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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040728018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904072801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904072801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-28
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktioasstrich (4 gespülte») 7b nach Leu Fmntlieauach- richten («gespalten) bl) Dabellarischer und Ziffernfatz entsprechend höher. — Gebühre» für Nachweisungen und Lssertenaunahme 2ö Extra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbefbrdrrung 60.—, m i t Postbesörderung 70.—. Anuatzweschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig (Inh. Or. V., R. L W. Klinkhardt). Nr. 380. Donnerstag den 28. Juli 1904. 88. Jahrgang. Var Wchtigrir vom Lage. * Die angekündigte Sitzung des preußischen Staats Ministeriums hat gestern stattgefunden. * Die Prinzessin von Wales ist gestern morgen von London nach Neustrelitz abgereist zum Besuch ihrer Tante, der verwitweten Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz. * In Bukarest erschossen bei einem Kaffee» Hausstreit zwei Politiker einander. (Siehe Letzte Depeschen.) * Der von den Russen beschlagnahmte englische Dam» vfer „Malakka" ist gestern in Algier einge- troffen. Vie verchlagnadme äer aemrcben Zcbitte «na ihre Aufhebung. Unsere Diplomaten atmen auf, und sie haben Grund dazu. Die „Skandia" ist von den Russen bereits lvieder freigegeben worden, und zwar ist der Befehl hierzu von Petersburg aus mit einer Promptheit ergangen, die An- erkennung verdient, die aber auch gerade in diesem Falle sehr angezeigt war. Hätte sich diese zweite Beschlagnahme als eine Herausforderung erwiesen, wie es im ersten Augenblick fast den Anschein hatte — das deutsche Volk wäre diesmal nicht geneigt gewesen, sie ruhig hinzu- nehmen, es hätte sich auch schwerlich lange durch die Mit teilung trösten lassen, daß diplomatische Verhandlungen eingeleitet worden seien. In den maßgebenden deutschen Kreisen war man zwar von vornherein überzeugt, daß man auch diesmal mit Rußland zurechtkommen werde. Tort glaubte man auch keinen Augenblick an eine Politik der systematischen Herausforderung seitens der benach- barten und befreundeten Macht, aber auch dort war rnan sich und ist man sich eigentlich auch heute noch nicht recht klar darüber, lvas die fortgesetzten Uebergriffe der russi schen Kapitäne bezweckten. Man konnte schließlich doch bei einem Großstaat wie Rußland nicht annehmen, daß seine Seeoffiziere auf eigene Faust Politik trieben, oder ohne dazu auch nur im entferntesten autorisiert zu sein, Hoheitsrechte zur See ausübten. So blieb nur die Mög lichkeit eines Mißverständnisses übrig, das im Einzelnen noch später aufzuklären bleibt, das aber tatsächlich vor liegt und vielleicht mit den Gepflogenheiten der russischen Regierung zusammcnhängt, welche die einzelnen ministe riellen Ressorts zu dichterm Jneinandergreifen nicht kommen lassen. Wie man weiß, haben die Russen in allen grötze- rcn Hafenstädten Europas Detektivs postiert, welche Nach- forschungen anzustellen haben, ob die jeweils nach Ost- asien gehenden Dampfer etwas mitführen, was als Kontrebande angesehen werden kann. Diese Detektivs rcssortieren merkwürdigerweise vom Ministerium des Innern, d. h. also von Herrn v. Plehwe. Wie .viele Be amte gerade dieses Ressorts scheinen auch sie einen ge wissen Uebereifer prästiert zu haben, und wo sie eine Kiste Patronen oder etwas ähnliches verladen sahen, da mel deten sie sofort „Großfeuer!" Ihr Ressort gab dann diese Meldung an das Marineministerium weiter, und zwar natürlich in der unterstrichenen Form, die sie durch Ucker- eifer, Wichtigtuerei und Profitsucht gewonnen hatte, und vom Marineamt ergingen dann offenbar die