Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040727016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904072701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904072701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-27
- Monat1904-07
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis 1» der tzauptexprdition oder deren Au-gabe- stellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in-Hau ell 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch« land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeitungSpreiSliste. Redaktion und Expedition: Johanni-gasse 8. Fernsprecher 153 u. 228. Atltalexprdtttonen: AlfredHahn, Buchhandlg., Universität-str. 8 (Feraspr. Nr. 4046», L. Lösche, Katharinen» strahe 14 (Fernsprecher Nr 2885 > u. König-, platz 7 (Fernsprecher Str. 7505). Haupt-Filiale Dresden: Marienstrahr 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDunck e r, Herzgl.Bapr.tzofbuchbandla., Lützowstraße 10(FernjprecherAmtVI Nr.4603.) Morgen-Ausgabe. MpMtr.TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Hömgtichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redoktiontstrich (4gespalten» 75 ij'„ nach den Familiennach richten (6 gespalten) 50 -H. Tabellarischer und Zifsrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ob ne Postbesvrdrruug 60.—, mit Postbrfvrderung ^l 70.—. «nnahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz In Leipzig (Inh. vr. «., R. L W. Klinlhardt). Nr. 378 Mittwoch den 27. Juli 1904. S8. Jahrgang. va« Wichtig«« vom lag«. * Der Kaiser ist auf der Rückfahrt von Drontheiin gestern bei schönem, warmem Wetter in Na es eingetroffen. (Siehe Deutsches Reich.) * Die Kaiserin ist mit dem Prinzen Joachim und der Prinzessin Viktoria Luise gestern nachmittag in Wil Helmshöhe eingetroffen. (Siehe Deutsches Reich.) * Die Anfechtungsklage der Leipziger Ortskrankenkasse gegen die Verordnung der Kgl. Kreishauptmannschaft vom 7. Mai d. I., betreffend den neuen Aerztcvertrag, wurde vom Oberverwaltungsgericht m Dresden aus formellen Gründen abgewielen. »Siehe Leipziger Angelegenheiten.) * Die Meldung, das preußische Staats- ministerium sei durch die Ernennung des Land- gerichtspräsidenten I >r. v. Schmidt zum Präsiden- len des Kammergerichts überrumpelt worden, wird offiziös dementiert. (Siehe Deutsches Reich.) * Fürst Ferdinand von Bulgarien kam gestern von Bayreuth in Koburg an. * Der längst befürchtete A u f st a n d i n A r m c n i e n ist nunmehr ausgebrochen. (Siehe Türkei.) * Niutschwang ist von den Japanern be setzt worden. (Siehe Russ.-jap. Krieg.) vom vrutrcbtum im virmarclr. Archipel. In unserer Nr. 38 vom 22. Januar d. I. haben wir im Anschluß an einen Erlaß des Gouverneurs von Teutsch-Neuguinca, 1>r. Hahl, über die Sprachenfrage inen Angriff der „Dtsch. Kolonial-Ztg." auf die dcutfcl)e Gesinnung der Ansiedler des Archipels abgedruckt. Wir fühlen uns daher auch verpflichtet, folgender Ent gegnung eines Lesers des „Leipz. Tagebl." im Bismarck- Archipel Raum zu geben. Wir machen dabei besonders auf die Angabe aufmerksam, daß die Ansicdlerversamm- lang sich nicht für die Beibehaltung des Pidgeon-Eng- lisch ausgesprochen habe, was in dem Erlaß des Gouver neurs angenommen war und überhaupt dessen Grund lage bildete. Im übrigen können wir die Bemerkung nicht unterdrücken, daß ein wenig vielleicht bei der Ab