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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040727029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904072702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904072702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-27
- Monat1904-07
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem RevaktionSstrich (4gespalten) 7Ü nach den FcmUieunach. richten (6 gespalten) KO 4- Tabellarischer und Ziffern) ay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanaahme 2ü Extra-Letlagen gesalzt), nnr mit der Morgen «Ausgabe, ohne PostbesSrderung 60.—. m i t Postbefvrdrrung 70.—> Annahmeschlutz ,ur «uzeigen: Abe ad-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets au die Expedition za richte» Die Expedition ist wochentags uunntrrbroch« geöffnet von früh S bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pali in Leipzig (Znh. vr. B, R. ch W. «ltnlhardt). Nr. 37S. Mittwoch den 27. Juli 1904. Vas AiMigrte vom läge. * Eine Sitzung des preußischen Staats« Ministeriums unter Vorsitz des Ministerpräsidenten Grafen Bülow wird für heute angekündigt. * Die Unterzeichnung des deutsch russischen Handelsvertrages soll schon in den nächsten Tagen zu erwarten sein. * Nach polnischen Blättern wurden 56 galizische Arbeiter aus Oberschlesien ausgewiesen. * Wie verlautet, hat gestern zwischen Liaujang und Mukdencin heftigesGefccht stattgefundcn. Die japanischen Verluste in den Kämpfen bei Niutschwang am 24. und 25. Juli sollen 380 Mann betragen. kine offirielle Darlegung Oer falle; Isoenrbrsech Darbach. Bei dem lebhaften Interesse, das der Prozeß Hoens- broech gegen Dasbach nicht bloß in Deutschland, sondern weit über dessen Grenzen hinaus erregt hat, ist es nicht zi: verwundern, daß dieser Streitfall und das in rhm ge fällte Urteil jetzt in den namhaftesten Fachzeitschriften einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Von be sonderer Bedeutung erschienen hierbei zwei Aufsätze, die über den Rechtsstreit in der Zeitschrift „Das Recht" (Hannover, Helwingsche Verlagsbuchhandlung) veröffent licht worden sind. Der eine, der aus der Feder des Land- gerichtsdircktors Winkler in Hagen i. W. stammt, wendet (ich mit Entschiedenheit gegen das Urteil des Trierer Landgerichts, während der zweite, der den an der Urteils fällung beteiligten Landrichter Köttgen in Drier zum Verfasser hat, die Entscheidung des Prozeßgerichts gegen die Winklerschen Ausführungen in Schutz nimmt. Winkler geht davon aus, daß das Trierer Landgericht in der bekannten öffentlichen Erklärung Dasbachs deshalb eine Auslobung im Sinne des 8 657 des Bürger lichen Gesetzbuchs nicht erblickt hat, weil Dasbach weder die Handlung noch den Erfolg gewollt, sondern das Inter esse gehabt habe, daß der Nachweis: in jesuitischen Schrif ten finde sich der Satz, „der Zweck heiligt die Mittel," nicht geführt werde, und er daher diese Handlung oder den Erfolg gar nicht habe belohnen wollen. Gegenüber dieser Auffassung verweist Winkler auf die Motive zum Bürger lichen Gesetzbuch, m denen ausdrücklich betont wird, daß cS bei der Auslobung auf deren Grund und Zweck gar nicht ankommt, daß es also gleichgültig ist, ob und welches Interesse der Auslobende verfolgt, daß vielmehr durch die Fassung des Entwurfs „alle möglichen Fälle" haben ge troffen und insbesondere auch diejenigen Auslobungen nicht haben ausgeschlossen werden sollen, bei denen der Auslobende