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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190407171
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040717
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040717
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-17
- Monat1904-07
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1904
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BezugS-PreiS w der Lauptexprdition oder deren Au-gabe- sieden abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in-Hau« 375. Durch hie Post bezogen für Deullch. land «. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitvnqspreiSlistr. NeDchkttsn: IohanniSaasse 8. S-rechstunde: 5—8 Uhr Nachm. Fernsprecher: 153. Expedition: IohanniSgasse 8. Fernsprecher: 222. Atlialerpedttionen: AlfredHahn, Buchhandla., UniversitätSstr. 3 lFernspr. Nr. 4046^ L. Lösche, Katharinen- straß« 14 (Fernsprecher Nr. 293k) u. Königs platz 7 (Fernsprecher Nr. 750V). Ppnpt-Atttale Dresden: Marirnstratze 34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1713). Han-t-Ftliale Vertin: CarlDona e r, Herzgl.vayr.tzofbuchbandla^ Lützowstratze lUigernsprecherAmtVI Nr.4M3.) eipMrr Tageblatt Anzeiger. Ämtsvkatt -es ÄSttlgNche« Land- und des Äditlgliche« Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nakizetamtes -er Ltadt Leipzig. Nr. 38«. Gonntag den 17. Juli 1904. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter dem RedaktionSsirlch («gespalten) 75 -H, nach den Familieuuach- richte« (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Yiffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 Gxtrd-Veitdsea (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbefvrderung 70.—. Nnnahmeschkutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richte». Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend« 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Pol- in Leipzig (Inh. Dr. B., R. L W. «linkHardt). 98. Jahrgang. Var Mchtlgrte vom rage. * Oberbofmeister v. Mirbach läßt jetzt öffentlich erklären, daß 175 000 -ck Kirchenbaugelder von den beteiligten Vereinen und Stiftungen an dre Berliner Hypothekenbank als die Rechtsnachfolgerin der Pommernbank zurück gezahlt werden sollen. (S. auch Volkswirtschaft!. Teil.) * In Darmstadt wurde gestern die zweite Aus stellung der Künstlerkolonie eröffnet. * Der russische Novellist Anton Tscheschoff ist gestern in Badenweiler gestorben. (S. Feuilleton.) * In Paris wurde gestern ein Denkmal Louis Pasteurs enthüllt. * Die englische Regierung genehmigte, daß der frühere Präsident von Transvaal Krüger, in Transvaal beerdigt wird. * ES verlautet, daß der englische Dampfer „Malna" vom russischen Hilfskreuzer „Petersburg" im Rothen Meer beschlagnahmt worden sei und nach Suez zurück gebracht werde. lvocdenrcbau. Zu Clärens im Waadtlanbc ist ein stiller Mann heim gegangen, dessen Wort und Tat vor zwei Jahren noch die gesamte Welt in Spannung versetzte, der mit dem Mute, den das gute Recht und die glühende Vaterlands liebe verleiht, sein Volk in einen Kampf ohne Gleichen in der Geschichte unserer Tage führte, der das stolze Albion an den Rand des Verderbens brachte, bis er endlich, ge hetzt, verdrängt von Not, getragen von eitler Hoffnung auf fremde Hülfe, Afrikas Gestade verließ, uni an den Höfen Europas Enttäuschung über Enttäuschung zu finden und von körperlicher Plage gebrochen endlich ein zugehen in die Ewigkeit: Paul Krüger. Fünfund zwanzig Monate nach dem Tage von Vereeniging ist der ehemalige Präsident von Transvaal dahingcgangen, im Alter der Patriarchen, dem nichts von des Lebend höchster Not und höchster Wonne erspart blieb, dieser Alte mit dem eisernen Kopf, mit der diplomatischen Routine, die eine Zeitlang selbst den Napoleon Südafrikas zu meistern verstand, der dem Programm seines Lebens, der