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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192511139
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19251113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19251113
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1925
- Monat1925-11
- Tag1925-11-13
- Monat1925-11
- Jahr1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1925
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Aean Paul Zu seinem 10V. Todestage, dem 1t. November. Bon W. L ch u m a n n. Am 1t. November ist Jean Paul 100 Jahre tot. Die Gegenwart hat ikn fast vergessen. Leine dickleibigen Ro mane sind Ladenhüter geworden und drohen, sich in Maku latur zu verwandeln. Unsere hastende Zeit bringt weder Konzentration noch Geduld aus, den süßen Kern aus der harten Lchaie der änderen Einkleidung seiner Werke heraus- znschalen. Wir Haven »ns an einen Komfort des Denkens ge wöhnt, lassen uns gern die geistigen Genüsse bequem zurecht machen, geniesten das Gute, ohne uns lange mit den Hindcr? niisen avznmühcn. Noch ist unsere praktische Zeit jener Welt überschwenglicher Empfindung gänzlich entfremdet. Wir sind nüchterner geworden, betrachten die Tragik des Lebens zwar.non ihrer ernsten Leite, ohne dabei jedoch sentimental zu werden. Solle» wir ans diesem Grunde die Werke Jean Pauls verachten ? Nein! öl.'ag der gedrängte Latzban für unsere Jugend auch »»genießbar sein, die kleineren Erzählungen gehören noch heute zu den täglichen Erfrischungen und Er heiterungen unseres Lebens. Nicht die scharfe, ätzende Larirc. nicht der zu schaltendem Gelachter herausfordernde Witz, sondern die sinnige, erfahrene Betrachtung der Welt und ihrer Bewohner ist cs, die uns den dichtenden Erzähler als Genius vor Äugen führt, dessen ungeheures Wissen, Treffsicherheit der Bergleichc und wundervolle Beherrschung der Lprache uns mächtig ergreift. Lein sprühender, glän zender. unerschöpflicher Geist, sein tiefes Gemüt, die grobe Eingabe an die Namr und die Poesie stiller Lebensweise tennzeichncil ihn als einen Dichter wahrhafter Grütze. Biellcichl kommt einmal die Zeit, dah der Ausspruch Ludwig Börnes zur Wahrheit wird: „Ein Lrern ist untcrgcgänge», und da» Auge dieses Jahrhunderts wird sich schlichen, bevor er wieder erscheint: denn in weiten Bahnen zieht der leuch tende Genius, und erst späte Enkel heißen freudig will kommen, von dem trauernde Bäter einst meinend geschieben sind." Versagt die Gegenwart Jean Paul die Anerkennung, einer späteren Generation bleibt es Vorbehalten, in neu- erwachendem Enthusiasmus die Bahnen des Meisters zu wandeln. Lelbst Lhakespeare war sür eine ganze Gene ration verschollen. LLwohr Jean Paul mit dem Frühling am 21. März 1763 morgens in dem ireundlichen Ltädtchcn Wunsiedel am Fuße des tannen- und wasserreichen Fichtelgebirges das Licht der Welt erblickte, führte ilm sein Lebensweg durch ödes, kahles Land, durch Ltcinwüsten und Dornen, soviel Blumen er auch aus dem reichen Füllhorn der Fee in seine Werke schüttete. Als Lohn eines Landpfarrers verlebte er seine Kindheit und erste Jugend in Wunsiedel, Joditz bei München und Lchwarzenbach an der Laalc, deren Ein drücke ihm unauslöschlich geblieben sind. Leine Erinne rungen reichten in eine sehr frühe Zeit seiner Kindheit zu rück, und gerade aus Lieser Quelle schöpfte seine Muse. Nichts ill reizender, als die Jdnllen der Pfarr- unb Lchul- häuser und des Land- und Turflebens, die nicht nur in seinen Hanpiwcrken die anmutigsten Episoden bilden, son dern die er auch in „Quintus Firlein", „Fibel" und „Wutz" selbständig behandelt hat. Aus Wunsiedel, das Jean Paul schon mit dem 2. Lebensjahr verließ, nahm er noch eine kleine gleiche Erinnerung mit, die gleichsam das erste Früh- lchnceglöckch.en aus dein Erdboden