fassung des Schreibens verletzte Familiengefühle die Feder geführt haben. Tie interessante Zuschrift lautet: Bismarck-Archipel, Mai 1904. Zeitungen aus Deutschland erreichen unsere Kolonie erst nach langer Reise, und so kommt es denn, daß der Artikel in Ihrer Nr. 38 vom 22. Januar d. I., betitelt: „Gegen die Deutschverderberei in den deutschen Kolonien" hier erst Anfang Mai zu meiner Kenntnis gelangte. Ganz ähnliche Artikel sind mir nun in dem letzten Vierteljahr mit jeder Post zuge- gangey. Alle sind sie sich darin ähnlich, daß sie einen Er- laß des hiesigen Kaiserlichen Gouverneurs, Herrn l>r. Hahl, enthalten, worin derselbe sich gegen die eng lische Sprackfe als Umgangs- nnd Verkehrssprache im Schutzgebiete scharf ausdrückt, und alle ergehen sich zum Schluß in mehr oder weniger gereizter Stimmung über den Mangel an Patriotismus der hiesigen Ansiedler und über ihren Mangel an deutschem Selb st bewußt sein und Ehrgefühl. Ta ich ebenfalls zu den Ansiedlern gehöre, die angeb lich ihr „deutsches Sei bst bewußt sein und Ehrgefühl" verloren haben sollen, so sehe ich mich veranlaßt, einige Worte, nicht nur zu meiner, sondern zur Verteidigung der gesamten angeschwärzten deutschen Ansiedler an Sic zu richten nnd zweifle nicht daran, daß Sie dieselben in die Spalten Ihres geehrten Blattes auf nehmen werden. Zunächst muß ich zum besseren Verständnis des Gan- zen ein wenig zurückgreifcn. Am 20. Juni 1903 berief der Kaiserliche Gouverneur eine Versammlungder A nsiedlcr, in welcher verschiedene Maßnahmen be sprochen wurden. Als die Sprachcnfrage zur Er- örterung kam, schlug der Herr Gouverneur vor, die von den Eingeborenen der Gazellen - Halbinsel ge brauchte Sprache als allgemeines Idiom im Bismarck-Archipel cinzuführen. Sämtliche Anwesende waren gegen diesen Vorschlag, weil die Gazcllen-Halb- insel-Sprachc nur von einem einzelnen Stamm ge- sprachen wird, daneben aber viele andere vollständig ab- weichende Sprachen im Archipel auftreten (in Ncn Pom- mern z. B. nachweisbar neun, in Neu-Mecklenburg vier, auf den Salomon-Inseln sechs usw.) und es absolut un möglich sein würde, die Gazellen-Halbinsel-Sprache in diesen Distrikten einzufnhren. Abgesehen davon, daß sie nur den wenigsten Ansiedlern bekannt sei und von den Beamten des Kaiserlichen Gouvernements allein der Herr Gouverneur eine oberflächliche Bekanntschaft mit der- »elben habe. Ter Herr Gouverneur äußerte dann, es müsse das Bestreben darauf gerichtet werden, das auf allen Inseln bei den Eingeborenen eingebürgerte ,.Pid- aeon-Englisch" abzuschaffen, und die Herren Max Thiel (Firma HcrnSheim Co.), Paul Kolbe (Firma For- sgyth « Co.) nnd Geisler (Administrator der Neu- Guinea-Kompagnie), unterstützt von der Katholischen Mission, schlugen darauf vor, die „deutsche Umgangssprache im Verkehr nnt den Eingeborenen einzuführen. Die» erklärte der Kaiserliche Gou verneur als untun lich und schloß di« Verhandlung. (Dies nach dem amtlichen stenographischen Bericht.) Die Worte des Aufrufes: „Es ist eine betrübende Er scheinung, daß sich eine Versammlung deutjä-er Männer für die Beibehaltung des Pidgeon-Englisch entscheiden konnte", schildern demnach den wirklichen Sachverhalt nicht richtig. Der Erlaß, wie er in deutschen Zeitungen zum Abdruck gelangt ist, und der, wie verschiedentlich mit geteilt ist, zuerst in den „Mitteilungen der Deutschen