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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040719026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904071902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904071902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-19
- Monat1904-07
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Anzeigen-PreiS die «gespaltene Petitzeile 28 Reklame« unter dem Rrdaktiousstrtch (4 gespalten) 7S aach de» Fomilininach- richten <6 gespalten) KO «4. Tabellarischer and Kistern,atz entsprechend höher. — «rbühreu für Nachwrisuugru und Osterteoannahme 25 -4- Ertra-Vetlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesvrderung ^tl 60.—. mit Postbeforderung 7V.—. Unnahmeschlutz mr »«zeige» r Abeod-AuSgadr: vormittag» lO Uhr. Morgru-AuSgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet» au dir Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend- 7 Uhr. Druck und Verlag vou 8. Pal« tn Leipzig (Inh. Ur. B.. R. L W. Kttukhardt). Dienstag den 19. Juli 1904. 98. Jahrgang. Var Llicdtigrte vom lsgr. * Der Kaiser hat heute von Molde aus die Rück reise angetreten. (S. Deutsches Reich.) * Die Leipziger Elektrizitätswerke gehen am 1. September 1905 in städtische Rente über. (S. Leipziger Angelegenheiten.) * Die Nachricht des „New A)ork - Herald", daß Weihaiwei von England an Deutschland ab- getreten werden solle, wird dementiert. (S. Politische Tagesschau.) * Der österreichische Botschafter in Konstantinopel, Freiherr v. Calice, soll seine Entlassung nachgesucht haben: die Entscheidung steht, dem „B. T." zufolae, noch aus. Als Nach folger gelte Graf Bursian. sn ZiMorea. Fusan, den 7. Juni 1904. Japan liegt hinter mir. Der Kriegsschauplatz im engeren Sinne des Wortes — noch nicht im engsten Sinne — ist erreicht. Aber es ist sehr schwierig, von hier aus weiterzukommen. Der Dampfer, der mich schon oorgestern nach Wönsan oder Gensan an der koreanischen Ostküste bringen sollte, ist wiederum abgesagt worden, endlich heute abend soll er gehen, wenn inzwischen kein Tai fun auszieht! Einem solchen könnte oer kleine Kahn von nur einigen hundert Tons nicht trotzen, und so heißt es also wiederum Geduld haben! Tie Abreise von Aokohama fing ziemlich stolz an: Der in glänzender Weise erstrahlende Norddeutsche Lloyd- dampfer „Sachsen" liegt am Pier, die Stewardskapelle an Bord intoniert fröhliche Weisen, und zahlreiche Euro päer sind erschienen, um denjenigen Lebewohl zu sagen, die ini Begriffe sind, Japan zu verlassen, um der Heimat zuzueilcn, nachdem sie im fernen Osten ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben, — oder auch nicht. Iw beab sichtige, den Dampfer bis Kobe zu benutzen, von wo aus - wie ich genau berechnet habe — ein Dampfer der Nip pon Ausen Kaischa gerade eine Stunde nach dem Ein- treffen der „Sachsen" direkt nach Gensan abfahren wird. Ter Plan ist wunderschön. Ich batte ihn in Tokio noch zusammen nut dem fließend deutsch sprechenden zweiten Direktor dieser größten japanischen Dampfschiffahrts gesellschaft ausgeheckt. Wir waren uns auch deshalb schon etwas näher gekommen, weil wir beide einen ge meinsamen Lehrer gehabt hatten, einen ehemaligen Mis sionar, der in Tokio gewirkt hatte und späterhin in Eise nach Gymnasiallehrer war. Wir erinnerten uns seiner beide gern, der Japaner wegen seiner Güte und ich be sonders wegen der netten Geschichten, die er uns Tertia nern auf besonderen Wunsch in der letzten Stunde vor dem Ferienanfang zu erzählen pflegte, und aus denen ich meine ersten Nachrichten über dieses interessante Land schöpfte. Der Direktor der Nippon Busen Kaischa war auch zum christlichen Glauben übergetreten, der bei mir allerdings dazu nicht stark genug war, um auch die Botschaft von