am N i ch t v o l l b r i n g e n der Handlung ein Interesse hat. — Da das Prozeßgcricht eine Wette, wenn auch eine eigenartige, einseitige, nicht einem be stimmten Gegner, sondern der Allgemeinheit gegenüber ausgesprochene, als vorliegend erachtet und dementspre chend dem Klageanspruche auf Grund des 8 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Klagbarkeit versagt hat, so geht Winkler weiter auf die Frage ein, ob etwa von den Parteien unter der Form der Auslobung ein ver schleierter Wettvertrag abgeschlossen sei. Wink ler kommt zur Verneinung dieser Frage namentlich um deswillen, weil nicht ein beiderseitiger Einsatz mit beider seitiger Aussicht auf Gewinn und Verlust, sondern nur ein einseitiger Einsatz der einen Partei vorgelegen habe. Er führt hierbei aus, daß die Wetten klaglos seien, weil sie die charakteristischen Eigenschaften des Spiels, namentlich die U n w i r t sch a f t l i ch k e i t, an sich trügen, well es sich bei der Wette um einWagcn handle, und der Ob siegende für sein „Rechthaben" einen Siegcspreis erhalte. Alles das träfe im vorliegenden Falle nicht zu. Es müsse angenommen werden, daß es den Parteien nicht um ein persönliches „Rechthaben", sondern um die Sache zu tun gewesen sei; nicht das Interesse an dem „Recht haben", sondern die Förderung einer wissenschaftlichen Arbeitsleistung habe den Inhalt des Rechtsgeschäfts ge bildet; es handle sich also um ein Abkommen, das des „ernstlichen oder nützlichen Lebenszweckes" nicht er- mangele und daher Anspruch auf Rechtsschutz erheben könne. Aus allen diesen Gründen nimmt Winkler an, daß nicht ein klagloser Wettvertrag, sondern eine rechts verbindliche Auslobung als vorliegend anzu nehmen sei. Demgegenüber betont Köttgen, daß das Trierer Ur teil nicht in seinem entscheidenden Punkte darauf beruhe, daß der Versprechende an der N i ch t Vollbringung der Handlung ein Interesse gehabt habe. Tas Urteil basiere vielmehr auf der Erwägung, daß eine Auslobung nur dann gegeben sei, wenn eine Aufforderung, etwas zu tun, vorliege. Eine solche Aufforderung aber könne in der Dasbachschen Erklärung nicht erblickt werden, diese enthalte vielmehr allein ein zum Zwecke der Verstärkung der Ueberzeugungskmft einer Meinung er folgtes Wettangebot. Köttgen führt weiter aus, es sei nicht anguerkennen, daß das Erfordernis gegen seitigen Einsatzes für das Wettgeschäft begriffsnotwendig sei, und geht hiernach auf den Inhalt des nach seiner An sicht zwischen den Parteien geschlossenen Wettgeschäftes ein, dabei erachtet er dieses im Gegensatz zu Winkler für äußerst unwirtschaftlich, erklärt die Entscheidung einer historischen Frage aus dem Gebiete der Moralphilo sophie für eine „hervorragend unwirtschaftliche" Ange legenheit, die überdies außerhalb der Sphäre des staat lichen Rechtsschutzes liege. Ob diese Ausführungen Köttgens geeignet sind, die Darlegungen Winklers in allen Einzelheiten zu wider legen, mag zweifelhaft erscheinen. Dagegen wird man sicher dem beipflichten können, was Köttgen am Schlüsse seines Aufsatzes betont. Er sagt: Eingestandenermaßen wurde im Prozeß Hoensbroech gegen Dasbach eine Ent scheidung begehrt über eine ethisch-literarische Streitfrage. Nun kann gewiß die Entscheidung einer wissenschaftlichen Streitfrage im Laufe eines Prozesses notwendig werden. Aber zur Entscheidung von Fragen der Wissenschaft, bei denen aber nur diese Entscheidung den eingestandenen Endzweck bildet, sind die Gerichte nicht berufen. Sollten wirklich diese Fragen auch nur einen Schritt dadurch ge- fördert werden, daß ein mit staatlicher Autorität be kleidetes Gericht der einen oder anderen sich bekämpfenden Meinungen beitritt? Gewiß nicht! Hier sind die natür lichen und heilsamen Grenzen der staatlichen Rechtspflege. Der NuMana arr Herero. Line Trotha-Hetze? In der „T. Rdsch." wendet sich G. van W. gegen die Angriffe, welche vom Berliner „L.