Schaffung eines burischen Südafrika, seine Lebenskraft geopfert, der seinen Namen unverlöschlich in die Tafeln der Geschichte eingetragen. Die leidenschaftlichen Sym- pathien, mit denen die gesamte nichtenglische Welt den Krieg in Transvaal begleitete, sind heute zwar verblaßt, man hat nach der letzten Fahrt der Botha, De Wet und Telarey sich daran gewöhnt, die ehemaligen Burenfrei staaten als englische Kolonien anzusehen, die kommende Zeit wird vielleicht sogar den Kampf, der uns als heroische Tat der Verzweiflung so groß, so kühn erschien, als ein verwegenes und vielleicht nicht einmal nach Zeit und Um ständen klug durchgeführtes Rennreiten erscheinen lassen, bei dem ein edles Volk notwendigerweise zusammen brechen muhte vor dem Ziele — aber das Bild Ohm Pauls wird auch die kälteste Kritik nicht mehr auslöschen können aus der Reihe der Großen, die einer Zeit ihr Ge präge geben. Politisch hat der Bur heute seine Rolle ans- gespielt, nur als Kulturelement auf den weiten Steppen Südafrikas, als der erfahrene Kenner von Land und Leuten, als kühner Pionier in furchtbarer Wildnis soll er noch seine Wichtigkeit und seinen Beruf haben, und selbst unsere Kolonialverwaltung, die sonst nicht sonder- sich gut von den Buren in unserem Besitz zu reden ver mag, hat in dem Buren Maritz den Mann gefunden, der unseren Kämpfern in Südwestafrika zur Hülfe kommt im Kampfe gegen die Schwarzen, die auf afrikanischem Boden allerdings kein Weißer so zu behandeln, so in Schach zu halten versteht wie der echte Bnr, der nichts kennt von Gefühlsduselei, sondern lediglich die berechtigte Superiorität der weißen Rasse rücksichtslos als Norm gegenüber dem immer bedrohlicher anwachsenden Rasse gefühl der Eingeboreiren aufstellt. Freilich, wenn rück- baltlose Burenverhimmker glaubten, Maritz solle unseren Südwestern mit der Waffe zu Hülfe eilen, so wurden sie mit Recht sehr deutlich darauf hingewicscn, daß wir keinen Sukkurs brauchen, daß unsere Reiter vor dem Feinde allein fertig zu werden wissen und der deutsche Soldat aus jede Beihülfe mit der Waffe verzichten darf, ob am Rhein, an der Weichsel oder in Südwestafrika. Aber als Führer der Wagenkolonnen, die unter oft unsäglichen Beschlverden unseren fechtenden Truppen Munition und Proviant zuzubringen haben, werden die Buren uns vor- ziiglichc Dienste leisten können, und von diesem Gesichts- punkte aus mag man unsere Kolonialbehörde loben, daß sie das Gute wirklich einmal nimmt, wo sie cs findet. Unsere Position in Südwestafrika ist indes trotz aller Bravour unserer Streiter um nicht» besser geworden al» vordem, vielmehr besteht die Gefahr, daß der Vater alles Bösen, Samuel Maharero, nach Norden auSbrechen wird, um im Bunde mit den Ovambo den Krieg ans ein Gebiet zu verlegen, das noch fast unbekannt ist und noch mehr Gefahren birgt als die bisherige Stätte der kriegerischen Aktion. Man kann es verstehen, wenn Samuel, dieser Mustcrchrist und eigenartige Vater seines Volkes, den lieben Hals in Sicherheit zu bringen sucht, denn er weiß, daß der Baum, dessen Dekoration er bilden würde, bereits gewachsen ist, und selbst der blutgierigste Herero weiß, daß das große Kesseltreiben einmal auch die Letzten zur Strecke bringen wird — freilich, auch wir werden vielleicht noch bittere Enttäuschungen erleben: der Typhus, der neuerdings unter unseren Kämpfern seine Opfer fordert, ist ein neuer Feind auf dem sonncndurchglühten Boden, tückisch gleich dein Herero. Gegen diese will des Reiches Statthalter in Kamerun zwei Kompagnien seiner Truppen senden, trotz der Revolten am Croßflnsse — der gute Wille ist zu loben, indes wird man ihm bedeuten, daß auch in Kamerun sehr leicht das Feuer der Empörung aufslammen kann wie ein Steppenbrand, und Herr von Puttkamer daher seine schwarzen Milizen hübsch zur Hand halten soll. Recht ungünstig lautet