dem Gensandampfer der Nippon Busen Kaischa mit einzuschließen. In der Tat sollte ich recht behalfen. Denn als wir pünktlich auf die Minute mit der „Sachsen" in Kobe eintrafen, erspähte ich zwar ver mittels meines ausgezeichneten Görz-Doppel-Anastig- mates alsbald den kleinen, von der japanischen Gesellschaft gecharterten norwegischen Dampfer „Argo", aber von Leichtern und Arbeit auf dem Dampfer war nichts zu er kennen. Als ich nach zwanzig Minuten mit meinen Sachen bei der „Argo" anlegte, erfuhr ich denn, daß der Dampfer nicht gehen würde, angeblich weil sich nicht genug Passagiere und Ladung für Gensan gefunden hätten. Tas war natürlich Vorwand. Denn schon in Tokio sagte mir der Direktor, ich müßte telegraphieren, wenn ich noch auf Platz rechnen wolle. Es sei großer Andrang nach Gensan, weil so lange Zeit dorthin keine Gelegenheit gewesen sei. Tatsache dagegen war, daß die japanischen Tampfergesellschasten seitens der Negierung dahin informiert worden waren, daß die Ostküste Koreas vor den Russen nicht sicher sei. Vor etwa fünf Wochen ist bekanntlich ein kleiner japanischer Dampfer von den Russen im Hafen von Gensan zerschossen worden, und seit dem hat sich noch kein Japaner wieder hinaufgewagt. Unter diesen Umständen hielt ich es für das Beste, den nächsten von Kobe abgehenden Dampfer der Osaka Shosen Kaischa nach Fusan zu nehmen. Diese Gesell- schäft unterhält einen regelmäßigen Kllstendienst. Der nächste Dampfer, die „Shinanogawa Maru", war am nächsten Tage fällig. In Kobe wurden die letzten Einkäufe gemacht für die I geplante Land-Expedition. Da ich auf eigene Faust los- gereist bin, wenn auch mit Erlaubnis der japanischen Be hörden, so hielt ich es doch für ratsam, mir keinen Japaner als Bedienung mitzunehmen. Tenn ich hätte dann sicher sein können, daß die jeweiligen japanischen Behörden über jede Kleinigkeit, die ich unternehmen wollte oder unternommen hatte, durch ihn besser unterrichtet worden wären, als durch den geriebensten Detektiv. Jeder Japaner ist ein geborener Spion, und die Tatsache, daß die Japaner ini Auslande zu Berichten aller Art systema tisch angehalten werden, bringt zwar dem japanischen Staate und den Behörden viele Vorteile, ist aber für jeden Reisenden ein unangenehmes Bewußtsein. Somit nahm ich meinen chinesischen Numberone-Boy aus Aoko- Hama mit, der perfekt javanisch spricht, und bin bisher mit diesem Entschlüsse recht zufrieden gewesen. Ferner will ich noch verraten, daß ich noch einen zweiten Reisege fährten besitze, dessen Gegenwart mir diese Reise zu einer doppelt angenehmen macht und mich ihre Beschwerden leichter, ihre Annehmlichkeiten. noch einmal so schön empfinden läßt, und zwar meine Frau. Unsere gemein- samc Reise von Deutschland nach Japan sollte für sie die Hochzeitsreise bedeuten. Der Plan ging dann weiter dabin, daß sie in Japan in der Zeit, da ich im Felde wäre, bleiben sollte, und daß wir nach Beendigung'meiner Mission gemeinsam wieder die Annehmlichkeiten der Heimreise genießen wollten. Nachdem sich aber heraus- gestellt batte, daß die Verhältnisse so lagen, daß ich mit einer ausgedehnten Wartezeit hätte rechnen müssen, wenn ich in Japan geblieben wäre, und da sie über Gesundheit Mut und Tatkraft genügend verfügt, um ihr die Teil nahme an einer Expedition zumuten zu können, so ist sie nun eben zu meiner getreuen Begleiterin und Ge- hülfin geworden. Ich habe mich, abgesehen von allem anderen, noch deshalb gern dazu entschlossen, ihre Beglei- rung anzunehmen, weil ja die japanischen Behörden sehr leicht geneigt sind, allein reisenden Fremden zu dieser Zeit Svionagegelüste anzudichten. Die Begleitung einer Dame indessen bewahrt in mancher Hinsicht vor diesem Verdacht. Außerdem wäre es ja auch nicht ausgeschlossen, daß