der Kindheit war, die Erinnerung an einen armen Lchülcr, der ihn sehr lieb gehabt und ihn aus den Armen getragen hatte. „Dies Morgenstcrncben frühster Erinnerung erblaßte aber immer mehr, je höher das Tageslicht des Lebens stieg." Aus Joditz besann sich Jean Paul noch aus seine „erste Liebe", ein blauäugiges Bauernmädchen seines Alters von schanker Gestalt uud eirundem Gesicht mit Blatternarben, der er abends, wenn sic ihre Wcidekühe nach Hause trieb, von der Hofmaucr herab Zuckerwcrk gab. I» Lchwarzenbach begann die Bildung deS Knaben, durch regelmäßigen Lcbulbesuch bei unbezwinglichem Wissens durst, der'zunächst durch Robinsonoüen und Romane, später durch die reichhaltige Bibliothek des Pfarrers Vogel be friedigt wurde, große Fortschritte zu machen. Schon mit fünfzehn Jahren machte er Auszüge aus den verschiedensten Büchern. Bor allem aber waren es die witzigen Schriften des Königsbergers Hippel, die einen großen Eindruck auf ihn machten. Weniger Interesse brachte er dem soeben herausgegebenen Roman Goethes „Die Leiden des jungen Weither" entgegen. Nach seines Vaters Tode hatte er zehn Jahre bittersten Lebenskampfes zu bestehen. 1781 begab er sich nach Leipzig, um Theologie zu studieren. Dort machte er sich durch-seins auffällige Kleidung (Hamletmuster) in weiten Kreisen äußerst unbeliebt, indem er mit offenem Hals und offener Brust ins Kolleg ging. Tie Not rückte an ihn heran und zwang ihn. der Muse die Hand zu reichen. Er hatte Erfolg mit den „Grönländischen Prozessen". Mit diesem Zeitpunkt be ginnt seine eigene schriftstellerische Tätigkeit. Jedoch war ihm Fortuna in den ersten Jahren weniger hold gesinnt; denn selten fand er einen Verleger seiner Schriften. Erst mit der „Unsichtbaren Loge" begann sich der Lebenshorizoyt Jean Pauls zu lichten. Beflügelt vom Erfolg schuf er nun seine besten Werke. Ter „Hcsperus" wurde zu seiner Zeit ein Moderoman und die Lieblingslcktüre der Frauey. Großes Aufsehen erregte auch bas „Leben des Ouintu- Fixlein". Ten Höhepunkt des Enthusiasmus für Jean Pauls Schriften hatte im Jahre 180V Berlin erreicht. V<- geistertc Frauenkrcise umringten ihn und betrachteten ihn als ein höheres Wesen. Auch die Königin Luise hatte ihp nach Sanssouci geladen. Als sein Meisterwerk gilt der „Titan", den er 186» vollendete. Aus allen Schriften Jean Pauls tritt uns der Reichtum seines Genies entgegen. Allerdings hat er kein Gedicht, kein Drama, überhaupt kein Werk in metrischen Formest, geschrieben. Seine Lieblingsform ist der humoristische Ny- man. Sie selbständige Humoreske und Satire in Prosa, die Idylle und das Epigramm in „Streckversen", wie er scher zend seine Prosa in schwunghafteren Anläufen zu bezeichnen pflegte. Ruhig, ohne voraufgegangene Krankheit, beschloß Jean Paul am 14, November 1822 leine« Lebensabend. - Das Geburtshaus. Das durch eine Gedenktafel gekennzeichnete Geburtshaus Jean Pauls, auf dem Kirchplatz. jetzt Jean Pm,l-Platz, in Wunsiedel. Las Dörfchen Jodry an der Saale, in dem Jean Paul den größten Teil seiner Kindb^* verbrach! e. Jean Pauls Arbeitszimmer. Ecke aus Jean.Pauls Arbeitszimmer im Rollwenzelbaus bei Bayreuth. Rechts ein alter außeiserner Oken mit Scbäferscenen, links ans dem Tisch ein Kästchen mit einem Manuskript Jean Pauls, darüber, sein Bild, gezeichnet von C. Vogel. Aus dem Eckbrettchen ein O?l- bild seiner Tochter Emma, links davon , ein Fläschchen, von Jean Paul als Tintenglas benutzt, rechts ein BierglaS. Jean PaulS <Srab auf dem Friedhof in Bayreuth, ein von Efeu überwucherter Hügel mit schrägem Grgnit- block, unter dem er zusammen mit feinem «iuziaen im Alter von 18 Jahren gestorbenjM Sohne Max Emanuel ruht. Die Inschriften auf der schwarztn Marmottafel sind ckamn mehr leserlich.
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