Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.08.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040806012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904080601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904080601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-06
- Monat1904-08
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS der Hauptexpedition oder deren Ausgabe- stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau» 3.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich .Sl 4.50. für die übrigen Länder laut ZritungSpreiSIiste. Etnzelue Nummern zu auf allen Bahnhöfen und bei den Zeitungs-Verkäufern. 1- Redaktion und Expedition: Johannisgasfe 8. Fernsprecher 153 u. 222. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34 (Fernsprecher AmtINr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDunck e r, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg., Lützowstraße 10(FernjprecherAmtVI Nr.4603). Morgen-Ausgabe. MpMer TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 2V Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 /H, nach den Famtlieunach- richten («gespalten) bO Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren jur Nachweisungen und Osfertenannahme 2b /H. Annahmefchlug für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Elstra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Poft in Leipzig (Inh. I)r. V., R. L W. Klinkhardt). Nr. 387. 98. Jahrgang. Sonnabend den 6. August 1904. Var Mcbtigrte vom Lage. * Die Zusammenkunft Les Königs Georg mitKaiser F r a n z I o s e f hat gestern in Lend-Gastein stattgefundcn. Ter König hat sodann die Heimreise fortgesetzt, während Kaiser Franz Josef nach Ischl zurückkehrte. (S. Ttsch. Reich.) * Ter bekannte und um den deutschen Männergesang hochverdiente Dirigent und Komponist ArnoldKrug ist in Hamburg im Alter von 55 Jahren g e. storben. (S. Feuilleton.) * Die russische Negierung bringt Bestimmungen zur Kenntnis der auswärtigen Negierungen, das; eine An- zahlrussischerHäfenvonfremdenKriegs- schiffen nur nach vorheriger Benachrich tigung angelaufen werden dürfen. MltpolM unü viirgetttlm. Es liegt — Gott sei Tank! — heute nichts Aktuelles vor, und so ist es vielleicht erlaubt, von Dingen zu reden, die vor einem halben Jahrhundert aktuell waren und deren Schatten nun wieder aus dem dunkeln Strome der Vergangenheit emporsteigen und neues Leben heischen. Ungefähr um die Zeit des tollen Jahres war es, als Georg Herwegh seine Phantasien von Deutschlands Zu kunft in tönende Verse goß und dem geahnten Kaiser Deutschlands prophetisch zurief: „Wie dich die Lande an erkennen, soll auch das Meer dein Lehen sein!" Die Erkenntnis, daß ein großes Volk der Seegeltung bedarf, war ein Gemeingut jener Generation, und in der Nationalversammlung des Jahres 1848 traten alle die Sturmgesellen, von denen Sudermann, weil er selbst nicht allzu groß ist, ein so überaus kleines Bild entworfen bat, mit sicherer Erkenntnis des Notwendigen für die Schaffung einer deutschen Flotte ein. Jetzt besitzen wir eine Flotte, jetzt ist Wirklichkeit geworden, wovon einst die Schwärmer träumten und wofür sie litten und stritten: aber noch immer ist die Teilnahme der gesamten Nation an dieser wichtigen Frage nicht eine so allgemeine, eine so intensive, daß es nicht notwendig und wahl berechtigt wäre, immer aufs neue auf das Wort des Kaisers hinzuweisen: „Bitter not tut uns eine starke deutsche Flotte!" Wenn verstockte Agrarier und kurzsichtige Ultrakonser vative immer wieder ihr Staatsideal in der Vergangen- beit suchen, so ist dies begreiflich, da diese Elemente für bistorischc Betrachtungen unzugänglich sind und, verfallen den Firmen nicht unähnlich, sich damit begnügen, für den knappsten politischen Tagesbedarf zu sorgen. Anders siebt es nm die liberale