wir gelegentlich einmal den Russen begegneten, denen gegenüber die Anwesenheit einer Frau von vornherein den mehr wissenschaftlichen Charakter dieser Reise, sagen wir besser ihre Harmlosigkeit, erläutern wird. Drittselb bezogen wir also unsere Kabinen auf der „Shinanogawa Maru", die uns von Kobe aus durch die Zauber des „See- varkes" Japans, der Jnlandsee, hindurch nach Shimono- keki führte. Dieser Platz isi bekannt geworden durch den Friedensschluss, der den japanisch-chinesischen Krieg be endete, und durch das Attentat auf Li - Hung - Tschang. Es ist ein kleiner, unbedeutender Platz, der indessen einigen Aufschwung genommen hat, seitdem die Sannomiya-Eisenbahn vollendet worden ist, die ihn mit Kobe verbindet. Erheblich wichtiger ist das ihm gegen überliegende Moji. Hier endet die Bahn, die aus dem Innern der Insel Kiuschiu kommt, auf der Nagasaki liegt, und die reich an Kohlenlagern ist. Moji war vor einer Dekade noch ein kleiner, unbedeutender Platz, heute ist es die wichtigste Kohlenstation Japans, und auch der Exporthandel wählt ihn bereits als Zwischenglied. Ich habe den Ort, der jenseits der Straße von Shimonoscki, von diesem letzteren nur etwa einen Kilometer entfernt, gegenüber liegt, iin Jahre 1899 besucht und erkannte ihn jetzt kaum wieder. Im Hafen lag ein großer Teil der japanischen Handelsflotte, meistens große Uebersee- dampfer, versammelt — untätig, der Kriegsgefahr wegen, teilweise wohl auch, um Kohlen für die Kriegsflotte ein- zunchmen, die dann auf hoher See übergenommen werden, oder um Transporte zu verladen. Kurz ehe unser Dampfer die Anker lichtete, traf von Kobe aus auf einer Dampfpinasse noch ein europäischer Passagier ein, ! ein Franzose, Kriegsberichterstatter des „Journal". Auch ihm war die Zeit in Tokio zu lang geworden, und auch er batte sich die Erlaubnis erwirkt, m Korea zu reisen. Indessen hatte man ihm die Soeul schneidende West-Ost- Linie als nördlichste Grenze angegeben, bis zu der er reisen dürfte. Um vier Uhr nachmittags fuhren wir von Shimono- sekl ab, und am anderen Morgen (den 1. Juni) warf der Dampfer in dem Hafen vor Fusan Anker. Dieser wird gebildet durch eine weit ausholende Bucht, die allein schon einen guten Ankerplatz abgäbe, und eine große vorgelagerte Insel. Die Bucht ist fast ringsum von Bergan erngejchlossen und kann als eurer der besten Häfen angesehen werden, die es in Ostasien gibt. Wir sind in Korea! Aber Kinder des Landes sehen wir zu nächst nicht, sondern es ist, wie wenn wir in einen japa nischen Hafen kommen. Die Bootsleute sind Japaner. Sie würden jeden Koreaner totprügeln, der es noch wagen würde, hier ein Boot zu führen und ihnen, den japanischen Sendos, Konkurrenz zu machen. Erst an Land sehen wir die weißen, leider allerdings auch recht schmutzigen Gestalten der Koreaner. Sie drängen heran, um unser Gepäck tragen zu dürfen. Ehe wir aber wissen, wohin wir gehen werden, hat es keinen Zweck, Kulis an zunehmen. Das Handwerk der Lastträger haben ihnen die Japaner gelassen. Zunächst muß unser Gepäck ge öffnet werden: Zollrevision. Ich habe noch niemals in meinem Leben eine so minutiöse Zollrevision erlebt wie hier. Jedes Schächtelchen muß geöffnet werden. Noch niemals habe ich für gebrauchte Utensilien Zoll bezahlen müssen: hier muß ich meine Schreibmaschine, die schon drei große Reisen mitgemacht hat, meinen Photo- graphischen Apparat, — den einen wenigstens, den anderen hat man nicht gefunden — und zwei schäbige, ausgesessene Sättel, die ich mir in Bokohama erstanden hatte, verzollen! Tie Zollbeamten sind zumeist Euro päer und Japaner. Auch zwei Deutsche sind darunter, die einzigen Landsleute in Fusan. Einem von ihnen verdanke ich den Rat, den Zoll nur zu deponieren und bei meiner Ausreise aus