Kolonial-Gescllschaft" das Licht der Welt erblickte, ist überhaupt nicht das Original des bewußten Erlasses, sondern eine Fabrikation, worin die jenigen Ausdrücke des Herrn Gouverneurs fort gelassen wurden, welche geeignet erscheinen, einen großen Teil der Ansiedler zu verletzen und in der Tat auch verletzt haben. (Gemeint sind die Worte von der „An wesenheit irgend eines anglisierten Halbblutes". Eine Anzahl Ansiedler ist mit Halbbluts-Frauen verheiratet. — Red.) Es ist in dem hiesigen Sckmtzgebiet nur eine Meinung, und diese lautet, daß der Erlaß des Kaiser lichen Gouverneurs, abgesehen davon, daß die in der Ein- leitung gegebene Motivierung gänzlich falsch ist, von einer großen Anzahl der Ansiedler als eine Ver letzung angesehen iverden müsse. Das Original des Er lasses lege ich in Abschrift bei, Ihre Leser werden sich dann überzeugen können, daß es rvesentlich anders lautet, als der zum Abdruck gekommene Erlaß. Eine Anzahl der Ansiedler rvandten sich allerdings mit einer Beschlvcrde gegen den Verfasser des Erlasses an das Auswärtige Amt, weil einzelne Sätze und Ausdrücke Beleidigungen ihrer Frauen und Familien enthielten, aber daß eine solche Beschwerde fruchtlos sein würde, davon, glaube ich, sind auch die Beschiverdeführer von vornherein überzeugt gewesen. Wer den Erlaß liest ohne Kenntnis der hiesigen Zu stände und Verhältnisse, der muß allerdings daraus den Schluß ziehen, daß wir hier draußen auf dem besten Wege sind, Engländer zu werden. So schlimm ist die Sache je doch nicht. Durch den lebhaften Verkehr mit unserer eng lischen Nachbarkolonic Australien, durch die Anwesen heit vieler Engländer im Schutzgebiet, sowohl Ansiedler wie Missionare, durch den mehr und mehr zunehmenden Fremdenverkehr mittels der Reichspostdampfer des Norddeutschen Lloyd, welche namentlich englische Passa giere befördern, sind wir nun freilich in der Lage, häufig die englische Sprache zu gebrauchen. Deutsche Schulen bestehen erst seit kurzer Zeit, nachdem die K a t h o l i s ch e Mission auf Wunsch der Ansiedler sich entschloß, eine solche einzurichten. Früher mußten die Ansiedler ihre Kinder in australische Schulen schicken, weil nur einzelne die Mittel erschwingen konnten, dieselben nach Deutschland zu senden. Auch die seit 1875 hier ansässige Methodisten- Mission, obgleich der Vorsteher ein Deutscher ist, hat für die Einführung und Verbreitung der deutschen Sprache nicht das Geringste getan. Die Fran E. Kolbe (Inhabe rin der Firma E. E. Forsayth) war die Erste, welche eine deutsche Lehrerin, Fräulein Waldow, hierher berief und längere Jahre deutschen Unterricht erteilen ließ. Später hat dann, wie bereits gesagt, die Katholische Mssion eine deutsche Schule eingerichtet, die jetzt den Kindern der An siedler zugänglich ist. Die besagte Mission unterrichtet auch ihre Eingeborenen-Kinder in der deutschen Sprache und mit solchem Erfolg, daß bereits zwei ihrer Zöglinge als Dolmetscher von der Behörde verwendet werden. Es ist demnach eine Tatsache, daß eine Dame, welche in dem Erlaß wegwerfend als „irgend ein anglisier- tes Halbblut" bezeichnet wird, und ein Fran- zose , der katholische Bischof Louis Couppä, die Einzigen sind, welche etwas Nennenswertes für ine Verbreitung der deutschen Sprache getan haben. Daß jedoch die englische Sprache dann gebraucht wird, wenn Engländer in der Gesellschaft