Partei, deren Vergangenheit ihr Traditionen anferlegt und Pflichten vorschreibt, wenn es gilt, die Seegewalt des Deutschen Reiches zu stärken. Wie die Idee einer deutschen Flotte eine liberale war, so darf die liberale Partei auch jetzt nicht zögern, aus diesem ehrenvollen Anspruch die Konsequenzen zu ziehen. Sie isi, gottlob, in der Lage, auch dem prüfenden Verstände gegenüber eine.Haltung zu rechtfertigen, die die Pietät gegen das Wirken der Väter ihr vorschreibt. „Das Meer macht frei!" so rief Herwegh aus. Es wacht frei und stolz, wie uns ein Blick auf unsere Hanse städte und ihre eigenartige .Kraftentfaltung und Kultur blüte zeigt. Erst kürzlich wurde hier ausgcführt, wie die Berührung mit anderen Kulturen den geistigen Hori- zwit erweitert, Fremdes vorurteilslos anerkennen. Hei misches freudig werten lehrt. Der Kampf mit den Ele- weilten, das Ringen in friedlichem und, wenn es sein wuß, auch in feindlichem Wettbewerb mit andern Na- iivnen bildet aus dem Rohmaterial unfertiger Jugend den reifen, Fremdes neidlos anerkennenden. Eigenes kraftvoll schützenden Mann. Im engen Kreise verengert sicb der Sinn und einer Bevölkerung gegenüber, die durch chinesische Mauern vom Auslastde abgeschlossen ist, hat eine Regierung, hat eine reaktionäre Kaste es leicht, ein Zwing Uri aufzurichten. Wer aber die Welt kennen ge lernt hat, wer in anderen Zonen gesehen hat, daß Werte, die daheim unantastbar schienen, dort völlig nichtig sind, dcr läßt sich nicht durch Phrasen einschllchtcrn, durch Chi- kauen entmutigen, durch Bevormundung unterjochen. Tas Meer erzeugt Individualitäten, und solche sind eS, die der moderne Staat, die ein tatkräftiger Herrscher ge braucht. Auch diese Erkenntnis scheint der deutsche Kaiser sich zu eigen gemacht zu haben, wenn das bisher unbeglaubigtc Wort: „Ich kann nur Amerikaner brauchen!" authentisch ist und vor allem, wenn es in unserem Sinne dahin ausgelegt werben darf, daß dem Staate und seinen höchsten Repräsentanten nur solche Männer frommen, die den Drang zur Initiative und den Mut zur Verantwortung in sich tragen. Tie Weltpolitik, die der Kaiser verkündet hat, legt freilich schwere Lasten auf: und wenn die Bevölkerung sich freudig bereit erklärt, dieie Lasten um der künftigen Größe des deutschen Vaterlandes willen zu tragen, so darf sie freilich auch erwarten, daß alle Fesseln von ihr genommen werden, die ihr die Betätigung im wirtschaft lichen Leben erschweren. Sie darf erwarten, daß der jenigen Schicht, die in materieller Beziehung die Welt- Politik eigentlich erst ermöglicht, auch politisch eine Be- achtung werde, die ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähig, keit entspricht. Bisher ist dies nicht der Fall gewesen und zahlreich wären die Punkte, an denen die Kritik einsetzen könnte. Noch immer können sich unsere Regierenden nicht von der Vorstellung befreien, daß einer kleinen, aber mäch tigen Partei zu Liebe unsere Handelspolitik in Bahnen geleitet werden müsse, die schwerlich zur Vermehrung des Nationalwohlstandes führen. Wir wollen hoffen, daß die Widerstandsfähigkeit des Kanzlers dem steten Drän gen der agrarischen Schichten gegenüber nicht völlig er lahmen werde. Es ist Zeit, daß das deutsche Bürgertum den Regierenden einmal begreiflich macht, daß in ihm die Fundamente des stolzen Zukunftsbaues liegen, den der Kaiser so oft in seinen Reden aufgeführt hat. Nicht unsere Schuld würde es sein, wenn dieser Bau ein Luftschloß bliebe, weil die Negierung es nicht versteht, die produk tiven Kräfte des Landes, die ja nicht Bevorzugung, son- dern nur Gerechtigkeit fordern, für sich zu gewinnen. Wir rufen nicht nach Liebesgaben und Staatshülfe, wir ver langen nur „kair pluy". Auch von neidischer Feind- seligkeit gegen die Landwirtschaft weiß sich das deutsche Bürgertum — von einer verbitterten Minorität abge sehen — völlig frei. Unbefangen wird in seinen Kreisen anerkannt, daß die Landwirtschaft gerade Heuer mit be sonders schwierigen Verhältnissen zu kämpfen hatte und daß es nicht im Staatsinteresse liegt, die Entwickelung Deutschlands zum Industriestaat, die ohnehin schon in unaufhaltsamem Tempo Dor sich geht, noch durch gesetz geberische Maßnahmen zu beschleunigen. Nun aber ist das Mögliche geschehen und wir hoffen, endlich aus jenem Lager Stimmen zu hören, die es anerkennen, daß schließ lich doch auf Kosten der gesamten Bevölkerung für die Landwirtschaft Hülfe geschaffen wurde. Nicht minder ' wichtig aber ist es, daß die Regierung sich entschließe, mit all den veralteten Anschauungen zu brechen, die sie auf dem Gebiete der Verwaltung nur zu lange betätigt hat. Wir haben zwar einen Kanzler an der Spitze, der mit Philosophen und Poeten auf du und du steht und sich ge wiß von vielen Vorurteilen seiner Kaste frei weiß, aber wie selten kann man sagen: „Deines Geistes hab' ich einen Hauch verspürt!" Wenn cs ihm nicht gelingt, mit dem Schutt und Moder der „guten alten Zeit", der falschen Erklusivität, dem Beamtenhochmut, der Bureaukrateu- routino, entschieden aufzuräumen, wenn es ihm nicht ge lingt bei dem allerhöchsten Kriegsherrn durchzusctzen, daß auch in der Armee die verletzende Hintansetzung des Bürgertums ein Ende nimmt, so wird es ihm nie be- schieden sein, alle Energien der Nation zusammenzufasscn und wir werden niemals über winzige Machenschaften hcrauskommen, wie sie von Zeit zu Zeit angezettelt wer den, um für irgend einen geringfügigen Zweck ein Kar- tellchcn zusammenzuschmiedcn. Der leitende Staats mann, er heiße wie er wolle, möge der Nation ein großes Ziel zeigen und mit großen Mitteln freien Sinnes alle diejenigen zur Mitarbeit aufrufen, die durch sich selbst etwas sind, die etwas können und ihre Persönlichkeit in den Dienst des Ganzen stellen wollen. Alle anderen Fragen, vor allem die übliche, bisher mit gravitätischer Wichtigkeit behandelte Inquisition nach Herkunft, Ge sinnung und Intensität der Gläubigkeit, sollten von nun an verstummen und nur noch das Prinzip gelten, allen, die etwas können und zugleich für sich selbst und für ihr Vaterland schaffen wollen, möglichste Bewegungsfrei heit und weitesten Spielraum zu gewähren, damit der berechtigte Egoismus der Nation sich allseitig auslebe und das deutsche Volk zu einer Ehrfurcht gebietenden Macht, einen Bund von Persönlichkeiten, erstarke. ver nirrirch-iapani-che flrlrg. Nach -er Schlacht ven Lvafange«. W. I. Nemirowitsch-Dantschenko, der bekannte russische Kriegskorrespondent, entwirft, dem „B. T." zufolge, folgende- charakteristische Blld über seine Eindrücke nach ver Schlacht von Wafangou: Im Zentrum unserer Positionen, dort, wo der Zug de- Genrral- Baron Stackelberg stand und sich auch mein Wagen befand, blieb ich nicht lange. Mich zog'- auf den Kampfplatz. Mein Pferd war vom Tage vorher derart ermüdet, daß ich eS einfach laufen ließ und mich zu Fuß aufmachte. Auf dem Eisenbahndamm saßen reibenweise wie die Vögel Neugierige, deren Blicke gespannt nach Süden gerichtet waren, woher Kanonendonner drang. Schnell war ich bis zum ersten Wäldchen gelangt, in welchem ich eine« Verbandplatz vorfand. Aerzt« und barmherzige Schwestern waren in voller Tätigkeit, und daS Blut stoß in Strömen. Ich trete an eine Gruppe heran und sehe einen jungen Soldaten, den Kopf stark nach hinten hinübergeworfen, durch da- Laub der Bäume mit einem eigentümlichen Lächeln zum Himmel blicken. Lin Student ist mit dem verband de- Soldaten beschäftigt. »Lasten Str ihn", ruft ibm der Arzt zu, „er ist schon tot!" Der Mann wurde bei Seit« gebracht. Unauf hörlich werden Tragbahren berangebracht. Da liegen Schwer verwundete, die beim Tran-port vom Schlachtfeld« gestorben find. Neben einem Toten sehe ich eiueu