-A." und vom „B. T." infolge der Meldung von dem Abzüge der Herero nach Norden gegen den General v. Trotha erhoben werden. Der Verfasser führt aus: Gleich zu Anfang heißt es, General von Trotha habe es „durch seine übertriebene Aengstlichkeit bei der Sicherung der Etappen linien" dahin gebracht, daß ein großer Teil der „von Leut wein mit mühevoller Umsicht im Waterberg - Gelände zu- sammengedrängten" Herero noch in zwölfter Stunde vom Waterberg habe abziehen können. Ferner habe Trotha seine Streitmacht „durch Abgabe stärkerer Kolonnen an die Etappen stationen verzettelt" und auch durch das Aufgeben der von Leut wein geplanten Verstärkung des Oberleutnants Volkmann in Groot- fontein einen Teil der Herero mit ihren Herden nach Norden entwischen lassen. Diese Darstellung ist von A bis Z unrichtig! Wie aus sämt- lichen amtlichen und privaten Depeschen und Berichten festzustellen ist, hat nicht Leutwein die Herero „zusammengedrängt", sondern diese selbst haben sich, nachdem Leutwein nach den Gefechten von Onganjira und Oviumbo von ihnen abgelassen hatte, in der brillanten und für einen Abmarsch nach dem Norden besonders günstigen Water- berg-Stellung gesammelt. Samuel Maharero rief sie dorthin zusammen. Hier wollte sie Leutwein mit seiner Hauptabteilung von Süden her angreifen, was Trotha in der richtigen Voraus sicht verhinderte, daß ein Angriff von Süden her die damals keineswegs irgendwie umstellten Herero nur zu einem beschleunigten Abmarsch nach Norden treiben mußte. Trotha leitete dann die Umstellung des Gegners am Waterberg durch weiteres Vorschieben der von Leutwein zum Teil schon ungesetzten Kolonnen von Estorfs, von Heyde und von Glasenapp in nordöstlicher Rich tung ein, er machte die Verstärkung Volkmanns nicht rück gängig (Beweis: Vereinigung der Kolonnen von Zülow und Vollmann in Otavi!) und setzte sofort alle neu eingetroffenen Ver stärkungen, 1. und 2. Bataillon Feldregiments 2 und die Artillerie, über Karibik in Marsch auf Omaruru—Outjo, um das bei seiner Ankunft dort vorgefundene riesenhafte Loch zu schließen. In die Linie Omaruru—Outjo hatte bereits Leutwein die Kompagnie v. Welck zum Schutz der Etappenlinie geworfen, da die bis dahin dort stationierte Marineinfanterie-Kompagnie den Angriffen der Hereros gegenüber nicht genügte. Einer dritten Kompagnie hatte Leutwein die Etappenlinie im Osten übertragen. Trotha zog zur weiteren Verwendung auf den Etappenstraßen lediglich eine der für Lüderid- bucht bestimmten Kompagnien nach Swakopmund heran. Verzettelte er durch diese Maßregel seine Kräfte? Wenn ein Abzug starker Herero-Kräfte nach Norden in der Tat bereits erfolgt sein sollte, was möglich und sogar wahrschein lich ist, so liegt der erste Abzug, wie mit Sicherheit 98. Jahrgang. angenommen werden kann, zeitlich west zurück und wird erfolgt sein, als Volkmann noch allein in Grootsontein saß und die Lvambos die Station Amutoni angriffen. Verhindern konnte weder Trotha noch Leutwein einen Abmarsch der Herero nach Norden. Dazu