Korea, falls diese über Fusan gehen sollte, wieder zurllckzuverlangen. Mittlerweile habe ich mich für eines der japanischen Hotels ent schlossen, die einen Europäer hier als solche Seltenheit betrachten, daß sie glauben, an ihm das Zehnfache vcr- ... dienen zu müssen wie an einem Japaner. Nun können: Japans erinnern. Die zahlreichen koreanischen Fansen, die koreanischen Kulis an die Reihe kommen. Sie greifen ' an denen der Zug, der nur eine einzige Klasse bisher denn auch emsig zu. Aber der kleine japanische Agent, führt, vorbeirollt, machen von außen gesehen einen male- unseres Hotels läßt nicht mit sich spaßen. Er will dis-! rischen Eindruck. Wer für Nuditäten schwärmt, kommt ponieren, und der eine Koreaner bekommt einen Tritt! hier auf seine Rechnung. Die Toilette der Kinder be vor den Magen, der andere eine Ohrfeige, der dritte steht in dem bloßen Nichts, und die der Frauen unler- fliegt zur Seite und verletzt sich an dem unhandlichen scheidet sich in der Hauptsache dadurch von Sen Ball- Traggestcll, das er auf dem Rücken trägt. Drei, vier toiletten unserer Damen, daß diese den Hals und noch lange, starke, aber ungeschickte und geknechtete Kerle ein wenig mehr frei lassen, während die der Koreane- lassen sich hier von einem 15jährigen japanischen Hotel- rinnen den Hals bedecken, dafür aber das „noch ein wenig knecht im wahrsten Sinne des Wortes über den Haufen werfen und mit Fußtritten. Ohrfeigen und dergleichen regalieren. Mein erster Eindruck ist der: „Hier ist der Japaner Herr und fühlt sich seiner Herrschaft so sicher, daß er die Beherrschten brutalisiert." Ob das wohl im ganzen Lande so sein wird? Ich bin wirklich neugierig. Fusan, wenigstens das Fusan, bei dem man landet, ist eine japanische Gründung. Zwar ist es ein so genannter Treatyport, der allen Nationen offen steht. Da aber außer durch Zollbeamte in koreanischen Diensten und Missionare keine andere Nation hier vertreten ist, so hat man eben hier eine rein japanische Kolonie vor sich. Formell bestehen zwei Settlements, ein japanisches und ein chinesisches. Dieses letztere liegt zwischen der japa nischen Niederlassung und dem Bahnhofe, der nahe dem sogenannten Altfusan gelegen ist. Es ist an sich recht unbedeutend. Doch ist es merkwürdigerweise auch hier ini Konkurrenzkämpfe mit den Japanern den Chinesen gelungen, einen großen, wie es heißt den größten Teil des Klein- und Zwischenhandels in die Hände zu be kommen. Im übrigen sind die Chinesen von Fusan als sehr raffinierte Schmuggler bekannt. Wie das so genannte chinesische Settlement verwaltet wird, weiß ich nicht. Das japanische wird durch die japanische Kon sularbehörde verwaltet, hat eigene Polizei, und wird im allgemeinen gut in Ordnung gehalten. Man merkt kaum, daß man wo anders ist als in Japan, nur sind die Preise teurer als im Mutterlands. Koreaner wohnen heute wohl kaum mehr innerhalb des japa nischen Settlements auf eigenem Grund und Boden. Die Japaner haben sie wohl alle ausgekauft. Die Methode dabei soll die sein, daß dem stets geld bedürftigen koreanischen Eigentümer vom Japaner ge ringe Geldbeträge gegen Verpfändung des Besitztitels eines Landstückes geliehen werden, für die alsdann solche Wucherzinsen berechnet werden, daß der Koreaner nie mehr in der Lage ist, die Darlehnssumme nebst Zinsen zurllckzubezahlcn. Das koreanische Volk macht zunächst den Eindruck äußerster Verkommenheit und Schwächlichkeit. Vielleicht trügt aber der erste Eindruck. Wirklich sauber und nett gekleidete Koreaner sind in Fusan verhältnismäßig selten. Dagegen trafen wir deren eine ganze Anzahl bei einem Ausflug nach dem sogenannten Altfusan, dessen geographisch einwandfreier Name Tong-Nai sein dürfte. Wir trafen dort gerade den Stadtrat in einem Tempelchen bei lebhafter Dis kussion versammelt, die auch bereits zu einzelnen roten Köpfen geführt hatte. Doch war der Stadtrat sofort bereit, sich photographieren zu lassen, wodurch mein weiteres Interesse für ihn fürs erste gelöscht war. Zwischen Fusan und Söul ist eine Eisenbahn im Bau, die sogenannte Tai Fun rsil rosck, die, von beiden Enden begonnen, von Fusan aus etwa 70 Kilometer weit ins Land hinein befahrbar ist. Ich habe auf ihr eine kleine Orientierungsreise bis zur letzten erreich baren Station, Miljang, unternommen. Ter einzige Zug des Tages braucht für diese Strecke 2V2 Stunde. Hinter der Station Tong-Nai steigt er zunächst zu dem Tale des Nak Tong hinab und folgt alsdann dem Laufe dieses Flusses, eines der größten Koreas, auf etwa 40 Kilonieter, um alsdann die ursprüngliche Richtung fortzusetzen, während der Fluß nach Westen abbiegt. Sein Tal ist eingeschlossen von grünen, leider gänzlich abgeholzten Bergzügen, die 500 bis 600 Meter hoch sein mögen und durchaus an die Formation des Inlandes Die zahlreichen koreanischen Fansen, Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verdolen. (Schluß.) Unten ging die.Haustür; sie fuhren beide zusammen. Es war spät geworden, und der geistliche Herr sicherlich zurückgekehrt, sie aber nicht in der Stimmung, ihn jetzt zu sprechen. Gingen sie jedoch nicht hinunter, so kam er zu ihnen herauf, da ihm die Wirtschafterin gewiß die An wesenheit Frau von Tormas mittcilte, und diesem wollten sie auf jeden Fall ausweichcn. Im Flur unten angekommen, sahen sie, daß sie sich ge täuscht hatten. Es war die Magd, die vom Brunnen Wasser holte und eben mit dem gefüllten Eimer und der brennenden Laterne in der Hand zurückkehrte. Nun wollten sie erst recht nicht die Ankunft des Pfarrers abwarten. Andreas nahm dem Mädchen die kleine Laterne ab, um die Mutter nach Hause zu begleiten. Die Straßen waren vollständig dunkel. Vereinzelt fiel ein schwacher Schein aus einen! erleuchteten Fenster und pflanzte sich als schmaler Streifen auf dem Boden fort, und auch die Laterne warf ein unsicheres Licht eine kurze Strecke auf den Schnee voraus. Sie schritten Seite an Seite im tiefen Schweigen, kein Mensch begegnete ihnen. Dann betraten sic die Anhöhe und standen vor dem erleuchteten Schloßportal. „Bleib' heute Nacht hier!" bat die Mutter. „Ich werde ruhiger sein." „Tas kann ich nicht . . . glaub's mir, Mutter! . . . Wundere dich auch nicht, wenn ich einige Zeit ausbleibe . . . du bist es doch schon überhaupt gewöhnt . . . nur, daß du jetzt den Grund kennst . . ." „Würde es dir eine Erleichterung sein, wenn du auf ein paar Wochen von hier fortkämst, Andreas?" „Wohin? Ins Kloster zurück, wie's mir schon einmal der geistliche Herr riet? — Ich wüßt' mir noch einen stilleren Ort . . . . " „Andreas!" unterbrach sie ihn entsetzt. Er schüttelte den Kopf und sah sie mit seinen traurigen Augen an, in denen jetzt ein seltsam gereifter Ausdruck lag. „Sei ohne Sorge, Mutter; der Gedanke an dich wird mich vor allem Schlimmen bewahren!" Er küßte ihre Hand und ging wieder den Weg zurück, den er ge- kommen. Sie stand und sah ihm nach, wie er in der Dunkelheit verschwand; nur das Licht seiner Laterne zitterte eine Zeitlang gleich einem roten tanzenden Punkt daraus hervor, bis auch dieser immer kleiner, immer verschwin dender wurde und dann völlig erlosch. — XXI. Die Winde stimmten das Auferstehungslied an, und es wurde Frühling. Ueberall grünte, blühte und duftete es, und bald glich das Land einem Blumengarten. Auch die Tätigkeit der Menschen bot das alte Bild. — In den Wäldern der Klang der Art und der Säge, in den Feldern der knirschende Laut des Pfluges und Spa tens, im Tal kreischte und ächzte das Mühlwerk und aus den Schornsteinen wirbelte flatternd der Rauch .... So sehr Frau v. Torma um diese Jahreszeit be schäftigt war, so suchte sie doch jeden Abend für eine Stunde iin Pfarrhaus Andreas auf. Und mochte es noch so spät werden, sie ließ keinen Tag vorübcrgehen, ohne ihn zu sprechen. Aber noch in anderer Weise beschäftigten sich ihre Gedanken mit ihm . . . Seit langen Jahren lag ihr Testament bei Doktor Farkas, worin, abgerechnet die vielen Legate an Bedienstete und Vereine, Marischka zur alleinigen Erbin eingesetzt war. Andreas Zukunft hatte sie sich in kirchlichen Würden und Ehren aufsteigend ge dacht ... er sollte Dekan, Probst, vielleicht sogar Bischof werden. Was in ihrer Macht lag, ihm zu diesem Ziele zu verhelfen, wollte sie tun . . . DaS sollte für ihn die Entschädigung sein. — Nun sah sie plötzlich diese Linie sich verschieben . . . ja, -vielleicht würde sie eines Tages gewaltsam durch schnitten! — Wie oft hatte sich Charlotte in den letzten Monaten gefragt, ob sie ihm damit eine Wohltat erwiesen, daß sie damals in die Bestimmungen seines Vaters eingriff . . . Als Mönch, in stiller Klosterzelle hätte Andreas niemals diese Kämpfe, diese Schmerzen kennen gelernt ... So stand er mit seinem heißen, hungrigen Herzen hinter der Mauer, wo er hinausschauen, aber nicht hinausgchen konnte in das blühende Leben. . . Und sie durste keine Hand rühren, um ihm in seiner Not zu helfen; denn sie hatte geschworen, ihn auf diesem Wege zu halten. — Wenn er es aber selber tat? Er war inündig, war vierundzwanzig Jahre alt. Eine derart gewaltsame Selbstbefreiung lag zwar nicht in der Natur seines Wesens, wenn aber doch eine Stunde kam, die stärker war als sein scheues, weichherziges Gemüt? — Frau v. Torma fuhr eines Tages zu dem Advo katen nach Derbova, niemand ahnte etwas davon, nicht einmal der Pfarrer, und das Testament wurde insoweit abgeändert, daß beide Pflegekinder zu gleichen Teilen die Erben wurden. So hatte sic auf alle Fälle Andreas Zukunft fichergestellt. Es war an einem der letzten Tage des Mais. Frau v. Torma war den ganzen Tag sehr beschäftigt; eine der großen Holzlieferungen wurde verladen, und wie immer vollzog sich dies unter ihrer persönlichen Leitung. Aber zum ersten Mal war sie nicht ganz bei der Sache und noch niemals hatte ihr der Tag so lang geschienen, war ihr die Arbeit so anstrengend gewesen. Eine große Unruhe war in ihrem Herzen, die sie nachts nicht hatte schlafen lassen und die weder die Tätigkeit noch das wonnig schöne Wetter verscheuchen konnten. Sie war gestern abend wie gewöhnlich bei Andreas gewesen, und da es ein Sonntag, war sie noch etwas länger wie sonst geblieben, um mit ihm zu plaudern. Sie batte ihn so merkwürdig verändert gefunden. Er. der sich mcisl still und ruhig verhielt und sie sprechen und erzählen ließ, war von einer großen Lebhaftigkeit und Redseligkeit. Er hatte von der Kindheit gesprochen, sich in Erinnerungen ergangen, immer von neuem einzelne Momente aus der Turdovaer Knabcnzcit hervorgeholt und dabei geäußert, daß er damals glücklich gewesen. Und dann hatte er ihr die Hand mit großer Zärtlichkeit geküßt und ihr für diese Stunden und Tage gedankt. Wäre die Pflegemutter nachmittags im Walde ge- wesen und hätte gewußt, was Marischka wußte, so wäre ihr der Grund seines aufgeregten Wesens bekannt, die Unruhe ihres Herzens vielleicht aber noch vermehrt worden. Bethlen und Marischka machten einen Spaziergang und waren so übermütig glücklich, wie es Liebende an einem schönen Frühlingstage sind. Die Luft war weich, der Himmel so blau, rings um sie blühte und duftete es, und die Vögel sangen in den Zweigen. Sie sprachen von ihrem jetzigen und künftigen Glück, und jo ost so eine süße Vogelstimme einsetzte, sahen sie sich in die Augen
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