ander«, der statt det Kopfes nur einen blutigen Stumpf hat. Je weiter ich vordringe, um so bekannter wird mir daS Bild und erinnert mich lebhaft an den russisch.türkischen Krieg. Da kommen sie ungefähren, diese wider wärtigen zweirädrigen Karren. O, wie entsetzlich sind sie! Ein Verwundeter kann in ihnen weder sitzen noch liegen. Stellen Sie sich einen Soldaten mit einer Verwundung am Kopf, zerschmetterten Knochen und durchschossener Brust vor, der in aller Eile ver bunden, auf solch einen Karren geladen und auf diesen steinigen Wegen transportiert wird. Das ist ärger als die schlimmste Folter. Ich kann daS Stöhnen und das Geschrei, daS mir aus diesen entsetzlichen Folterkästen entgegendrang, nicht vergessen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wie die Verwundeten auf diesen Karren unbarmherzig hin und her geworfen wurden und ihren Verband durch die Erschütterung verloren, so daß ihr Blnt in Strömen zur Erde floß. Hinter den Karren folgten die Tragbahren. Aus diesen liegen die Glücklichen, die von ihren Brüdern getragen und nicht wie die geschlachteten Kälber im Wagen gefahren werden. Meist sind die auf den Trag- bahren liegenden Verwundeten mit ihrem Mantel bedeckt, und eine starke Blutspur zieht sich hinter ihnen her. Hier hält eine Trag bahre, und ihre Träger werfen die Last ab: der Verwundete ist unterwegs bereits gestorben. Er wird am Rande des Weges nieder gelegt, der schon mit vielen Toten besetzt ist, und die Träger eilen wieder auf das Schlachtfeld zurück. Einer dieser Toten sah mich so sonderbar an, daß ich, in ihm noch Leben vermutend, mich über ihn beugte, um vielleicht seinen letzten Wunsch zu hören; aber ich sah nur eine kleine Wunde in seiner rechten Schläfe. Zwischen den Tragbahren sieht man langsam, vertieft, als ob sie über etwas Schweres nachsinnen, einzelne Verwundete gehen, die sich noch selbst auf den Füßen halten können. Andere werden geführt. Glauben Sie, bitte, nicht, daß das Leichtverwundete sind. Da geht einer von zwei Kameraden gestützt, oder hüpft vielmebr, weil ibm rin Fuß weggeschossen worden ist; die ihn Führenden sind durch die Brust geschossen. Ich sehe einen kriechen und frage ihn nach seiner Verwundung: ein Bauchschuß. Er kommt aber nicht weiter, Plötzlich sehe ich ihn zusammenbrechen ... er ist tot. Dort kommt einer auf einem Fuß gehumpelt, das Gewebr über der Schulter: der linke Fuß ist ihm zerschmettert. „Halt!" rufe ich ihm zu, „gib dein Gewehr abl" Aber er kehrt 'ch nicht an meinen Ruf und hüpft weiter wie ein Spatz. Da höre ich Pferdetritte hinter mir. Wie ich mich umsehe, erkenne ich General Gerngroß. „Guten Tag, General, Sie stnd verwundet?" „Ja, es ist nichts Ernstes." Dabei ist sein ganzer Kopf mit weißen Binden umwickelt, denn eine Kugel hat ihm in der Nähe der Lippe die Wange durchschlagen und sie zerrißen. „Sie müßten sich erholen, General." „Nein, mein Freund, das geht nicht. Sehen Sie sich einmal an, wieviele meiner verwundeten Soldaten ihre Reihen nicht verlassen haben, sondern ruhig weiterkämpfen. Ich gehe auf meine Stellung zurück und werde sofort zum Angriff übergehen." Aber es gab auch komische Szenen. Dort naht eine Tragbahre, in welcher ich einen Schwerverwundeten vermute, weil er so bewegungslos daliegt. Da platzt plötzlich über unseren Köpfen eine Granate, und mein Toter oder Schwerverwundeter springt mit einem Satz von der Tragbahre und läuft vorwärts. „Wohin?" rufen ibm seine Kameraden nach. „Hol' euch der Teufel; bei diesem langsamen Tragen kann man noch sein Leben verlieren, und ich will noch kämpfen." „Wo ist er verwundet?" frage ich. „Das Schlüsselbein ist ihm durchschossen", lautet die Antwort. Und der Wegrand ist von Toten besäumt, die hier auf ihrem letzten Gang nicht weiter kamen. Sonderbar sehen sie aus, diese Leute mit ihren Notverbänden, wie sie entweder selbst bingesunken sind oder sich zu kurzer Rast hingesetzt haben. Da sieht mich einer nur aus einem schwarzglänzenden Auge an, weil ihm daS andere verbunden ist, und neben ihm sitzt einer, dem der ganze Leib von Binden verdeckt ist, durch die das rote Blut so durchsickert, als trage er eine blutrote, breite Schärpe. . . . Der Rückzug der Russen. Die Preisgabe von Haitscheng durch die Russen hat in Tokio sehr überrascht, da die Lage des Ortes sehr günstige natürliche Verteidigungsstellungen bietet und die russische Artillerie sich in den letzten Kämpfen sehr aus gezeichnet hatte. Sie brachte den augreifenoen Japanern jo schwere Verluste bei. daß sie die der Russen weit übersteigen. Auch die russische Infanterie soll große Fähig- keit in der Verteidigung geschickt angelegter Schanzgräben entwickelt haben. Ausfällige militärische Maßregeln China». Nach einer über Paris eingehenden Meldung aus Niutschwang werden dort japanische junge Leute angeworben und zu den von japanischen Offizieren ge leiteten chinesischen Musterregimentern geschiat. General Juantschikai verfüge zurzeit über 150000 Mann. Seine Armee wachse von Tag zu Tag. Ein etwaiger Uebergriff der Russen auf Gebiete, welche bei Beginn des Kriege« nicht al« zum KriegSrayon bezeichnet wurden, soll Japan nicht unvorbereitet treffen. So werden in chinesischen Kreisen die auffälligen militärischen Vorbereitungen erklärt. spart Arthur. Den „Times" wird aus Tschifu vom 4. August gemeldet, die japanische Stellung von Port Arthur ist dem Feuer der russischen Forts au-gesetzt. Die Japaner müssen vordringen oder ihre gegenwärtige Stellung räumen. Neue russische Areuzfahrt im A»teu Meere. Der Brüsseler Berichterstatter de- „Daily Telegraph" will aus offiziöser Quelle wissen, daß fünf Kreuzer der rus- fischen Freiwilligenflotte im Schwarzen Meere, nämlich „Tambow", „K ew", „Wladimir", „Saratov" und „Woronesch" im Begriff stehen, eine neu» Kreuzfahrt im Roten Meere zu unternehmen. Sie werden anfang nächster Woche die Dardanellen passieren. Deutsches Keich. * Leipzig, 5. August. * Die Monarchcnbegcgnung in Lend-Aastetn. Der Kaiser von Oesterreich war Freitag vormittag in Lend-Gastein eingetroffen. Als der Zug mit dem König von Sachsen in die Station fuhr, eilte der Kaiser dem Wagen, in dem der König sich befand, entgegen. Die Begrüßung war äußerst herzlich; die Monarchen küßten einander beide Wangen. Der Kaiser begrüßte sodann Prinzessin Mathilde. Nach der Vorstellung der Suiten be- gaben sich die Monarchen in den Wartesaal und blieben daselbst bis zur Abfahrt des Zuges in lebhafter Unterhaltung. Um 10 Uhr 50 Min. erfolgte die Abfahrt nach Salzburg, wo die Monarchen und Prinzessin Mathilde um 12 Uhr 30 Min. ankamen. Nachdem der Hofzug rangiert war, ver abschiedeten sich die Monarchen herzlich, indem sie sich zweimal küßten, worauf der König von Sachsen seinen Wagen bestieg. Der Kaiser von Oesterreich ver weilte bis zur Abfahrt des Zuges auf dem Perron und fuhr dann nach Ischl zurück. — Vor der Abreise des Kaisers Franz Josef kam es nach dem „L.-A." zu einem Zwischenfall, der Bestürzung erregte. Ein Mann durch brach den Kordon, sank vor dem Kaiser auf die Knie und übergab ihm eine Bittschrift, die der Monarch auch annahm. Da der Bittsteller auf einem Fuße lahm ging, trug er einen starken Stock, weshalb man zuerst andere Ab sichten vermutete. * Zum neuen Fall Mirbach batte die „Kreuzztg." vor gestern abend einige Auslastungen gebracht, die wrr sofort nach Gebühr zurückgewiesen haben. Jetzt wird dem Blatte mit Bezug auf dieselben Ausführungen im „B. T." an leitender Stelle folgende Abfertigung zu teil: DaS höchste Gericht hat schließlich den letzten Prozeß gegen die Pfleger zu Gunsten des Klägers Prinzen Wittgenstein entschieden, also dessen Gründe auch als objektiv berechtigt anerkannt. Der springende