der Bericht über die Landungsvcrhältnisse in Swakopmund: die Mole soll nur noch ein Torso sein, das Löschen der Ladungen sehr, sehr langsam von statten gehen, und man fordert daher, die Engländer und Portugiesen anzugchen, unseren Transportschiffen die Walfisch- und Tigcrbai freizugeben. In den Zeiten der Burennot ward die Rede von einem ge heimnisvollen deutsch-englischen Abkommen gestellt, das angeblich uns einen großen Teil der portugiesischen Kolonien in Südafrika sicherte — heute ist alles still, merkwürdig still von diesem interessanten Aktenstück, so still, daß man sich kaum traut, die Herren Portugiesen fin den Munitionsschmuggel, der über die Grenze ihres Angola getrieben wird und unseren Rebellen «mnier neue Waffen zuführt, haftbar zu machen, wie es sich gebührt. Das vielberufeno deutsch-englische Abkommen in Sachen des portugiesischen Nachlasses hat vielleicht nur in der Phantasie unserer zünftigen Politiker und Kom binatoren bestanden, aber ein anderes deutsch-englisches Instrument, der Schiedsgerichtsvertrag, ist zum Er eignis geworden in dieser Zeit des F l o t t e n b e s u ch e s in Plymouth. Nach Kiel das Fraternisieren im englischen Hafen, vielleicht ein wänig viel des Guten, trotz aller Lobeskommentare im „Daily Graphic", die in der deutschen Presse mit Behagen wiedergegeben werden. Die recht merkwürdigen Randglossen, welche Englands Presse zum Schiedsgerichtsvertrag machte, stimmen allerdings nicht ganz zu diesem Rausche der Herzlichkeit im Hafen vcM Plymouth, aber was will das verschlagen in einer Zeit, da die Großmächte der Welt ihre Herzensneigungen mit Pompen und Prangen dem neiderfüllten Nachbar zur Schau stellen? Nur zwei alte Intime haben ochscheinend auf ewig die Bande von Herz zu Herz zerschnitten: Frankreich und der Vati kan. Herr Mcry del Val und seine Hinterleute hatten anscheinend eine ganz hübsche Jntrigue oMgesponnen, als sie etliche französische Bischöfe nach Rom luden, um ihnen aufzugcbcn, Mitra und Hirtenstab niederzulegen und so Herrn Combes, dem Antichristen, einen bösen Streich zu spielen. Als man aber merkte, daß selbst die Bischöfe in Frankreich trotz Republik und Combes noch einen Tropfen echt französischen Blutes in sich verspüren, ließ man schleunigst den „Figaro" ins Horn stoßen, den alten gutbezahlten Herold der Royalisten und Klerikalen, und die ganze Affäre soll plötzlich gar nichts gewesan sein als eine hochnötige väterliche Maßregel des Heiligen Vaters gegenüber einigen Bischöfen, welche ihre Herde nicht recht und würdig zu regieren verständen, besonders gegen den hochwürdigsten Herrn Lenordez in Dijon, dec statt des Breviers den Becher der Lust zu häufig in die Hand nähme — sehr schlimm für Se. bischöfliche Gnaden, denn wenn die Diplomatie sotanerweise Herrn Combes nicht hat wehe tun wollen — dem „Figaro" nach —, so wird die päpstliche Disziplinargewalt etliche Sünder bei den Ohren nehmen müssen, um dem ganzen Vorgehen doch einen Inhalt zu geben. Allerdings ist damit die Spannung zwischen dem päpstlichen Rom und dem sündigen Paris noch nicht auS der Welt geschafft und Herr Nisard wird wohl noch etliche Zeit Urlaub behalten. Holder Friede aber lächelte dem Konak zu Bel grad. Peter, der immer noch Ungcsalbte, der Mann ohne Krönungssporteln, hat es endlich erreicht: im gold gestickten Hofkleide sind sie bei ihm zu Gaste gewesen, die Vertreter der Mächte, die ihn bisher so schnöde ge schnitten, und beim festlichen Mahle hat der Doyen der Diplomatie zu Belgrad einige wohlgesetzte Worte ge sprochen und damit vor der Welt die mit neuem Blute getünchte neueste serbische Monarchie al» honorig an erkannt. Recht behaglich wird eS den Herren im Frack und Ordensstern in den Räumen nicht gewesen sein, da ! die Schatten Alexander» und Draga» noch spuken und I da noch heute mancher gute Sech»läufer. manche« gut- i geschliffene Messer heimlich zu schnellem Gebrauch ge ¬ tragen wird. Aber man ist eben in Halbasien und muß sich den wilden Sitten dieser interessanten Gegend an- passen, und man gewöhnt sich in jenen Breiten an Schuß und Alarm sehr schnell, sintemalen die Herren Komi- tatschis für die täglichen Ueberraschungen in Gestalt von Dynamitfreveln, etlichem Halsabschneidon, Sengen und Brennen sorgen. Fürst Ferdinand aber läßt sich das Waschbecken des Pilatus kommen, sobald von Make donien die Rede ist. Er ist lediglich der friedliebende Vater seiner treuen Bulgaren und weilt in diesem Jahre erfreulich lange innerhalb seiner eigenen Zaunpfähle. Ehedem war er öfter an der Riviera zu finden — es scheint also in Bulgarien sicherer Friede zwischen Fürst und Volk zu herrschen, tatsächlich. Nach den offiziellen Darstellungen ist das eigent lich selbstverständlich, Friede und Gerechtigkeit küssen einander am Balkan obligatorisch, und die Herren Reformgendarmen unter dem sardinischen General machen ein recht eigentümliches Gesicht dazu. Die Pforte aber ist des guten Eifers voll, und wenn trotzdem Makedonien nicht zur Ruhe kommt, trotz des guten Willens des Koburgers und der Pforte, so muß es GotteS Wille sein — in«ek' ^Naff! Aber trotz der hübschen kleinen Putsche will immer noch kein rechtes fröhliches Komitatschileben in Makedonien aufkonnnen — der beste Akteur ist noch in Ostasien verpflichtet. Freilich, große Taten weiß selbst der willige russische Telegraph noch immer nickst von Herrn Kuropatkin zu melden, aber die Obrnniguc- --cwnclnlcum» kommt dafür ans ihr Teil. Boris Wladimirowitsch, der Großfürst mit dem Harem, ist der Held des Tages, der das Schwert für seine Schönen gegen die Nase des Höchstkomman dierenden zückte und nun in Archangcl über seine mutige Tat nachdenken soll. Am kühlen Strande des Weißen Meeres, wo der eisige Nord pfeift, kühlt das beiße Bojarenblut vielleicht, und Zar Nikolai bat die Wahl dieses Ortes gut getroffen. Vatcrliebden Boris wiro allerdings die Freude am Segnen der ausstehenden Truppen weidlich gestört haben — rwm, Halbasien! Für ein heiteres Satirspicl, auf daß die Woche des Humors nicht ckntbehre, bat bei uns Herr Thaddäus von Kosciol-Koscieldki, ehemaliger Admiralski, gesorgt, als er in der „National Review" die Klage des gehetzten Polen anhub: „Ich armer Has im weiten Feld!" Der Mann, der einst in weichen Kleidern in der Kchstge Häuser ein- und ausging, der mit so vielem edlen Aln- stände an der Hohenzollerntafcl saß, nennt dabei den großen Friedrich einen doppelzüngigen, wortbrüchigen „Parvenü"! Das muß in Potsdam recht erbaulich wirken, wo eichst der Schwiegersohn des Herrn Staats rat „von" Bloch eine so feine Note besaß und unter die Edelsten gerechnet ward. Die „National Review" frei lich ist eine Abladestätte von allerlei Schund und Schänd, aber Pan Admiralski hat darin doch einmal das echte polnische Herz offenbart — und das ist bei aller Lächer lichkeit und sarmatischer Fadheit das Gute bei der Sache. Friedrich der Große ein Parvenü und Herr von Kosciol- Koscielski im preußischen Herrcnhause — Um die Chronik der Woche zu schließen: Herr v. Mirbach will die Pommcrnbankgeldcr zurück,zahlen, wartet aber sonst in anscheinend guter Gesundheit noch immer seines Amtes. Var ffsnto ff. Herr v. Mirbach bat eingesehen, daß die Rückzahlung der aus der Kaffe der Pommernbank geflossenen Geldernickst umgangen werden kann, wenn die mit Recht erregte Oeffeut- lichkeit nur einigermaßen beschwichtigt werden soll. Er bat deshalb die unter seiner Leitung stehenden Stiftungen und Vereine dazu bewogen, sofort die Summe von I75 OOO .6, um die die Pommernbank durch die Stiftungen der Herren Schultz und Rvmeick geschädigt worden ist, au die Rechtsnachfolger dieser Bank znrückzurahlen. Dies ergibt sich auS einem während der letzten acht Tage zwischen ihm und dem Direktor der Berliner Hypothekenbank A.-G. Staatsrat Budde geführten Briefwechsel, den Herr Budde im Einverständnis mit Herrn v. Mirbach der „Köln. Ztg." zur Veröffentlichung übergeben hat. Die in mehr als einer Hinsicht interessanten Briefe lauten: Berlin IV., Tanbenstr. 22, den 9. Juli 1904. Exzellenz! Hochverehrter Herr Oberbofmeister! Ew Exzellenz haben in Ihrer gerichtlichen Zeugenaussage vom 15. Juni or. bekundet, daß Sie diejenigen 325 000 «mit ausgelau fenen Zinsen 327 358,30) .eil Restguthoben Ihres Konto- K. bei der Pommernbank, über welche Ew. Exzellenz auf Wunsch der früheren Direktoren der Bank, um da« Konto aufzulöse», am 28. Dezember 1900 al« empfange« quittiert haben, tatsächlich nicht er hoben und erhalten haben. Im Interesse der weiteren Ver folgung unserer Ansprüche auf Erstattung dieser nach dem Kassa- bucke wirklick der Baut entnommenen Summe, bitte ich um sebr gefällige Auskunft rrgrbrnst, ob Ew. Exzellenz darüber irgend welche Kenntnis oder Brrmutnng haben, von wem und für welche Personen oder Zwecke dieses Geld erhoben sein könnte. Mit vorzüglichster Hochfchätzung habe ich die Ehr, zu zejchnen. Ew. Exzellenz ergebenster gr».: I. Budde, Diwktor der Berliner Hypothekenbank-Attiengesellschast. Berlin, den 12. Juli 1904. Euer Hochwohlgeboren, erwidere ich auf Ihre Anfrage vom 9. d«. Ml«, ganz ergebenst, das; mir von drin Verbleib der 325 000 .E (-s- 2358,30 Zinsen) nicht das geringste bekannt ist. Wenn diese« Geld wirklich der Kasse der Ponnnernbank entnommen ist, so kann ich nur vermuten, daß die ruderen Direktoren der Bank, Herr Schultz und Herr Nvmrick, das elbr erhoben haben, da sie sich hierzu wahrscheinlich für berechtig hielten, nachdem ich auf ihre Stiftung verzichtet hatte. Denn mir gegen über haben die Herren stet« erklärt, daß sie diese« Geld aus ihren eigenen Mitteln bei der Pommernbank auf das Konto K. lKirchenbanverenO eingezahlt hätten; über die anderweite Verwendung dieser 325000 ./6 (4- 2358,30 .41 Zinsen) ist mir, wie gesagt, nicht das geringste bekannt. Gleichzeitig erlaube ich mir, Euer Hochwohlgeboren ganz ergebenst mitzuteilen, daß die unter meiner Leitung stehenden Stiftungen und Vereine auf meine Anregung hin in Erwägung gezogen haben, die durch mich empfangenen, von den früheren Direktoren der Pommernbank gespendeten Gelder soweit zurück- zuzahten, als die Pommernbank durch diese Spenden nachweisbar etwa Verluste gehabt haben sollte. Ich ersuche deshalb Euer Hock- )vohlgcbore», mir hierüber gütigst Auskunft erteilen zu wollen In vorzüglichster Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenster Freiherr v. Mirbach. Berlin, den 13. Juli 1904. Euer Exzellenz gestatte ich mir, für die im gestrigen Schreiben erteilte Auskunft verbindlichsten Tank ansznsprechen. Ich entnehme daran«, daß die Berliner Hypothekenbank wegen der fraglichen 325 000.41 nur gegen die früheren Direktoren der Pommernbank Ersatzansprüche geltend machen kann. In Bezug auf das an mich gerichtete Ersuchen beehre ich mich folgende« zu erwidern: Neber die von Herrn Schultz im Jahre IM geleistete Zahlung in Höhe von MOOO .M habe ich erst durch Ew. Exzellenz ZengcnanSsage vom 15. Juni er Kenntnis erhalten. Herr Schultz hat im Jahre 1899 bei der Ponunernbank nnd der Jummbilien-Vertehrsbank große Summen in bar für seine per- sönlichenPebürsnissc entnommen und gegenJahresschlnß seincSchuldcn bei der Immobilien Verkehrsbank beglichen dnrch Einbringen von Werten in gleiche» Nominalbeträgen, die sich in der Folge zum großen Teil« al« wertvoll und realisierbar herausgestrllt haben. Ich kann, da die Bücher der Bank nichts darüber ergeben, nicht Nachweisen, daß auch die Vvrgedachten 60 000 .4k der Pommern bank oder Jninivbilien-Veikehisbank entnommen sind, und würde, wenn da« der Fall wäre, nicht behaupten könne», daß die Pvinniernbank nm eben diese Summe geschädigt ist. Ander« verhält es sich mit den im Jahre 1900 an Ew. Exzellenz ge langten Zahlungen von 150000 .41 und 25 000 ,4t (die letzter» Teilbetrag der mehrgedachten auf Konto K. bei der Pommern bank cingrzahlten 350000 .40. Bezüglich dieser insgesamt 175 000 .