gegenwärtig sind, und dann nur in der Anrede an diese, darf nicht wundern. In den Gerichtssitzungen bedient sich seit jeher der Kaiser, liche Richter des abscheulichen Pidgeon-Englisch, und auch der Kaiserliche Gouverneur, Herr I)r. Hahl, hat sich als früherer Kaiserlicher Richter lange Zeit dieses Idioms be dient, wenn mit Eingeborenen Verhandlungen geführt wurden, und in dem Verkehr mit Engländern im Schutz gebiet hat er cs nicht verschmäht, „in mehr oder wenigerschlcchtemEnglisch" seinen Gedanken Ausdruck zu geben Daher darf ich getrost sagen: „Lieb Vaterland magst ruhig sein!". Wenn sich auch hier und da die Ansiedler der englischen Sprache bedienen, so find sie trotzdem gute Deutsche, die keine „Hinneigungen zum eng- lischen Volkstum" haben, wodurch „die schwer- st en Gefahren für den deutschnationalen Charakter heraufbeschworen werden können. Wenn der prophetische Geist des Herrn Gouverneurs in nicht allzu ferner Zeit eine Einverleibung in den australischen Staatenbund Voraussicht, falls wir nicht unsere Wege än dern, so braucht man sich darüber in Deutschland nicht zu beunruhigen, denn zu den auscrwählten Propheten kön nen wir.Herrn Itt. Hahl, trotz seiner vielen vorzügliäien Eigenschaften, nicht rechnen. Australien bietet ein solches Bild der zerfahrendsten politischen Zustände, daß, selbst wenn sämtliche hiesigen Ansiedler die reinsten Stock- engländer wären, ein jeder sich mit Händen und Füßen wehren würde, ehe er sich zu einem Anschluß an einen Staatenbund verstehen würde, in dem der Sozialismus die üppigsten Blüten treibt und die Staatsmaschine nur durch fortwährende Anleihen in Europa in Gang ge- halten wird. Nach einem Ausspruch des neuen Testaments wird im Himmel Freude sein über einen Ungerechten, der sich be- kehret, mehr denn über tausend Gerechte, und so mag eS zum Schluß den entrüsteten deutschen Lesern eine stimm- liscste Freude sein, zu erfastrcn, daß e» in diesem Schutz- gebiet auch Engländer gibt, welche während ihres Aufenthalt» sich die deutsche Sprache angeeignet haben, ein weiterer vewei» dafür, -atz wir nicht ganz so arg» Deutfchverderber sind, wie wir neuerdings ge schildert werden. Ein „mehr oder weniger schlecht englisch sprechender" Ansiedler. Wir lassen hier noch die der vorstehenden Zuschrift beigelegte Abschrift des bett. Erlasses des Gouverneurs folgen: Abschrift. Kaiserlicher Gouverneur von Deutfch-Neu-Gumea. Gelegentlich der Besprechung am 26. Juni ist die eine Rich tung der für das Schutzgebiet recht wichtigen Sprachcnfrage zur Erörterung gelangt: Die Wahl einer Verkehrssprache mit den Arbeitern und Eingeborenen. Es ist eine betrübende Er scheinung, daß eine Versammlung deutscher Minner unter der Führung anglisierter Deutscher für die Beibehaltung des Pidgeonenglish sich entscheiden konnte. Nocb weit ernster ist aber die Tatsache zu nehmen, daß das Englische als Verkehrs sprache auch mit den Europäern nicht verschwinden will. Ja es genügt die Anwesenheit irgend eines anglisierten Halbblutes um eine Schar deutscher Männer in mehr oder weniger schlechtem Englisch die Unterhaltung führen zu lassen. Es ist denn doch an der Zeit, daß wcnigsrcns hierin eil. Wandel eintritt, daß das Bewußtsein zum Durchbruch kominr, sofern noch eine vaterländische Gesinnung in den Herzen der Deut, schcn des Bismarck-Archipels lebt, ein Fortfahrcn, ein Be- harren in dieser Hinneigung zum englischen Volkstum müsse mit Anschluß der Kolonie an das Australische Gemeinwesen endigen, sobald mit der Erringung der finanziellen Selbstän digkeit auch eigene Politik sich entwickeln kann. Ich ein arte das Erwachen eines gesunden deutschen Bewußtseins, starres Festhalten an der Anwendung der deutschen Sprache in Wort und Schrift, Abschüttclung und Mwchr jedes fremden Wejeus an sich selbst und in der Gesellschaft und bitte, Untergcvene, Angestellte nnd Fremde von diesem Mahnruf geeignet in Kennt nis setzen zu wollen. Der Kaiserliche Gouverneur. (gcz.) Hahl. Wenn wir aus alledem eine Folgerung oder Nutz anwendung ziehen sollen, so ist cs die, daß ein Kaiser licher Gouverneur auch bei der Abfassung der bestgemein ten Erlasse gar nicht vorsichtig genug sein kann. Der suzzizcd-Iapamrcde Krieg. Die Ariegsberichterftattung. Das neueste Beiheft zur „Marine-Rundschau" stellt die Unzuverlässigkeit der Berichterstattung über den Krieg an die Spitze seiner Betrachtungen. Man könne sich des Eindruckes nicht erwehren, daß die für die Oeffentlichkeit bestimmten Mitteilungen der russischen wie der japanischen Heerführer absichtlich den Tat sachen nicht entsprechen. Indessen tritt die „Marine- Rundschau" der Anschauung eutgegen, als ob das Hurückweichen der russischen Vortruppen als eine Reibe rus sischer Mißerfolge aufgefaßk werden dürfe. Diese Ausfassung sei nur durch die Entsendung des Korps Stackelberg aufgekommen, die nicht ans Kuropatkins Initiative zurück geführt worden könne. Wo die Hauptmacht des letzteren stehe, sei nicht bekannt, schwerlich in Taschikiao, wo sie von der rückwärtigen Verbindung abgeschnitten werden könne, Von der Lage in nnd um Port Arthur erfahre man eben falls nichts Zuverlässiges. Das Auslaufen des russi schen Geschwaders am 23. Juni beanspruche ein ge wisses Interesse, der Zweck des Auslaufens aber sei unklar. Bewiesen indeß wäre durch das zeitraubende Aufräumen der Minen am Morgen des 23. Juni, daß Admiral Witthöft großen Wert darauf legte auszulaufen. Als Grund für seine Umkehr hat der Admiral, wie erinnerlich, die erdrückende Uebermacht der japanische Flotte angegeben. Von japanischer und von eng lischer Seite dagegen wurde behauptet, Witthöft hätte einen neutralen Hafen anlanfen oder Wladiwostok erreichen wollen. Haben solche Absichten bestanden, so hält die „Mar. Rdsch." es sür denkbar, daß Willhoft zur nachträglichen Ver schleierung die Gefahr des Abgeschnittenwerdcns als Grund fingierte; die Ueberlegenbeit des japanischen Geschwaders sei, jedenfalls dem Material nach, keineswegs derartig, daß das russische einen Kampf nicht wagen konnte. „Der russischen Sache," beißt eS wörtlich weiter, „würde eine für die Japaner verlustreiche Niederlage des Port ArthurgeschwaderS dienlicher sein, als wenn letzteres sich in einem neutralen Hafen lahmlcgt, oder aber, wenn Port Arthur genommen werden sollte, in die Hände des Sieger« fällt, oder, um das zu vermeiden, von den Besatzungen zerstört wird." Der Aampf bei Taschitschiao wird von russischer Seile als wesentlich günstiger bezeichnet als aus den bisherigen Meldungen zu ersehen war. Aber auch die russische, ersichtlich zugestutzte Meldung muß ein- räumen, daß die russischen Truppen zurückgebcn mußten, was allerdings in voller Ordnung geschah. Man wird also zwischen den japanischen