entsprechen den Weisungen an die Kapitäne der Freiwilligenflotte. Bekanntlich ist für die Durchsuchung neutraler Schiffe das maßgebende Moment die Schwere des Verdachts. Uebcr dieses Moment haben auch anläßlich der Beschlag, nähme des „Bundesrat" seinerzeit Graf Bülow und Lord Salisbury korrespondiert. Nur auf Grund eines sub- stantierten Verdachtes darf das Schiff einer kriegfllhren- den Macht nach den Normen des Seerechts neutrale Schiffe anhalten. Einen solchen Verdacht glaubte nun das russische Marineamt für die angchaltenen Schiffe auf Grund der ihm aus den Hafenstädten gewordenen Mit teilungen geltend machen zu können, und es war natürlich nicht Sache des Kapitäns, die Richtigkeit dieses Verdachts zu prüfen. Das Marineamt war aber wohl, wegen des Tazwischenstehens eines anderen Ressorts, nicht in der Lage, die Angaben der Detektivs mit der nötigen Schärfe zu kontrollieren. So kam es zu jenen Vorfällen im Mittelmeer, die auch seitens der russischen Regierung äks so bedenklich empfunden wurden, daß man sich lieber entschloß, das Recht auf Durchsuchung von Schiffen ganz aufzugeben. Allerdings ist in der offiziellen Mitteilung über den Ministerrat, der unter den: Vorsitz des Groß fürsten Alexis stattgefunden hat, als Grund des Ver zichtes die ungenügende Definierung des gegenwärtigen Status der Freiwilligenflotte vom Standpunkte des Völkerrechts aus angegeben worden, aber es ist bei der besonderen Lage der Dinge nur erklärlich, wenn man sich in Petersburg nicht durch Entschuldigungen zu weit gehend desavouieren will. Au» dieser Darstellung, die auf Grund zuverlässiger Informationen al» authentisch angesehen werden darf. ergibt sich, daß irgend ein „ckolus" -er russischen Regie rung in keiner Weise vorliegt, und daß die Beschlag- nähme auch keinerlei Spitze gegen irgend eine bestimmte Macht hatte. Erst die ungeheure Resonanz, welche das Vorgehen der Schiffe der Freiwilligenflotte allerorten weckte, scheint die höchsten russischen Stellen zum Ein- greifen in eine Angelegenheit bestimmt zu haben, die, als sie entriert wurde, von ihnen offenbar in keiner Weise als eine Haupt- und Staatsaktion von solcher Trag weite gewürdigt worden ist. Nachdem der Ministerrat sich aber nun mit der Materie beschäftigt hat, darf man erwarten, daß künftig derartigen Ucbergriffcn ein Riegel vorgeschoben werden wird. Allerdings muß be rücksichtigt werden, dqß es immerhin eine gewisse Frist in Anspruch nimmt, bis die drei derzeit im Mittel meer kreuzenden Dampfer der Freiwilligenflotte ent sprechende Instruktionen erhalten haben, und inzwischen kann immer noch das eine oder das andere deutsche Schiff der Unannehmlichkeit des Angehaltcnwerdens ausgesetzt sein. Irgend ein Konflikt aber wird sich daraus nach der klaren Stellungnahme des russischen Ministcrrates nicht mehr entwickeln können, sondern nur noch ein Schadenersatzanspruch der Betroffenen, der von feiten Rußlands auf prompte Befriedigung zu rechnen hat. Ihrem Wesen nach darf man also wohl die jüngsten aufregenden Vorfälle auf dem Mittelmeer als eine abgeschlossene Episode be trachten, welche auf die internationale Kon stellation in Europa ohne jeden Einfluß bleiben wird. Charakteristisch bleibt diese Episode eigentlich nur für das merkwürdig schwerfällige Funktionieren des russischen Regierungsapparates, der allzu stark mit Sub alternen arbeitet und dem auch das leidige Vertreter system, das in Ostasien schon so böse Früchte gezeitigt, wieder einmal einen gefährlichen Streich gespielt hat. Aus der vorstehenden Darstellung ergibt sich, daß es ein leeres Gefasel war, wenn behauptet wurde, Rußland suche einen europäischen Konflikt, um sich in Ostasien mit An- stand degagieren zu können; es ergibt sich ferner, daß man den Kapitänen Unrecht getan, wenn man annahm, sie suchten auf eigene Faust im Mittelmeer die Lorbeeren zu pflücken, die ihrem Vaterlande im fernen Osten bis her versagt geblieben sind usw. — Ein grelles Schlaglicht hat die Episode nun wieder auf eine gewisse englische Presse geworfen. Zunächst suchten diese Blätter Deutschland gegen Rußland aufzupeitschcn, dann mokierten sie sich über die deutsche Schwäche und schließ lich wiesen sie mit lautem Geschrei das Ansinnen eines Zusammengehens mit Deutschland gegen Rußland an läßlich der Beschlagnahmen zurück. Mit einem solchen Ansinnen ist aber nie an sie herangetreten worden, wie es denn der deutschen Regierung überhaupt keinen Augenblick eingefallen ist, eine Analogie zwischen dem „Malakka"- und dem „Prinz Heinrich", und „Skandia"- Falle zu schaffen. vrr ffutttanä Orr sierrro. ikandungtverhältniffe in Südweftafrika. Von einer mit den portugiesischen Kolonial- Verhältnissen genau vertrauten Seite wird den „Berl. N. Nachr." geschrieben: Nach den Aeußerungen der deutschen Presse in den letzten Tagen würde es sehr erwünscht sein, in Anbetracht der nicht günstigen Hafenverhältnisse von Swakopmund einen besseren Hafen, wenn auch nur vorübergehend, für die Bedürfnisse der Herero-Expedition benutzen zu können. Das günstigste wäre natürlich, wenn zu diesen Zwecken einer der prächtigen Angola-Häfen zur Vcr- fügung stände. Angolas Häfen sind als vorzüglich bekannt, von Norden nach Süden Cabinda, Ambriz, Loanda (ein mächtiger, geschützter Ankerplatz), Loblto (das freilich Mangel an Trinkwasser hat, aber Ausgangspunkt der geplanten 1400 Kilometer langen Bahn nach Katanga ist), Bcnguella (ein sebr guter Hafen, aber ab und zu von Stürmen heimgesucht), MoffamedeS (mit meist ge sundem Klima), Porto Alexandre und die Tigerbai. Nur die beiden letzteren könnten für Expeditionen nach dem Norden Deutsch-Südwestasrikas in Betracht kommen. Porto Alexandre ist rin vorzüglicher, tiefer, geschützter Hafen, an welchen: sich eine südportugiesische FischrrbevSlkerung angrsiedelt hat und lebhafte Geschäfte betreibt. Ueber die gewaltige circa 30.000 Hektar große Tigerbai sind teil» optimistische, teils pessimistische Ansichten verbreitet, bald sollen riesige Geschwader d<win mit Leichtigkeit die größten Evolutionen ausführen können, bald soll die Versandung de- Bassin» schon so weit vorgeschritten sein, daß der Wert der Tigerbai nur noch gering sei. Die Wahr- heit liegt auch hier in der Mitte, wennschon zuzugrben ist, daß der Porto Alexandre wesentlich besser ist. Die portugiesische Re- gierung entsandte 1896 ihren Bouveruenr in Massamrdes zu einer Erkundung-reife. Nach seinem Bericht ist die Entfernung der Tigerbai bis zur deutschen Grenze 60 lem (also die Entfernung von Berlin bi» Brandenburg), welche in 12 Stunden durchschritten werden können. Eine Landung ist auf dieser Strecke infolge starker Brandung unmöglich, ebenso unmöglich ist au- dem selben Grunde eine Annäherung an die Kunene-Mündung, welcher Fluß durch Infiltration der Sandmasse» in» Meer gelangt und nur einen schmalen Kanal von b Meter Breite und 1 Meter Ties» läßt. Der Kuneoe eignet sich weder zur Schiffahrt noch zur Be- frucht«», der stöckle« felsige« Ufer. Hinter der Ltgerbai steigt men auf ein Plateau von 290 Meter Höhe, das Gelände ist sehr sandig und e» herrscht hier vollständiger Wassermangel. ver lurrircd-Iapalmche Weg. Vie Besetzung von Nintfchwang. Eine Tientsiner Drahtmeldung des „Standard" vom 26. Juli besagt: Der Kampf bei Taschitschiao dauerte gestern den ganzen Tag fort, die russische Vorhut leistete hartnäckigen Widerstand und deckte den Rückzug des Haupt korps auf Haitschong. Die tatsächliche Besetzung von Taschitschiao seitens der Japaner ist nicht authentisch bestätigt, soll aber in der gestrigen Nacht bewerkstelligt worden sein. Die japanische Bese tzung von Niutschwang fand gestern abend statt, aber eher durch Kundschafter, als durch eine starke Streitmacht. Das japanische Hauptkorps wird wahrscheinlich den Vormarsch fvrtsetzeu im Verein mit Kuroki, der angeblich bemüht ist, den Rückzug der Russen nach Mulden zu verhindern. Am Dienstag mittag wurde auf dem Zollhause die japanische Flagge gehißt. Der provisorische Stadtkommandant empfing um I2V, Uhr den französischen Vizekonsul und nahm dessen Erklärung, daß die in Takt gebliebenen russischen Gebäude sortan unter fran zösischem Schutz ständen all rovoreuckum entgegen. Aur Beschlagnahme von Schiffen. Die Beziehungen zwischen England und Ruß land bleiben gespannt. Der Petersburger Sonder berichterstatter der „Daily Mail" meldet unterm 26. Juli: Die versprochene öffentliche Erklärung über die „Malakka"- Angelegenheit, die beute erfolgen sollte, wurde vorenthalten infolge des heftigen Streites zwischen der Admiralität und dem Auswärtigen Amte, der die ganze Frage wieder zu er öffnen droht. Die Admiralität schlägt den Erlaß eines Ukases vor, der den Status der „Petersburg" und „Smolensk" als Kriegsschiffe regeln soll im Widerspruche mit den Vorstellungen Lamsdorffs, der die Notwendigkeit einer förmlichen Indienst stellung betont. Einer „Lloyd"-Meldung" ans Perim zufolge passierte dvrt der britische Dampfer „City of Agra". Dieser signalisierte, er sei von einem russischen Kriegsschiff im Roten Meer auf 23» nördl. Br. und 37» östl. L. anfgehalten worden. Deutsches Deich. * Leipzig, 27. Juli. Streitigkeiten im BuchSruckerverband Nachdem jüngst eine Berliner Buchdruckerversammlung an der Redaktion des Buchdruckerorgans, dem „Cvrre- spondenten", scharfe Kritik geübt hat, setzt sich die „Corre- spondent"-Redaktion sehr lebhaft zur Wehre. Sie weist vor allem aus den Umstand hin, daß nach Berlin blos etwa 1700 Exemplare des „Eorrespondenten" gelangen, während cs 7600 Berliner Buchdrucker gäbe, mithin noch nicht einmal auf jedes vierte Mitglied in Berlin ein „Correspondent" komme. „Die Stadt der janzen jeistigen Intelligenz", wird hierzu bemerkt, „ist entweder weit darüber hinaus, dem In halt des „Corr." überhaupt noch irgend eine Beachtung schenken zu brauchen, oder sic ist noch so weit zurück, daß der „Corr." aufklärend dort zu wirken hat." — Unter der An kündigung, sich nicht ändern zu wollen, verlangt die Leitung des „Corr." die Einsetzung einer Preßkommission, weil sie es „satt hat", sich öffentlich „verächtlich und lächerlich machen zu lassen." * Berlin, 27. Juli. * Ein Ricsensängcrscst -cr Sozialdemokratie. Von allen sozialdemokratischen Verbindungen haben nächst den Gewerk vereinen in letzter Zeit am meisten die Gesangvereine an Mitgliedern und somit an Bedeutung gewonnen. Es gibt heute in unserem Vaterlande sicherlich 4000 sozialdemokratische Gesangvereine, die über 100 000 Mitglieder zählen mögen. Die „Arbeiter-Marseillaise", „Nicht scheuen wir den Feind, nicht die Gefahren all', der kühnen Bahn nur folgen wir, die uns geführt Lassall'" und „Ein Sohn des Volkes will ich sein und bleiben" sind die Lieder, die von allen Gesangvereinen gesungen werden müssen. Die sozialdemokratischen Liederbücher, welche die Sammlung der Kampflieder der „Sänger des Volkes" enthalten, sind in Tausenden von Exemplaren verbreitet, in häufigen Auslagen erschienen und finden sich auch massenhaft bei Genossen, die den Gesangvereinen nicht angehörcn. Die sozialdemokratischen Gesangvereine, welche in Sängerbünden vereinigt sind, richten sich streng nach dem sozialdemokratischen Komment, sie ver kehren in keinem boykottierten Lokal, trinken kein boykottiertes Bier, kein Mitglied wird ausgenommen, das nicht waschecht ist. Jedes Jahr veranstalten die sozialdemokratischen Gesangvereine Berlins ein Riesensängerfest, das meistens in FriedrichShagen (Müggelschlößchen und Strandschloß) stattfindet. In diesen, Jahre soll c« ganz besonder« großartig werden, nicht weniger al- 200 Gesangvereine werden mitwirken. „Der Menschheit Erwachen", „Empor zum Licht", „Stolz und kühn" sollen gesungen werden, und diese Lieder zeigen ja Wohl auch, was für ein Geist am 7. August aus diesem Sängerfest herrschen wird. Ans die Anwesenbcit von über 100000 Genossen und Gcnossincn wird bei diesem sozial- demokratischen Säugerfest gerechnet. Die PrivatbesördcrungS- Gesellschaften treffen große Vorkehrungen, um diese Menschen massen sortzuschaffen; auch die kgl. Eisenbahnverwal- tung will ein Uebriges tun, damit am 7. August alle Genössen und Genossinnen bequem nach Friedrich-Hagen zum sozialdemokratischen Riesensängerfest hinauskommen können. In der uns vorliegenden Ankündigung für diese- sozialdemo kratische Sängerfest heißt cs ausdrücklich: „Bei der Eisen bahn ist für Extrazüge gesorgt!" — Ob Wohl auch im Zukunft-staate die regierenden Obergenosseu so tolerant sein würden, eine Monarchisten»,emonstration zuzulassen und durch Einlegung von Extrazügen zu fordern? Gar so tyrannisch benimmt sich dieser Klassenstaat doch eigentlich garnicht. * Erhebungen über Kiuberarbctl «us bem Lanbe. Zum Entwürfe des Gesetzes, betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben, hatte der Reichstag in der Sitzung vom 23. März 1903 folgende Resolution gefaßt: „Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zum Zwecke von Er hebungen über den Umfang und die Art der Lohnbeschästiguug von Kindern im Haushalte (Aufwartung, Kinderpflege u. dergl.), sowie in der Landwirtschaft und deren Nebenbetrieben, ihre Gründe, ihre Vorzüge und Gefahren, insbesondere für Gesundheit und Sittlichkeit, sowie die Wege zweckmäßiger Bekämpfung dieser Gefahren mit den Landesregierungen in Verbindung zu treten nnd die Ergebnisse der vorgeuommeuen Ermittlungen dem Reichstage mitzuteilen." Gemäß dem Beschlüsse des BundeSrats vom 23. Juni 1904 hat der Staatssekretär des Innern nunmehr den Bundesregierungen vorgeschlagen, der Resolution des Reick,Stags Folge zu geben und zunächst über den Umfang und die Art jener Kinderbeschäftigung eine Aufnahme durch die Lehrer (Lehrerinnen) an den öffentlichen Volksschulen unter Zu grundelegung eiucS einheitlichen Formular« am 15. No vember d. I. stattfindcn zu lassen. Die Erhebung soll sich auf diejenigen volksschulpflichtigen Kinder erstrecken, welche im Laufe des Jahres vom 15. November 1903 bi« 14. November 1904 im Haushalt oder in der Landwirtschaft nnd deren Nebenbetrieben gegen Lohn beschäftigt wurden. Die Ver arbeitung de« entstehenden Materials soll durch das Kaiser liche Statistische Amt erfolgen; indessen bleibt es den Bundes regierungen Vorbehalten, die Erhebungen für ihr Staatsgebiet durch Landesbehörden zusammenstellen zu lassen und hierauf lediglich die Gesamt über sicht mit dem zu Grunde liegenden Materiale dem Kaiserlichen Statistischen Amte einzusenden. * Eilt iiltnrssantn Prestprozci; hat sich dieser Tage in Frankfurt a. M. abgespielt, und zwar im Anschluß an die Schwurgerichtsverhandlung gegen die Raubmörder Groß und Stafforst. Vor Beginn dieser Verhandlung hatte die „Frkf. Zig." au- der Feder ihres ständigen Äerichtsberichterftatters einen „Rückblick" ver öffentlicht, der in zusammensassender Darstellung die Entdeckung der Täter nnd die Hergänge beim Mord schilderte. Die Grundlage für Liese Schilderung bildeten Auszüge aus den früheren Zeitungs berichten und ruS der (ihm von einem der Verteidiger zur Verfügung gestellten) Anklageschrift. Nach einer Bestimmung des Preßgesetzes ist aber die Veröffentlichung seiner Anklageschrift durch die Presse nicht eher gestattet, als bis sie in öffentlicher Sitzung kundgegeben worden ist. Diese Bestimmung gilt noch immer, obwohl nach der neuen Strafprozessordnung die Anklageschrift in der Hauptverhandlung nicht mehr verlesen wird. Es wurde deshalb sowohl gegen den Verfasser des Aufsatzes, als gegen den verantwortlichen Letter der „Franks. Itg." Anklage erhoben. Die Beschuldigten wiesen daraus hin, daß der „Rückblick" eine selbständige schriftstellerische Arbeit sei. In dem Aussatz, der einen Umfang von vier Spalten hat, sind nur 18 einzelne Lätze, zum Teil nicht einmal wörtlich, der Anklage schrist entnommen, und der Inhalt dieser Sätze war mit wenigen Aus nahmen ebenfalls vorher bekannt. Trotzdem nahm das Gericht an, daß durch die Verwendung der Auszüge der Tatbestand des ff 17 des Preßgesetzes erfüllt sei, das; also eine vorzeitige Veröffentlichung einer Anklageschrift vorliege, und verurteilte beide Angeklagten zu einer Geldstrafe von 30 Der Staatsanwalt hatte die Frei sprechung des Angeklagten Büsching beantragt, weil dieser nicht wissen konnte, daß eiuzelne Sätze des Aufsatzes aus der Anklage schrift stammten. Das Gericht dagegen war der Ansicht, daß der verantwortliche Redakteur als Mittäter ebenfalls zu bestrafen sei. Gegen das Urteil wird wegen seiner grundsätzlichen Be deutung für die ganze Presse die Entscheidung des Reichs gerichts angernfen werden. — Die „Nordd. Allg. Ztg." hört, es handelt sich bei der Ein berufung des Magistrat,ats Meyer zu vorübergehender Beschäf tigung im Reichsamt des Innern um die Frage der reichs gesetzlichen Regelung der Krankenversicherung der Hausgewerbetreibenden. Der genannte Beamte ist durch feine Beschäftigung in der Gewerbedeputation des Berliner Ma gistrats mit den Verhältnissen der Hausindustrie und der Kranken- Versicherung besonders vertraut. O * Kicl, 27. Juli. Die kaiserliche Werft hat neuer dings reichlich 400 Arbeiter entlassen, bezw. ihnen gekündigt. Entlassungen von geringerem Umfange stehen bevor. Nach dem „B. T." ist eine dauernde Vermin- dernng der Arbcitcrzahl beschlossen. * Posen, 27. Juli. (Eigene Drahtmeldung.) Die Straf kammer verurteilte den Chefredakteur WierzbinSki der Zeitung „Praca" wegen eine« Artikels über daS hiesige B isiua rckt en km a l zu 300 ^ Geldstrafe. Wegen desselben Artikels war der frühere verantwortliche Redakteur Lißowski zu 200 verurteilt worden, der dann den Chef redakteur als Verfasser denunzierte. * Dassel, 27. Juli. Die Kaiserlichen Prinzen August Wilhelm und Oskar sind heute vormittag auf dem Babnhof Wilhelmshöhe angekommen. Die Kaiserin war zum Empfang auf dem Bahnhof. Köln, 26. Juli. Entgegen der in hiesigen Lokalblättern ge «ebenen polizeilichen Darstellung, daß das Vormundschaftsgericht in Sachen des in die Bonner Anstalt transportierten unbefcholtenen Mädchens sein Einverständnis zu diesem Schritt gegeben hätte, konstatiert die „Rhein. Zeitung", daß im Gegenteil ans tele graphische Anordnung des Vormnndichaftsgericht« für das inzwischen erneut durch die Polizei nach Bonn dirigierte Mädchen die Freilassung erwirkt wurde. DaS Mädchen wurde völlig mittellos entlassen nnd mußte den Weg von Bonn nach Köln zu Fuß zurücklegcn. * Neuhaus a. N„ 27. Juli. Am Sonntag tagte hier der Meininger sozialdemokratische Parteitag. Es wurde u. a. mitgcteilt, daß die Sozialdemokraten bei den jüngsten Wahlen 10192 Stimmen aus ihre Kandidaten vereinigten, während die Stimmen der anderen Parteien 13152 betrugen. Im Bezirk Sonnen berg ist Stimmung für die Herausgabe eine« eigenen Blatte» vor handen. Man will aber auch dem Gedanken näher treten, das „Thüringer Volksblatt" ganz aufzugeben und nur das „Saalfelder VolkSblatt" de» bekannten Herrn Hoffmann beiznbehalten. Der Bremer Parteitag soll nicht beschickt und der nächste Parteitag der „Meininger" in Gräfenthal abgehalten werden.
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