ist das zn sperrende Gebiet zu groß, die Anzahl der verfügbaren Truppen war damals zu gering, und die Herero standen bereits zu west nördlich. Der rurrirO-japaairche Flieg. Vsnr Ariegsfchauxlatze. Wie General Kuropatkin dem Zaren meldet, rückten japanische Truppenabteilungen am 24. Juli vom Penchanlin- Paß vor, wurden aber eine Zeit lang von den Truppen der russischen Vorhut aufgehalten, die hierbei 14 Verwundete zu verzeichnen hatten. An demselben Tage besetzten die Japaner mehrere Orte östlich von Simutschen. Am 24. Juli entwickelte der Feind, abgesehen von dem Vormarsch von Kaitschou nach Taschitschiao, etwa zwei Divisionen noch in der Richtung auf Haitscheng, deren Vorgehen aber keinen entschiedenen Charakter trug. Angebliche Spienage -er Militärattaches. Zu den vielen unverbürgten Gerüchten, welche bezüglich der neueren Vorgänge auf dem Kriegsschauplatz hier in Um lauf sind, gehört besonders die Behauptung, daß mehrere fremde Militärattaches, welche sich in dem Lager KuropatkinS aufhalten, Spionendienste für die Japaner geleistet hätten und daß auch die Abberufung der schweizerischen Militärbevoll mächtigten mit den, Spionagefalle in Verbindung stehe. Der Schwerzer Oberst soll zwar nicht selbst daran beteiligt gewesen sein; er habe jedoch einen Brief vermittelt, der vermutlich einen Spionenbericht enthalten habe. Im Uebrigen scheint Kuropatkin noch keine sicheren Beweise in Händen zu haben, ebenso wie sich das Kriegsminislerium wohl nur in Ver mutungen ergeht. So sagte der aus der Petersburger hol ländischen Gemeinde stammende General van Hoeck, eS würde weit mehr zu verwundern sein, wenn die fremden Militärattaches nicht Spionage betrieben; denn der ganze Zweck ihrer Anwesenheit im Hauptquartier der krieg führenden Parteien sei doch nur der, möglichst viel zu beobachten und darüber zu berichten. Und daß dabei die Sympathien und die Parttistellung des Staates, dem der Attache angehöre, bestimmend Mitwirken, sei selbstverständlich. In dem russisch-türkischen Kriege habe ein englischer Attachö vor Plewna die türkische Armee über alle Be wegungen der Russen genau unterrichtet, und diesem Um stände sei es damals zuzuschreiben gewesen, daß die Türken vor dem entscheidenden Sturme der Russen Plewna unbe helligt verlassen konnten. Aehnliche Vorgänge seien auch in der Mantschurei vorgekommen, weshalb wohl demnächst noch andere Attaches abberufen werden dürften. Inzwischen sind die der japanischen 3. Armee zugeteilten fremden Militär attaches am 26. d. Mts. von Tokio nach der Front abge gangen. Alexejew «nd Uurspatkin. Wie groß der Gegensatz zwischen Alexejew und Kuropatkin ist, beweist nach dem „L.-A." u. a. ein UkaS Alexejews, worin es heißt, daß alle Truppen, die vom 1. Juli nach Mulden kommen, ihm direkt zur Verfügung gestellt werben sollen, also nicht Kuropatkin. Unter solchen Umständen ist es leicht begreiflich, daß Kuropatkin« Tätigkeit und Energie nicht wenig durch Alexejews direkt unsympathische Gesinnung gegen Kuropatkin paraly siert wird, da der Oberbefehlshaber offenbar nicht selbst ständig über das Truppenmaterial verfügen kann. Auch Ad- Feuilleton. Der Fall Lelotri. Roman von Waldemar Urban. Nachdruck verboten. Ein zitterndes, jämmerliches Elend, eine gebrochene Existenz, ein gescheitertes Wrack, so stand Antoine vor seinem Bruder Jean, als dieser Abschied nahm, und doch wollte es dem letzteren scheinen, als er wieder aus den: „Grünen Krokodil" hinaus in die schmutzige und schlupfrige Rue de Chateau d'Jf trat, als ob er der weniger zu beklagende sei. Was hatte er denn auszu stehen? Er fuhr morgen mit dem Schiff hinaus in eine neue Welt, war frei und ledig, konnte sich sein neues Leben zurecht zimmern wie cs ihm paßte, allein, sorglos, ohne Veranwortung und irgendwelches Geschäft, während cr, Jean Paptistc Belotti, unter der Last von I. B. Bc- lotti L Co. zusammenzubrcchen drohte. V. Madame Belotti war eine sehr stolze Tome und leitete die Erziehung ihrer Kinder — wie sic glaubte — mit Klugheit und großer Ucbcrlegenhcit so, daß diese stets und von Jugend auf von der Bedeutung des Besitzes und einer hohen gesellschaftlichen Stellung im Leben durch drungen waren. Den Kindern wurde sozusagen der Tanz nm das goldene Kolb von Jugend auf eingetrichtert. Stolz und vornehin gegen Geringere, flössen sie vor Be scheidenheit und graziöser Höflichkeit gegen höher Stehende oder Reichere über. Madame Belotti nannte das nut der ihr eigenen Bescheidenheit „sn zx'titl- pali tigne ck<> In viv". ihre kleine Lebenspolitik, die sic trotz ihrer Bescheidenheit für die allein erfolgreiche und wirknngsvollc iin Leben hielt. Sic bedauerte sogar, in dieser Beziehung nicht genug Einfluß auf ihren Manu ausüben zu können, und schob darauf die Schuld von kleinen Jnconvenienzcn und Unannehmlichkeiten, die sich manchmal in ihrer Ebe bemerklich machten. Es ging Madame Belotti, wie man sagt, durch und durch, wenn sie zum Beispiel sah, wenn ihr Mann mit einem Untergebenen wie etwa dem Portier Sellier so freundschaftlich verkehrte, als ob er seines Gleichen sei. Nach ihrer Meinung verstand es ihr. Mann nicht, sich in gehörigen Respekt zu setzen, und daher kamen auch die vielen Mißerfolge in der geschäftlichen Tätigkeit ihres Mannes. War es doch schon so weit gekommen, daß er ihr Vorhaltungen über ihre hohen Ausgaben in der Wirt schaft gemacht! Ihr, die solche Unsummen Geldes mit in das Geschäft eingebracht hatte! DaS kam eben alles daher — immer nach Ansicht der Frau Belotti —, daß ihr Mann bezüglich ihrer kleinen Lebenspolitik keine Lehre annahm. I. B. Belotti L Co. sollte sparen. Das war ebenso unerhört wie lächerlich, und nur eine Folge davon, daß ihr Mann nichts vom Leben und vom Geschäft verstand. „Laß die Leute nnr sagen, was sie wollen, mein Kind", sagte Madame Belotti zu ihrer Tochter Florence, als sie beide in dem eleganten Mnsiksalon der Villa „Jolilotte" noch spät auf die Rückkehr des Herrn Belotti warteten, ein Titel ist und bleibt ein Titel. Laß sie die Nase nur rümpfen, wenn von einem Herzog oder Baron oder Vicomte die Rede ist, wenn einer kommt, machen sie doch einen krummen Buckel. Das ist ebenso wie mit dem Tanz ums goldene Kalb. Alle Welt schimpft, aber alle Welt tanzt mit. Weshalb denn auch nicht? Etwas muß doch in der Welt da sein, woran man die Menschen zieht und anreizt." „Wo nur Papa bleibt", unterbrach Fräulein Florence ihre Mama schläfrig. „Es ist schon Mitternacht vorüber." „Er ist ein schöner Mann", fuhr Madame Belotti un gestört in ihrem Gedankengang fort. , Wer?" fragte Florence erstaunt. „Papa?" „Aber, mein liebes Kind, wie komisch du bist! Wie kannst du nur annehwen, daß ich von Papa als von einem schönen Manne spreche! Ich meine natürlich Vicomte Andr6." „Oh, er ist ein netter Mann. Sieh hier, Mama, die Blumen, die er mir mitgebracht! Mein Gott, wie sie duften." „Ich sage dir, er ist ein Prachtmensch. Nebenbei hat er, Papa weiß das natürlich ganz genau, über hundert tausend Francs jährliche Rente, ein Schloß in der Pro vence und ist Kapitän in der Armee. Was willst du mehr, mein Schatz? Wenn ich an deiner Stelle wäre, Florence, so wüßte ich, was ich täte. Heirate nur keinen Geschäftsmann. Nichts ist gefährlicher als das. Ein mal was und einmal nichts. — Es ist ein Jammer! Welche glühende Beredsamkeit hat dagegen so ein mehr facher Millionär, besonders wenn er ein Vicomte ist." „Er ist aber doch ein schrecklicher Mensch, Mama." „Ich weiß, ich weiß, was du sagen willst, aber ich sage dir, gerade weil er in deinen Augen ein schrecklicher Mensch ist, ist er ein netter Mann." Es war nicht fesizustellen, ob Fräulein Florence von dieser eigentümlichen Beweisführung überzeugt war oder nicht. Sie war müde und gähnte, verabschiedete sich von ihrer Mama und ging zu Bett. Madame Belotti war aber auch eine energische Frau, und wenn sie sich einmal ein Ziel gesetzt oder einen Plan gefaßt hatte, so ließ sie keinen Umstand und kein Mittel außer acht, uni ihn zu fördern. Deshalb wartete sie auch jetzt noch auf ihren Mann, trotz der späten Stunde. Sie wollte mit ihm reden, ihm ihre neuen Aussichten und Ideen bezüglich der Verheiratung ihrer Tochter Florence mitteilen und seine Mitwirkung erreichen. Aber ihre Ge duld wurde gerade in dieser Nacht auf eine harte Probe gestellt. Es war schon lange Mitternacht vorüber und Herr Belotti kam noch immer nicht. Was sollte das heißen? fragte sic sich, was waren das für saubere Ge- schäfte, die ihr Mann so svät in der Nacht besorgte? Sie wurde wütend, lind als sic wütend war, schellte die Haus- glockc und ihr Mann trat ein. „Du siehst, ich habe auf dich gewartet, Jean", begann sie das löte L töte in nicht gerade zärtlichem Tone. „Ich sehe es", erwiderte er müde und strich sich seuf zend über die Stirn. „Mein Gott, wie siebst du denn aus?" fragte Ma- dame Belotti plötzlich, von ihrem Thema ablenkend und seine beschmutzten Stiefeln und Beinkleider ansehend, „man sollte wirklich meinen, daß du deine Geschäfte nicht in der Rue de Cannebidre und — die Nase rümpfend — nicht in besonders guter Gesellschaft besorgt hast. Zsth muß denn doch bitten, daß du in deinem Alter und als Familienvater mehr Respekt vor dir und deiner Familie hast." „Tue mir den Gefallen und sei still, Henriette. Ich bin zu Fuß zurückgekehrt und im Dunkel in ein Straßen loch getreten. Das ist alles. Wo ist Louis?" „Laß nur deinen Diener jetzt. Jetzt möchte ich, deine Frau, Jean, einige Morte mit dir sprechen." Eben im Begriff, nach der Klingel zu greifen, um seinen Kammerdiener zu rufen, hielt er darin wieder inn» und sah seine Frau an. „Was willst du, Henriette?" „Es betrifft Florence und den Dicomte Andrö de Saint-Bon. Florence hat offenbar einen starken Ein druck auf ihn gemacht und er wohl auch auf sie, kurz, es handelt sich um " „Sei so gut und laß mich jetzt mit solchen Geschichten in Ruhe. Ich bin müde und abgespannt und weiß vor Sorgen und Geschäften nicht, wo mir der Kopf steht. Don deinen Heiratsprojektcn ist wohl später noch Zeit zu reden. Louis!" Das war der stolzen und energischen Dame denn doch zu stark. Nachdem sie ihm in unglaublicher Nachsicht und Gutmütigkeit mit seiner faulen Ausrede durch das Straßenloch im Dunkel» batte hindurchschliipscn lasten, schützte er auch jetzt noch Geschäfte vor, um sich den samt.
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