Telegrammen und den russischen Meldungen nach berühmten Mustern, die „mittlere Linie" zu suchen haben, um zur Wahrheit zu gelangen. Das russische Telegramm lautet: * Mulden, 28. Juli. Eingeaangenen Meldungen zufolge nahmen am Artillerielampfe um Taschitschiao am 24. auf russischer Seite gegen 100 Geschütze teil. Ihr Feuer war sehr erfolgreich, fügte dem Feinde ernstliche Verluste bei und zerstörte viele seiner Geschütze und Munition-Wagen. Im Zentrum der Auf- strllung gingen die Japaner zum Angriff vor, wurden jedoch zurück- geschlagen. Am 25. wurde den russischen Truppen belobten, zurück- zugehen und di« Höhen 7 Wcrstknördlich von Taschitschiao zu b«. setzt«, wa- auch in voller Ordnung geschah. DK russischen Verluste am 24. »«trugen nicht über 50 Man». In der „Daily Mail" wird der Kampf folgendermaßen geschildert: Am 24. d. Mts. um 6 Uhr morgens nahmen die Russen den Angriff auf die japanische Stellung auf den Höhen östlich von Taschikao wieder aus. Das Feuer mehrerer russischer Batterien hemmte etliche Stunden den Vorstoß der japanischen linken Flanke von Tapingschan, die nach heißem Kampfe das Dors Naughu- ditum zwei Meilen südöstlich von Tapingschan einnahm. Die Russen waren genötigt, sich nach Ttenghuaituen, sechs Meilen von ihrer Basis, zurückzuziehen. Au diesem Punkte erhielten sie Verstärkungen. Sie nahmen daS Feuer aus zwei Batterien wieder auf und behaupteten ihr« Stellung bi» um 5 Uhr nachmittags, wo die japanische rechte Flanke plötzlich aus den Höhen südöstlich von Taschikao erschien und durch furchtbares Feuer die Russen zwang, um 6 Uhr abends eiligst den Rückzug anzu treten. Nach vierzrhustündiger Schlacht, die mit schweren Verlusten aus beiden Seiten verknüpft gewesen sein muß, wurde die russische Stellung bei Taschikao unhaltbar gemacht nnd die Russen ge zwungen, sich in der Richtung auf Haitschoang zurückzuziehen Niutschwaiig in den Hän-en -er Japaner. Nach einer bei Llovds eingegangenen Depesche aus Niut- scbwang vom 26. t. M. sind 50 Mann japanische Kavallerie dort cingerückt. Auf den russischen Gebäuden weht die fran zösische Flagge. Die Vorhut der Japaner ist Dienstag früh dort eingetroffen. In der Stadt ist alles ruhig. Ein japa nisches Geschwader, das 20 Truppcntransportschiffc eskortiert, kreuzt in Sicht von Inkan «dem Hasen von Niulschwang). Von« IVladiwostsk« Geschwader. Den „Times" zufolge glaubt man in Tokio, daß da« Wladlwoslvk-Gesckwadcr beabsichtige, den Handel zwischen Japan und Amerika zu unterbinden. Die Schiffe fahren langsam, nm an Kohle zu sparen. Japan traf alle möglichen Maßregeln, um den Schiffsverkehr anfzuheben, doch befinden sich verschiedene von Kanada und St. Franzisko abgegangene Dampfer in schwerer Gefahr. Gestern früh wurden die russischen Kreuzer in der Nähe des Jtsu-Vor gebirges am Eingänge der Bucht von Tokio gesichtet, begleitet von einem gekaperten Handelsdampfcr, der nachher in den Grund gebohrt wurde; es war dies der britische Dampfer „Knight-Kommander". Die Besatzung des Dampfers wurde auf em anderes englisches Schiff gebracht und nach Yokohama geschafft. Später steuerten die russischen Kreuzer westwärts. Ihr unmittelbarer Zweck ist offenbar die Abschließung der Bucht von Tokio. Die russische Freiwilligeuftstte. * Petersburg, 26. Juli. Die gestrigen Mitteilungen betreffs der Resultate der unter Vorsitz des Großfürsten Alexej Alexankrowitsch abgehalteneu Konferenz sind falsch. Die russische Regierung ist nicht gewillt, das Recht aufzugeben, Schiffe der Frciwilligenslotte in Kriegsschiffe zu verwandeln, analog dem Ver hältnis der westeuropäischen Regierungen zu den von ihnen subsidierten Dampfergesellschaften. Gleichfalls kann keine Rede von einem Verbot für die genannten Schiffe sein, unter der Handelsflagge Meerengen zu passieren. Was die „Malakka" anbelangt, so sei unzweifelhaft die Aussage der englischen Regierung, daß Vie Ladung ves Schiffes ihr Eigentum sei, genügend, um den Charakter der Ladung zu bestimmen, deshalb wird nach solcher Aussage die „Malakka" freigegeben werden. Zu diesem Zwecke ist in Algier, wohin die „Malakka" fährt, die Organisation einer Kommission in Aussicht genommen unter Beteiligung des russischen und des englischen Konsuls, welche das Urteil über den Charakter der Ladung fällen wird. Deutsches Keich. * Leipzig, 26 Juli. * „Wir kämpfen wir siegreich gegen die Jesuiten- gefahr'?" Ter verehrte Pastor b>. v. Bodclfchwingh hat unter vorstehendem Titel eine Schrift erscheinen lassen, (Bethel bei Bielefeld. 39 S. Preis 30 Pfg.), und zwar hat er den Aufsatz, wie er angibt, ursprünglich für feine mit ihm unzufriedenen Wähler geschrieben. Ter Inhalt ist em wenig bunt: Tie Jesuiten feien zwar mach tig nnd gefährlich, aber sie dursten nicht in der üblichen. Weise bekämpft werden; das nutze nichts; denn da seren sic schon, und wer anfmerke. spure überall ihren Einfluß. Mit diesen nicht sonderlich aufregenden Gedanken be schäftigt sich der erste Teil des SchriftchenS unter zahl reichen Seitenblicken ans die evangelische Kirche und die Liebestätigkeit. Tann aber osfenbart nns der Herr Pastor v. B. seine größte Sorge: gefährlicher als die Jesuiten sind die Universitätslehrer, und nun werden den, ungläubigen Tbeologieprofestoren bald drohcnd-provo- katorisch bald weinerlich-klagend die unglaublichsten Vor würfe entgegen geschlendert. „Kleine Geister" und „küin- incrliche Gesellen" ist noch das mindeste. Von der ernsten strengen Arbeit solcher Wissenschaft hat der Herr v. Bodcl- schwingt) keine Ahnung und darum respektiert er sie auch nicht. Tie Bibelkritik ist ihm natürlich das peinlichste Acrgernis; von der tiefen Religiosität, die gerade auch die Führer der modernen Religionsforschung hcseelt, will ec nichts wissen. Am Schluß — nach einer Besprechung der Gemeinschaftsbewegung — kommt nun ein famoler posi tiver Vorschlag des Herrn von Bodclschmingh. wie dein allem abznhelsen sei Tie Tbcologie-Studicrenden dürfen nicht sofort von der Schule auf die Universität, sondern sollen ihre ersten zwei Semester als ein praktisches Jahr in einer theologischen Vorschule verbringen „zu gegensei tiger Befestigung in der freimachendcn Wahrheit" unter der Leitung von ein paar recht glaubenSfestcn älteren Theologen. Auch ein Lrt, an dem kein geistiger Zugwind wehen darf, wird hierfür vorgcschlagen: Bethel selbst, wo von Bodelschwingh bekanntlich wirkt. Jeder siebt, und der Verfasser weist selbst gelegentlich darauf hin. das Muster sür diese Pslanzschulc sind die katholischen Semi- wäre. Ich denke, das genügt, und wir danken. Ein Jam mer für unsr« evangelisch« Kirche ist e», daß ihre besten Leute mit solch«« Vorschlägen kommen, vahrlich. da»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite