militärische Genie MoltkeS aus dem geistigen Nährboden der Kant'schen Philosophie geboren wurde. Deutsches Keich. * Berlin, 12. Juli. * Arbeiterschaft und Sport. „Wie sich die Zeiten ändern. Bor einem Jahrzehnt war der Sport fast ausschließlich ein Vorrecht der Reichen und der Vornehmen; heute hat er längst die Fabriken und die Arbeitsstube der großen Geschäfte erobert." — So schreibt der „Vorwärts", der e« im gesundheitlichen Interesse der Arbeiter mit Freude begrüßt, daß in der Arbeiterwelt die Teilnahme am Sport von Jahr zu Jahr zunimmt. Und von dem Arbeiter- Sportfest, welches am 24. Juli in der Nähe Berlins stattfindet, sagt das sozialdemokratische Zentralorgan: „Radfahrer, Turner, Athletik, Ring- und Fußballsport, Sänger, Mandolinen- und Mundharmonika-Vorträge zu Lande, Schwimmer, Ruderer und Segler zu Wasser haben ihre Beteiligung zugesagt." — Diese „Vorwärts"-Notiz ist deswegen von Belang, weil das offizielle sozialdemokratische Parteiprogramm bekanntlich immer noch die Verelendungs theorie enthält. Zu ihr passen weder die Arbeiterfeste im allgemeinen, noch die SportSfeste der Arbeiterschaft im be sonderen. Die vorstehende Auslassung des „Vorwärts" ge steht das mittelbar ein. Trotzdem durfte das sozialdemo kratische Zentralorgan bei der nächsten Gelegenheit wieder von der „wachsenden Verelendung der Massen" fabulieren. * TaS Zentral-Komitec beS Preutztschcn LanLesvereinS »nm Bolen Kreuz hielt kürzlich unter dem Vorsitz des General« der Infanterie z. D. v. Spitz eine Generalver sammlung ab. Es wurde zunächst ein Ueberblick über die Ausdehnung der Gesamt-Organisation gegeben. Danach zählt diese jetzt 498 Zweig vereine, 4 mehr als im Vorjahre. Die Gesamtzahl der Mit glieder beträgt 84 885. Dieser Summe stehen 1016 Zweig vereine des Vaterländischen FrauenvereinS gegenüber, 48 mehr als im letzten Jahre. Im ganzen haben die Vaterländischen Frauen vereint seit 1902/1903 einen Zuwachs von 19000 Mitgliedern zu verzeichnen. Die Summe der von den Frauenvereinen praktisch ausgebildeten sogenannten Kriegskraukenpflrgerinnen — nicht zu verwechseln mit den berufsmäßigen Schwestern vom Roten Kreuz, deren eS in 40 Kranken- und Mutterhäusern 935 gibt — beträgt nunmehr 1815. Die Zahl der Sanitätskolonnen vom Roten Kreuz ist von 749 auf 790 gestiegen, di« ihrer Mitglieder um 844. Sie weisen zur Zeit einen Bestand von SO 221 Mann auf. Zu den 33 Verbänden der Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege, die im Vorjahre vorhanden waren, sind 2 neue getreten. Sie umfassen nun eine Mitgliederzahl von 10051 Mann. Die KriegSbeständ« deS Roten Kreuze« in seinem großen Zentral- depot in Neubabelsberg sind auf einen neuen erweiterten Etat gebracht worden Zur Zeit sind Vorbereitungen zu Vereinbarungen mit den Gemeinden im Gange, durch die «ine große Anzahl trän»- ' portabler Baracken zur Unterbringung von Verwundeten und Kranken bei einer Mobilmachung gewonnen werden sollen, während diese Unterkünfte schon im Frieden be stimmt sind, zur Absonderung ansteckender Kranker und Verdächtiger bei Ausbruch von Seuchen den Gemeinden über lassen zu werden. * Zur AuSsperrnug -er Arbeiter hat das Reichs gericht soeben eine Entscheidung von großer Tragweite gefällt. Bekanntlich errichten die Ünternebmerorganisationen ArbeitSnachweiSstellen, an welche sich die VerbandSnntglieder allein wenden, wenn sie einen Arbeiter einstellen wollen. Ein ausgesperrter Arbeiter erhält daher bei keinem der Ber- bandSmitglieder Arbeit. Nun hat ein Gußputzer, der von dem Verbände Berliner Metallindustriellen ausgesperrt war, gegen diejenige Firma, die die Aussperrung bei der ArbeitS- nachweisstelle veranlaßt hatte, Schadenersatzklage erhoben und da« Reichsgericht hat diese Schadenersatzansprüche für begründet erklärt, indem es zwar dahingestellt sein ließ, ob die Einrichtung derartiger Arbeitsnachweisstellen als gegen da« Gesetz, insbesondere gegen Paragraph 113 der Gewerbeordnung verstoßend anzuseben sei, die Aussperrung selbst aber al« eine unerlaubte Handlung im Sinne deS Paragraph 826 de« Bürgerlichen Gesetzbuches aufsaßte. * Gegen das Scherlsche Tparsystem hat sich auf dem BerbandStag de« Verbandes der badischen ErwerbS- und Wirtschaftsgenossenschaften zu Ladenburg der Vertreter der badischen Regierung, Ministerialdirektor Wein gärtner, scharf ausgesprochen. Er führte, wie jetzt die „Blätter für Genossenschaftswesen" berichten, u. a. auS: „Das sogenannte Scherlsche Lotterie- oder Sparsystem ist des halb so gefährlich, weil mit anscheinend und zum Teil auch ganz guten Ideen eine außerordentlich gefährliche andere Idee verknüpft ist. Mit der Idee, die Sparstellen zu vermehren, die kleinen Spareinlagen tunlichst leicht zu sammeln und wöchentlich abzuholen, dem Sparer es zu ermöglichen, ohne Zeitverlust und ohne weiteren Aufwand seine wenigen Pfennige in die Sparkasse zu bringen, können wir uns gewiß alle befreunden, und jeder, der sich für das Sparkasscnwcsen interessiert, wird es begrüßen, wenn überall Sparkassen entstehen, wo leicht und bequem die Sparpfennige zurückgclegt werden können. Tas haben wir aber auch; gerade Ihre Sparkassen, die der ländlichen Kreditvereine und die Pfennigsparkassen, die von gemeinnützigen Unternehmungen, Geistlichen, Lehrern eingrsührt werden, sindvic echten Sparstellcn, und ich kenne verschiedene bei uns, die das Abkolsqstem eingeführt haben. Das gefährliche an dem Scherljchen System ist der Anreiz, der geradezu in offizieller Weise geschieht, das Glück zu versuchen. Eine derartige Ide- ist so gefährlich, daß sie von der staatlichen Berwal-astg aufs eifrigste bekämpft anstatt gefördert werden sollte. Wir haben seinerzeit in Baden keinerlei Geldlotterien gehabt; anfangs der 60er und 70er Jahre hat man versucht, die Leute auf den einzig richtigen Weg zum Wohlstand aufmerksam zu machen, auf das Sparen. Diese Wege hat man vielfach verlassen und hat die Lotterien geradezu gezüchtet, um auf bequeme Weise Geld zu allen möglichen Zwecken zu be- kommen. Nachdem man gesehen hat, daß das geht, ist die Lust ge wachsen, derartige Lotterien zu gründen. Dadurch sind die großen Summen angewachsen, von denen ich heute mit wahrem Entsetzen gehört habe, daß nämlich die Lotteriespielsätze in Deutschland jähr lich 250 Millionen Mark betragen. Es sind nicht die Reichen, Wohlhabenden, die in der Lotterie spielen, sondern meistens werden sauer verdiente Groschen dem Spielteufel geopfert. Ich darf Ihnen die Versicherung geben, daß in den Kreisen unserer Regierung, unseres Ministeriums niemals die.Hand geboten werden würde, einem derartigen System die Wege zu öffnen und unser Volk dem Spielteufel zuzuführen." * Königsberg i. Pr., 12. Juli. Vor der ersten Straf kammer des hiesigen Landgerichts begann heute unter großem Andrange deS Publikums der Hochverrats- und Ge heimbundsprozeß. Die Angeklagten werden beschuldigt, durch Verbreitung russischer und lettischer Druckschriften in Rußland sich des Hochverrats gegen Rußland, der Beleidigung de« russischen Kaisers und der Teilnahme an einer geheimen Verbindung^ schuldig gemacht zu haben. Die Angeklagten bestreiten ihre schuld. Im Laufe der Verhandlung bemängelten die Verteidiger die Form des vom russischen Bot schafter in Berlin im Namen seiner Regierung gestellten Strafan trages und führten au«, es müsse festgestellt werden, von wem der Botschafter den Auftrag zur Stellung des Straf antrages erhalten habe; zudem sei der Strafantrag gegen acht namentlich aufaeftthrte Angeklagte, eventuell gegen ihre Mitschuldigen gestellt. Eine solche Formel sei nach der Strafprozeßordnung unzulässig, cs fehle somit ein Straf antrag gegen den Angeklagten Paetzel. Außerdem sei der Strafantrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt worden. Die Verteidiger beantragen daher, die Akten über die Verhandlung deS Auswärtigen Amtes mit der russischen Bot schaft einzusordern. Nachdem der Staatsanwalt sich gegen diesen Antrag ausgesprochen hat, zieht sich der Gerichtshof zur Beratung zurück. Nach sehr langer Beratung wurde der Antrag der Verteidigung abgelehnt, da der russische Botschafter berechtigt sei, im Namen seiner Regierung Straf antrag zu stellen; die mitgeteilte Formel genüge und die AntragSsrist sei gewahrt. Sodann wurde der Angeklagte Nowagrotzki vernommen. Dieser bestritt ebenso wie der Angeklagte Braun, daß ihn irgend welche Schuld treffe. Bor der um 1 Uhr eintretenden zweistündigen Pause beschloß der Gerichtshof noch, den Redakteur der „Post", Ruhkopf- Berlin, als Zeugen zu laden. * Viersen, 12. Juli. Die Stadtverordneten in Viersen be- schlossen, nach der „Magdeb. Atg." «ine Anleihe von zwei Millionen Mark zwecks Errichtung einer Badeanstalt und eines Elek- trizitätSwerkes. sowie zum Ankauf der thüringischen Gasanstalt. * Meiningen, 11. Juli. Auf eine bevorstehend« Tagung deS Landtages deutrt der Umstand hin, daß den Landbotrn einige Vorlagen zugesandt worden sind. Da wird z. V. »in Zuschuß von 50000 .« zum Universitätsneubau in Jena erbeten, eine Forde- rung, die gewiß einstimmig bewilligt werden dürfte. Rach einer anderen Vorlage sollen etwa 74 Hektar Wald bei Kranichfeld mit Weimar ausgetanscht werden Weiter macht sich eine Ordnung der Grcnre der «kreise Saatfeld und Sonneberg nötig und rudlich wird der Abschluß der Domänen- und LandeSkaffen-Rechnungtn 1900,02 willkommenen Anlaß zu mancher Red« bieten. * Frankenthal, 1l. Juli. Wegen Verspottung kirch. lichcr Einrichtungen batten sich der 24 Jahre alte Bäcker geselle Max tzellert und elf andere Burschen, sämtlich von Altrip, vor der hiesig« Strafkammer zu verantworte». Di« flotte. " Schiffsbewrgunyen. L. M S. „Gazelle" ist am 11 Juli in Vlissingen eingetrvsscn und gebt am 17- Juli nach Brunsbüttel in See. S. M. S. „Grille" ist am II. Juli in Bremerhaven cingetrojsen und am 12. Juli wieder in See gegangen. Angeklagten haben, um sich einen FaschingSscherz zu leist«, am FaschingsdienStag, den 11. Februar unter Gefolgschaft einer großen Menschenmenge eine» Leichenzua veranstaltet, bei welchem ein Bursche alS „Toter" in einer Backmnlde unter Nbsingung von protestantischen Kirchenliedern durch die OrtSstraßen von Altrip getragen wurde. Tie Mulde samt Inhalt wurde dann von der Rotte an einer geeigneten Stelle niedergesrtzt, worauf der die Amtstracht eines protestantischen Geistlichen tragende Hellerk eine Leichenrede hielt. Hellen, der auch in Wirtschaften, in denen der Zug Aufenthalt nahm, sogenanute Leichenreden hielt, war der Anstifter des Unfugs. Er halte sich schon am Vorabend zum protestantischen Kirchendiener begeben und diesem mitgeteilt, der Pfarrer sei krank, er sei dessen Vikar und werde den folgenden Tag eine Beerdigung halten. Das Gericht erkannte der „Frlf. Ztg. zufolge gegen Heilert auf vier Monat Gefängnis; vier weitere Angeklagte wurden zu je zwei Monat Gefängnis verurteilt, die übrigen Angeklagten wurden mangels ausreichenden Schuldbeweises frrigesprochen. * München, 12. Juli. (Fortsetzung der Kammer debatte über den Antrag Hammerschmidt.) Abg. Lerno (Zentr.) schließt sich den verfassungsrechtlichen Be denken des Vorredner» an. Für Bayern passe die Pro portionalwahl nickt, denn dazu gehöre eine politisch gut geschulte Masse. Segitz (Soz.) wirft den Liberalen vor, daß sie wegen zwei bis vier Mandaten das direkte Wahlrecht durch Ablehnung des letzten Wahlgesetze« zu Fall gebracht hätten. Der jetzige Antrag Haminer- schmidt sei nur ein Berlegenbeitsantrag. Seine Partei habe stet« die Proportionalwahl befürwortet, denn die Proportionalwahl bleibe die gerechteste Wahl. Abg. Dirr (freie Bg.> erklärt, seine Partei sei für endgültige Beratung deS Antrages Hammerschmidt, habe aber immer noch dasselbe Bedenken wie früher, daß «nter keinen Umständen die Interessen deS flachen Lande« zu gunsten der Städte benachteiligt werben dürfen: daher behalte seine Partei sich ihre definitive Stellungnahme vor. Aba. Tassel inan n (liberal» weist die verfassungsrechtlichen Bedenken zurück, die die Zentrumsrebner heute vorgcbracht haben und polemisiert nachdrücklich gegen daö Zentrum und die Sozialdemokraten. Die Liberalen hätten den letzten Dahl- gesetzcnlwurf abgelehnt, nm nicht die dauernde Mehrheit des Zentrums gesetzlich sestznlcgen. Der jetzige Vorschlag der Proportionalwahl biete diese Gefahr nicht mehr, eS sei kein Berlegenbeitsantrag, sondern er solle dem Volke da« direkte Wahlrecht geben, ohne die Gefahr der dauernden Zentrums herrschaft zu erkalten. Redner wird bei seiner Polemik wiederholt vom Zentrum und den Sozialdemokraten unter brochen. Weiterberatung morgen. Ruslans. Oesterreich - Ungar«. * (Hegen Sie Erhöhung der Zivilliste. Da« bekannte Mitglied des Pester Adelskasinos Nikolaus Szemere veröffentlicht soeben eine Flugschrift, die gegen die Erhöhung der Zivillistc Stimmung machen will. Der Verfasser führt auS: Wenige haben das Glück, den derzeitigen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand persönlich zu kennen, auch der ungarische Ministerpräsident Graf Stefan TiSza kennt ihn nicht, da der Thronfolger ihn noch nicht empfangen habe, trotzdem Graf Tisza schon neun Monate Ministerpräsident ist. Das vollständig zurückgezogene Leben de« Thronfolgers sei auf bekannte Gründe zurückzuführen, gleichwohl ist es weder für den Thronfolger selbst, noch für da- monarchische Prinzip und für die künftige Entwickelung des Staates von Vorteil. * Tculschc Sprache und Rechtspflege. Die Prager „Narodni Listy" veröffentlichen einen Erlaß KörberS, worin den Vorständen sämtlicher Gerichte aufgetragen wird, daranf zu seken, daß die Kandidaten, die sich um deutsche Gericktsstelleu bewerben, tatsächlich die deutsche Sprache be herrschen. Da« Blatt greift wegen dieses Erlasse« Körber an und erklärt diese Verfügung als einen neuen Angriff auf das Tschechenvolk. Frankreich. * Zum Kampf Mischen Kirche und Staat. Der offj- ziöse „Matin" will wissen, baß der Vatikan acht Tage nach der Abberufung deS französischen Botschafters beim Vati kan, Nizard, zu einer Vergcltungsmatzrcgel gegriffen habe, indem er mehreren französischen Bischöfen den Auf trag erteilt habe, sofort ihre Entlassung einzureichen. Tie Bischöfe hätten hiervon den Ministerpräsidenten und den Kultusminister verständigt, die ihnen erklärt hätten, daß der päpstliche Nuntius in Paris keinerlei Klage gegen sie eingercicht habe und dah sie als Beamte der französischen Republik ohne deren Zustimmung über ihre Stellung nickr verfügen könnten. Der Ministerpräsident habe den Vati- kan in einer energischen Note daran erinnert, daß die ge- meinsam vom Staat und der Kirche ernannten Bischöfe wieder nur durch gemeinschaftlichen Beschluß abgesctzt wer. den könnten. Ohne diese Note zu beachten, habe der .Kar dinalstaatssekretär Merry del Val die erwähnten Bischöfe aufgefordcrt, binnen 1-1 Tagen nach Rom zu kommen und ihre Entlassung cinzurcickcn, widrigenfalls sie ihrer ge samten bischöflichen Befugnisse entkleidet werden würden. Ter Ministerpräsident habe unter abermaliger Berufung auf daS Konkordat die Herausforderung des Vatikans da- mit erwidert, daß er den Bischöfen verboten habe, ihre Diözese zu verlassen. Tic Kirckenfürsten, die zuerst von der Kurie die Aufforderung erhalten batten, ibre Em- lassung einzureicken, seien die republikanischen Bischöfe von Laval und Dijon, drei hervorragende Erzbischöfe und zwei Bischöfe, die sich nicht unter daS Joch der Kongrega tionen beugen und diesen zu Liebe fick gegen die Gesetze des Staates auflebnen wollten. * Detzntierlcnka«mn. Au» Pari« wird unter dem 12. Juli geschrieben: Da die Beratung über du Emkomm«. steuer »um Herbst vertagt ist, -at d» Kammer keure Arbeit «eh,
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