Punkt in dem ganzen Handel ist die Frage, ob Freiherr v. Mirbach dem zweiten Prinzen Wtttgen- stein die Nobilitierung seiner Braut versprochen haft oder nicht. Ob der Oberhofmeister dies Versprechen nur für den Fall abgegeben hat, daß der Prinz dafür auf die Vermögens abrechnung verzichtete, oder ob er dieses Versprechen bedingungslos gegeben hat, macht nur einen Gradunterschied für die Be urteilung der ganzen Geschichte. Im ersten Falle wäre Freiherr v. Mirbach als Charakter gröblich bloßgestellt, im zweiten nur das von ihm inaugurierte System und er selbst nur als der Regisseur dieses Systems. Und gegen dieses System, das die Krone Preußens auf eine Stufe mit jedem beliebigen Duodezfürsten stellt, der für Geld und gute Worte mit Adelsdiplomen um sich wirst, gegen dieses System machen die Monarchisten in Preußen Front. Stellt sich heraus, daß der Träger dieses Systems es obenein auch noch für seine privaten Zwecke ausnützt, so hätte sich der Kampf selbstverständlich auch gegen ihn als gegen einen Mann, der sein Amt nicht nur ohne den gebotenen Takt, sondern auch mißbräuchlich verwaltet, zu richten. DaS stimmt vollkommen mit unserer Austastung überein. * Berlin, 5. August. * Tic Rordiaiidosahrt Scs Kaisers. Kaiser Wilhelm nahmen Freitag in Bergen mit einigen Herren des Ge folges das Frühstück beim deutschen Konsul Mohr ein und erledigte nachmittags Regiernngsgeschäfle. * Versicherung von Privatnngcstellten. Der deutsch nationale HandlungSgebülfen-Verband empfiehlt in seinem Organ die Weiterversicherung der Privatangestellten bei der Invalidenversicherung im Hinblick auf die geplante staatliche Pensionsversicherung mit folgenden Worten: Gerade im gegenwärtigen Augenblick sollte jeder Privatangestellter die Versicherung aufrecht erhalten und eine vielleicht schon auf gegebene Versicherung im Wege der Selbstversichrrung wieder aufnehmen. Es ist bekannt, daß die Bestrebungen auf Erlangung einer staatlichen Pcnsions- und Hinlerbliebenenversicherung der Privatangestellten einen Erfolg versprechen, und eS läßt sich auf Grund der bisher gepflogenen Beratungen schon heute sagen, daß diese Versicherung in engster Be ziehung zu dem bestehenden Jnvalidenversicherungsgesetz stehen wird. Da kann es von vornherein mit nahezu tödlicher Sicherheit be- hauptet werden, daß die Zeit, die der Angestellte aus Grund des bestehenden Gesetzes zurückgelegt bat, auf die Wartezeit der er strebten Versicherung wird angerechnet werden, so daß die Zurück legung einer Wartezeit, die doch den neueintretenden Versicherten wird auferlegt werden müssen, für diese Versicherten überflüssig wird. Für manchen, der vorzeitig invalide wird, wird das eine ungeheure Wohltat und für alle andern eine ungeheure Be ruhigung bedeuten. Dazu kommt noch, daß die Berechnung der Höhe der Renten nach dem neuen, zu erwartenden Gesek ohne Zweifel in derselben Weise wie beim Jnvalidenversicherungsgesetz auf Grund der Dauer der Versicherung erfolgen wird. Wer also schon heute versichert, schafft sich auf indirektem Wege schon heute einen Anspruch auf eine höhere Rente auf Grund des er- strebten Gesetzes, indem er die der Berechnung der Rente zugrunde liegende Versicherungszrit verlängert. Wer also die Gehaltshöhe von 2000 übersteigt, sollte unbedingt bei der allgemeinen In validenversicherung weiterkleben: ob,nein werden stch viele Prinzipale bereit finden kaffen, einen Teil des Betrages auf ihre Tasche zu übernehmen. Man kann sich der Mahnung des Verbände- an die Privatangeftellten gewiß nur anschließcn. Wenn diese der Mahnung Folge leisten, beweisen sie auch ihrerseits das Vor liegen eine- Bedürfnisse- nach Versicherung und der staat lichen Regeluna ter Versicherung-pflicht und fördern dadurch die in dieser Beziehung vorhandenen Bestrebungen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite