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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040805010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904080501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904080501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-05
- Monat1904-08
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespaltrn) 7S nach den Familiennach- richten (6 gespalten) KO Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend Hüber. — Gebühren sür Nachmessungen und Ofsertenannahme 25 Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmlltagS 4 Uhr. (krtra-vetlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von V Pol; in Leipzig (Inh. Or. R. L W. klinkhardt). Nr. 395. Vas Wichtigste vom Lage. * InLen d-G astein findet heute die angekündigte Begegnung des Kaisers Franz Josef von Oesterreich- Ungarn mit König Georg von Sachsen statt. (Siehe Deutsches Reich.) * Prinz Albrecht von Preußen und Prinz Leopold von Bayern sind gestern in Dront- heim angekommen, um von dort aus an Bord des Panzerschiffes „Kaiser Friedrich III." die deutschen Geschwaderübungen mitzumachen. (S. Dtsch. Reich.) * Die Pforte erhob durch ihren Botschafter in Petersburg unter Hinweis auf ihre Verantwortlichkeit Vorstellungen bezüglich der künftigen Passagedurch die Dardanellen durch Schiffe der russischen Frei- willigenflotte. Lellenanlisemitirmus. Em Freund unseres Blattes schreibt uns: Die jährliche Ferienreise, die ich ein Jahr wie alle Jahre nach der See unternehme, ist für mich im geistigen wie im körperlichen Sinne ein Bad der Wiedergeburt. Nicht allein erlangen hier die erschlafften Nerven ihre Spannkraft wieder, sondern ich empfinde es auch wie eine moralische Reinigung und Läuterung, mich einmal wieder deni Busen der Natur nahe zu wissen und mit Menschen verkehren zu können, die in weniger differen zierten Lebensverhältnissen existieren, als wir beneidens- werten oder beklagenswerten Großstädter. Nicht etwa, daß ich zu werthcrischer Sentimentalität neige und die Wesensart unserer Land- und Seebewohner idealistisch verkenne. Es liegt mir fern, in süßlichen Auerbachiaden zu schwelgen. Trotzdem erwächst mir aus gelegentlichen Unterhaltungen mit jenen Menschen, die einige von uns verächtlich, andere ehrfurchtsvoll als „Volk" zu bezeichnen pflegen, immer wieder ein Gefühl der autochthonen Kraft, als ob ich ein Antäus wäre und den mütterlichen Boden berührte. Dieses Gefühl der Schlichtheit und der Sauber keit ist einer der feinsten Reize der schönen Zeit, die ich alljährlich im Anblick des ewigen Meeres verleben darf, und die mich für die langen Monate eines staubigen Bureauberufes stählt und entschädigt. Ein solcher Aufent halt verleitet mich dann dazu, über die Natur des deut schen Volkes, seine unverwüstliche Kraft, seinen herrlichen Reichtum, seine in rauher Sckiale verborgene Innigkeit und Zartheit allerhand freudige, jugendlich hoffnungs volle Betrachtungen anzustellen, die mir in der Unrast der Großstadt niemals nahen. Leider aber ist dafür gesorgt, daß ich nur allzu rasch wieder in die gemeine Wirklichkeit der Dinge — und ich muß hinzufügen: der Menschen — zurückgerufen werde. In jedem Jahre erlebe ich in den Bädern, die ich besuche, eine schmerzliche Enttäuschung, und ich möchte hier kurz berichten, wie ich sie erlebe. Als ich vor Jahren zum ersten Male mich in der Zelle eines Rügenschen Bades auskleidete, der Berührung mit den Wogen schon sehnsuchtsvoll und mit gespannter Freude entgegenlechzend, gewahrte ich an, den Wänden des kleinen, sauber gehaltenen und frisch duftenden Raumes einige Bleistiftinschriften, die ick) neugierig ent- zifferte. Im Laufe der Wochen bedeckten sich die Wände immer mehr und mehr. Sie wurden unsauberer, leider in jedem Sinne unsauberer. Seitdem betrete ich in jedem Jahre die Zellen mit einer fast nervösen Erwartung. Immer hoffe ich, daß sie rein sein werden; immer denke ich wieder aufs neue, meine Volksgenossen müßten, da inzwischen wieder 365 Tage in das Meer der Vergessen heit gesunken sind, in dieser Zeitspanne reifer und reiner geworden sein, und immer wieder schaudere ich an geekelt vor demselben Anblick zurück. Die meisten Leser werden wissen, was ich meine. Es handelt sich um die abscheuliche Abart von Antisemitismus, die an dieser Stätte der Erholung ihr Wesen treibt.' Was da an Roh heit und Unsauberkeit geleistet ist, läßt den, der unter dein Eindruck dieser beirrenden Lektüre steht, am Genius unseres Volkes, an der Möglichkeit, die Menschen zu ver edeln, geradezu verzweifeln. Ich hätte nichts dagegen, wenn ein gewaltiger, tiefwurzelnder Haß sich hier in elementarer Leidenschaftlichkeit auktobte, aber davon kann gar nicht die Rede sein. Fast immer sind es schmutzige sexuelle Anspielungen, im äußersten Falle ist eS eine Auf- forderung, die Juden hier oder dort zu boykottieren. Nun will ich bei dieser Gelegenheit nicht daS Problem deS Antisemitismus aufrollen. Ich verkenne die unsympa thischen Eigenschaften des Judentumes keineswegs; aber ich weiß auch, daß wir selbst an diesen Eigenschaften mit- schuldig sind, und ich halte eine Assimilierung der wert vollsten Elemente für wünschenswert, ja für notwendig und keineswegs für unmöglich; aber ich verstehe durchaus, daß jemand Antisemit sein kann und den Standpunkt dieser Partei mit aller Energie vertritt. Der Zellen- antisemitiSmuS aber ist von so niedrigen Trieben etnge- geben, entbehrt so jeder Größe des Empfindens un wirkt in seiner kleinbürgerlichen, engen Anschauungsweise so widerlich, daß alle Deutschen ihm mit Ernst entgegen 98. Jahrgang. Freitag den 5. August 1904. treten sollten. Die meisten der Inschriften rühren von jungen Leuten her, und es wäre die Aufgabe der Väter und Erzieher, ihnen zu zeigen, wie verächtlich ihr Treiben ist. Ich habe mich danach erkundigt, ob in den Zellen des Damenbades die gleichen wüsten Ausschreitungen statt finden, und eine angesehene Dame hat mir mitgeteilt, daß sie sich nicht traue, die Aufzeichnungen ihrer Ge schlechtsgenossinnen zu lesen. Der Gegenstand ist peinlich, aber ich halte es doch für notwendig, daß dieses Gebühren einmal öffentlich gegeißelt werde, und dafür erscheint mir das „Leipziger Tageblatt", dem man konfessionelle Vor eingenommenheit nach keiner Seite hin vorwerfen kann, besonders geeignet. Ter Schreiber dieser Zeilen ist nicht Partei. Er blickt auf einen nachweislich „makellosen" Stammbaum zurück, den selbst der spürwütigste Antisemit anerkennen müßte. Aber gerade darum darf und muß er seine Stimme er heben. Es wäre schön, wenn es gelänge, unser Volk in dieser Beziehung zu größerer Zurückhaltung zu erziehen. Dieser Antisemitismus, der jedes feinere Gefühl schwer beleidigt, ist sicher nicht imstande, dem jüdischen Geiste wirksam entgegenzutreten, und außerdem wollen wir nicht vergessen, daß der Kampf deS germanischen mit dem jüdischen Geiste immer nur ein Kampf sein kann, in dem die höhere Kultur siegen wird und siegen soll. Die Ge- sinnuugsäußerungen aber, die ich auch in diesem Jahre wieder in den Zellen meiner geliebten Ostseebäder fand, sind nicht geeignet, mich über den Kulturstand der deut schen Nation völlig zu beruhigen. Ten jungen RowdieS, die sich dort verewigen, wäre mindestens eine ernste Straf predigt zu wünschen, die sie erkennen ließe, daß ein Problem, welches fast, seit unser Kontinent historisch denkt, die Menschheit beschäftigt, mit erbärmlichen Witze leien nicht abgetan werden kann. v - - - Der Hukrtana der Herero. Von dem Kommando des Expeditionskorps in Südwest- asrika wird gemeldet: Leutnant der Reserve Dauben ist am 2t. Juli im Lazarett Grootsontein am Typhu» gestorben, früher im Feldartillerie-Regiment Nr. t. Der Gefreite Ernst Marquardt, geboren am 26. Oktober 1884 in Linde, Kreis Flatow, früher bei der 4. Batterie des Feldartillerie- NegimentS Nr. 17, ist am 24. Juli bei dem Ueberfall der Postkarre bei Otjurutjondjou gefallen. Da» Gefecht von Okateitei. Der erste größere Zusammenstoß einer deutschen Kolonne mit der am Waterberg stehenden Hauptmacht der Herero ist nunmehr erfolgt. Ein feindlicher Haufe hat am Dienstag früh die von Südwesten heranrückende 2. Kompagnie des 2. Feldregiments, die sich bei der letzten telegraphischen Mel dung TrothaS auf dem Marsch nach Konjati befand, in der Nähe von Okateitei angegriffen, ist aber unter blutigen Ver lusten abgeschlagen worden; er bat ein Drittel seiner ganzen Mannschaft tot auf dem Kamfplatze gelassen. Auf unserer Seite ist ein Mann schwer, zwei sind leicht verwundet; außer dem sind von unserer Hottentottenkavallerie zwei Reiter gefallen. Okateitei ist eine Wasserstelle, die nur etwa 30 Kilometer vom Südwestabhang des Waterbergs und von Omuweroume entfernt liegt. Den letzgenannten Ort hält bekanntlich Michael, der Kapitän von Omaruru, mit seinen und Banjos Leuten besetzt, um die Hererostellung nach Süden und Westen zu decken. ES ist wahrscheinlich, daß ein Teil der Michael- leute von dem Kapitän vorgefchickt wurde, um die Möglich keit eines Durchbruchs stärkerer Banden und Herden aus der Straße nach Südwesten zu sondieren. Okateitei wird nun den Kapitänen am Waterberg deutlich genug gezeigt haben, daß der eiserne Ring sich überall mit unheimlicher Präzision zu schließen beginnt. So dürfen wir in den nächsten Tagen die Kunde von weiteren verzweifelten Angriffen der Hereros erwarten und wollen nur hoffen, da» da» VerlustverhältniS immer das von Okateitei bleiben möge. ver russisch-japanische Krieg. Der Sü-tzug -er Russen. Au» Liaujang wird unterm 3. d. MtS. gemeldet: Den Vormarsch nach der Schlacht bei Taschitschiao fortsetzend, be hielten die Japaner Fühlung mit allen russischen Streit kräften, die eine Linie parallel »ur Eisenbahn bildeten. Zu nächst schien die feste Absicht zu bestehen, mit dem bisherigen Zurückgehen ein End« zu mache». Noch gestern vollendete da» Jngenirurkorp« in aller Eile die PontonSbrücke über den Fluß bei Hait- schöng; aber da die russischen Truppen an Zahl schwacher waren, mußte ihr linker Flügel i» der Gegend von Simutscheng vor der Umgehungsbewegung von drei Divisionen de» Feinde» zurückweichen, da sie die Armee von ihren Verbindungen ab zuschneiden drohte. Der Rückzug war also be schlossen: er jing gestern abend an und dauerte den ganzen Tag in guttr Ordnung. Die Armee wurde durch die Nachhut stark geschützt; sie zieht sich langsam nach Norden zurück, wo sie wieder eine Stellung einnebmen wird. Da» letzte Zurückweichen ist ein neuer Beweis dafür, wie unangebracht cS wäre, im jetzigen Moment die Offensive ,u ergreifen, wo die schlechten Stellungen fortwährend ein« Gefahr bilden, umgangen zu werden und wo dir russischen Trupp«, an Zahl di« Schwächeren sind. Andererseits aber I werden die russischen Truppen in Spannung geballt», von l den«» «in Teil ununlerbrochrn f«it Lourenticköng Mit dem I -«mV in Fühl«»- ist. Aus englischen Quellen liegen hierzu noch zwei Mel- düngen vor. Zunächst läßt sich der „Standard aus Tokro telegraphieren: Dir Einnahme von Tomuscheng versetzt die russische Armee vor HaitschSng in eine sehr gefahrvolle Lage. Der unwiderstehliche japanische Vorstoß nach allen Richtungen verengert täglich mehr den Halbkreis, der KuropatkinS Armee einschließt und macht ihr Ent- rinnen hoffnungslos. Ferner meldet ein Berichterstatter deS „Daily Expreß aus Tschifu unterm 3. d. MtS.: Nach der Schlacht im Süden von Haitschöng ließen die Javaner eine Kolonne vorstoßeu, die die Russen völlig umging, lln- verzüglicher Rückzug erfolgte. Die Russen zogen durch Haitschöng nach Norden und ließen den grüßten Teil ihrer über flüssigen Vorräte im Stich, Tie Japaner folgten ihnen auf dem Fuße und betraten die Stadt, nachdem die Russen sie kaum verlassen hatten. Die ganze russische Front ist auf dem Rückzüge mit Liaujang als Zentrum. -)ort Arthnr. Der endgültige Angriff auf Port Arthur stebt nach einem der „N. Hamb. B.-H." aus Tschifu zugeheuden Telegramm unmittelbar bevor. Am 3. d. Mts. sind 200 Zivilisten, Männer,Frauen undKinder, angekommen, die am 2. August Befehl erhalten batten, Port Arthur zu ver lassen. Sie berichten von einer schwerenSch lacht am l .Aug. bei der die Verluste aus Seiten der Japaner 15000, auf Seiten der Russen 5000 Mann betrugen. Die Japaner rückten vor und nahmen zwei Forts aus der Lanvseite vor Port Arthur und brachten sodann dort ihre Geschütze in Position. Der letzte Angriff wird heute erwartet. Ein nor wegischer Dampfer kam mit 1000 Flüchtlingen in Tschifu an, die mit Erlaubnis des russischen wie des japanischen Komman dos Port Arthur verlassen batten, damit die Unschuldigen von den Schrecken des Sturmes verschont blieben. Mehrere Kanonenboote und Torpedobootzerstörer versuchten nach dem „8.-A." am Montag abend einen Ausfall aus dem Hasen von Port Arthur, wurden aber zum Rückzug gezwungen. Lharbin« Linwehner flüchten. * Parts, 4. August. Nach einer Meldung aus Chardin verließ der größteTeil der Zivilbevölkerung diese Stadt. Alexejew traf dort während seines dreitägigem Ver weilen» Anstalten, um sür die Armee KuropatkinS Winterquartiere vorzubereitrn. veukscber Keich. * Dresden, 4. August. * Tie Monarchenbegegnung in Gastein. Das „Dresdner Journal" schreibt: Am morgigen Tage wird Seine Majestät Kaiser Franz Josef von Oesterreich, König von Ungarn unseren Allergnädigsten König und Herrn bei seiner Rück kehr in die Heimat in Lend-Gastein begrüßen. DaS sächsische Volk vernimmt hochgemuten Sinnes die Kunde von diesem neuen Beweis der Sympathie, die der greise Beherrscher des benach barten österreichisch-ungarischen Landes unserem geliebten Landes herrn, mit dem er nicht nur durch Bande der Verwandtschaft, sondern seit einem Menschenalter auch durch die innigste Freundschaft verknüpft ist, darbringt und es begrüßt diese Begegnung mit der Hoffnung, daß durch den Austausch persönlicher Gefühle der beiden Monarchen auch die wechsel seitigen Beziehungen des österreichisch-ungarischen und de» sächsischen Volkes neue Befestigung und Förderung erfahren. * Leipzig, 4. August. * Der neue Mirbach-Fall. Die „Kreuz-Zeitung" schreibt zu unserem Bericht über den Prozeß Sayn-Wutgenstein- Mirbach: „Wir haben un» über den Zusammenhang der dort veröffentlichten unvollständigen Aktenauszüge erkundigt und folgende authentische Mitteilungen erhalten: Im Jahre 1800 wurde für die drei minderjährigen Prinzen Wittgenstein auf dringende Bitten der Familie durch Allerhöchste Kabinrttsordre eine Pflegschaft eingesetzt, bestehend au« dem Oderhofmeister Freiherr« v. Mirbach, dem jetzigen Gothatschei» Gtaat-minister Heutig und dem jetzigen Generalleutnant Frhrn. v. Hoiningen. Die Pflegschaft sollt« dir Brr- mögensverwaltung der drei jungen Prinzen, die in Pari» geführt wurde, sowie die Verwaltung ihrer Besitzungen am Rhein, inRußland und Süd österreich überwachen und sie vor allem gegen den eigenen Vater, den früheren Prinzen Wittgenstein, schützen. Dieser halte wegen Schulden und wegen seiner zweiten Heirat auf den Fürstentitel und da» Vermögen verzichten müssen und führt letzt den Namen Hachenburg. Der Pflegschaft ist es im ganzen gelungen, da» Vermögen den Söhnen zu erhallen, aber die beiden älteren Söhne machten Schulden. Gläubiger de» Vaters waren auch ihre Gläubiger. Schließlich führten si« Prozesse gegen di« Pflegschaft. Al« die Prinzen majorenn wurden, legte ihnen di« Pflegschaft, di« übrigen» mit der Vermögen-Verwaltung selbst dtrrkt nichts zu tun halte, di« Abrechnung vor. Die Erteilung der Dechargr verzögerte sich sehr lange, weil di« Prinzin und ihr« Ratgeber strts neue Ver- Wickelungen vttursachten und Prozeße anfingen. Der zweite Prinz, der sehr verschuldet war, verlobte sich mit einem sehr reichen Mädchen ans bürgerlicher Famili«. Die Verlobung löste sich später. Ssist durchaus unwahr, daß Freiherr von Mirbach dem Prinzen dir S tand«»«rh Sh un g d«r Braut ver sprochen hab«, wenn der Prinz auf di« ihm von der Pflegschaft schuldige Vermögen »abnchnung verzichte Auch in anderen Punkten geben di« AttenauSzüge de» „Letpz. Dagebl." nur ein unvollständiges und dah«r unzutreffende» Bild der Sachlage zu d«m deutlich«» Awrcke, den Freiherr, von Mirbach auf« neue zu verdächtigen." Ein« Entscheidung da rüder, zu welchem Zweck« wi, den Prozeßbericht veröffentlicht haben und ob wir gar etwa, wie hier in der ungezogensten Weise gesagt wird, ein absichtlich unvollständiges und unzutreffendes Bild gebracht haben, steht glücklicherweise der „Kreuzztg." nicht zu. Sonst wären wir freilich in einer üblen Lage. Zur Beleuchtung der hier offenbarten Denkart des tugendhaften Blattes, möge aber folgendes dienen. Wir drucken nach sorgfältigster Prüfung einer» Prozeßbericht auf Grund der Bekundungen von Ohrenzeugen und ge richtlicher Dokumente ab, stützen uns also auf Tat- fachen, die nicht aus der Welt zu „dementieren" sind Bei unfern Schlußfolgerungen gehen wir keinen Fuß breit über diese Unterlage» hinaus, sondern sagen nur, >r>as wir mit unserem Material unter Beweis stellen kön nen. Darauf kommt die „Kreuzztg.", die sich lediglich auf sog. authentische Mitteilungen stützt und bezichtigt uns der absichtlichen Entstellung aus unlauteren Motiven. Wir unterbreiten dies Gebühren hiermit ausdrücklich dem Urteil aller anständigen Leute. Es ist ein Bei- trag zu dem vielberufenen Kapitel von der A n st a n d s p f l i ch t der Journaliston unter einander. Die Herren auf der Redaktion der „Krzztg." müssen ja nette Begriffe von dem ethischen Niveau ihres eigenen Standes haben, um in dieser unqualifi- zierbarcn Weise verdächtigen zu können. — Und nun noch ein Wort über den Wert solcher und etwa noch folgender Dementis. Sie beweisen auch nicht das Gcringste. Und dabei liegt nicht einmal eine Aus- sage des Freiherr» v. Mirbach selbst vor. Auch dann stände freilich immer erst Behauptung gegen Bchaup- tung. Vorläufig aber steht der Streit so: Prinz Wittgenstein behauptet, Freiherr v. Mirbach habe die Zusage bezüglich einer Standeserhöhung gegeben, und in einigen Blättern wird erklärt, das sei nicht wahr. Wer hat nun Recht? Es ist uns nicht im Traume einge- fallen, zu sagen: Ter Prinz hat Recht. Aber wohl ist darauf hinzuweisen, daß das Gericht dem Prinzen in dem von ihm gewonnenen Prozesse ausdrücklich attestiert hat: Ein Beweis, daß der Prinz seine Behaup- t ungen wider besseres Wissen auf st eile, ist von den Klägern nicht erbracht worden. Und dieser Beweis ist auch von der „Kreuzztg." nicht erbracht worden — noch mehr: er kann von ihr gar nicht er- bracht werden. Dazn bedarf es anderer Mittel als auf „authentische" Mitteilungen gestützte Verdächtigungen. * Berlin, 4. August. * Deutsche Prinzen in Norwegen. Prinz Al brecht von Preußen und Prinz Leopold von Bayern sind am Donnerstag in Dronthciin angekommcn. Auf der Station hatten sich die Spitzen der Civil- und Militärbehörden und die Offiziere des dort liegenden deutschen Panzerschiffes „Kaiser Friedrich Hl.", sowie der deutsche Konsul und zahlreiches Publikum eingcsunden. Als die Prinzen den Zug ver ließen, wurde von der Festung Ehristiansten Salut ge- feuert. Nach der Vorstellung überreichten die Töchter des deutschen Konsuls den Prinzen prachtvolle Blumen sträuße. * Zum deutsch-russischen HaudelSvertrage. Aus einer Auslassung der Petersburger „Nowoje Wremja" geht hervor, daß der neue deutsch-russische Handelsvertrag am 1. Januar 1000 in Kraft treten soll. Man wird sich auf lebhafte Proteste aus Agrarierkreisen gefaßt machen müssen. * Von der Konferenz für internationalen Arbcitcrschniz. Am 20., 27. und 28. September findet in Basel die Dele giertenkonferenz der Internationalen Vereinigung sür gesetzlichen Arbeiterschutz statt. Aus der Tages ordnung seien folgende Verhandlungsgegenstände hervor gehoben : Referat über die Tätigkeit der von der Kölner Delegierten versammlung eingesetzten Spezialkommission «Berichterstatter vr. Freiherr von Berlepsch und A. Millerandj, Expos» de» französisch italienischen Arbritrrfchutzvertrage«, Referate über dir Tätigkeit der Vereine auf dem Gebiete der Bleifrage, über gewerbliche Gifte (außer Blei und Pl>o»phor), über die Gesetzgebung, betr. Nachtarbeit der jugendlichen Arbeiter, betr. eine internationale Enquete über den Arbeiterschutz in der Heimarbeit, über die Unfall- und Kranken versicherung und Haftpflicht in Bezug auf die Personen, die außer halb de» Landes arbeiten, in dem sie selbst oder ihre Angehörigen wohnen. * Sozialistische Jngendvereine. Im sozialdemokratischen „Volksfreund" macht der Genosse Fendrich den nicht uninter essanten Vorschlag, nach dem Vorbild von Belgien sozia listische Jugendvereine zu gründen. Nach seiner Ansicht hat bisher die Sozialdemokratie auf dem Gebiet der Jugenderziehung noch fast gar nicht» geleistet; die führenden Parteigenossen innerhalb der Sozialdemokratie haben das meiste von der ökonomischen Entwicklung erwartet und den Wert der persönlichen Einwirkung auf die Kinder völlig unter schätzt. Unterdessen hat dann di« katholische Kirche die Jugend in ihren Bann genommen und durch ihre Agitation schon in der Schult immer wieder auf» neue sich die Zukunft ge sickert. Wenn aber der politische Einfluß der Kirche lahmgelegt werden soll, so muffen an Stelle der nur dem Zwecke des Zentrum» dienenden Jünglings-, Lehrling»-, Gesellen- und der neuerding» in Bayern gegründeten Banernburfchenvereine andere nichtultramontane Vereine treten, welche die Jugend sammeln und »rziehen. Fendrich schlägt vor, hauptsächlich die jünger» Leute im Aller von 14 bi- 18 Jahren in Abend- oder Sonntagschulen zu sammeln und sie durch Beschäftigung mit Sport und Spiel vor vielen lebenzerstvrenden Mächten zu bewahre» und zugleich der sozialistische» Weltanschauung zuzustibren. Besonder» bei schwächern Individualitäten könnte nach der Ansicht de» sozialistischen Schrift steller» die Leitung und der Einfluß von gleichgesinnten jungen Leuten in sozialistischen Jugendverrinigungen sehr viel tun: schwäch lich« Charaktere, die ihre Jugendjahrc ost mit zweifelhaften Ver gnügungen und unzweifelhaften Lastern vergeudeten, könnten so noch zu -rauchbaren Mensche« «zogen werben. Groß« «ztrhertsch« Bed«- tnng mißt Frndrich tzffonb«« tz« Grüutzun» «st»« sozialistisch«»
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