// ist nachgewieirn, daß sie von den Herren Schultz und Rvmeick bei der Jmmobilieiiverkehrsbank buchmäßig erhoben, indes von der Ponunernbank tatsächlich gezahlt sind. Die Deckung für diese Schuld ist von den genannten Herren bei der Jmmobilien- verkehrSbank gegeben worden durch Urbrrweisnng völlig wertloser Forderungen. Hier halte ich den Nachweis für erbracht, daß die Pommernbank wirklich geschädigt worden ist, An anderer Stelle habe ich bereits erklärt, daß die geschädigte Bank keinerlei Rechts- ansprnch aus Rückerstattung hat. Eine dennoch gewährte Erstattung würde deshalb eine völlig freiwillige Leistung sein. Sollten Ihre Vereine sich zur Rückzahlung entschließen, so würde die Berliner Hhpothckcnbank-Aktiengesellschaft als Rechtsnachfolgerin der Pom- merschen Hypothekcn-Aktienbank die legitimierte Empfängerin sein. Mit vorzüglichster Hochachtung verbleibe ich Ew. Exzellenz ganz ergebenster gez.: Budde ' Berlin, 15. Juli 1904. Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich auf Ihr Schreiben vom 13. d. Mts. ganz ergebenst zu erwidern, daß die unter meiner Leitung stehenden Stiftungen und Vereine sich bereit erklärt haben, die Summe von 175 000 .4! an die Berliner Hypothekenbank Akticn-Gesellschast, als Rechts nachfolgerin der Poinmerschrn Hhpotheken-Aktien Bank, ansznzahlen. Tie Auszahlung soll sofort erfolgen, und bitte ich Ort, Tag und Stunde, wo dir« geschehen kann, mir gütigst mitznteilen. In vorzüglichster Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenster Freiherr v. Mirbach. Unaufgeklärt bleibt auch jetzt noch der eine Punkt: wie kam Herr v. Mirback dazu, über Geld zu quittieren, das er gar nicht erhalten bat, nnd noch dazu über eine Summe, die ein ganz stattliches Vermögen darstellt? Wenn Herr v. Mirbach auf die Stiftung verzichtet hatte und das Konto demgemäß anfzulösen war, so sonnte das am einfachsten dadurch geschehen, daß man den Betrag wieder dem Konto znführte, dem er bei Errichtung der Stiftung entnommen worden war. Ferner geht uns Herr v. Mirbach, resp. die seiner Leitung unterstehenden Stiftungen insofern nickst weit genug, als nur die Gelder niriickgczablt werden sollen, die für' die Pommernbank als I solche einen Verlust bedeuten. Will mau, wie es nötig ist, reinen Tisch machen, so müssen auch die von Schultz persön- l>ch 1899 gezahlten 60 000.41 zurückgegeben werden. Getter für kirchliche Zwecke müssen au- ungetrübten Quellen fließen nnd nicht ein Pfennig darf von Leuten stammen, die wegen Benachteiligung ihrer Mitmenschen zn koken Gesängnisitraien verurteilt worden sind. Wird infolgedessen eine Kirche weniger gekaut, so ist da- noch jedenfalls Keffer, als wenn die Ans hringung der Bansumme in der Weise erfolgt, wie sie im Pommernbankprozcß zu Tage getreten ist. Sekr sonderbar muß übrigen« auch die Auffassung bc-' Staatsrats Budde berübre», daß die Berliner Hypotketenbank wegen der fraglichen 325 000 nur gegen die früheren Direktoren der Pommernbank Ersatzansprüche geltens machen kann. Man sollte meinen, daß die Quittung von Mirballw der Hypothekenbank da« Recht gebe, diese 725 000 .-' von ihm zu fordern, ohne Rücksicht darauf, ob er sie in Wirklich leit erhalten bat oder nicht. Wie der Oberbosmeisier seiner" seits sich wieder deckt, darum braucht sich die Hypothekenbank ein Teil der Mißkellig- gut gemacht ist, soll im juristisch gar nicht zu kümmern. Daß mit dieser Rückerstattung leiten wenigsten« äußerlich wieder
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